Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103120/2/Bi/Fb

Linz, 17.01.1996

VwSen-103120/2/Bi/Fb Linz, am 17. Jänner 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn Dr. H S in M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P in W, vom 18. August 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft V. vom 9. August 1995, VerkR96-.., wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 9 Abs.1, 24 und 45 Abs.1 Z3 VStG, §§ 84 Abs.2 und 99 Abs.3 lit.j StVO 1960 idF BGBl.Nr.

518/94.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft V. hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 9 VStG 1991 iVm §§ 84 Abs.2 und 99 Abs.3 lit.d StVO 1960 eine Geldstrafe von 3.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Stunden verhängt, weil er vom 13. Oktober 1994 bis mindestens 17. Oktober 1994 ca 5,5 m neben der M Bundesstraße (außerhalb des Ortsgebietes) bei km (G) als Verantwortlicher und somit als das gemäß § 9 Abs.1 VStG 1991 nach außen hin zur Vertretung berufene Organ der Firma A ohne Bewilligung eine Werbetafel mit der Aufschrift "Werbung der O." angebracht habe. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 300 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er werde von der Behörde erster Rechtsstufe als "Verantwortlicher und somit als das gemäß § 9 Abs.1 VStG nach außen hin zur Vertretung berufene Organ der Firma A" in Anspruch genommen. Eine solche Firma, mit der offenbar eine juristische Person, in der dem Beschuldigten Organstellung zukomme, gemeint sei, gebe es nicht. Er erhebe diese Berufung auch im Sinne der ihm gemäß § 2 AHG obliegenden Rettungspflicht im Hinblick auf das Erkenntnis vom 9. Jänner 1995, VwSen-102487/2/Bi/Fb, und beantrage die Einstellung des Verfahrens.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz. Außerdem wurde Einblick in das Firmenbuch des Handelsgerichtes W genommen, aus dem hervorgeht, daß der Rechtsmittelwerber persönlich haftender Gesellschafter der Dr. H S KG mit dem Sitz M, W, und seit 2. September 1982 selbständig vertretungsbefugt ist.

Aus dem Verfahrensakt geht hervor, daß eine Firma A, Dr. H S, W, M, zur Anzeige gebracht wurde, weil am im Spruch bezeichneten Ort 120 m außerhalb des Ortsgebietes G linksseitig der M Bundesstraße aus Fahrtrichtung M gesehen eine 520 x 250 cm große Holztafel auf drei stehend eingegrabenen Vierkantholzen angebracht war, wobei die Werbeseite nur einseitig aus Fahrtrichtung M zu sehen war.

Die Tafel war am 13. Oktober 1994 angebracht und am 17.

Oktober 1994 noch nicht entfernt. Der Anzeige beigelegt waren Lichtbilder der in Rede stehenden Werbetafel, auf der am 17. Oktober 1994 eine Werbung der O. angebracht war.

An den Rechtsmittelwerber erging daraufhin als Verantwortlicher und gemäß § 9 Abs.1 VStG vertretungsbefugtes Organ der Firma A die Strafverfügung vom 28. November 1994, gegen die dieser Einspruch erhoben hat. Auf die Aufforderung zur Rechtfertigung der Erstinstanz vom 12. April 1995 hat der Rechtsmittelwerber nicht reagiert, sodaß das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erging.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß gemäß § 84 Abs.2 StVO 1960, die in der Fassung der 19. StVO-Novelle am 1. Oktober 1994 in Kraft getreten ist und somit zum Übertretungszeitpunkt in Geltung stand, abgesehen von den im Abs.1 leg.cit. angeführten Hinweiszeichen außerhalb des Ortsgebietes Werbungen und Ankündigungen an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand verboten sind. Dies gilt jedoch nicht für die Nutzung zu Werbezwecken gemäß § 82 Abs.3 lit.f leg.cit.

Gemäß dieser Bestimmung ist für die Nutzung der Rückseite von Verkehrszeichen oder anderen Einrichtungen zur Verhinderung von Falschfahrten im Zuge von Autobahnabfahrten zu Werbezwecken keine Bewilligung nach Abs.1 für die Benutzung der Straße einschließlich des darüber befindlichen für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs und zur Werbung erforderlich, wenn diese Nutzung nicht der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs entgegensteht, und die Behörde, die diese Verkehrszeichen oder diese Einrichtungen verfügt hat, zustimmt und die Gesamtkosten der Anbringung und Erhaltung vom Unternehmer getragen werden.

Zum Berufungsvorbringen ist auszuführen, daß aus der der Anzeige beigeschlossenen Lichtbildbeilage hervorgeht, daß oberhalb dieser Werbetafel eine kleine Tafel mit der Aufschrift "A - Dr. H S KG" angebracht ist. Auch wenn nach dem Firmenbuch die Dr. H S KG das Wort "A" nicht als Bestandteil ihres Namens führt, so ist doch eine einwandfreie Zuordnung des Rechtsmittelwerbers zu dieser Kommanditgesellschaft möglich. Der Rechtsmittelwerber ist als persönlich haftender Gesellschafter (Komplementär) der Dr. H S KG im Firmenbuch eingetragen. Gemäß § 170 HGB ist der Kommanditist zur Vertretung der Gesellschaft nicht ermächtigt und er ist gemäß § 164 HGB auch von der Führung der Geschäfte ausgeschlossen. Im übrigen sind gemäß § 161 Abs.2 HGB die für die OHG geltenden Vorschriften anzuwenden. Gemäß §§ 114 und 125 HGB kommt jedem persönlich haftenden Gesellschafter grundsätzlich Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zu, wenn er nicht nach dem Gesellschaftsvertrag davon ausgeschlossen wurde. Der Ausschluß eines Gesellschafters von der Vertretung ist zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden.

Daher ist davon auszugehen, daß, wenn der Rechtsmittelwerber als persönlich haftender Gesellschafter der KG im Firmenbuch eingetragen ist, ihm auch Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zukommt.

Eine Spruchberichtigung im Hinblick auf die Vertretungsfunktion des Rechtsmittelwerbers als Komplementär der Dr. H S KG und damit Verantwortlicher gemäß § 9 Abs.1 VStG, wäre auch außerhalb der Verjährung gemäß § 44a Z1 VStG möglich gewesen: Ob der Beschuldigte die Tat in eigener Verantwortung oder als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Gesellschaft oder als verantwortlicher Beauftragter zu verantworten hat, ist nicht Sachverhaltselement der ihm zur Last gelegten Übertretung, sondern ein die Frage der Verantwortlichkeit der von Anfang an als Beschuldigten angesprochenen Person betreffendes Merkmal, das aber auf die Vollständigkeit der Verfolgungshandlung iSd § 32 VStG ohne Einfluß ist. Es liegt daher keine Verjährung vor, wenn dem Beschuldigten erstmals im Berufungsbescheid, und zwar nach Ablauf der Frist des § 31 Abs.2 VStG vorgeworfen wird, eine Übertretung in seiner Eigenschaft als Verantwortlicher nach § 9 VStG begangen zu haben (vgl VwGH vom 16. Jänner 1987, Slg 12375 A (verst. Sen.), und vom 23. Mai 1989, 88/08/0139, ua).

Auf dieser Grundlage war das Berufungsvorbringen im Hinblick auf eine nicht existente Firma A ohne Belang - der Hinweis im h. Erkenntnis vom 9. Jänner 1995, VwSen-102487/2/Bi/Fb, war aus der Sicht des unabhängigen Verwaltungssenates auch nicht anders zu verstehen; die Einstellung dieses Verfahrens erfolgte aus rein formalrechtlichen Gründen und nicht, weil die Ansicht vertreten wurde, daß der Rechtsmittelwerber mit der Angelegenheit nichts zu tun hätte -, weil der Rechtsmittelwerber als Person letztendlich für die Anbringung der Werbung verantwortlich war. Er hat im Hinblick auf die tatsächliche Anbringung der Werbung im gegenständlichen Verfahren auch nichts Gegenteiliges behauptet.

Verjährung ist jedoch aus einem anderen Grund eingetreten:

Dem Rechtsmittelwerber wurde innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist, die am 17. Oktober 1994 zu laufen begonnen und demnach am 17. April 1995 geendet hat, im Rahmen der Strafverfügung als einziger Verfolgungshandlung (die Aufforderung zur Rechtfertigung wurde von der Erstinstanz erst am 18. April 1995 abgesendet) der Tatvorwurf gemacht, er habe ohne Bewilligung an einer Straße außerhalb des Ortsgebietes innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand eine Werbung angebracht.

Diese Formulierung würde jedoch im Sinne des letzten Satzes des § 84 Abs.2 VStG idF der 19. StVO-Novelle keine Verwaltungsübertretung darstellen, weil eine Bewilligung für die Nutzung der Rückseite von Verkehrszeichen oder anderen Einrichtungen zu Werbezwecken unter gewissen Voraussetzungen iSd § 82 Abs.3 lit.f StVO 1960 nicht erforderlich wäre. Daß eine solche Nutzung zu Werbezwecken gemäß § 82 Abs.3 lit.f StVO 1960 aber nicht vorgelegen hat, hätte in den Schuldvorwurf aufgenommen werden müssen.

Erst in der Aufforderung zur Rechtfertigung war ausdrücklich von einer "Werbetafel" die Rede, sodaß ausgeschlossen hätte werden können, daß diese Werbung nicht auf der Rückseite eines Verkehrszeichens angebracht war (die Anzeige wurde dem Rechtsmittelwerber nie zur Kenntnis gebracht). Die Formulierung des Tatvorwurfs in der Aufforderung zur Rechtfertigung ist aber ebenso wie die Formulierung im Spruch des Straferkenntnisses verspätet.

Auf dieser Grundlage war wegen bereits eingetretener Verjährung spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall des Verfahrenskostenersatzes ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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