Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103184/3/Bi/Fb

Linz, 19.04.1996

VwSen-103184/3/Bi/Fb Linz, am 19. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn E S, H, K, vom 25. August 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft .. vom 16.

August 1995, VerkR96.., wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis sowohl hinsichtlich des Schuldspruches als auch der verhängten Strafe bestätigt.

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 300 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG, §§ 16 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.3a StVO 1960.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft .. hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 16 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.3a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden verhängt, weil er am 17. März 1994 gegen 17.20 Uhr das Sattelkraftfahrzeug, Kennzeichen , Sattelanhänger Kennzeichen , auf der P von K in Richtung W gelenkt habe, wobei er im Bereich von Strkm bis im Gemeindegebiet von K ein Fahrzeug überholt habe, obwohl er nicht einwandfrei habe erkennen können, ob er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Staßenbenützer wieder in den Verkehr einordnen werde können. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 150 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht - rechtsfreundlich vertreten (mittlerweile wurde das Vertretungsverhältnis gelöst) - Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, weil im bekämpften Bescheid eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt, und die Durchführung einer Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er habe die Ergänzung des technischen Gutachtens in der Weise beantragt, daß der Sachverständige nach mikroskopischer Aus wertung der Tachografenscheibe die Zeit-Weg-Berechnung zu erstellen habe, woraus sich die Richtigkeit seiner Verantwortung und die Unrichtigkeit der Darstellung des Meldungslegers ergeben werde. Er habe außerdem die ergänzende Einvernahme des Meldungslegers zum Beweisthema, daß er ein Überholmanöver nicht durchgeführt habe, beantragt. Er habe bereits in der Stellungnahme vom 7. Juli 1995 ausgeführt, daß aufgrund des Tachografenblattes und dessen mikroskopischer Auswertung und des Sachverständigengutachtens sich ergeben werde, daß die Darstellung des Meldungslegers, er habe ein Überholmanöver durchgeführt, objektiv unrichtig sei. Der Meldungsleger BI K sei nicht einvernommen und seine Aussage auch nicht einer Überprüfung durch den Sachverständigen unterzogen worden.

Er habe kein Fahrzeug überholt, sondern nur zum Überholen angesetzt, das Überholmanöver dann aufgrund der Beschleunigung der Geschwindigkeit des überholten Fahrzeuges aber unterbrochen. Die Behörde wäre beim Eingehen auf seine Beweisanträge zu dem Ergebnis gelangt, daß er in einem Abstand zum Vorderfahrzeug von 30 bis 50 m gefahren sei und daß nach mehreren 100 m der vor ihm fahrende LKW-Zug die Geschwindigkeit wegen des ansteigenden Geländes und der Kurvenbildung verringert habe, worauf auch er die Geschwindigkeit verringert und zum Vorderfahrzeug einen angemessenen Tiefenabstand eingehalten habe und daß in dieser Position ihm ein Gendarmeriefahrzeug mit Blaulicht vorgefahren sei, das sich vor seinem LKW-Zug eingeordnet und ihn zur Verringerung der Geschwindigkeit veranlaßt habe und daß er in weiterer Folge mehrere 100 m weiterfuhr und im Bereich einer Haltestelle nach rechts gewiesen wurde. Eine solche Fahrweise habe die Erstinstanz aber nicht festgestellt.

In der Strafverfügung vom 19. Mai 1994 habe ihm die Erstinstanz Übertretungen nach § 16 und nach § 18 Abs.4 StVO angelastet, ohne ein Beweisverfahren durchzuführen. Er habe daraufhin veranlaßt, daß sein früherer Dienstgeber die Tachografenscheibe vorgelegt habe. Die Erstinstanz habe die Werte aber nicht entsprechend ausgewertet, weshalb das Verfahren ebenfalls mangelhaft sei.

Der Meldungsleger sei nicht dazu einvernommen worden, daß er ihm gegenüber sinngemäß erklärt habe: "Bei uns in Oberösterreich ist die Verkehrssicherheit an erster Stelle und wir lassen uns von einem Kärntner - wie Sie es sind - nicht stören ....". Die Erstinstanz sei von der Glaubwürdigkeit der Angaben der Meldungsleger ausgegangen, ohne dies im bekämpften Bescheid nachvollziehbar zu begründen.

Aus dem Spruch des Straferkenntnisses gehe hervor, daß ihm die Behörde eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs.1 lit.c StVO im Bereich zwischen Strkm bis auf der B angelastet habe, wobei diese Feststellung sogar im Widerspruch zum Sachverständigengutachen stehe, zumal der Sachverständige ausgeführt habe, daß ein Überholweg von 288 m innerhalb einer Zeit von 14,9 sec gegeben gewesen wäre; dies unter Annahme der sehr hoch angesetzten Beschleunigung für ein unbeladenes Kraftfahrzeug mit Maximalgeschwindigkeit von 70 km/h. Hätte die Erstinstanz dem Meldungsleger die Erstellung einer Skizze aufgetragen, hätte sie nicht einen Tatort in der Länge von 160 m in das Straferkenntnis aufgenommen, sondern wäre zur Konkretisierung in der Lage gewesen, ab welchem Zeitpunkt und von welcher Stelle aus er das "unzulässige Überholmanöver" eingeleitet habe.

Hilfsweise werde auch die verhängte Strafe als weitaus überhöht bekämpft und geltend gemacht, daß die Behörde bei Be rücksichtigung seiner Unbescholtenheit, seiner Einkommensverhältnisse und Sorgepflichten mit einer Strafe von unter 500 S das Auslangen finden hätte können. Er beantrage daher die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens, Aufhebung des Straferkenntnisses und Zurückverweisung an die Erstinstanz, allenfalls Einstellung des Verfahrens nach Durchführung der beantragten Beweise.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und folgenden Sachverhalt als wesentlich befunden:

Der Rechtsmittelwerber lenkte am 17. März 1994 gegen 17.20 Uhr ein Sattelkraftfahrzeug ( und ) auf der B im Gemeindegebiet von K in Richtung W.

Gleichzeitig befanden sich die Gendarmeriebeamten BI K und BI L auf dem bei km befindlichen Parkplatz und beobachteten die aus Richtung K herannahende Fahrzeugkolonne. Diese bestand aus einem Sattelkraftfahrzeug, einem PKW, dem vom Rechtsmittelwerber gelenkten Sattelkraftfahrzeug und weiteren PKW.

Der Meldungsleger BI K stellte fest, daß der Rechtsmittelwerber vor einem rechts befindlichen Waldstück ca bei km ein Überholmanöver begann, offenbar in der Absicht, den vor ihm fahrenden PKW und das davor in einem Abstand von ca 10 m fahrende Sattelkraftfahrzeug zu überholen. Etwa auf Höhe des PKW verringerte er die Geschwindigkeit und ordnete das Sattelkraftfahrzeug hinter dem davor fahrenden Sattelkraftfahrzeug und vor dem bereits langsamer gewordenen PKW ein. Das Überholmanöver wurde laut Anzeige auf Höhe einer Einfahrt ca bei km beendet. Der Meldungsleger bestätigte bereits in der Anzeige, er habe die Geschwindigkeit des an der Spitze der Kolonne fahrenden Sattelkraftfahrzeuges mit Laser gemessen und diese habe 51 km/h betragen. Die Beamten sind in der Folge mit dem Gendarmeriefahrzeug hinter dem Sattelkraftfahrzeug des Rechtsmittelwerbers nachgefahren und stellten, wie ebenfalls schon in der Anzeige vermerkt wurde, fest, daß dieser in einem Abstand von 10 m hinter dem Sattelkraftfahrzeug nachfuhr. Bei km überholte BI K wegen der beabsichtigten Anhaltung das Sattelkraftfahrzeug des Rechtsmittelwerbers und führte die Amtshandlung schließlich im Bereich der Bushaltestelle bei km durch.

Diese Darstellung bestätigte BI K auch bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme am 19. Juli 1994, aus deren Protokoll sich entnehmen läßt, daß zwischen dem Überholmanöver des Rechtsmittelwerbers und dessen Überholtwerden durch das Gendarmeriefahrzeug eine Strecke von ca 3 km lag.

Hinsichtlich des vorgeworfenen unzureichenden Nachfahrabstandes wurde das Verfahren bereits von der Erstinstanz wegen unzureichender Tatortkonkretisierung eingestellt.

Der Meldungsleger bestätigte, daß er bei der Anhaltung dem Rechtsmittelwerber ein Organmandat in Höhe von insgesamt 800 S angeboten habe, nämlich 500 S wegen vorschriftswidrigen Überholens bei ungewissen Einordnungsmöglichkeiten nach dem Überholvorgang und 300 S wegen Nichteinhalten des vorgeschriebenen Mindestabstandes von 50 m. Da der Rechtsmittelwerber das Organmandat abgelehnt habe, habe er Anzeige erstattet. Während der Amtshandlung habe ihn der Rechtsmittelwerber darauf aufmerksam gemacht, daß soeben hinter ihm ein PKW vorschriftswidrig überholt habe, worauf er ihn nach dem Kennzeichen des PKW gefragt habe, das ihm der Rechtsmittelwerber aber nicht nennen habe können.

Im Einspruch gegen die Strafverfügung hat der Rechtsmittelwerber, mittlerweile rechtsfreundlich vertreten, ausgeführt, er habe in Einhaltung eines angemessenen Tiefenabstandes zum vor ihm fahrenden PKW und einer angemessenen Geschwindigkeit im Bereich des Tatortes bei einer Sicht von 300 bis 400 m zum Überholen angesetzt, wobei die vor ihm fahrenden Fahrzeuge eine Geschwindigkeit von ca 40 km/h eingehalten hätten. Als er zum Überholen angesetzt habe, habe der LKW-Zug beschleunigt, weshalb er sich zur Beendigung des Überholmanövers entschlossen habe, weil auch der ursprünglich hinter dem LKW-Zug fahrende PKW das Blinken seines LKW-Zuges wahrgenommen und die Geschwindigkeit verringert habe, sodaß er sich anstandslos auf der rechten Fahrbahnseite hinter dem LKW-Zug einordnen habe können. Im Abstand von 30 bis 50 m zum LKW-Zug sei er dann weitergefahren, worauf dieser nach mehreren 100 m wegen des ansteigenden Geländes langsamer wurde und in dieser Position habe ihn das Gendarmeriefahrzeug überholt, das ihn noch mehrere 100 m weiter lotste und im Bereich einer Haltestelle nach rechts wies, wo er den Gendarmeriebeamten die Tachografenscheibe gegeben und die Papiere vorgelegt habe. Der Meldungsleger habe eine Buße von 800 S verlangt, weil er ein unzulässiges Überholmanöver durchgeführt habe. Er habe dabei sinngemäß ausgeführt, daß in Oberösterreich die Verkehrssicherheit an erster Stelle sei und sie würden sich das von einem Kärntner, wie er es sei, nicht stören lassen. Er habe den Meldungsleger bei der Beanstandung darauf aufmerksam gemacht, daß unmittelbar neben ihm ein PKW vorschriftswidrig, nämlich durch Befahren einer Sperrfläche, überholt habe und der Meldungsleger habe ihn nach dem Kennzeichen gefragt und als er ihm dieses nicht nennen konnte, habe der Beamte gesagt, da könne man halt nichts machen. Er habe für das vor schriftswidrige Überholen auf der Sperrfläche einen Zeugen und behalte sich dessen Namhaftmachung ausdrücklich vor.

Bei der Amtshandlung sei keine Rede davon gewesen, daß er einen zu niedrigen Nachfahrabstand zum Vorderfahrzeug eingehalten habe.

Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens wurde vom Meldungsleger die Kopie der Tachografenscheibe und auch das Original zur Einsichtnahme vorgelegt und ein kraftfahrtechnisches Gutachten durch den Amtssachverständigen Ing. A erstellt. Darin kommt dieser nach Durchführung eines Augenscheins an der vom Meldungsleger beschriebenen Stelle zum Ergebnis, daß im Zuge der B auf Höhe des Strkm rechts im Sinne der Kilometrierung ein Waldstück beginnt, wobei diese Straßenstelle vom angegebenen Standort des Anzeigers auf dem Parkplatz bei km 0 einwandfrei einsehbar ist. Auf Höhe von Strkm geht der langgezogene Rechtsbogen in einen Linksbogen über, der anschließende Linkskurvenverlauf ist einsehbar und übersichtlich. Ein eventueller Gegenverkehr ist von der angegebenen Stelle des Überholbeginnes ohne jegliche Sichtbeeinträchtigung auf Höhe des Strkm und mit gewisser Sichtbeeinträchtigung durch Laubbäume und Sträucher, die zum Übertretungszeitpunkt vermutlich unbelaubt waren, auf Höhe des Strkm einsehbar; ab diesem Punkt ist keine ausreichende Sicht auf den Gegenverkehr mehr gewährleistet.

Unter Zugrundelegung einer Ausgangsgeschwindigkeit des überholten Sattelkraftfahrzeuges von 51 km/h, dessen Länge von 16 m und einem im Abstand von 10 m hinter diesem nachfahrenden PKW mit einer Länge von 4 m errechnete der Sachverständige unter Berücksichtigung einer (für ein unbeladenes Sattelkraftfahrzeug anzunehmenden) Maximalgeschwindigkeit von 70 km/h, einer mittleren Beschleunigung von 0,8 m/sec2 und einem jeweils eingehaltenen Sicherheitsabstand vor und nach dem Überholvorgang, der einer Durchfahrtszeit von 1 sec entspricht, einen Überholweg von 288 m innerhalb einer Überholzeit von 14,9 sec. Unter Berücksichtigung einer als zulässig anzusehenden Geschwindigkeit des Gegenverkehrs von 100 km/h wäre dafür eine Überholsichtweite von 702 m notwendig, um eine Gefährdung des Gegenverkehrs ausschließen zu können.

Beim Überholen eines einzelnen PKW mit einer Länge von 4 m ergebe sich unter den gleichen Voraussetzungen ein Überholweg von 216 m in einer Überholzeit von 11,7 sec. Die erforderliche Überholsichtweite würde in diesem Fall 541 m betragen.

Als mindesterforderliche Einordnungslücke beim Einordnen mit gleicher Geschwindigkeit in die Kolonne werde ein Abstand angesehen, der der Fahrzeuglänge sowie dem jeweils zumindest einzuhaltenden Sicherheitsabstand vor und hinter dem Fahrzeug entspricht. Bei einem Mindestsicherheitsabstand, der einer Durchfahrtszeit von 1 sec entspricht, sowie einer Fahrzeuglänge eines Sattelkraftfahrzeuges von 16 m ergebe sich bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h eine mindesterforderliche Einordnungslücke von 43 m.

Der Amtssachverständige kommt im wesentlichen zu dem Ergebnis, daß der Meldungsleger aufgrund der örtlichen Gegebenheiten einwandfrei in der Lage war, den Überholvorgang zu beobachten und daß die dem Rechtsmittelwerber zur Verfügung stehende Überholsichtweite in keinem Fall ausreichend gewesen sei. Er führt aus, daß insbesondere bei Betrachtung des Überholens eines Sattelkraftfahrzeuges und eines PKW durch ein Sattelkraftfahrzeug zwar die für den Überhol vorgang benötigte Wegstrecke einsehbar gewesen sein muß, aber die vom Gegenverkehr zurückgelegte Wegstrecke nicht berücksichtigt worden ist. Der Rechtsmittelwerber hätte aufgrund der örtlichen Gegebenheiten mit einem Einordnen zwischen den beiden Fahrzeugen rechnen müssen, wobei der vorhandene Sicherheitsabstand von ca 10 m die mindesterforderliche Einordnungslücke derart massiv unterschritten hat, daß ein Einordnen nur durch die Geschwindigkeitsverminderung des PKW möglich geworden ist. Wäre der PKW-Lenker mit gleichbleibender Geschwindigkeit weitergefahren, wäre ein Einordnen auch mit Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes nicht möglich gewesen und es wäre zwangsläufig zu einer Kollision mit dem Gegenverkehr gekommen.

Der Sachverständige hat außerdem darauf hingewiesen, daß ein Nachvollziehen des Bewegungsablaufs aufgrund des Fahrtenschreiberschaublatts durch Einsichtnahme in die Kopie mit hinreichender Exaktheit nicht möglich sei, dazu wäre gegebenenfalls eine mikroskopische Auswertung erforderlich, wobei die Problematik der Exaktheit des Tatzeitpunktes einer derartigen Beurteilung entgegenstehen könnte.

Im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Beweisverfahrens hat der Rechtsmittelwerber die vom Amtssachverständigen vorgenommene Zeit-Weg-Berechnung als richtig anerkannt, im Gegensatz zur Auffassung des Sachverständigen aber ausgeführt, es sei davon auszugehen, daß eine mikroskopische Auswertung des Tachografenblattes sehr wohl in der Lage sei, den tatsächlichen Sachverhalt im Sinne seiner Ausführungen darzutun. Er beantragte weiters die Ergänzung des Sachverständigengutachtens in der Richtung, daß das von ihm begonnene Überholmanöver abgebrochen wurde, daß dann von ihm eine ganz konkrete Fahrweise angegeben wurde und die Er stellung einer Zeit-Weg-Berechnung unter diesen Voraussetzungen. Er habe nämlich ausgeführt, er habe sich nach dem Abbrechen des Überholmanövers hinter dem LKW-Zug vor dem PKW eingereiht, sei dann in einem Abstand zum Vorderfahrzeug von 30 bis 50 m nachgefahren und nach mehreren 100 m habe der LKW-Zug aufgrund des ansteigenden Geländes und der Kurvenbildung die Geschwindigkeit ebenso wie er verringert; er habe aber sicher einen angemessenen Tiefenabstand zum Vorderfahrzeug eingehalten. In dieser Position habe ihn das Gendarmeriefahrzeug mit Blaulicht überholt, sich vor seinem LKW-Zug eingeordnet und ihn zur weiteren Verringerung der Geschwindigkeit veranlaßt, bis er mehrere 100 m weiter im Bereich einer Haltestelle nach rechts gewiesen worden sei.

Der Rechtsmittelwerber bleibt aber weiterhin bei seiner Auffassung, daß er ein Überholmanöver nicht durchgeführt habe und beantragt dazu die weitere Einvernahme des Meldungslegers, weil auch für die Beweiswürdigung von Bedeutung sei, ob ihn dieser objektiv oder nicht objektiv beamtshandelt habe.

Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt zu der Auffassung, daß im gegenständlichen Fall weder eine neuerliche Einvernahme des Meldungslegers noch die Anfertigung einer Skizze noch die mikroskopische Auswertung eines Tachografenblattes und auch nicht die Ergänzung des kraftfahrtechnischen Sachverständigengutachtens erforderlich ist, um den in Rede stehenden Sachverhalt im Hinblick auf die Qualifikation als Verwaltungsübertretung im Sinne des Tatvorwurfs beurteilen zu können, und begründet dies wie folgt:

Die Ausführungen im Gutachten des kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen im Hinblick auf die örtliche Zuordnung der bereits in der Anzeige enthaltenen Kilometerangaben der B zu markanten Punkten in der Natur ist nicht nur nachvollziehbar sondern entspricht auch den Angaben des Meldungslegers BI K vollinhaltlich, wobei zu betonen ist, daß es sich bei den angegebenen Kilometer-Werten um Ca-Angaben handelt.

Selbst der Rechtsmittelwerber hat im Einspruch gegen die Strafverfügung bestätigt, er habe bei Beginn des Überholmanövers eine Sicht von 300 bis 400 m gehabt, habe zum Überholen des PKW angesetzt und, als er sich auf Höhe des LKW-Zuges befunden habe, habe dieser beschleunigt und er wollte deshalb das Überholmanöver abbrechen. Dies sei möglich gewesen, weil der überholte PKW inzwischen die Geschwindigkeit verringert habe, und er habe sich hinter dem vor ihm fahrenden Sattelkraftfahrzeug ("LKW-Zug") und vor dem PKW rechts eingeordnet. Der Rechtsmittelwerber hat nie die Feststellung des Meldungslegers bestritten, wonach bei Beginn des Überholmanövers durch ihn zwischen dem vor ihm fahrenden PKW und dem davor fahrenden "LKW-Zug" ein Abstand von ca 10 m bestanden habe.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß selbst eine mikroskopische Auswertung des Tachografenblatts im gegenständlichen Fall weder erforderlich noch zielführend wäre, weil sich die Angaben des Rechtsmittelwerbers und des Meldungslegers im Hinblick auf das Fahrverhalten des Rechtsmittelwerbers beim gegenständlichen Überholmanöver weitestgehend decken. Die weitere vom Rechtsmittelwerber beschriebene Fahrtstrecke, der Nachfahrabstand zum vor ihm fahrenden "LKW-Zug" zur Zeit des Nachfahrens des Gendarmeriefahrzeuges und die Durchführung der Anhaltung durch die Gendarmerie sind nicht Gegenstand dieses Verwaltungsstrafverfahrens. Aus diesem Grund erübrigt sich die mikroskopische Auswertung der Tachografenscheibe, wobei außerdem auch beim unabhängigen Verwaltungssenat, wie bereits vom technischen Amtssachverständigen aufgeworfen, Zweifel bestehen, ob die daraus ersichtliche Geschwindigkeit des vom Rechtsmittelwerber gelenkten Sattelkraftfahrzeuges zu den Ca-Zeitangaben des Tatvorwurfs einwandfrei möglich ist. Abgesehen davon enthält auch die Tachografenscheibe keinen Hinweis auf die vom Vorderfahrzeug eingehaltene Geschwindigkeit oder den Nachfahrabstand.

Im übrigen vertritt der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung, daß die Aussagen des Meldungslegers BI K nachvollziehbar und glaubwürdig sind, zum einen, weil von seinem Standort aus, wie auch der Amtssachverständige bestätigt hat, ausreichende Sicht auf den örtlichen Bereich des Überholmanövers bestand, und zum anderen ein Sattelkraftfahrzeug, das einen PKW überholt, wohl so auffällig ist, daß auch der Abbruch des Überholvorganges und das Einordnen einwandfrei ersichtlich sein mußten. Da sich der Meldungsleger rechts im Sinne der Fahrtrichtung des Rechtsmittelwerbers befand, bestand auch Einsichtsmöglichkeit auf den Nachfahrabstand zwischen dem vorne fahrenden Sattelkraftfahrzeug und dem PKW vor Beginn des Überholmanövers durch den Rechtsmittelwerber.

Sogar dieser hat von einem Organmandat in Höhe von 800 S gesprochen, wobei zu betonen ist, daß der Höchstbetrag eines Organmandats für eine Übertretung 500 S beträgt. Schon daraus läßt sich ersehen, daß schon bei der Amtshandlung von zwei Übertretungen ausgegangen worden war, sodaß der Vorwurf des unzureichenden Nachfahrabstandes in der Strafverfügung für den Rechtsmittelwerber nicht überraschend sein konnte.

Er hat außerdem bis heute den von ihm angeführten Zeugen für das von ihm beobachtete Befahren der Sperrfläche durch einen PKW-Lenker nicht genannt, wobei selbst ihm klar sein muß, daß ein Lenker eines PKW, dessen Kennzeichen nicht bekannt ist, nicht zur Anzeige gebracht werden kann.

Der Vorwurf des Rechtsmittelwerbers, der Gendarmeriebeamte habe sich ihm gegenüber nicht objektiv verhalten, weil er auf die Verkehrssicherheit in Oberösterreich hingewiesen habe, ist für den unabhängigen Verwaltungssenat gänzlich unverständlich, weil ein derartiges Fahrmanöver - egal, wer dabei beobachtet worden wäre - zu verfolgen gewesen wäre und die Gewährleistung der Verkehrssicherheit als oberstes Prinzip der Straßenverkehrsordnung in ganz Österreich - auch für Kärntner, gegen die in Oberösterreich keinerlei wie immer gearteter Einwand besteht - gilt.

In rechtlicher Hinsicht ist grundsätzlich festzuhalten, daß unter einem "Überholen" gemäß § 2 Abs.1 Z29 StVO 1960 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung jedes Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einem auf derselben Fahrbahn in der gleichen Richtung fahrenden Fahrzeug zu verstehen ist.

In diesem Sinn war das vom Rechtsmittelwerber und vom Meldungsleger übereinstimmend geschilderte Fahrverhalten des Rechtsmittelwerbers insofern als Überholen zu werten, als der Rechtsmittelwerber sein Sattelkraftfahrzeug nach eigenen Angaben am PKW vorbeibewegt hat, um überhaupt auf Höhe des LKW-Zuges beschließen zu können, das Überholmanöver abzubrechen. Er hat außerdem bestätigt, daß er sich vor dem langsamer gewordenen PKW hinter dem Sattelkraftfahrzeug eingeordnet hat. Damit ist das Überholmanöver nicht bloß begonnen, sondern hinsichtlich des PKW einwandfrei beendet worden.

Gemäß § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

Die für die Zulässigkeit eines Überholmanövers erforderlichen Kriterien hat der Fahrzeuglenker vor Beginn des Überholmanövers zu prüfen, um gegebenenfalls von seinem Vorhaben Abstand nehmen zu können.

Daraus folgt, daß dem Rechtsmittelwerber schon aufgrund seiner erhöhten Sitzposition der geringe Abstand zwischen dem vor ihm fahrenden PKW und dem davor fahrenden LKW-Zug auffallen hätte müssen und er hätte auch gegebenenfalls damit rechnen müssen, daß er aus Gründen des sich auf der Überholstrecke ergebenden Verkehrsgeschehens gezwungen sein könnte, das Überholmanöver durch ein Wiedereinordnen nach rechts zu beenden. Der Überholende darf dabei aber nicht damit spekulieren, daß der überholte PKW von sich aus langsamer wird, um ihm ein gefahrloses Einordnen zu ermöglichen, sondern er muß bei Beginn des Überholmanövers bereits davon ausgehen können, daß er bei den zu diesem Zeitpunkt herrschenden Nachfahrabständen mit Sicherheit in der Lage sein wird, sein - im gegenständlichen Fall sogar 16 m langes Sattelkraft - Fahrzeug unter Einhaltung eines Sicherheitsabstandes im Ausmaß der Durchfahrtszeit von 1 sec vorne und hinten wieder nach rechts einordnen zu können.

Daß der Rechtsmittelwerber konkret davon nicht ausgehen konnte, ergibt sich zweifelsfrei aus den eindeutigen und unwidersprüchlichen Angaben des Meldungslegers, denen auch der Rechtsmittelwerber diesbezüglich nichts entgegenzusetzen vermocht hat. Aus welchen Gründen der PKW-Lenker tatsächlich die Geschwindigkeit verringert hat, sei es aus Entgegenkommen gegenüber dem Lenker eines derart langen Sattelkraftfahrzeuges oder gezwungenermaßen durch dessen Fahrverhalten, ist für die Beurteilung des Sachverhalts im Sinne des dem Rechtsmittelwerber zur Last gelegten Tatbestandes irrelevant. Ebensowenig relevant ist, aus welchen Gründen der Rechtsmittelwerber das Überholmanöver abgebrochen hat, sei es aufgrund einer tatsächlichen Beschleunigung des vor ihm fahrenden Sattelkraftfahrzeuges (davon ist dem Meldungsleger nichts aufgefallen) oder aufgrund des Ansichtigwerdens der Gendarmeriebeamten. Der vom Tatvorwurf erfaßte Tatzeitpunkt liegt vielmehr am Beginn des Überholmanövers, das der Rechtsmittelwerber eingeleitet hat, ohne gefahrlose Wiedereinordnungsmöglichkeiten für sich in Anspruch nehmen zu können. Abgesehen davon hat der technische Sachverständige schon darauf hingewiesen, daß die für den Rechtsmittelwerber bei Beginn des Überholmanövers einsehbare Straßenstrecke bzw Sichtweite höchstens für das Überholen des vor ihm fahrenden PKW ausgereicht hat - auch dies nur bei gesicherten Wiedereinordnungsmöglichkeiten.

Der Rechtsmittelwerber hat damit nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates den ihm zur Last gelegten Tatbestand zweifelsfrei erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten.

Der nachweislich bereits im Rahmen der Anhaltung gegen den Rechtsmittelwerber erhobene Tatvorwurf der Nichteinhaltung eines Sicherheitsabstandes von mindestens 50 m bei Fahrzeugen mit größeren Längsabmessungen wurde von der Erstinstanz in die Strafverfügung aufgenommen; letztendlich hat sich aber herausgestellt, daß dieser zu geringe Nachfahrabstand sich in örtlicher Hinsicht auf einen Bereich innerhalb der 3 km bezog, den das Gendarmeriefahrzeug hinter dem Sattelkraftfahrzeug des Rechtsmittelwerbers nachfuhr, weshalb eine genaue örtliche Konkretisierung nicht möglich war.

Auf dieser Grundlage wurde das Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung gemäß § 18 Abs.4 StVO 1960 bereits von der Erstinstanz - zu Recht - eingestellt.

Zur Strafbemessung ist auszuführen:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 reicht bis 10.000 S Geldstrafe bzw bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.

Der Rechtsmittelwerber hat im Einspruch gegen die Strafverfügung seine finanziellen Verhältnisse dargelegt und ausgeführt, er verdiene monatlich netto 14.900 S und habe 2.500 S an Alimenten für seinen Sohn zu bezahlen. Er hat offenbar kein Vermögen und die Erstinstanz ist zu Recht von seiner verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit ausgegangen, die auch als strafmildernd herangezogen wurde.

Auf dieser Grundlage vermag der unabhängige Verwaltungssenat in der Strafbemessung der Erstinstanz keinerlei Überschrei tung des ihr dabei zustehenden Ermessensspielraumes festzustellen. Die Strafe liegt vielmehr im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und soll den Rechtsmittelwerber in Hinkunft zur genauesten Beachtung der straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen beim Überholen anhalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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