Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102782/9/Ki/Shn

Linz, 06.06.1995

VwSen-102782/9/Ki/Shn Linz, am 6. Juni 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der Marita W, vom 19. April 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 30. März 1995, VerkR96/5127/1993/Bi/Hu, aufgrund des Ergebnisses der am 29. Mai 1995 durchgeführten öffentlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I: Der Berufung wird dahingehend stattgegeben, daß die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe auf 48 Stunden herabgesetzt wird. Im übrigen wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II: Für das Berufungsverfahren ist kein Verfahrenskostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG zu II: § 65 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 30. März 1995, VerkR96/5127/1993/Bi/Hu, über die Berufungswerberin wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) verhängt. Es wurde ihr zur Last gelegt, daß sie am 10.8.1993 um 12.50 Uhr den PKW Kennz. auf der S B 140, Strkm. im Gemeindegebiet von M von M kommend in Richtung P B 138 gelenkt und es unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall, mit dem ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand und bei dem eine Person verletzt wurde, die nächste Sicherheitsdienststelle sofort zu verständigen. Außerdem wurde sie gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 200 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Die Berufungswerberin erhob gegen dieses Straferkenntnis mündlich vor der belangten Behörde am 19. April 1995 Berufung. Sie habe bereits an der Unfallstelle die Gendarmerie vom Verkehrsunfall verständigt, sei aber von C zurückgerufen worden. Anschließend sei sie von einem Autofahrer nach M zu ihr nach Hause gefahren worden. Sie habe dann auch die Gendarmerie vom Verkehrsunfall verständigen wollen bzw wollte sie selbst zum Gendarmerieposten gehen. Sie habe sich aber plötzlich sehr schwach gefühlt und sich dann zu Hause niederlegen müssen.

Sie habe dabei damit gerechnet, daß ohnehin die Gendarmerie zu ihr kommen werde. Die Gendarmeriebeamten seien dann auch glaublich nach ca einer Stunde bei ihr gewesen. Im übrigen sei die Gendarmerie tatsächlich von unbeteiligten Personen, die nach dem Verkehrsunfall am Unfallsort anwesend waren, verständigt worden. Die Gendarmerie sei bereits um 13.10 Uhr an der Unfallstelle gewesen. Sie habe sich beim gegenständlichen Verkehrsunfall den Kopf angeschlagen und nachträglich erst bemerkt, daß sie sich auch das Knie beim Unfall angeschlagen habe. Aufgrund ihrer Schwäche habe sie sich jedenfalls hinlegen müssen und die von ihr beabsichtigte Verständigung nicht mehr durchführen können.

I.3. Die Erstbehörde hat, ohne von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen, die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, weil weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 29. Mai 1995 Beweis erhoben. Bei der Berufungsverhandlung wurden die Beschuldigte sowie als Zeuge Herr Nijas C einvernommen. Ein Vertreter der belangten Behörde hat an der Verhandlung ebenfalls teilgenommen.

I.5. Die Berufungswerberin hat bei ihrer Einvernahme ausgeführt, daß es deshalb zum Verkehrsunfall gekommen ist, weil ihr Herr C während der Fahrt in das Lenkrad gegriffen habe, er sei zu diesem Zeitpunkt sehr zornig gewesen. Sie habe in der Folge die Gendarmerie telefonisch verständigen wollen, sei jedoch von C zurückgerufen worden. Sie sei noch ca eine Viertelstunde bei der Unfallstelle geblieben, und in der Folge von einem nichtbeteiligten Unfallzeugen in dessen Auto nach Hause gefahren worden. C habe angekündigt, daß er die Gendarmerie verständigen werde. Sie selbst habe sich beim Unfall den Kopf angeschlagen und gedacht, daß sie eine Gehirnerschütterung hätte, weshalb sie sich zu Hause sofort niederlegte. Sie könne heute nicht sagen, ob sie damals einen Schock gehabt habe, sie könne sich aber noch an alles erinnern. Sie habe zu Hause deshalb die Gendarmerie nicht angerufen, weil sie dachte, daß diese ohnehin schon verständigt wurde.

Herr C führte als Zeuge aus, daß er beim gegenständlichen Unfall eine Platzwunde an der Stirn erlitten hatte, welche im Krankenhaus genäht werden mußte. Er bestritt ausdrücklich, daß er der Berufungswerberin in das Lenkrad gegriffen habe. Er habe sich doch nicht selbst gefährden wollen. Die Berufungswerberin sei vorerst beim Auto stehen geblieben und sei dann ca fünf bis zehn Minuten später mit dem unbeteiligten Unfallzeugen in dessen Fahrzeug weggefahren. Es sei nicht richtig, daß die Berufungswerberin weggegangen sei, um die Gendarmerie anzurufen. Er habe ihr gesagt, sie solle bleiben bis die Polizei kommt. In der Folge habe er zwei Motorradfahrer ersucht, die Polizei zu verständigen, Rettung und Polizei seien dann etwa eine Stunde nach dem Unfall zur Unfallstelle gekommen. Frau W sei seiner Meinung nach zum Zeitpunkt alkoholisiert gewesen. Er selbst habe damals nichts getrunken.

I.6. In freier Beweiswürdigung gelangt der O.ö.

Verwaltungssenat zur Auffassung, daß der Aussage des Zeugen Glauben zu schenken ist. Der Zeuge wurde über die rechtlichen Konsequenzen einer falschen Zeugenaussage belehrt und es ist davon auszugehen, daß seine Aussage der Wahrheit entspricht. Insbesondere muß wohl angenommen werden, daß er sich kaum selbst dadurch gefährden würde, daß er als Beifahrer der Fahrzeuglenkerin in das Lenkrad greifen werde, um dadurch einen Unfall zu provozieren.

Die Berufungswerberin bestreitet nicht, daß sie der verfahrensgegenständlichen Meldepflicht nicht nachgekommen ist. Ihre Argumentation, warum sie der Meldepflicht nicht nachgekommen ist, ist im vorliegenden konkreten Fall wohl als reine Schutzbehauptung zu werten.

Die Einvernahme eines weiteren geladenen Zeugen, GI Siegfried B, welcher sich am Verhandlungstag telefonisch wegen einer Erkrankung entschuldigt hat, war letztlich entbehrlich, da die erkennende Behörde sich aufgrund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über den maßgebenden Sachverhalt machen konnte.

I.7. Nach Würdigung der erhobenen Beweise hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Sind bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden, so haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, gemäß § 4 Abs.2 StVO 1960 Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

Im vorliegenden Falle wird der Berufungswerberin vorgeworfen, daß sie nach dem verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle nicht sofort verständigt hat. Daß sie ursächlich an dem Verkehrsunfall beteiligt war bzw bei dem Verkehrsunfall ihr Beifahrer verletzt wurde, wird von ihr nicht bestritten.

Daß Wort "sofort" iSd zitierten Gesetzesbestimmung ist im wörtlichen Sinn zu verstehen, sodaß der/die Verpflichtete so rasch wie möglich die Verständigung vorzunehmen hat. Dabei kommt es weder auf das Verschulden noch auf die Art oder Schwere der Verletzung einer Person, sondern einzig allein darauf an, ob ein Unfall mit Personenverletzung vorlag.

Wenn nun die Berufungswerberin argumentiert, Herr C hätte gesagt, daß er die Gendarmerie verständigen werde, so ist dem zu erwidern, daß sich die nach dem § 4 Abs.2 StVO 1960 verpflichtete Person nicht darauf verlassen darf, daß die Sicherheitsorgane von anderer Seite verständigt werden.

Jedenfalls hätte sie dann solange am Unfallsort verweilen müssen, bis sichergestellt war, daß die Gendarmerie tatsächlich verständigt wurde. Selbst dann, wenn sie sich eines Boten zur Verständigung bedient hätte, würde sie für den Fall haften, daß der Bote seinen Auftrag nicht erfüllt.

Es besteht auch in diesem Falle die Verpflichtung, sich von der Ausführung zu überzeugen. Dieser Verpflichtung wird jedenfalls dann nicht nachgekommen, wenn die verpflichtete Person nach Hause fährt und sich nicht mehr um das Unfallgeschehen kümmert. Es ist somit eindeutig erwiesen, daß die Berufungswerberin ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen ist und es ist somit der Tatbestand der verfahrensgegenständlichen Rechtsvorschrift erfüllt.

Was das Verschulden anbelangt, so ist von einem mit den rechtlichen Werten verbundenen Kraftwagenlenker zu erwarten, daß er die gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt. Laut Judikatur des VwGH kann selbst ein Unfallschock nur in besonders gelagerten Fällen und bei gravierenden psychischen Ausnahmesituationen das Unterlassen eines pflichtgemäßen Verhaltens entschuldigen. Einem dispositionsfähig gebliebenen Unfallbeteiligten ist trotz eines sogenannten Unfallschrecks in Verbindung mit einer begreiflichen affektiven Erschütterung pflichtgemäßes Verhalten zumutbar, weil von einem Kraftfahrer, welcher die Risken einer Teilnahme am Straßenverkehr auf sich nimmt, ein solches Maß an Charakter- und Willensstärke zu verlangen ist, daß er den Schreck über den Unfall und die etwa drohenden Folgen zu überwinden vermag (vgl VwGH 11.12.1978, 23/78). Im gegenständlichen Fall ist die Berufungswerberin nahezu unverletzt geblieben und es war auch hinsichtlich der behaupteten Kopfschmerzen bzw Knieverletzung eine ärztliche Behandlung nicht notwendig. Darüber hinaus hat das Ermittlungsverfahren ergeben, daß die Berufungswerberin auch nach dem Unfall ihre Dispositionsfähigkeit in keiner Weise verloren hat. Von einer gravierenden psychischen Ausnahmesituation kann demnach im vorliegenden Falle nicht die Rede sein und es hat die Berufungswerberin die vorgeworfene Unterlassung auch in subjektiver Hinsicht verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten.

Zur - nicht angefochtenen - Strafbemessung wird festgestellt, daß die belangte Behörde bei dem gegebenen Strafrahmen (Geldstrafe von 500 S bis 30.000 S) die Strafe äußerst gering bemessen hat. Die verhängte Geldstrafe ist bei den gegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen (ca 10.000 S monatliches Nettoeinkommen, keine Sorgepflichten) durchaus zumutbar und es hat bereits die belangte Behörde die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Berufungswerberin entsprechend berücksichtigt. Sowohl aus spezialpräventiven als auch aus generalpräventiven Gründen erscheint eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe nicht vertretbar.

Was die Ersatzfreiheitsstrafe anbelangt, so läßt sich dem Gesetz zwar nicht entnehmen, daß innerhalb der gesetzlichen Mindest- und Höchstsätze ein bestimmtes Verhältnis zwischen Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe bestehen müsse. Es ist jedoch auch diesbezüglich eine Prüfung der Tat- und Schuldangemessenheit vorzunehmen. Die erkennende Behörde vertritt die Auffassung, daß die von der belangten Behörde festgelegte Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend dem durch die Geldstrafe bewerteten Unrechtsgehalt der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung zu hoch bemessen wurde, weshalb eine entsprechende Reduzierung geboten erschien.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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