Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-102879/11/Weg/Ri

Linz, 22.12.1995

VwSen-102879/11/Weg/Ri Linz, am 22. Dezember 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung der A K , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P vom 21. April 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft ... vom 28. März 1995, VerkR..., nach der am 18. Dezember 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51i VStG, § 5 Abs.6 StVO 1960.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft ... hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über die Berufungswerberin wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 8.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen verhängt, weil diese am 11. Dezember 1994, um 00.10 Uhr, ihren PKW ... auf der ...

Bezirksstraße von ... kommend zum Grenzübergang ..., Gemeinde ..., gelenkt und sich dabei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 800 S in Vorschreibung gebracht.

2. Die Erstbehörde stützt ihr Straferkenntnis auf eine Anzeige des Gendarmeriepostens ... vom 14. Dezember 1994, wonach die Berufungswerberin die Staatsgrenze Österreich-Deutschland mit ihrem PKW überquerte und in der Bundesrepublik Deutschland angehalten wurde. Entsprechend dieser Anzeige ist vom Zollbeamten der GreKo ... anläßlich der Paßkontrolle festgestellt worden, daß die Berufungswerberin Alkoholisierungsmerkmale aufweist. Die weitere Amtshandlung, nämlich Alkomattest und Blutabnahme, sei von der Grenzpolizei ..., BRD, vorgenommen worden. Dem Gendarmerieposten ... wurde dieser Vorfall von der GreKo ...

mitgeteilt, wobei nach einer von der GreKo ... eingeholten telefonischen Auskunft der Alkotest 2,02 Promille ergeben habe. Da die Berufungswerberin aus Österreich kommend die besagte Staatsgrenze überfuhr, muß sie auch die ...er Bezirksstraße benutzt haben und es besteht sohin der Verdacht, dem § 5 StVO 1960 zuwidergehandelt zu haben. Die für eine vollständige Anzeige notwendigen Daten konnten von der GreKo ... nicht ermittelt werden, da die GreKo ... nicht zur Weitergabe der entsprechenden Daten bereit gewesen sei.

Aus der Anzeige ist noch zu ersehen, daß der Blutalkoholgehalt von 2,02 Promille durch eine Blutabnahme ermittelt worden sei.

Dieser auf telefonischem Wege recherchierte Sachverhalt führte schließlich zur Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960.

Die rechtsfreundlich vertretene Berufungswerberin bringt unter Vorlage entsprechender Urkunden schließlich vor, sie sei wegen des selben Vorfalles vom Amtsgericht Traunstein mittels Strafbefehl zu einer Geldstrafe in der Höhe von 3.600 DM verurteilt worden und sei ihr die Fahrerlaubnis auf die Dauer von 12 Monaten entzogen worden. Eine Doppelbestrafung sei nicht gerechtfertigt.

Die Bezirkshauptmannschaft ... sah in diesem Vorfall jedenfalls auch österreichisches Recht verletzt und erließ ohne daß urkundliche Unterlagen hinsichtlich der Alkoholbeeinträchtigung vorliegend waren - das gegenständliche Straferkenntnis.

3. Die Berufungswerberin bringt in ihrer rechtzeitigen und auch sonst zulässigen Berufung sinngemäß vor, daß sie von einem deutschen Strafgericht wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs.2 StGB rechtskräftig bestraft worden sei. Die ursprüngliche Geldstrafe von 3.600 DM sei auf Grund eines Einspruches gegen den Strafbefehl des Amtsgerichtes ... auf 1.800 DM reduziert worden. Das Strafurteil des Amtsgerichtes .... sei rechtskräftig. Die Berufungswerberin sieht in der Vorgangsweise der österreichischen Behörden eine Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem und vermeint, daß sie wegen der gegenständlichen Fahrt, welche von einem Gesamtvorsatz getragen gewesen sei, nicht noch einmal bestraft werden dürfe.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsakt, sowie durch Vernehmung der Beschuldigten anläßlich der am 18. Dezember 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu welcher ein Vertreter der belangten Behörde nicht erschienen ist.

Zu Beginn dieser Verhandlung brachte der Rechtsfreund der Berufungswerberin ergänzend zu seiner Berufung noch vor, das von der Erstbehörde zur Stützung des Schuldspruches herangezogene Beweismittel der Blutuntersuchung sei auf verfassungswidrige Art zustandegekommen. Durch die gegen den Willen der Berufungswerberin erfolgte Blutabnahme sei das Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Artikel 8 Abs.1 EMRK verletzt worden. Unter Hinweis auf die noch zur alten Fassung der StVO 1960 ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dürfe dieses Beweismittel in einem Verwaltungsstrafverfahren nicht verwertet werden.

Die Berufungswerberin brachte glaubhaft und der Aktenlage nicht widersprechend vor, sie sei in der gegenständlichen Nacht von ..., wo sie in einem Gasthaus Wein konsumiert hätte, mit ihrem PKW in Richtung ... gefahren. In Österreich habe sie dabei auch die ...er Bezirksstraße befahren. Die zu bewältigende Distanz zwischen ... und ... wurde von der Berufungswerberin mit 3 km bis 4 km angegeben. Sie wollte diese Distanz ohne Fahrtunterbrechung bewältigen. Sie habe sich trotz des Alkoholkonsums noch fahrtüchtig gefühlt. Über die Menge des konsumierten Alkohols befragt, führte die Beschuldigte aus, sie könne darüber keine zuverlässigen Angaben mehr machen, jedenfalls hätte sie einige Gläser Wein getrunken.

Sie überfuhr die Staatsgrenze ... - ... und wurde auf deutschem Staatsgebiet zu einem Test ihrer Atemluft auf Alkoholgehalt aufgefordert. Dieser Test habe jedoch offenbar wegen eines technischen Gebrechens des verwendeten Gerätes - kein Ergebnis gebracht, sodaß sie aufgefordert wurde, sich Blut abnehmen zu lassen. Gegen einen derartigen Eingriff habe sie sofort Bedenken geäußert und die letztlich erfolgte Blutabnahme keinesfalls freiwillig durchführen lassen. Ihr sei dabei mitgeteilt worden, daß - wenn sie sich der Blutabnahme nicht zustimme - Zwang angewendet werden würde. Als Justizwachebeamtin habe sie übrigens von der Aussichtslosigkeit der Weigerung hinreichend Bescheid gewußt. Auf Grund ihrer beruflichen Erfahrung sei sie nämlich informiert gewesen, daß im Falle der Weigerung eine zwangsweise Abnahme des Blutes (letztlich auch in Form von physischer Gewaltanwendung) erfolgen werde. Auf eine derart gewaltsame Blutabnahme habe sie sich letztlich nicht eingelassen. Sie sei jedoch zu dieser Blutabnahme an sich nicht bereit und nicht willens gewesen. Sie habe sich bei der - durch einen Arzt vorgenommenen - Blutabnahme lediglich körperlich nicht zur Wehr gesetzt.

In diesem Zusammenhang legt die Berufungswerberin die Bestimmung des § 81a der deutschen StPO vor, wonach Entnahmen von Blutproben ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig sind, wenn kein Nachteil für die Gesundheit des Beschuldigten zu befürchten ist.

Über Befragen, ob die der Blutabnahme vorangegangene Testung der Atemluft auf Grund eines körperlichen Gebrechens oder sonstiger Umstände, die in ihrer Person liegen, nicht zustandekam, führte sie aus, daß sie gesund sei, kein bronchiales Leiden habe und sohin keine Gründe, die in ihrer Person gelegen waren, das Zustandekommen des Atemtests verhinderte.

Die Aussagen der Beschuldigten, die im übrigen bis zum gegenständlichen Vorfall auch in der Bundesrepublik Deutschland völlig unbescholten war, wirkten glaubhaft und sind vor allem auch nicht widerlegbar, sodaß aufgrund dieses von der Berufungswerberin geschilderten Sachverhaltes zu entscheiden war.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß der im Verfassungsrang stehenden Bestimmung des § 5 Abs.6 StVO 1960 in der Fassung der 19. StVO-Novelle ist an Personen, die gemäß Abs.5 Z2 zu einem Arzt gebracht werden und die verdächtig sind, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu befinden, eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen; die Betroffenen haben diese Blutabnahme vornehmen zu lassen.

Gemäß § 5 Abs.5 Z2 StVO 1960 sind Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, daß sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt zu bringen, sofern eine Untersuchung gemäß Abs.2 (Atemluftprobe) aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war. Wer zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem Arzt gebracht wird, hat sich einer Untersuchung durch diesen zu unterziehen.

Nachdem als einziges Beweismittel für die Alkoholbeeinträchtigung der aus der Blutabnahme resultierende Alkoholgehalt des Blutes vorliegt, ist zu prüfen, ob dieses Beweismittel verwertbar ist oder ob ein Beweismittelverwertungsverbot die Verwertung dieses Beweises ausschließt.

Die noch zur alten Rechtslage ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (verstärkter Senat) ist für die Beurteilung dieser Frage nicht nur hilfreich sondern direkt umsetzbar. Demnach dürfen die Ergebnisse einer Blutalkoholuntersuchung zur Erbringung des Nachweises der Begehung einer Verwaltungsübertretung gegen einen Verkehrsteilnehmer als Beschuldigten, dem ohne dessen Verlangen oder ohne dessen Zustimmung Blut abgenommen worden ist, im Verwaltungsstrafverfahren nur unter der Voraussetzung verwertet werden, daß die Blutabnahme nicht gegen § 5 Abs.6 StVO verstoßen hat. Eine gegen die Vorschriften des § 5 Abs.6 StVO 1960 (alte Rechtslage) verstoßende Blutabnahme ist verfassungswidrig.

§ 5 Abs. 6 StVO 1960 (neue Rechtslage) stellt eine ausdrücklich in den Rang einer Verfassungsbestimmung erhobene Ausnahmebestimmung dar. Eine verfassungsgesetzliche Ausnahmebestimmung ist streng und somit einschränkend, zu interpretieren. Dies ergibt, daß der im § 46 AVG verankerte Grundsatz, daß die Beweismittel nicht taxativ aufgezählt sind, bei der Beurteilung der Übertretung nach § 5 Abs.1 StVO 1960 nicht so weit ausgedehnt werden darf, daß auch den Bestimmungen des § 5 Abs.6 StVO 1960 zuwiderlaufende Blutproben zur Herstellung des Schuldbeweises verwendet werden dürften.

Weil eine Blutabnahme zufolge der hier anzuwendenden Verfassungsbestimmung nur zulässig ist, wenn die Untersuchung der Atemluft aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war und weil (siehe Sachverhalt) derartige in der Person des Probanden gelegene Gründe nicht vorliegend waren, wurde die im Verfassungsrang stehende Bestimmung des § 5 Abs.6 StVO 1960 verletzt.

Das entgegen § 5 Abs.6 StVO 1960 zustandegekommene Beweisergebnis ist sohin kein zur Erbringung des Nachweises der Begehung der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 verwertbares.

Andere Beweise einer Alkoholbeeinträchtigung iSd § 5 Abs.1 StVO sind mit einer für ein Verwaltungsstrafverfahren ausreichenden Sicherheit nicht vorliegend, sodaß das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen ist.

Auf die weiteren Berufungsgründe, insbesondere ob für die als Einheitsdelikt zu wertende Gesetzesverletzung eine Bestrafung sowohl in der BRD als auch in Österreich zulässig ist, war bei diesem Verfahrensergebnis nicht mehr einzugehen. Ob sohin eine Verletzung des Art.4 des 7. Zusatzprotokolles der EMRK (ne bis in idem) vorliegt bzw.

ob ein Doppelbestrafungsverbot im Wege der Interpretation etwa mit den Bestimmungen des StGB oder auch des VStG abgeleitet werden kann, sei dahingestellt, einiges jedoch spricht sicher auch für eine derartige Annahme.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum