Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102925/8/Ki/Shn

Linz, 14.09.1995

VwSen-102925/8/Ki/Shn Linz, am 14. September 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Ing. Wolfgang Z, vom 25. April 1995, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 7. April 1995, Zl.VerkR96-2590-1994/Bi/Hu, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12. September 1995 zu Recht erkannt:

I: Der Berufung wird hinsichtlich Faktum 2 stattgegeben, diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Hinsichtlich Faktum 1 wird die Berufung als unbegründet abgewiesen. In diesem Punkt wird das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II: Hinsichtlich Faktum 2 des angefochtenen Straferkenntnisses entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Hinsichtlich Faktum 1 hat der Berufungswerber zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von 100 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, zu entrichten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG zu II: §§ 64 Abs.1 und 2 sowie 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 7. April 1995, VerkR96-2590-1994/Bi/Hu, über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen in Höhe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) bzw 2.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) verhängt, weil er am 28.3.1994 um 20.30 Uhr seinen PKW, Kennzeichen auf der Westautobahn A1 von Wien kommend in Richtung Salzburg gelenkt hat, wobei er in den Gemeindegebieten S und Linz 1. im Bereich von ABKm. die auf einer Autobahn zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 20 km/h überschritt, 2. im Bereich von ABKm. die Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung" mißachtete, weil er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 50 km/h überschritt.

Er habe dadurch 1. § 20 Abs.2 StVO, 2. § 52a Z10a StVO, jeweils iZm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 verletzt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von jeweils 10 % der Strafe (insgesamt 300 S) verpflichtet.

I.2. In seiner mündlich erhobenen Berufung gegen dieses Straferkenntnis erachtet sich der Berufungswerber der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht als schuldig.

Die ihm zur Last gelegten Tatbestände wären keinesfalls mit Sicherheit erwiesen und er beantrage daher die Einstellung des Strafverfahrens.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, weil weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12. September 1995 Beweis erhoben. Bei dieser Verhandlung wurden der Berufungswerber sowie als Zeugen BI Wilhelm H und RI Franz K einvernommen. Ein Vertreter der belangten Behörde hat an der Verhandlung nicht teilgenommen.

I.5. Der Berufungswerber verblieb bei seiner Einvernahme bei der Rechtfertigung, daß er die vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung nicht begangen habe. Er habe zwar nicht auf das Tacho geschaut, er sei jedoch lediglich 130 - 140 km/h schnell gewesen. Das Gendarmeriedienstfahrzeug sei ihm vorerst aufgefallen, dieses sei hinter einem Kraftwagenoder Sattelzug nachgefahren und er habe dieses zusammen mit diesem Fahrzeug überholt. Er könne sich nicht erinnern, daß er auf ein überholendes Fahrzeug aufgelaufen sei, das Gendarmeriedienstfahrzeug sei ihm nach dem Überholvorgang anfangs nicht mehr aufgefallen. Erst kurz bei der Ausfahrt Linz habe das Dienstfahrzeug mit hoher Geschwindigkeit aufgeschlossen und er sei im Bereich der Ausfahrt Ansfelden von den Gendarmeriebeamten angehalten und mit dem Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung konfrontiert worden.

BI H führte als Zeuge aus, daß er Beifahrer im Dienstfahrzeug gewesen sei. Der Tacho des Dienstfahrzeuges werde einmal in einer Fachwerkstätte eingestellt und in der Folge werde die Einstellung bei den auf der Autobahn aufgestellten Radarkästen immer wieder überprüft. Ihm sei nicht bekannt, daß bei diesen Radarüberprüfungen Abweichungen zur ursprünglichen Einstellung aufgetreten wären. Er habe von der abgelesenen Geschwindigkeit jedenfalls mindestens 10 km/h abgezogen, um eine allfällige Ungenauigkeit zu berücksichtigen. Der Berufungswerber sei damals aufgefallen, nachdem er das Dienstfahrzeug überholt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei das Dienstfahrzeug mit etwa 100 km/h am rechten Fahrstreifen der Autobahn unterwegs gewesen und es sei die überhöhte Geschwindigkeit des Berufungswerbers bereits aufgefallen, weshalb ihm nachgefahren wurde. In der Regel würde zum vorausfahrenden Fahrzeug ein Abstand von etwa 150 Meter eingehalten werden.

Sie seien dem Berufungswerber in gleichbleibendem Abstand nachgefahren und hätten die angezeigte Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt. Die Feststellung der Geschwindigkeit erfolge derart, daß einige 100 Meter hinter dem Fahrzeug in gleichem Abstand nachgefahren werde, dabei werde der Tacho abgelesen und in der Art von Blicksprüngen werde dann während der Nachfahrt der Abstand und die Geschwindigkeit, im Regefall vom Beifahrer, kontrolliert. Im Bereich der Fixradarkabine habe der Berufungswerber sein Fahrzeug abgebremst und es sei den Gendarmeriebeamten gelungen, ihn zu überholen und bei nächster Gelegenheit auf dem Parkplatz der Raststätte Ansfelden anzuhalten. Das Blaulicht sei bei der Nachfahrt nicht eingeschaltet gewesen.

Ob dem Berufungswerber tatsächlich die ganze Strecke in gleichbleibendem Abstand nachgefahren wurde, könne er heute nicht mehr sagen. Es könne sein, daß der Abstand zeitweilig größer geworden sei, nachdem das verfolgte Fahrzeug noch schneller gefahren ist. Jedenfalls seien die Beamten dem Berufungswerber eine ausreichende Strecke in gleichbleibendem Abstand nachgefahren, wobei der Zeuge als ausreichende Strecke etwa 500 Meter verstehe.

RI K hat ausgesagt, daß er Lenker des Dienstfahrzeuges gewesen sei. Die Tachometer der Dienstfahrzeuge würden von Fachwerkstätten eingestellt und in der Folge laufend mittels Radargeräte auf der Autobahn überprüft werden. Ob beim gegenständlichen Dienstfahrzeug jemals Abweichungen zur Grundeinstellung aufgetreten sind, könne er nicht mehr sagen, es würden jedoch auf jeden Fall grundsätzlich 10 km/h von der abgelesenen Geschwindigkeit abgezogen werden. Warum der Berufungswerber damals aufgefallen ist, daran könne er sich nicht mehr erinnern und er könne auch heute nicht mehr sagen, wie schnell er damals gefahren ist. Es sei ihm vorerst nichts Besonderes an der Fahrweise des Berufungswerbers aufgefallen, das Dienstfahrzeug hätte zu ihm aufgeschlossen, als der Berufungswerber durch ein voranfahrendes Fahrzeug aufgehalten wurde. Die Beamten seien dann die gesamte in der Anzeige vorgeworfene Tatstrecke in einem gleichbleibenden Abstand (im Regelfall ca 150 Meter) hinter dem Berufungswerber nachgefahren und es sei dabei die Geschwindigkeit festgestellt worden.

I.6. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung wird festgestellt, daß die Aussagen der Zeugen unter Wahrheitspflicht getätigt wurden und in sich schlüssig und den Denkgesetzen nachvollziehbar sind. Der Beschuldigte konnte sich in jede Richtung verteidigen. Dieser Umstand darf zwar nicht schlechthin für ihn belastend gewertet werden, im konkreten Falle wird jedoch - im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung ist ausschließlich Faktum 1 relevant - den Zeugen Glauben geschenkt. Schließlich handelt es sich bei diesen um zur Wahrnehmung der Vorgänge des öffentlichen Straßenverkehrs bestellte und geschulte Organe der Sicherheitswache, welchen zugebilligt werden muß, daß sie in der Lage sind, Verkehrssituationen zu erkennen und wiederzugeben. Auch ist den Beamten nicht zu unterstellen, daß sie den Berufungwerber zu Unrecht belasten würden.

I.7. Unter Zugrundelegung des sich aus dem vorliegenden Beweisergebnis resultierenden Sachverhaltes hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

I.7.1. Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 in der zur Tatzeit geltenden Fassung darf der Lenker eines Fahrzeuges grundsätzlich auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h fahren.

Im gegenständlichen Falle wurde die vom Berufungswerber gefahrene Geschwindigkeit von den Gendarmeriebeamten durch das Nachfahren mit dem Dienstfahrzeug und das Ablesen der Geschwindigkeit von dessen Tachometer festgestellt. Diese Vorgangsweise stellt laut Judikatur des VwGH (vgl etwa VwGH vom 26.2.1992, 91/03/02292) grundsätzlich ein taugliches und zulässiges Beweismittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehaltenen Geschwindigkeit dar. Voraussetzung für die Geschwindigkeitsfeststellung ist insbesondere, daß das Nachfahren über eine Strecke und eine Zeitspanne erfolgt, die lange genug sind, um die Einhaltung derselben Geschwindigkeit wie der des beobachteten Fahrzeuges prüfen und sodann das Ablesen der eigenen Geschwindigkeit ermöglichen zu können. Weiters bedarf es einer gewissen Zeit, um die eigene Fahrgeschwindigkeit auf die des beobachteten Fahrzeuges einzustellen. Um ein verwertbares Schätzergebnis zu erhalten, muß daher ein annähernd gleichbleibender Tiefenabstand eingehalten werden, genaue Kenntnis der Geschwindigkeitsanzeige bzw deren Fehlergröße vorliegen, längerzeitiges Nachfahren mit gleichbleibender Geschwindigkeit gegeben sein und die Geschwindigkeitsfeststellung muß mindestens zweimal erfolgen. Dementsprechend wird eine Zeit von mindestens neun Sekunden benötigt, um eine solche Geschwindigkeitsfeststellung durchzuführen, was bei einer Geschwindigkeit von 150 km/h eine Strecke von 375 Metern erfordert.

Die vorhin erwähnten Voraussetzungen sind laut den vorliegenden Ermittlungsergebnissen hinsichtlich Faktum 1 erfüllt, weshalb in diesem Falle die vorgeworfene Verwaltungsübertretung als erwiesen angesehen wird.

Zur nicht angefochtenen Strafbemessung (§ 19 VStG) wird diesbezüglich festgehalten, daß bei dem gegebenen Strafrahmen (Geldstrafe bis zu 10.000 S) die Strafe im untersten Bereich festgesetzt wurde. Bei den von der Erstbehörde unbestritten zugrundegelegten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen stellt die Geldstrafe ein Mindestmaß dar, um dem Berufungswerber die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens vor Augen zu führen und ist eine entsprechende Bestrafung auch aus generalpräventiven Gründen vonnöten. Eine Herabsetzung ist daher nicht vertretbar.

I.7.2. Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

Wie bereits oben dargelegt wurde, ist eine Geschwindigkeitsfeststellung durch Nachfahren nur dann zulässig, wenn bestimmte Kriterien eingehalten werden.

Im vorliegenden Falle hat der als Beifahrer des Dienstfahrzeuges fungierende Gendarmeriebeamte ausgesagt, daß jedenfalls eine ausreichende Strecke in gleichbleibendem Abstand nachgefahren wurde, wobei er als ausreichende Strecke etwa 500 Meter verstehe. Ob tatsächlich die ganze Strecke in gleichbleibendem Abstand nachgefahren wurde, könne er nicht mehr sagen. Es könne nach der Erfahrung sein, daß der Abstand zeitweilig größer geworden ist, nachdem das verfolgte Fahrzeug noch schneller gefahren ist. Dieser Aussage wird insofern mehr Bedeutung beigemessen, als es sich bei dem Beamten um den Beifahrer im Dienstfahrzeug gehandelt hat und dieser sich logischerweise mehr auf die Einhaltung der Kriterien konzentrieren konnte als der Fahrer selbst.

Es stellt sich für die erkennende Behörde außer Frage, daß der Berufungswerber auch was Faktum 2 anbelangt die erlaubte Höchstgeschwindigkeit vermutlich überschritten hat. Unter Berücksichtigung der obzitierten Judikatur des VwGH stellt jedoch die Geschwindigkeitsschätzung kein taugliches Beweismittel zum Nachweis der tatsächlichen Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit dar, zumal hier offensichtlich kein annähernd gleichbleibender Tiefenabstand zwischen dem Dienstfahrzeug und dem Fahrzeug des Berufungswerbers eingehalten werden konnte.

Es kann daher nicht mit einer zur Bestrafung des Berufungswerbers führenden Sicherheit von der Richtigkeit des Tatvorwurfes hinsichtlich Faktum 2 ausgegangen werden, dh, daß die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

Nachdem gemäß der obzitierten Bestimmung des § 45 Abs.1 Z1 VStG die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen hat, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann, war spruchgemäß zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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