Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103008/14/Bi/Fb

Linz, 21.11.1995

VwSen-103008/14/Bi/Fb Linz, am 21. November 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn W S, S, H, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr.

H S, M, I, vom 26. Juni 1995 gegen die Höhe der mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft G vom 12. Juni 1995, VerkR96, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, verhängten Strafe aufgrund des Ergebnisses der am 16.

November 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Geldstrafe auf 4.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 120 Stunden herabgesetzt.

II. Der Verfahrenskostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 400 S; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 19 VStG, § 99 Abs.3a StVO 1960 idF BGBl.Nr. 518/94.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft G hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3a StVO 1960 eine Geldstrafe von 4.600 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 138 Stunden verhängt sowie einen Verfahrenskostenbeitrag von 460 S vorgeschrieben.

2. Gegen die Höhe der verhängten Strafe hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 16. November 1995 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des rechtsfreundlichen Vertreters, Rechtsanwalt Dr. K R, der Zeugen S und F sowie des technischen Amtssachverständigen Ing. Christian Maurer durchgeführt. Ein Vertreter der Erstinstanz ist nicht erschienen.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, die Schätzung und Verwendung von Stoppuhren zur Ermittlung einer Geschwindigkeitsüberschreitung vor einer bestimmten durch Meßpunkte begrenzten Strecke sei naturgemäß nicht äußerst verläßlich. Durch den Abstand der Fahrzeuge von ca 80 bis 100 m bei der Messung habe sich auch der Sichtwinkel verzerrt, sodaß nicht ausgeschlossen werden könne, daß die Stoppung ungenau sei und die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht 48 km/h betragen habe, sondern in einem geringeren Ausmaß gegeben gewesen sei. Er verfüge über ein geringes Nettoeinkommen von 9.000 S, sei vermögenslos und weder verwaltungsbehördlich noch gerichtlich vorbestraft, sodaß er beantrage, die Strafe entsprechend herabzusetzen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, deren Gegenstand ausschließlich das Ausmaß der - dem Grunde nach unbestritten gebliebenen - Geschwindigkeitsüberschreitung war. Auf der Grundlage der Zeugenaussagen der beiden Gendarmeriebeamten sowie der Argumente des Beschuldigtenvertreters hat der technische Amtssachverständige ein Gutachten zur objektiven Genauigkeit der Stoppuhrenmessung erstellt.

Unbestritten ist, daß der Rechtsmittelwerber als Lenker eines PKW Audi C4 mit deutschem Kennzeichen am 18. März 1995 um ca 21.15 Uhr auf der Innkreisautobahn Richtung Suben fuhr, wobei er sich einem nach außen hin zweifelsfrei als solches erkennbaren Gendarmeriefahrzeug näherte, das mit 130 km/h auf dem rechten Fahrstreifen fuhr und in dem die beiden Zeugen saßen. Das Gendarmeriefahrzeug wurde vom Zeugen F gelenkt, S war Beifahrer. Der Beschuldigte überholte mit seinem Fahrzeug mit einem geringen Geschwindigkeitsunterschied das Gendarmeriefahrzeug und reihte sich vor diesem ein. Anschließend wurde von beiden Fahrzeugen ein ungarischer PKW überholt und danach beschleunigte der Beschuldigte kontinuierlich sein Fahrzeug.

Der Zeuge S hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er habe, nachdem er schon im Rückspiegel gesehen hatte, daß sich ein deutscher PKW mit relativ hoher Geschwindigkeit von hinten dem Gendarmeriefahrzeug näherte, vorsichtshalber - es sei ihm schon einmal passiert, daß er das Kennzeichen eines davonfahrenden PKW nicht mehr ablesen habe können - dessen Kennzeichen notiert. Nachdem der deutsche PKW-Lenker kontinuierlich beschleunigt und das Gendarmeriefahrzeug bereits eine Geschwindigkeit von 170 km/h innegehabt habe und sich der deutsche Lenker weiter entfernte, sodaß die Möglichkeit einer Nachfahrt in gleichbleibendem Abstand nicht mehr gegeben war, entschloß sich der Zeuge S die Geschwindigkeit des vor ihnen fahrenden Beschuldigtenfahrzeuges mit seiner privaten digitalen Stoppuhr zu messen. Er benützte dazu als Orientierungspunkte das rechts neben der Richtungsfahrbahn Suben angebrachte Kilometerschild "23,0" bei Beginn der Stoppung und beendete diese auf Höhe des Strkm 24,500 bei der dort befindlichen Hinweistafel "Innbach". Der Zeuge führte aus, er habe die Stoppung ausgelöst, als sich das Beschuldigtenfahrzeug im Frontbereich an der Kilometertafel 23,0 vorbeibewegt habe, und habe die Messung beendet, als das Fahrzeug ca im Türbereich die Hinweistafel "Innbach" passiert habe. Es habe sich eine Durchfahrtszeit für die Strecke von 1,5 km von 30,33 sec ergeben, woraus sich eine Geschwindigkeit von 178 km/h errechnen habe lassen. Das Beschuldigtenfahrzeug habe sich weiter entfernt und sie hätten es schließlich aus den Augen verloren. Einige Kilometer nachher hätten sie festgestellt, daß ein nur an den Lichtern zu erkennender PKW die Autobahn verlassend die Ausfahrt zum Rasthaus A mit relativ hoher Geschwindigkeit hinauffuhr. Der Zeuge hat aus dem Umstand, daß zu diesem Zeitpunkt kein weiteres Fahrzeug die Richtungsfahrbahn S in diesem Bereich befahren hatte, vermutet, daß dieses Fahrzeug eventuell das von ihm gestoppte Fahrzeug sein könnte. Das Gendarmeriefahrzeug hat dann ebenfalls die Autobahn Richtung Rasthaus A verlassen, wobei beim dortigen Parkplatz festgestellt wurde, daß es sich beim eben geparkten PKW tatsächlich um den gestoppten handelte, dessen Lenker gerade im Begriff war, das Fahrzeug zu verlassen. Bei der Beanstandung durch S hat der Rechtsmittelwerber grundsätzlich die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht bestritten, sondern ausgeführt, er werde die Sache seinem Anwalt übergeben.

Der Zeuge F hat als damaliger Lenker des Gendarmeriefahrzeuges ausgesagt, das Gendarmeriefahrzeug sei ein Opel Omega gewesen, dessen Tachometer durch eine Fachwerkstätte so eingestellt gewesen sei, daß er die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit angezeigt habe. Der Zeuge hat bei der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er habe die Meßstrecke beginnend mit 170 km/h durchfahren und schließlich eine solche von annähernd 180 km/h innegehabt, wobei sich das Beschuldigtenfahrzeug aber von ihnen entfernt habe. Zur Stoppung selbst konnte der Zeuge nichts ausführen, weil er sich auf das Lenken des Gendarmeriefahrzeuges und das Beschuldigtenfahrzeug konzentriert hat.

Der Beschuldigtenvertreter hat ausgeführt, die vorgenommene Stoppung beinhalte mehrere Möglichkeiten von Fehlerquellen.

So sei zB nicht nachvollziehbar, mit welcher Genauigkeit der Zeuge das Passieren der jeweiligen Tafel durch das Beschuldigtenfahrzeug festgestellt habe. Es sei zwar richtig, daß die aus Metall bestehenden Tafeln durch das Anleuchten mit den Scheinwerfern beim Herannahen eines Fahrzeuges aufleuchten, sodaß ihre Position auch aus einiger Entfernung erkennbar wird, jedoch sei der Zeitpunkt des Passierens aus einer Entfernung von 80 bis 100 m nicht exakt erkennbar.

Der Amtssachverständige hat die digitale elektronische Armbanduhr des Zeugen S mit einer digitalen elektrischen Stoppuhr verglichen und ergab sich nach einer Zeit von 44 min und 10 sec keine Abweichung zwischen den beiden Uhren.

Zur Durchführung der Stoppung hat der Amtssachverständige ausgeführt, daß bei einem Menschen nicht von hundertprozentigen Auslösemomenten der Stoppuhr ausgegangen werden könne. Dabei sei aber zu bedenken, daß eine eventuelle Verzögerung sowohl beim Beginn als auch beim Beenden des Stoppvorganges gegeben gewesen wäre. Bei einer Nachfahrposition in einem Abstand von 80 bis 100 m ergebe sich ein flacher Schnittwinkel; es sei daher nur bedingt möglich, die Fahrzeugposition anhand der seitlichen Marken zu bestimmen, sodaß geringfügige Abweichungen im 10-m-Bereich vorstellbar seien. Bei einer Meßstrecke zB von 1.400 m ergebe sich eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 175,7 km/h; bei einem möglichen Zeitverzug beim Auslösen der Stoppuhr und einer Wegstrecke von 1.500 m würde bei einem Zeitverzug von 1 sec und einer Durchfahrtszeit von sohin 31,33 sec würde sich eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 172,4 km/h ergeben. Grundsätzlich sei die Geschwindigkeitsberechnung des Zeugen bei einer Durchfahrtszeit von 30,33 sec für eine Strecke von 1.500 m mit 178 km/h richtig.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt auf dieser Grundlage die Auffassung, daß bei der Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen mittels Stoppuhr grundsätzlich zu bedenken ist, daß diese Meßmethode keinen Anspruch auf hundertprozentige Sicherheit und Genauigkeit erhebt. Abgesehen von den örtlichen Bedingungen und Sichtverhältnissen liegen mögliche Fehlerquellen auch in der geistigen und körperlichen Verfassung des die Stoppung durchführenden Menschen, so zB dessen Sehschärfe, Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit. Einzuräumen ist jedoch, daß eventuelle Verzögerungen beim Auslösen der Stoppuhr am Beginn der Stoppung mit eventuellen Verzögerungen beim Auslösen am Ende der Stoppung aufgrund der Gleichartigkeit der beiden Handlungen gleichgeschaltet sind und daher weitgehend kompensiert werden. Der Zeuge hat selbst ausgeführt, daß er bei Beginn der Stoppung den Frontbereich des Beschuldigtenfahrzeuges herangezogen hat, am Ende der Stoppung jedoch den vorderen oder hinteren Türbereich des Fahrzeuges, sodaß auch diesbezüglich schon eine Toleranz von 2 bis 3 m eingeräumt wurde. Auf der Grundlage der Berechnungen des Amtssachverständigen sind aber trotzdem weitere Toleranzabzüge notwendig.

Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt auf der Grundlage des Beweisverfahrens, insbesondere beider Zeugenaussagen, zu der Auffassung, daß unmittelbar bei Beginn der Stoppung das Beschuldigtenfahrzeug jedenfalls eine Geschwindigkeit von 170 km/h eingehalten hat. Das ergibt sich zum einen aus den Aussagen des Zeugen S, den diese Geschwindigkeit offenbar zur Stoppung veranlaßt hat, zum anderen aber auch aus den Aussagen des Zeugen F, der diese Geschwindigkeit vom eingestellten Tachometer des Gendarmeriefahrzeuges ablesen konnte. Da beide Zeugen übereinstimmend ausgesagt haben, daß der Beschuldigte seine Geschwindigkeit im Zuge des Stoppungsvorganges noch erhöht hat, und schließlich so weit beschleunigt hat, daß sie ihn aus den Augen verloren, ist davon auszugehen, daß die Geschwindigkeit von 170 km/h als kleinster gemeinsamer Nenner und somit als Grundlage für die Überlegungen zur Strafbemessung heranzuziehen ist.

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 reicht bis 10.000 S Geldstrafe bzw zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.

Der Rechtsmittelwerber ist verwaltungsstrafrechtlich unbescholten und bezieht ein Monatseinkommen von umgerechnet 9.000 S netto. All diese Umstände wurden laut Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses von der Erstinstanz berücksichtigt. Die nunmehrige Herabsetzung der verhängten Strafe gründet sich allein auf die im Verhältnis zur Annahme der Erstinstanz geringfügigeren Geschwindigkeit des Rechtsmittelwerbers von jedenfalls 170 km/h. Zu betonen ist aber, daß diese Geschwindigkeit um 40 km/h über der auf österreichischen Autobahnen erlaubten Höchstgeschwindigkeit liegt, wobei das - als erschwerend zu wertende - Ausmaß der Überschreitung im gegenständlichen Fall nicht mehr mit bloßer Sorglosigkeit zu begründen ist, sondern bereits Vorsatz anzunehmen ist, zumal dem Rechtsmittelwerber bewußt sein mußte, daß hinter ihm ein Gendarmeriefahrzeug teilweise sogar mit Blaulicht - fuhr und er dennoch kontinuierlich beschleunigt hat.

Die auf österreichischen Autobahnen geltende Geschwindigkeitsbeschränkung auf 130 km/h ist dabei weder als Richtwert noch als unverbindliche Empfehlung, die sofort ihre Gültigkeit verliert, wenn sich sonst kein Fahrzeug im befahrenen Straßenabschnitt befindet, aufzufassen, sondern als unter den besten Bedingungen gerade noch erlaubte Höchstgeschwindigkeit.

Die nunmehr verhängte Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG vor allem dem Unrechtsund Schuldgehalt der Übertretung, wobei die finanziellen Verhältnisse des Rechtsmittelwerbers eher in den Hintergrund zu treten hatten. Es steht diesem jedoch frei, mit der Erstinstanz eine Ratenvereinbarung zu treffen.

Die verhängte Strafe liegt im mittleren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und soll den Rechtsmittelwerber in Hinkunft zur genauesten Beachtung der Geschwindigkeitsbestimmungen in Österreich anhalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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