Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109231/21/Sch/Pe

Linz, 18.01.2005

 

 

 VwSen-109231/21/Sch/Pe Linz, am 18. Jänner 2005

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung der Frau R F vom 17. August 2003, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A W, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 12. August 2003, Zl. S-14292/03 VS1, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 18. November 2003 zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2.  

  3. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z2 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 12. August 2003, Zl. S-14292/03 VS1, wurde über Frau R F, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs.2 Z2 StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.200 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen verhängt, weil sie sich am 12. März 2004 von 23.59 Uhr bis 13. März 2004 00.06 Uhr in Linz auf der Prinz-Eugen-Straße gegenüber Nr. 3 geweigert habe, sich der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt zu unterziehen, obwohl sie von einem besonders geschulten und hiezu von der Behörde ermächtigten Organ der Straßenaufsicht dazu aufgefordert worden war, weil sie verdächtig gewesen sei, als Fußgängerin in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholisierungssymptome: starker Alkoholgeruch aus dem Mund, gerötete Augenbindehäute) einen Verkehrsunfall verursacht habe.

 

Nach der Verkündung des Straferkenntnisses wurde ausdrücklich auf eine Berufung verzichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerberin unbeschadet des Rechtsmittelverzichtes rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit war die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Die Berufung wurde vom Oö. Verwaltungssenat mit Erkenntnis vom 24. November 2003, VwSen-109231/8/Sch/Pe, unter Würdigung des erfolgten Berufungsverzichtes als unzulässig zurückgewiesen.

 

Diese Berufungsentscheidung wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. November 2004, 2004/02/0230-6, infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

 

Begründend führt der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen Folgendes aus:

"Gemäß § 63 Abs.4 AVG ist eine Berufung nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat. Der Berufungsverzicht ist somit eine von der Partei vorgenommene Prozesshandlung, der die Wirkung anhaftet, dass eine von der Partei eingebrachte Berufung einer meritorischen Erledigung nicht zugeführt werden darf. Ein einmal ausgesprochener Berufungsverzicht kann auch nicht mehr zurückgenommen werden. Allerdings ist nach der hg. Judikatur das Vorliegen eines Berufungsverzichtes besonders streng zu prüfen. Auch ein anlässlich der Unterzeichnung eines Berufungsverzichtes vorliegender Willensmangel, wenn er tatsächlich bestanden hat, zu Gunsten des Beschwerdeführers zu beachten (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0601).

Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass sie bereits anlässlich der Einbringung der Berufung den genannten ‚Schlussbericht' der Landes-Nervenklinik WJ vorgelegt habe, in dem ua. vermerkt ist, dass ‚als Diagnose ein schizophrener Residialzustand bekannt' sei. Sie habe die Auswirkungen dieser Krankheit (zB. sei sie in belastenden Situationen nicht zugänglich und nicht kooperativ, ihr Gedankengang sei in solchen Situationen ungeordnet) dargetan. Zudem hat sie in der mündlichen Verhandlung zu den Vorkommnissen am 12. August 2003 ua. ausgesagt:

‚Im Hinblick auf eine Berufung kann ich mich aber an keine diesbezüglichen Erörterungen erinnern. ich war erstaunt und geschockt, wie teuer die Sache wäre. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was noch passiert ist. In der Zeit zwischen Kenntnisnahme davon, dass die Strafe 1.200 Euro betragen würde und das Verlassen des Büros...'

Angesichts der an das Vorliegen eines wirksamen Berufungsverzichtes anzulegenden strengen Prüfung ist bei behauptetem, auf einer Geisteskrankheit beruhenden Willensmangel insbesondere dann, wenn zu dieser Krankheit ärztliche Unterlagen beigebracht wurden, zu dieser Behauptung ein Gutachten eines Facharztes aus dem Fachgebiet der Psychiatrie einzuholen. Die belangte Behörde hätte sich daher auch nicht mit den Angaben des Leiters der Amtshandlung vom 12. August 2003 und mit ihrem subjektiven Eindruck anlässlich der von ihr durchgeführten mündlichen Verhandlung begnügen dürfen.

Da die belangte Behörde kein entsprechendes fachärztliches Gutachten eingeholt hat, das sich auf den Zeitpunkt der Abgabe des Berufungsverzichtes bezieht, hat sie Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs.2 Z3 lit.c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben."

 

4. Aus langjähriger Erfahrung des Oö. Verwaltungssenates muss die retrospektive Begutachtung einer Person im Hinblick auf ihre Diskretions- und Dispositionsfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt als problematisch bezeichnet werden. Wiederholt wurden in entsprechenden Verfahren diesbezügliche amts- bzw. fachärztliche Begutachtungen vorgenommen, die im Regelfall keine eindeutige Aussage enthalten haben ("Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass..."). Für die Behörde änderte sich diesfalls trotz Vorliegens eines solchen Gutachtens faktisch nichts an den Beurteilungsgrundlagen.

 

Im gegenständlichen Fall wären fachliche Aussagen zudem für zwei Zeitpunkte erforderlich, nämlich einerseits jenem der Durchführung der erstbehördlichen Strafverhandlung, das war der 12. August 2003, ca. 8.30 Uhr, und andererseits dem des Vorfalles selbst, also den 12. bzw. 13. März 2003, zwischen 23.59 Uhr und 00.06 Uhr.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat das vom Oö. Verwaltungssenat abgeführte Verfahren für nicht ausreichend erachtet, demgegenüber kann nach h. Dafürhalten aber auch die vom Gerichtshof für geboten erachtete Verfahrensergänzung mit größter Wahrscheinlichkeit keine die Behörde weiterführenden Erkenntnisse bringen, sodass letztendlich wohl wieder aufgrund der selben Beweiskonstellation entschieden werden müsste. Es wird daher aus Praktikabilitätsgründen, ausgehend von der Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichtes, der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

S c h ö n

 
 

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