Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-102901/2/Bi/Fb

Linz, 09.01.1996

VwSen-102901/2/Bi/Fb Linz, am 9. Jänner 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn H T, S, B, vertreten durch Dr. U S und Dr. G S, Rechtsanwältinnen in B, H, vom 8. Mai 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 19.

April 1995, VerkR96-2582-1994, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 45 Abs.1 Z2 1.Alt. VStG, §§ 46 Abs.4 lit.d iVm 99 Abs.3a StVO 1960.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 46 Abs.4 lit.d iVm 99 Abs.3a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil er am 22. März 1994 um ca 15.15 Uhr mit dem Kraftwagenzug, Kennzeichen und , den Pannenstreifen der A8 Innkreisautobahn bei ABkm , Gemeinde S, in Fahrtrichtung S, vorschriftswidrig befahren habe. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 100 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, es sei richtig, daß gemäß § 46 Abs.4 lit.d StVO das Befahren der Pannenstreifen auf Autobahnen mit Ausnahmen verbunden sei, jedoch ergebe sich aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der 10. StVO-Novelle ebenso wie aus der Systematik dieser Bestimmung, daß diese auf ein tatsächliches Befahren des Pannenstreifens abstellt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage werde darauf hingewiesen, daß durch diese Bestimmung insbesondere das Befahren des Pannenstreifens bei Stauungen auf der Autobahn verhindert werden soll. Ein solches Befahren könne ihm aber nicht vorgeworfen werden, weil er sein Fahrzeug lediglich infolge eines Gebrechens am Pannenstreifen angehalten habe, was nicht unter diese Bestimmung subsumiert werden könne; es käme allenfalls § 46 Abs.4 lit.e leg.cit. in Betracht. Er habe jedoch gegen keine dieser Bestimmungen verstoßen, sondern sich vielmehr an das Gebot des § 46 Abs.3 StVO gehalten, wonach ein Fahrzeug, welches infolge eines Gebrechens oder dergleichen auf der Autobahn angehalten werden muß, möglichst auf dem Pannenstreifen abzustellen sei.

Es sei zwar richtig, daß ihm das Gebrechen, nämlich der defekte Fahrtenschreiber, schon einige Zeit vor dem Anhalten auf dem Pannenstreifen aufgefallen sein müsse. Unabhängig davon habe er aber die Absicht gehabt, auf einen Parkplatz zu fahren und den Mangel, wenn möglich, dort zu beheben.

Unerwarteterweise sei jedoch der fragliche Parkplatz gesperrt gewesen, sodaß er eben gezwungen gewesen sei, den Mangel am Pannenstreifen zu beheben.

Die Erstinstanz habe unter "Gebrechen oder dergleichen" iSd § 46 Abs.3 StVO nur solche Gebrechen verstanden, welche ein Weiterfahren unmöglich machen. Dieser Rechtsansicht könne nicht gefolgt werden, weil dies ergebe, daß ein Fahrzeuglenker seine Fahrt auf der Autobahn in jedem Fall fortzusetzen hätte, es sei denn, es würde eine völlige Fahruntüchtigkeit des Fahrzeuges vorliegen. Gemäß dieser Bestimmung sei der Lenker eines Fahrzeuges, das aus den angeführten Gründen auf dem Pannenstreifen abgestellt worden sei, verpflichtet, dafür zu sorgen, daß er mit dem Fahrzeug die Fahrt ehestens fortsetzen könne. Genau das habe er getan, indem er den Defekt am Fahrzeug behoben und unmittelbar danach seine Fahrt fortgesetzt habe. Eine Bestrafung gemäß § 46 Abs.4 lit.d StVO sei daher nicht gerechtfertigt, weshalb er die Einstellung des Verfahrens beantrage.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus ergibt sich, daß der Rechtsmittelwerber als Lenker des genannten Kraftwagenzuges zur Anzeige gebracht worden war, weil er diesen am 22. März 1994 um ca 15.15 Uhr auf dem Pannenstreifen der Innkreisautobahn in Fahrtrichtung S bei ABkm zum Stillstand gebracht habe, um den Fahrtenschreiber, der seit 13.00 Uhr ausgefallen gewesen sei, angeblich durch Auswechseln einer defekten Stecksicherung wieder in Betrieb zu setzen. Dem Meldungsleger BI K war der Kraftwagenzug im Rahmen des Verkehrsüberwachungsdienstes auf dem Pannenstreifen stehend aufgefallen, und bei der anschließenden Kontrolle vor dem Grenzübergang in S wurde die Diagrammscheibe kontrolliert. Diese war laut Aussage des Lenkers um 7.20 Uhr desselben Tages bei der Firma H in T, T - O, eingelegt worden. Nach der Beladung in S sei der Lenker um 10.07 Uhr in Richtung S losgefahren, wobei auf der Diagrammscheibe ersichtlich ist, daß der Fahrtenschreiber um 13.00 Uhr ausgefallen ist.

Der Rechtsmittelwerber hat bei der Amtshandlung angegeben, der Fahrtschreiber sei in der Gegend von M plötzlich ausgefallen, worauf ihn eine Warnhupe zeitweise aufmerksam gemacht habe. Er habe aber noch bis zum Parkplatz kurz vor der Grenze fahren wollen, um den Fahrtenschreiber dort wieder in Betrieb zu setzen. Der Parkplatz sei jedoch gesperrt gewesen, sodaß er auf dem Pannenstreifen kurz stehengeblieben sei und die Sicherung eingesetzt habe. Er sei daraufhin zur Grenze weitergefahren und der Tacho habe wieder funktioniert.

Dem Gutachten des technischen Amtssachverständigen beim Amt der o.ö. Landesregierung, Ing. K, vom 29. November 1994 ist zu entnehmen, daß aus der beigelegten Tachoscheibe ersichtlich sei, daß zwischen 13.00 Uhr und 15.15 Uhr der Geschwindigkeitsschreiber, der Wegstreckenschreiber und der Zeitgruppenschreiber ausgefallen, dh aufgrund der defekten Sicherung stromlos gewesen seien. Die Uhr sei jedoch in Betrieb gewesen. Bei Ausfall der Stromversorgung falle die Nadel des Geschwindigkeitsschreibers auf die Grundlinie ab, die direkt mit dem Zeiger des Geschwindigkeitsmessers gekoppelt sei, dh der Zeiger befand sich zwischen 13.00 Uhr und 15.15 Uhr am unteren Anschlag bei 0 km/h. Der Sachverständige kommt weiters zu dem Ergebnis, daß mit der vom Lenker eines Kraftfahrzeuges geforderten Aufmerksamkeit der Beschuldigte bereits während der Fahrt den Ausfall des Fahrtenschreibers unmittelbar nach 13.00 Uhr wahrnehmen hätte müssen.

Die Erstinstanz hat in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses auf der Grundlage der Beschuldigtenverantwortung als erwiesen angenommen, daß dem Rechtsmittelwerber der defekte Fahrtschreiber bereits in der Gegend von M aufgefallen ist. Sie ist auch davon ausgegangen, daß ein defekter Fahrtschreiber sicherlich kein Anlaß sei, diesen als Gebrechen anzusehen, welches das Befahren des Pannenstreifens rechtfertige. Dieser habe primär den Zweck, fahrunfähig gewordene Fahrzeuge vom Fahrstreifen wegzubringen. Der Wegfall eines Fahrtschreibers stelle aber keine Panne dar, welche den Lenker an der Weiterfahrt hindere. Dies habe sich auch aus der Beschuldigtenverantwortung insofern ergeben, als der Rechtsmittelwerber angeführt habe, er habe noch beabsichtigt, bis zum Parkplatz vor dem Grenzübergang S zu fahren und dort die Sicherung auszuwechseln. Die Erstinstanz schloß daraus, daß dem Rechtsmittelwerber somit eindeutig klar gewesen sei, daß zur Behebung von Fahrtschreibermängeln ein Parkplatz aufzusuchen sei. Da der letzte Parkplatz vor der Grenze überraschend gesperrt gewesen sei, sei der Rechtsmittelwerber gezwungen gewesen, vorschriftswidrig den Pannenstreifen zu befahren, um nicht mit einem defekten Fahrtschreiber zur Grenze zu kommen und von einem Grenzbeamten beanstandet zu werden. Die Erstinstanz hat im übrigen ausgeführt, es sei höchst bemerkenswert, daß der Fahrtschreiberdefekt etwas über zwei Stunden angedauert habe, sodaß der Verdacht naheliege, daß allfällige Geschwindigkeitsüberschreitungen in diesen zwei Stunden bei der Kontrolle des Fahrtschreibers an der Grenze nicht ersichtlich gemacht werden sollten.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß sich aus dem Akteninhalt der von der Erstinstanz beabsichtigte Tatvorwurf dergestalt entnehmen läßt, daß diese nicht beabsichtigt hat, dem Rechtsmittelwerber ein konkretes Befahren des Pannenstreifens - um auf den Pannenstreifen anhalten, halten oder parken zu können, muß dieser logischerweise vorher befahren werden, wobei die Länge der Fahrtstrecke auf dem Pannenstreifen irrelevant ist - vorzuwerfen, sondern die Vorschriftswidrigkeit seines Verhaltens dahingehend angenommen wurde, daß der Rechtsmittelwerber, obwohl nach Ansicht der Erstinstanz keine Panne vorlag, die eine Benützung des Pannenstreifens gerechtfertigt hätte, auf diesem seinen Kraftwagenzug zum Stillstand brachte, um die Sicherung des Fahrtschreibers zu wechseln. Das vorzuwerfende Verhalten bezog sich daher nicht auf das Befahren des Pannenstreifens, sondern auf das Zumstillstandbringen des Kraftwagenzuges auf dem Pannenstreifen, für das seitens der Erstinstanz in rechtlicher Hinsicht keine Rechtfertigung zu finden war.

Ein solches Verhalten würde jedoch nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates unter die Bestimmung des § 46 Abs.4 lit.e StVO 1960 zu subsumieren sein. Dies deshalb, weil ein solches Zumstillstandbringen des Fahrzeuges nicht als Anhalten iSd § 2 Abs.1 Z26 StVO 1960 im Sinn eines durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungenen Zumstillstandbringens des Fahrzeuges zu sehen ist, sondern als Halten im Sinn einer nicht durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Fahrtunterbrechung bis zu 10 min gemäß der Bestimmung des § 2 Abs.1 Z27 leg.cit. zu qualifizieren ist.

Dem Rechtsmittelvorbringen ist nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates insofern nichts entgegenzusetzen, als der bloße Vorwurf des vorschriftswidrigen Befahrens des Pannenstreifens im gegenständlichen Fall den beabsichtigten Unrechtsgehalt des Tatvorwurfs nicht erfaßt.

Der Verhaltensunwert lag nicht konkret im Befahren des Pannenstreifens, sondern dieses war vielmehr als Vorbereitungshandlung für das eigentlich verbotene Tun, nämlich das Abstellen des Kraftwagenzuges, obwohl kein "Gebrechen oder dergleichen" vorlag, auf dem Pannenstreifen zu sehen.

Am Rande zu bemerken ist, daß auch der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung vertritt, daß ein Abstellen eines Fahrzeuges auf dem Pannenstreifen nur in äußersten Notfällen erfolgen soll, nämlich zum einen bei Fahruntüchtigkeit des Fahrzeuges - die im gegenständlichen Fall sicher nicht gegeben war - und bei einer möglichen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch das Fahrzeug - die im gegenständlichen Fall auch nicht zu befürchten war.

Der dem Rechtsmittelwerber zur Last gelegte Tatbestand laut Spruch des Straferkenntnisses entspricht somit nicht dem eigentlichen Tatvorwurf, der sich aus der Begründung des Straferkenntnisses ergibt. Im Hinblick auf einen Tatvorwurf gemäß § 46 Abs.4 lit.e StVO 1960 ist jedoch bereits Verfolgungsverjährung eingetreten. Die ihm tatsächlich zur Last gelegte Verwaltungsübertretung hat der Rechtsmittelwerber nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates aber nicht begangen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall des Verfahrenskostenersatzes ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum