Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109077/2/WEI/Pe

Linz, 30.03.2004

 

 

 VwSen-109077/2/WEI/Pe Linz, am 30. März 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des U W, geb. 01.07.1971, vertreten durch Dr. H - Dr. W , Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 17. Februar 2003, Zl. VerkR 96-8830-2002, wegen Übertretung des § 102 Abs 1 KFG 1967 iVm Art 15 Abs 7 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben am 10.11.2002 um 15.00 Uhr im Gemeindegebiet von Kematen am Innbach auf der Innkreisautobahn A 8 auf Höhe des Strkm.s 243,900 in Fahrtrichtung Wels bis zum Autobahnkontrollplatz Kematen am Innbach als Lenker des Sattelzugfahrzeuges der Marke Scania mit dem behördlichen Kennzeichen mit dem Sattelanhänger der Marke Schmitz Cargobull mit dem behördlichen Kennzeichen den zuständigen Kontrollbeamten auf Verlangen die Schaublätter für die laufende Woche sowie das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche, an dem Sie gefahren sind, nicht vorgelegt, obwohl der Fahrer den zuständigen Kontrollbeamten auf Verlangen jederzeit die Schaublätter für die laufende Woche sowie in jedem Fall das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche, an dem er gefahren ist, vorlegen können muss.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 102 Abs. 1 KFG 1967 i.V.m. Art 15 Abs. 7 der EWG-Verordnung Nr.3821/85"

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde gemäß § 134 Abs 1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 210 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 21 Euro vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 26. Februar 2003 im Wege der Ersatzzustellung zugegangen ist, richtet sich die rechtsfreundlich eingebrachte Berufung vom 12. März 2003, die noch am gleichen Tag rechtzeitig zur Post gegeben wurde und am 13. März 2003 bei der belangten Behörde einlangte. Mit der Berufung wird in der Hauptsache die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens und in eventu ein Vorgehen nach § 21 VStG beantragt.

 

1.3. Mit Bescheid vom 15. April 2003, zugestellt am 29. April 2003, hat die belangte Behörde daraufhin erlassen folgende

 

"BERUFUNGSVORENTSCHEIDUNG :

 

Ihrer schriftlichen Berufung vom 12.3.2003 wird Folge gegeben und das hs. Straferkenntnis vom 17.2.2003, VerkR96-8830-2002, dahingehend abgeändert, dass die Übertretungsnorm gemäß § 102 Abs.1 KFG 1967 sowohl im Spruch als auch in der Begründung dieses Straferkenntnisses zur Gänze aufgehoben wird und die Übertretungsnorm Art.15 Abs.7 der EWG-Verordnung Nr.3821/85 zur Gänze aufrecht bleibt.

 

Rechtsgrundlage: § 64a Abs.1 AVG i.d.g.F."

 

Begründend wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 2001, Zl. 99/02/0057, hingewiesen, wonach die Bestimmungen der EWG-Verordnung Nr. 3821/85 unmittelbar Anwendung finden und den § 102 Abs 1 dritter Satz KFG 1967 insoweit verdrängen.

 

1.4. Mit dem rechtzeitig am 12. Mai 2003 durch seine Rechtsvertreter bei der belangten Behörde eingebrachten Vorlageantrag gemäß § 64a Abs 2 AVG begehrt der Bw die Entscheidung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich über die eingebrachte Berufung. Gemäß § 64a Abs 3 Satz 1 trat die Berufungsvorentscheidung damit außer Kraft.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der nachstehende S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis ging die belangte Behörde auf Grund der Anzeige der Kontrollstelle K davon aus, dass der Bw am 10. November 2002 um 15.00 Uhr als Lenker des bezeichneten Sattelschleppers zu einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle am Autobahnparkplatz K auf der A 8 bei Strkm  in Richtung W angehalten worden ist. Bei dieser Kontrolle stellte der Beamte W M als Straßenaufsichtsorgan der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich fest, dass der Bw die Schaublätter der laufenden Woche und des letzten Tages der vergangenen Woche (Schaublätter vom 4.11.2002 bis 7.11.2002), an dem er gefahren ist, dem Kontrollorgan nicht vorlegen konnte bzw nicht mitführte. Am Ort der Anhaltung habe der Bw angegeben, dass er lediglich 20 Stunden in der Woche und jede zweite Woche am Wochenende arbeite. Deshalb führte er keine Schaublätter mit. Eine Bestätigung über diesen Umstand führte der Bw nicht mit.

 

2.2. Im Einspruch vom 10. Jänner 2003 gegen die Strafverfügung brachte der Bw vor, er hätte die verlangten Tachoscheiben mitgeführt, aber den Beamten Münzker hätten seine Tachoscheiben nicht interessiert. Außerdem hätte er in der Zeit vom 3. November bis 7. November 2002 kein Kfz über 3,5 t gelenkt. Zum Beweis legte er 6 Tachografenschaublätter des Lenkers J W und 1 eigenes Schaublatt sowie eine Arbeitsbestätigung vom 10. Jänner 2003 vor, aus der hervorgeht, dass der Bw bei der Transportfirma A A, G, mit 20 Stunden pro Woche als Kraftfahrer angemeldet sei und nicht jeden Tag einen LKW über 3,5 t lenke. Aus den sieben im Original vorgelegten Tachografenschaublättern, die laut Eintragungen jeweils das gegenständliche Sattelzugfahrzeug mit dem Kennzeichen GR betreffen, ist auf Grund der handschriftlichen Vermerke u.a. ersichtlich:

 

  1. Wallaberger: Daten 3.11. und 4.11.02; Km-Stand: 416270 bis 416934
  2. Wallaberger: Daten 4.11. und 5.11.02; Km-Stand: 416934 bis 417597
  3. Wallaberger: Datum 6.11.02 Km-Stand: 417597 bis 418130
  4. Wallaberger: Daten 6.11. und 7.11.02; Km-Stand: 418130 bis 418700
  5. Wallaberger: Daten 7.11. und 8.11.02; Km-Stand: 418700 bis 419364
  6. Wallaberger: Datum 8.11.02 Km-Stand: 419364 bis 419384
  7. Wimmesberger: Daten 8.11. und 9.11.2002; Km-Stand: 419384 bis 420032

 

Diese Tachografenschaublätter weisen demnach die Fahrten bzw zurückgelegten Kilometer mit dem Sattelzugfahrzeu für die Zeit vom 3. bis 9. November 2002 lückenlos aus. Der Bw ist danach von 8. auf 9. November 2002 ab Kilometerstand 419384 wieder mit dem Sattelzugfahrzeug gefahren und hat 648 km zurückgelegt.

 

Mit der Berufung wurden Ablichtungen von weiteren Tachografenschaublättern des Bw vorgelegt. Ein das Sattelzugfahrzeug GR-741 AJ betreffendes Schaublatt ohne technische Aufzeichnungen vom 9.11. auf 10.11.2002, bei dem auf der Rückseite unter dem Symbol für Ruhezeit ein Balken von etwa 3.45 Uhr bis 24.00 Uhr eingetragen wurde, passt zum oben erwähnten Originalschaublatt Nr. 7, aus dem eine Fahr- bzw Arbeitszeit von 14.30 Uhr (am 8.11.2002) bis ca. 3.45 Uhr (am 9.11.2002) erkennbar ist. In einem weiteren abgelichteten Schaublatt ohne technische Aufzeichnungen hat der Bw den Zeitraum 28.10. bis 8.11.2002 eingetragen und auf der Rückseite handschriftlich gerade noch lesbar vermerkt: "Hiermit bestätige ich das ich in der Zeit vom 28.10.2002 ca. 3.30 bis 8.11.2002 ca. 14.30 kein Kfz über 7,5 to ges Gewicht lt. StVO gelenkt habe".

 

Mit der Berufung wurde schließlich eine zusätzliche im Telefaxweg eingeholte Bestätigung der Transportfirma A A vom 12. März 2003 vorgelegt, in der bestätigt wird, dass der Bw in der Zeit vom 4. bis 7. November 2002 nicht mit einem LKW dieser Firma unterwegs gewesen wäre.

 

2.3. Die belangte Behörde vernahm den Kontrollbeamten M am 6. Februar 2003 zu den Einspruchsangaben des Bw als Zeugen. Dieser erklärte, dass ihm der Bw bei der Kontrolle die Tachoscheiben vom 4. bis 8. November 2002 nicht hätte aushändigen können. Dass er sich nicht dafür interessiert hätte, entspräche nicht den Tatsachen. Da der Bw am Sonntag, dem 10. November 2002, kontrolliert wurde, hätte er eine Bestätigung des Arbeitgebers für die Zeit vom 4. bis 8. November 2002 vorweisen müssen, dass er nicht gefahren ist. Der Zeuge hielt seine Angaben in der Anzeige aufrecht.

 

2.4. Im Straferkenntnis führt die belangte Behörde beweiswürdigend aus, dass den Angaben des Straßenaufsichtsorgans mehr Glauben zu schenken sei als den Aussagen des Bw, weil den Angaben eines Beamten im Hinblick auf seine besondere dienstliche Stellung und strafrechtliche Verantwortlichkeit erhöhte Bedeutung zukomme. Als Zeuge stand er auch unter Wahrheitspflicht, während sich ein Beschuldigter frei verantworten könne. Es seien auch keinerlei Gründe ersichtlich, warum jemand einen anderen einer Verwaltungsübertretung beschuldigen sollte, die er nicht begangen hat.

 

Zum Nichtmitführen der Bestätigung des Arbeitgebers wurde auf den aktenkundigen Erlass des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 21. Dezember 1995, Zl. 179.733/33-I/7/95, hingewiesen. Dieser Erlass betrifft die Kontrolle der EG-Verordnungen 3820/85 und 3821/85 gemäß der Richtlinie 88/599/EWG. Im einschlägigen Punkt 4. wird ausgeführt:

 

"4.Eventuell ist das Mitführen der Schaublätter der vorangegangenen Tage nicht möglich, wegen vorangegangener Krankheit, Urlaub des Lenkers oder weil das Dienstverhältnis erst begonnen hat. In diesem Fall ist eine Bestätigung des Arbeitgebers über diese Umstände mitzuführen. Eine solche Bestätigung ist grundsätzlich zu akzeptieren und es sind keine Zwangsmaßnahmen gemäß § 102 Abs. 12 lit. j KFG 1967 zu setzen (siehe aber 4.3.). Im Formblatt für Straßenkontrollen (Anlage A) ist dies zu vermerken."

 

Die belangte Behörde betont weiter, dass der Bw eine derartige Bestätigung des Arbeitgebers bei der Verkehrskontrolle nicht vorweisen konnte, und verweist in diesem Zusammenhang auf ein dem Straferkenntnis angeschlossenes Formblatt einer Bestätigung des Arbeitgebers wegen Nichtvorlage von Schaublättern. Auf Grund dieses Sachverhalts und der geltenden Rechtslage stünde die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zweifelsfrei fest.

 

2.5. In der Berufung wird zunächst als Verfahrensmangel ein Widerspruch von Spruch und Begründung geltend gemacht. Im Spruch werde auf die Nichtvorlage der Schaublätter und in der Begründung auf ein völlig anderes Verhalten, nämlich das Nichtvorweisen einer Bestätigung des Arbeitgebers entsprechend dem Erlass des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr abgestellt. Dieser Erlass könne keinen Straftatbestand schaffen. In Art 15 Abs 2 und 3d der EWG-Verordnung Nr. 3821/85 werde ausdrücklich normiert, dass Arbeitsunterbrechungen und Tagesruhezeiten auch von Hand eingetragen werden können.

 

Unter dem Aspekt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wird betont, dass der Erlass des Bundesministers nur eine interne Norm sei, die keinen Straftatbestand und keine bindende Verhaltensanforderung schaffen könne. Die verlangte Bestätigung des Arbeitgebers sei nicht durch eine Gesetzesbestimmung gedeckt. Vielmehr normiere Art 3 Abs 2 der Richtlinie 88/599 EWG was Gegenstand der Straßenkontrollen sei, und dass nur bei eindeutigen Anzeichen für Unregelmäßigkeiten der täglichen Ruhezeit die Schaublätter der vorangegangenen Tage zu kontrollieren seien.

 

Die Rechtssicherheit der Kraftfahrer werde durch die Vorgangsweise der Straßenaufsichtsorgane massiv beeinträchtigt. Dem Berufskollegen des Bw Jürgen Obermayr wäre am Pfingstmontag des Jahres 2002 bei einer Kontrolle durch die Autobahngendarmerie am Franzosenhausweg in Linz erklärt worden, dass ein handschriftlicher Vermerk auf den Schaublättern ebenso als Nachweis für vorhergehenden Urlaub bzw arbeitsfreie Zeiten zulässig sei. Deshalb habe es der Bw auch so praktiziert.

 

Die Feststellung der belangten Behörde, der Bw hätte die geforderten Schaublätter nicht mitgeführt, entspreche nicht der Tatsache. Das ergebe sich bereits daraus, dass in der rechtlichen Beurteilung das Nichtmitführen der Arbeitgeberbestätigung als zu subsumierender Sachverhalt herangezogen werde. Daraus könne bereits auf die Nachvollziehbarkeit der Angaben des Bw geschlossen werden, wonach sich das zuständige Straßenaufsichtsorgan an den leeren mit handschriftlicher Erklärung versehenen Schaublättern nicht interessiert zeigte, sondern lediglich die Arbeitgeberbestätigung als Nachweis begehrte. Hätte der Bw tatsächlich keinerlei Schaublätter mitgeführt, erübrigte sich der Verweis auf den Erlass des Bundesministeriums.

 

Wie sich aus den vorgelegten Tachografenscheiben ergebe, habe der Bw vom 28. Oktober bis 10. November kein Kraftfahrzeug über 3,5 t gelenkt. Vielmehr wäre in dieser Zeit das Fahrzeug von Herrn W gelenkt worden. Bei der Gewichtsangabe im handschriftlichen Vermerk (7,5 to) auf der Tachografenscheibe vom 28. Oktober bis 8. November 2002 handelte es sich um einen Schreibfehler. Es müsse selbstverständlich "kein KFZ über 3,5 t Gesamtgewicht" heißen.

 

Somit stünde fest, dass der Bw in der fraglichen Zeit kein KFZ über 3,5 t Gesamtgewicht gelenkt habe und daher auch keine Schaublätter mit Fahrtbewegungen hätte vorlegen können. Das Aufsichtsorgan hätte die handschriftliche Erklärung nicht akzeptiert und eine Arbeitgeberbestätigung verlangt. Da es dafür keine rechtliche Grundlage gebe und die nachträglich vorgelegte Arbeitgeberbestätigung die Ausführungen des Bw decke, hätte die belangte Behörde dies in ihrer Darstellung berücksichtigen müssen.

 

2.6. Die belangte Behörde hat im Vorlageschreiben vom 4. Juni 2003 zur Berufung angemerkt, dass der Hinweis auf den gegenständlichen Erlass des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr keine rechtliche Begründung, sondern eine Beweiswürdigung vornehme, die auf die unmittelbar bei der Kontrolle notwendige Vorlage einer Bescheinigung des Unternehmers/Halters für die Unmöglichkeit der Vorlage von Schaublättern Bezug nehme.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens festgestellt, dass der wesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage abzuleiten und das angefochtene Straferkenntnis bei richtiger rechtlicher Beurteilung aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

4.1. Gemäß Art 15 Abs 7 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr muss der Fahrer den Kontrollbeamten auf Verlangen die Schaublätter für die laufende Woche, sowie in jedem Fall das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche, an dem er gefahren ist, vorlegen. Nach Art 2 dieser Verordnung gelten die Definitionen des Art 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85.

 

Nach der Begriffsbestimmung gemäß Art 1 Z 7 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr ist Fahrer jede Person, die das Fahrzeug, sei es auch nur kurze Zeit, selbst lenkt oder sich im Fahrzeug befindet, um es gegebenenfalls lenken zu können.

 

Nach Art 3 Abs 1 VO (EWG) Nr. 3821/85 muss das Kontrollgerät bei Fahrzeugen eingebaut und benutzt werden, die der Personen- und Güterbeförderung im Straßenverkehr dienen und in einem Mitgliedsstaat zugelassen sind; ausgenommen sind die in Art 4 und Art 14 Abs 1 der VO (EWG) Nr. 3820/85 genannten Fahrzeuge.

Beispielsweise gilt eine Ausnahme nach Art 4 Z 1 VO (EWG) Nr. 3820/85 für Fahrzeuge, die zur Güterbeförderung dienen und deren zulässiges Gesamtgewicht einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 Tonnen nicht übersteigt.

 

Die Strafnorm des § 134 Abs.1 KFG 1967 idFd EUGVIT BGBl I Nr. 32/2002 lautet:

 

Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 1 sowie der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr ABl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 8, geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 3572/90, ABl. Nr. L 353 vom 17. Dezember 1990, S 12, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2.180 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe Arrest bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können Geld- und Arreststrafen auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Arreststrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.

 

4.2. Die belangte Behörde hat dem Bw im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vorgeworfen, am 10. November 2002 um 15.00 Uhr auf der A 8 bei Strkm 24,900 als Lenker des Sattelzugfahrzeuges den Kontrollbeamten nicht die Schaublätter der laufenden Woche sowie das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche auf Verlangen vorgelegt zu haben.

 

Als verletzte Rechtsvorschriften gibt das Straferkenntnis § 102 Abs 1 KFG 1967 iVm Art 15 Abs 7 der EWG-Verordnung Nr. 3821/85 an. Wie schon in der Berufungsvorentscheidung angeführt, betrachtet der Verwaltungsgerichtshof den § 102 Abs 1 dritter Satz KFG 1967, der durch die unmittelbar anwendbare EWG-Verordnung Nr. 3821/85 in seiner Wirkung verdrängt wird, nicht als verletzte Rechtsvorschrift (vgl VwGH 21.4.1999, Zl. 98/03/0356; VwGH 23.2.2001, Zl. 99/02/0057).

 

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass das vom Bw gelenkte Sattelkraftfahrzeug dem Art 3 Abs 1 der VO (EG) Nr. 3821/85 unterlag. Ausnahmefälle, die in den Art.4 und 14 der VO (EG) Nr. 3820/85 angeführt sind, liegen nicht vor.

 

4.3. Die belangte Behörde ist den Angaben des Meldungslegers der Kontrollstelle K (Autobahnkontrollparkplatz K) gefolgt, wonach der Bw die Schaublätter nicht vorgelegt habe. In der aktenkundigen, am 10.01.2003 ausgedruckten EDV-Anzeige GZ. A1/0000000007/01/2002 (GENDIS-Anzeige) wird auf Seite 2 nach Darstellung der Tat "Schaublätter vom 4.11. bis 7.11.2002" beigefügt. Im gewissen Widerspruch dazu ist dann gleich darunter unter "Tatbeschreibung" zu lesen: "Die Schaublätter vom 4.11. bis 8.11.2002 wurden nicht mitgeführt." Aus den in der Anzeige ersichtlichen Angaben des Verdächtigen folgt, dass der Bw seine Teilzeitbeschäftigung als Grund für das Nichtmitführen von Schaublättern angab. Eine Bestätigung über diesen Umstand habe er nicht mitgeführt.

 

Die belangte Behörde ließ die vom Bw mit seinem Einspruch im Original vorgelegten 7 Tachografenschaublätter unberücksichtigt, obwohl sich aus diesen ergibt, dass in der Zeit vom 3. bis 8. November 2002 der Fahrer J W das Sattelzugfahrzeug Kilometerstand von 419384 wieder das angeführte Sattelzugfahrzeug übernommen und damit zunächst bis 9. November 2002 ca. 3.45 Uhr 648 km zurückgelegt hat. Entgegen der Bescheidbegründung hat der Bw nicht 7 sondern nur 6 Tachografenschaublätter des Herrn W vorgelegt. Das 7. Schaublatt vom 8. auf 9. November 2002 weist nämlich den Bw als Lenker aus und wurde auch in dessen Handschrift ausgefüllt.

 

Bereits mit dem Einspruch legte der Bw eine Arbeitsbestätigung vom 10. Jänner 2003 vor, in der die Teilzeitbeschäftigung von 20 Stunden pro Woche bestätigt wird. Mit der Berufung wurde eine weitere Bestätigung des Arbeitgebers über den Umstand vorgelegt, dass der Bw in der Zeit vom 4. bis 7. November 2002 nicht mit einem LKW der Firma A A unterwegs war. Die belangte Behörde hat auf diesen vom Bw vorgelegten Bestätigungen seines Arbeitgebers jeweils nur den Übertretungstag 10. November 2002 vermerkt.

Die belangte Behörde vertritt offenbar im Hinblick auf Punkt 4. des Erlasses des Verkehrsministers vom 21. Dezember 1995, Zl. 179.733/33-I/95, der das Mitführen einer Bestätigung des Arbeitgebers fordert, die Ansicht, dass später vorgelegten Beweismitteln über Umstände, die das Mitführen von Schaublättern unmöglich machten, keine Beweiskraft zukomme und daher nicht mehr zu berücksichtigen seien. Mit diesem Ansatz verkennt die belangte Behörde die Rechtslage. Auch wenn dem zitierten Erlass des Verkehrsministers, der im Übrigen für den Oö. Verwaltungssenat keine verbindliche Rechtsquelle darstellt, in der Sache jene Bedeutung zukommt, dass einer vom Lenker mitgeführten Bestätigung über Hinderungsumstände erhöhte Glaubhaftigkeit zukommt und diese daher grundsätzlich zu akzeptieren ist, bedeutet dies noch nicht, dass nicht auch durch nachträgliche Beweis- oder Bescheinigungsmittel ein solcher Hinderungsumstand dargetan und glaubhaft gemacht werden könnte. Der Verkehrsminister konnte und wollte mit seinem Erlass wohl nur eine Vollzugsrichtlinie für Kontrollbeamte, nicht aber eine rechtsverbindliche Beweisregel für Verwaltungsstrafverfahren schaffen.

 

4.4. Die Verpflichtung des Fahrers zur Vorlage von Schaublättern für die laufende Woche und für den letzten Tag der vorangegangenen Woche, an dem er gefahren ist, auf Verlangen von Kontrollorganen besteht selbstverständlich nur in Bezug auf solche Tage, an denen der Fahrer ein Kraftfahrzeug mit Kontrollgerät selbst gelenkt hat. Der Fahrer muss nämlich nur die ihn selbst betreffenden Schaublätter vorlegen können. Dies geht aus dem Art 15 VO (EWG) Nr. 3821/85 insgesamt, vor allem aber aus der Formulierung der Absätze 2 und 7 klar hervor.

 

Im vorliegenden Fall hat der Bw nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats durch die Vorlage der aktenkundigen Tachografenschaublätter (vgl näher Sachverhaltsdarstellung unter Punkt 2.2.) und die Bestätigungen seines Arbeitgebers glaubhaft gemacht, dass er nur teilzeitbeschäftigt war und in der Zeit ab 3.30 Uhr des 28. Oktober 2002 bis zum 8. November 2002 um 14.30 Uhr keinen LKW mit Kontrollgerät gelenkt hatte. Er hätte demnach bei der Kontrolle am 10. November 2002 das Schaublatt vom 8. auf den 9. November 2003 der laufenden Woche und das letzte Schaublatt der vorangegangenen Woche, also vom 27. auf 28. Oktober 2002, mitführen und auf Verlangen vorweisen müssen. In Bezug auf das letztgenannte Schaublatt fehlt nach der Aktenlage jeder Anhaltspunkt für ein entsprechendes Verlangen des Kontrollorgans. Das vom Bw mit seinem Einspruch vorgelegte Schaublatt vom 8. auf den 9. November 2002 dürfte der Bw bei der Kontrolle mitgeführt haben. Man beachte insofern, dass bei Darstellung der Tat in der Anzeige ebenso wie in der Strafverfügung nur von "Schaublätter vom 4.11. bis 7.11.2002" die Rede ist. Erst in seiner Zeugenaussage spricht der Meldungsleger von der Kontrolle von "Tachoscheiben vom 4.11.2002 bis 8.11.2002". Unter den gegebenen Umständen erscheint dem Oö. Verwaltungssenat die Darstellung der Berufung plausibel, wonach das Straßenaufsichtsorgan in erster Linie eine Bestätigung des Arbeitgebers über Hinderungsumstände verlangte und sich weniger für die tatsächlich mitgeführten Schaublätter des Bw interessierte. Im Hinblick auf den zitierten Erlass des Verkehrsministers vom 21. Dezember 1995 wurde wohl auch die Eigenbestätigung des Bw auf einem Schaublatt für den Zeitraum 28. Oktober bis 8. November 2002 als nicht zulässig betrachtet. Wie in der Berufung zutreffend ausgeführt wird, braucht auf die Arbeitgeberbestätigung laut Erlass nicht hingewiesen werden, wenn der Bw tatsächlich keinerlei Schaublätter mitgeführt hätte. Ein näheres Eingehen auf die Verantwortung des Bw schon bei der Kontrolle am 10. November 2002 kann der Darstellung des Meldungslegers in der Anzeige nicht entnommen werden. Deshalb konnte die Anzeige, auf die sich der Kontrollbeamte M auch in seiner Zeugenaussage berief, inhaltlich wenig zur Aufklärung der strittigen Tatfragen beitragen. Es kam ihr mangels entsprechender Genauigkeit nur ein eingeschränkter Beweiswert zu. Auch eine sofortige - allenfalls auch nur telefonische - Überprüfung der Angaben des Bw wurde nicht durchgeführt.

 

5. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Bw hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass er in der Zeit vom 28. Oktober 2002 (3.30 Uhr) bis 8. November 2002 (14.30 Uhr) nicht als Fahrer beschäftigt war und dementsprechend die Schaublätter für die laufende Woche nicht vorlegen konnte. Das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche wurde laut Anzeige gar nicht verlangt. Das Mitführen einer Arbeitgeberbestätigung durch den Fahrer schreibt die Bestimmung des Art 15 Abs 7 VO (EWG) 3821/85 nicht vor (vgl auch UVS Steiermark vom 12.06.2001, Zl. 30.16-72/2001). Deshalb besteht insofern auch keine durch § 134 Abs 1 KFG 1967 strafbewehrte Pflicht des Fahrers.

 

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gegen den Bw mangels einer erwiesenen Verwaltungsübertretung gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 
 

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