Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-103048/18/Bi/Fb

Linz, 03.07.1996

VwSen-103048/18/Bi/Fb Linz, am 3. Juli 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn F S, I, K, vom 6. Juli 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 22. Juni 1995, VerkR96-11491-1993, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 10. April und 20. Mai 1996 und Verkündung am 20. Mai 1996 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird im Punkt 1) keine Folge gegeben und das Straferkenntnis mit der Maßgabe vollinhaltlich bestätigt, daß "ein mehrspuriges Kraftfahrzeug" überholt wurde.

Im Punkt 2) wird der Berufung insofern Folge gegeben, als das Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruches bestätigt, jedoch eine Ermahnung ausgesprochen wird.

II. Der Rechtsmittelwerber hat im Punkt 1) zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 200 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Im Punkt 2) entfällt jeglicher Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 44a Z1, 19 und 21 Abs.1 VStG, §§ 16 Abs.2 lit.a iVm 99 Abs.3a und 97 Abs.5 iVm 99 Abs.4 lit.i StVO 1960 idF BGBl.Nr. 522/1993.

zu II.: §§ 64 Abs.1 und 2 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 16 Abs.2 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 2) §§ 97 Abs.5 iVm 99 Abs.4 lit.i StVO 1960 Geldstrafen von 1) 1.000 S und 2) 500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 1 Tag und 2) 12 Stunden verhängt, weil er am 27.

September 1993 gegen 15.40 Uhr den PKW auf der W Straße B im Gemeindegebiet von M in Fahrtrichtung L gelenkt habe, wobei er 1) bei der Kreuzung mit der S im Bereich des Vorschriftszeichens "Überholen verboten" mehrere in gleicher Richtung fahrende PKW überholt habe und 2) bei der Kreuzung mit der F die von einem Organ der Straßenaufsicht durch deutlich sichtbare Zeichen gegebene Aufforderung zum Anhalten nicht befolgt habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 150 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 10. April und 20. Mai 1996 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers sowie der Zeugen GI J K, Insp. J S und J H durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz hat sich entschuldigt.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er habe am 18. August 1993 um ca 15.50 Uhr auf der B schon von weitem das Gendarmerieauto stehen gesehen. Die Straße sei eine zweispurige Einbahnstraße ohne Sperrlinie. Er sei auf der linken Fahrbahn gefahren. An der Kreuzung angekommen seien vor ihm zwei PKW wegen Rotlicht gestanden und auf der rechten Fahrbahn ein LKW. Bei Grünlicht seien beide PKW nach rechts abgebogen. Der LKW und er seien geradeaus weitergefahren. Bei der nächsten Kreuzung habe er wegen der Verkehrsampel stehen bleiben müssen, und der LKW-Fahrer, Herr H aus W, sagte ihm, daß er von der Gendarmerie aufgeschrieben worden sei. Er habe sich den Grund nicht vorstellen können und sei dann ca um 16.00 Uhr zum Gendarmerieposten gefahren.

Von ihm seien 500 S verlangt worden, die er aber nicht bezahlt habe. Er habe kein einziges Fahrzeug überholt und auch kein Haltezeichen mißachtet. Das sei auch nicht möglich gewesen, weil zwischen ihm und den Beamten der LKW gefahren sei. Er ersuche daher, das Strafverfahren einzustellen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Rechtsmittelwerber gehört und die angeführten Zeugen einvernommen wurden. Außerdem wurde am 10.

April 1996 von der Verhandlungsleiterin ein Ortsaugenschein auf der B im Bereich der Kreuzungen B - S und B - F im Gemeindegebiet von M durchgeführt.

Folgender Sachverhalt ist wesentlich:

Am 27. September 1993 gegen 15.40 Uhr führten GI K und Insp.

S Verkehrsüberwachungsdienst im Bereich der B im Gemeindegebiet von M durch. Das Gendarmeriefahrzeug befand sich in Fahrtrichtung des Rechtsmittelwerbers rechts von der B auf einem kleinen Parkplatz an der F, kurz nach deren Kreuzung mit der B. Vom Standort des Gendarmeriefahrzeuges besteht uneingeschränkte Sicht auf den auf der B aus Richtung W ankommenden Verkehr und auch auf die näher Richtung W liegende ampelgeregelte Kreuzung mit der S. Die B ist im dortigen Bereich so ausgeführt, daß die beiden Richtungsfahrbahnen durch einen Grünstreifen getrennt sind. Auf der B befinden sich vor der Kreuzung mit der S insgesamt vier Fahrspuren, davon die äußerst linke und die äußerst rechte zum entsprechenden Einbiegen und die beiden mittleren für die Geradeausfahrt. Nach der Kreuzung vermindern sich die beiden Fahrstreifen in der Weise, daß der rechte Fahrstreifen weiter Richtung L führt und der linke Fahrstreifen endet, wobei sich linksseitig eine Sperrfläche anschließt. Unmittelbar darauf befindet sich ein Fahrstreifen mit Bodenmarkierungen zum Linkseinbiegen in die T. Bei der Kreuzung mit der F weist die B wieder zwei Fahrstreifen Richtung L auf. Zum Zeitpunkt des Vorfalls bestand in den Kreuzungsbereichen B S und B - F ein Überholverbot für mehrspurige Kraftfahrzeuge, wobei die entsprechenden Vorschriftszeichen gemäß §§ 52a Z 14a und 14b StVO 1960 70 m vor der Kreuzung mit der S und 30 m nach der Kreuzung mit der F angebracht waren.

Beide Gendarmeriebeamte haben im Zuge ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme auf die von GI K geschriebene Anzeige verwiesen und ausgeführt, daß sie sich an das Überholmanöver nicht mehr genau erinnern könnten. Laut Anzeige hat der Rechtsmittelwerber im Bereich der Kreuzung mit der S mehrere PKW überholt. Sie konnten aber keine Angaben mehr darüber machen, wieviele PKW er überholt habe, ob er bei der Kreuzung mit der S bei Rotlicht zum Stehen gekommen oder in einem durchgefahren sei und ob es möglich sei, daß sich auf der rechten Spur ein LKW befunden habe, den er vor der Sperrfläche überholt habe. GI K hat ausgeführt, Insp. S habe sich damals in der Einschulung befunden und er habe aus diesem Grund nur eindeutige Fälle zur Anzeige gebracht. Er habe den Rechtsmittelwerber aufgrund seines zweifelsfrei festgestellten Überholmanövers anhalten wollen, und Insp. S habe ihm eindeutige und deutlich sichtbare Zeichen zum Anhalten gegeben. Er müßte diese auch bemerkt haben, weil er langsamer geworden sei, und es hätte auch eine Möglichkeit der Zufahrt entweder zur F oder zur darauffolgenden Tankstelle gegeben, wenn dem Lenker ein Anhalten auf der B wegen des Verkehrsaufkommens zu schwierig erschienen wäre. Er sei aber weitergefahren.

Insp. S hat ausgesagt, er könne sich nicht mehr erinnern, ob der Rechtsmittelwerber einen Überholvorgang in der Weise durchgeführt habe, daß er zunächst den Fahrstreifen nach links gewechselt und dann überholt habe oder ob er schon auf der linken Spur Richtung L fahrend Fahrzeuge überholt habe.

Er glaube, daß das Überholmanöver schon vor der S begonnen worden sei, wobei sich der Lenker vor der Sperrfläche nach der S auf dem rechten Fahrstreifen eingeordnet habe. Er habe das Zeichen zum Anhalten deutlich und eindeutig gegeben, könne aber nicht mehr sagen, ob er einen Anhaltestab verwendet habe. Der Lenker sei auch langsamer geworden und habe sicher hergesehen, sei aber weitergefahren. Er konnte nicht mehr sagen, ob der Rechtsmittelwerber bei seinem Einordnen vor der Sperrfläche ein rechts befindliches Fahrzeug abgedrängt habe oder ob das Anhalten deshalb nicht möglich gewesen sei, weil sich dicht hinter ihm ein weiteres Fahrzeug befunden hätte.

BI K legte die handschriftlichen Aufzeichnungen des Gendarmeriepostens M von August bis Dezember 1993 vor, aus denen hervorgeht, daß der Rechtsmittelwerber am 27.

September 1993 um 16.00 Uhr beim Gendarmerieposten M erschienen ist, was von dem damals dort im Innendienst beschäftigten RI T in der Dienstvorschreibung festgehalten wurde. Dieser hat auf die Anfrage des Rechtsmittelwerbers über Funk den Meldungsleger verständigt und gefragt, ob er das Kennzeichen des Beschuldigtenfahrzeuges tatsächlich notiert habe. Über Funk sei dann geklärt worden, daß dem Rechtsmittelwerber wegen verbotenen Überholens ein Organmandat von 500 S angeboten werde; wegen der Mißachtung des Anhaltezeichens hätte eine Ermahnung erteilt werden sollen.

Aus den Aufzeichnungen vom 18. August 1993 - an diesem Tag hat sich Insp. S noch in der Gendarmerieschule befunden und GI K hatte nicht mit Insp. S, sondern mit Insp. S Dienst ist keinerlei Eintragung, die den Rechtsmittelwerber betreffen könnte, ersichtlich.

Der vom Rechtsmittelwerber geltend gemachte Zeuge J H hat bei seiner Einvernahme ausgesagt, er sei damals - an Datum und Uhrzeiten konnte er sich nicht erinnern - mit seinem LKW bei der Kreuzung vor der S gestanden, und zwar auf der rechten Fahrspur. Auf der linken Fahrspur seien zwei PKW und dahinter der PKW des Rechtsmittelwerbers gekommen. Er könne aber nicht mehr sagen, ob er selbst zur Kreuzung gerollt und anschließend bei Grün weitergefahren sei, oder ob er bei Rotlicht stehenbleiben mußte. Die drei links von ihm befindlichen PKW seien an ihm vorbeigefahren und er habe aufgrund seiner erhöhten Sitzposition die Gendarmeriebeamten stehen gesehen. Sie hätten beide PKW vor dem Rechtsmittelwerber angehalten bzw seien diese zu den Gendarmeriebeamten gefahren und er habe auch feststellen können, daß ein Gendarmeriebeamter einen Schritt in Richtung B machte und dem Rechtsmittelwerber ein Anhaltezeichen gab, das dieser jedoch ignoriert habe, dh er habe zwar gebremst, sei dann aber weitergefahren. Bei der nächsten Kreuzung sei er dann bei Rotlicht zum Stehen gekommen und habe dem ebenfalls dort stehenden Rechtsmittelwerber gesagt, daß ihn offenbar die Gendarmerie aufgeschrieben habe.

Der Rechtsmittelwerber hat sich im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens dahingehend verantwortet, der Vorfall habe sich nicht am 27. September, sondern schon am 18. August 1993 zugetragen; das wisse er deshalb so genau, weil er sich den 18. August 1993 in seinem Kalender vermerkt habe. Die Beamten seien auch nicht in der F gestanden, sondern schon bei der Kreuzung mit der S. Er hat bei der mündlichen Verhandlung die Kopie des vom Zeugen H ausgefüllten Tachografenschaublattes des LKW vom 18. August 1993 vorgelegt und ausgeführt, er habe sich bei der Kreuzung mit der S auf dem linken geradeaus führenden Fahrstreifen hinter zwei PKW eingeordnet und der LKW sei nach dem Umschalten der Ampel auf Grünlicht langsamer angefahren, sodaß er als drittes Fahrzeug noch vor der Sperrfläche an ihm vorbeigekommen sei. Bei der nächsten Kreuzung habe ihm der LKW-Lenker mitgeteilt, daß ihn der Gendarmeriebeamte aufgeschrieben habe. Er sei zurückgefahren, aber die Gendarmeriebeamten seien nicht mehr da gewesen. Daraufhin sei er zum Gendarmerieposten M gefahren, wo mit ihm ein Protokoll aufgenommen worden sei und sich der diensthabende Beamte über Funk bei den beiden anderen Gendarmeriebeamten über den Vorfall erkundigt habe.

Es sei ihm daraufhin wegen verbotenen Überholens ein Organmandat von 500 S angeboten worden, das er abgelehnt habe. Er habe nicht bemerkt, daß ein Gendarm ihn anhalten habe wollen, er habe nur gesehen, daß die beiden PKW-Lenker vor ihm zum Fahrbahnrand gewunken worden seien. Von der Mißachtung des Anhaltezeichens habe er erst durch die Behörde erfahren.

Auf der Grundlage des Beweisverfahrens gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zweifelsfrei zu der Auffassung, daß sich der gegenständliche Vorfall am 27. September 1993 ereignet hat, zum einen, weil sich sonst die Aufzeichnungen in den Dienstvorschreibungen, die von jedem Gendarmeriebeamten peinlich genau geführt werden müssen, nicht erklären lassen und zum anderen, weil auch die Kopie des Tachografenschaublattes vom 18. August 1993 ersehen läßt, daß der Zeuge H am 18. August 1993 um 15.40 Uhr gar nicht mehr mit seinem LKW unterwegs war, weil die letzte Fahrt vorher offenbar um 14.10 Uhr geendet hat.

Standort der beiden Gendarmeriebeamten war der von diesen beschriebene kleine Parkplatz in der F rechts neben der B, den auch der Zeuge H beschrieben hat.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Zum Vorwurf der Übertretung gemäß §§ 16 Abs.2 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960:

Gemäß § 16 Abs.2 lit.a StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges mehrspurige Kraftfahrzeuge auf Straßenstrecken, die durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" gekennzeichnet sind, nicht überholen; es darf jedoch überholt werden, wenn rechts zu überholen ist.

Gemäß § 2 Abs.1 Z29 StVO 1960 ist als "Überholen" das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einem auf der selben Fahrbahn in der gleichen Richtung fahrenden Fahrzeug anzusehen. Nicht als Überholen gelten das Vorbeibewegen an einem auf einem Verzögerungs- oder Beschleunigungsstreifen fahrenden Fahrzeug oder an einem auf einem Radfahrstreifen fahrenden Radfahrer, sowie das Nebeneinanderfahren von Fahrzeugreihen, auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, auf Fahrbahnen mit mehr als einem Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung und das Nebeneinanderfahren, auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit iSd § 7 Abs.3a StVO 1960 (im Rahmen der freien Fahrstreifenwahl).

Im gegenständlichen Fall hat der Rechtsmittelwerber selbst ausgeführt, daß er vom linken Fahrstreifen aus noch vor der Sperrfläche hinter den vor ihm fahrenden beiden PKW am LKW vorbeigekommen ist und sich vor der Sperrfläche noch vor diesen eingereiht hat. Diese Aussage wird auch vom Zeugen H gestützt, während sich die beiden Gendarmeriebeamten wegen der inzwischen verstrichenen Zeit konkret nicht mehr daran erinnern konnten. Konkrete Anhaltspunkte, daß der Rechtsmittelwerber tatsächlich im Bereich der S mehrere PKW überholt hat, ergab das Beweisverfahren nicht.

Der gegenständliche Vorfall ereignete sich nicht im Ortsgebiet von M, sodaß die Ausnahme der freien Fahrstreifenwahl nicht zutraf. Ebenso war kein Nebeneinanderfahren von Fahrzeugreihen gegeben, weil auf dem rechten Fahrstreifen offenbar nur der LKW unterwegs war und von einer Fahrzeugreihe erst dann gesprochen werden kann, wenn mindestens drei Fahrzeuge auf einem Fahrstreifen hintereinander fahren (vgl VwGH vom 13. April 1984, 83/02/0377).

Das Fahrverhalten des Rechtsmittelwerbers, der auf dem linken geradeaus führenden Fahrstreifen seinen PKW an dem auf dem rechten Fahrstreifen fahrenden LKW vorbeibewegt hat, ist zweifellos als Überholen anzusehen, wobei auch sonstige Ausnahmeregelungen nicht zum Tragen kommen.

Da es sich bei diesem LKW um ein mehrspuriges Kraftfahrzeug handelt und das deutlich sichtbar angebrachte Vorschriftszeichen "Überholen verboten" iSd § 52a Z4a StVO 1960 das Verbot des Überholens von mehrspurigen Kraftfahrzeugen anzeigt, ist das Verhalten des Rechtsmittelwerbers zweifellos unter den ihm vorgeworfenen Tatbestand zu subsumieren. Er hat auch nicht glaubhaft gemacht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, sondern ausgeführt, es sei ihm noch gelungen, vor der Sperrfläche am LKW vorbeizukommen und sich auf dem rechten Fahrstreifen einzuordnen. Er hat daher sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten.

Die Spruchabänderung erfolgte gemäß den Ergebnissen des Beweisverfahrens und ändert nichts am grundsätzlichen Tatvorwurf.

Zur Strafbemessung ist auszuführen:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 reicht bis 10.000 S Geldstrafe bzw bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.

Seitens der Erstinstanz wurden zwei einschlägige Vormerkungen nach den §§ 20 Abs.2 und 52a Z10a StVO 1960 als erschwerend gewertet, während mildernde Umstände nicht gefunden wurden. Diesen Überlegungen ist seitens des unabhängigen Verwaltungssenates nichts entgegenzusetzen, zumal zum Zeitpunkt der mündlichen Verkündung der Berufungsentscheidung die Vormerkungen vom 24. Juni und vom 9. Juli 1991 noch nicht getilgt sind.

Die Erstinstanz ist hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Rechtsmittelwerbers von dessen eigenen Angaben ausgegangen, nämlich einem Monatsnettoeinkommen von 12.500 S, der Sorgepflicht für die Gattin und einer Landwirtschaft mit 5 ha, die verpachtet wurde. Da diesbezüglich nach eigenen Angaben des Rechtsmittelwerbers mittlerweile keine Änderung eingetreten ist, waren diese Angaben auch der Berufungsentscheidung zugrundezulegen.

Der unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, daß die Erstinstanz bei ihren Überlegungen zur Strafbemessung den ihr dabei zustehenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Weitere mildernde oder erschwerende Umstände wurden nicht behauptet und liegen auch nicht vor. Die verhängte Strafe bewegt sich im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und hält auch generalsowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand.

Zum Vorwurf der Übertretung gemäß §§ 97 Abs.5 iVm 99 Abs.4i StVO 1960:

Gemäß § 97 Abs.5 StVO 1960 sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, durch deutlich sichtbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle oder anderer den Fahrzeuglenker oder eine beförderte Person betreffenden Amtshandlungen zum Anhalten aufzufordern. Der Fahrzeuglenker hat der Aufforderung Folge zu leisten.

Das Beweisverfahren hat ergeben, daß der Zeuge Insp. S dem Rechtsmittelwerber ein deutliches Zeichen zum Anhalten gegeben hat, das dieser mißachtet hat. Der Zeuge hat ausgeführt, der Rechtsmittelwerber habe zu ihm hergesehen und sei auch langsamer geworden, dann aber weitergefahren. Das Anhaltezeichen wurde auch vom Zeugen H bemerkt, der den Rechtsmittelwerber bei der nächsten Kreuzung darauf aufmerksam gemacht hat, daß "ihn die Gendarmerie aufgeschrieben habe".

Beide Gendarmeriebeamten konnten sich im Rahmen des Beweisverfahrens nicht mehr an die konkrete Verkehrssituation zu diesem Zeitpunkt erinnern, dh ob knapp hinter dem PKW des Rechtsmittelwerbers ein Fahrzeug fuhr, das durch dessen Anhalten gefährdet oder behindert worden wäre. GI K hat aber ausgeführt, der Rechtsmittelwerber hätte wegen Mißachtung dieses Anhaltezeichens ermahnt werden sollen, was er dem diensthabenden Gendarmeriebeamten beim Gendarmerieposten M auch über Funk mitgeteilt habe.

Nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates ist aufgrund des von den Zeugen übereinstimmend geschilderten Verhaltens des Rechtsmittelwerbers davon auszugehen, daß dieser das Zeichen zum Anhalten bemerkt und durch die Weiterfahrt auch diesen ihm vorgeworfenen Tatbestand erfüllt hat.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Gemäß Abs.2 können die Organe der öffentlichen Aufsicht unter den im Abs.1 angeführten Voraussetzungen von der Verhängung einer Organstrafverfügung oder von der Erstattung einer Anzeige absehen; sie können den Täter in solchen Fällen in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam machen.

Der unabhängige Verwaltungssenat hegt dahingehend Bedenken, ob die vom Meldungsleger beabsichtigte Ermahnung nicht auf Umstände gegründet ist, die tatsächlich in der Verkehrssituation, in der sich der Rechtsmittelwerber zum maßgeblichen Zeitpunkt befunden hat, begründet sind. Der Abstand zwischen dem Beginn der Sperrfläche und der Kreuzung mit der F ist nämlich angesichts der dort gefahrenen Geschwindigkeit relativ gering, sodaß zweifelhaft ist, ob ein Anhalten beim Standort der Gendarmeriebeamten für den Rechtsmittelwerber ohne Behinderung des nachkommenden Verkehrs möglich gewesen wäre. Selbst der Meldungsleger hat ein Anhalten in der darauffolgenden Tankstellenzufahrt in Erwägung gezogen. Da die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhängung einer Organstrafverfügung oder der Erstattung einer Anzeige durch Organe der öffentlichen Aufsicht die gleichen sind, die von der Behörde als Grundlage für ein Absehen von der Verhängung einer Strafe zu beachten sind, ist zugunsten des Rechtsmittelwerbers anzunehmen, daß sein Verschulden an der Mißachtung des Anhaltezeichens als geringfügig anzusehen ist. Die Folgen der Übertretung waren jedenfalls unbedeutend, zumal er ja auch von sich aus beim Gendarmerieposten M erschienen ist.

Aus diesen Überlegungen war im Punkt 2) des Straferkenntnisses spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum