Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103283/15/Sch/Rd

Linz, 18.01.1996

VwSen-103283/15/Sch/Rd Linz, am 18. Jänner 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Schön über die Berufung des J, vertreten durch RA Dr. A, vom 30. Oktober 1995 gegen die Fakten 1) bis 3) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 29. September 1995, VerkR96-6451-1994/Ah, wegen mehrerer Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 16. Jänner 1996 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis in Faktum 1) behoben und das Verfahren in diesem Punkt eingestellt wird; die zu Faktum 2) verhängte Geldstrafe wird auf 500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf einen Tag, die wegen Übertretung des § 5 Abs.1 StVO 1960 verhängte Geldstrafe wird auf 8.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf eine Woche herabgesetzt.

Im übrigen wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe der nachstehenden Berichtigungen im Spruch bestätigt:

Anstelle des Datums "20.8.1994" hat der "2.8.1994" zu treten; weiters erhält das zweite mit der Ziffer 2) bezeichnete Faktum (Übertretung des § 5 Abs.1 StVO 1960) die Bezeichnung "3)" und werden die angewendeten Strafnormen wie folgt berichtigt:

"ad 1): § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, ad 2): § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 und ad 3): § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960".

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz wird wie folgt bestimmt:

zu Faktum 2): 50 S und zu Faktum 3): 800 S.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 62 Abs.4 iVm 66 Abs.4 AVG iZm §§ 24, 51 und 19 bzw. 45 Abs.1 Z1 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit Straferkenntnis vom 29. September 1995, VerkR96-6451-1994/Ah, über Herrn J, ua wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 15 Abs.4 StVO 1960, 2) § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 und 3) § 5 Abs.1 StVO 1960 Geldstrafen von 1) 1.000 S, 2) 2.000 S und 3) 10.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) einem Tag, 2) zwei Tagen und 3) zehn Tagen verhängt, weil er am 20. August 1994 (richtig:

2. August 1994) gegen 21.45 Uhr den PKW der Marke Jaguar mit dem Kennzeichen auf der Reichersberger Landesstraße 512 in Fahrtrichtung Schärding gelenkt habe, wobei er 1) etwa bei Kilometer 6,2 im Zuge beim Überholen (richtig wohl: im Zuge des Überholens) eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges keinen der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechenden seitlichen Abstand zum überholten Fahrzeug eingehalten habe, da er mit dem überholten Fahrzeug kollidiert sei, 2) es unterlassen habe, sofort nach diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden sein Fahrzeug anzuhalten, weil er die Fahrt bis auf Höhe des Gasthauses S in S im Gemeindegebiet S fortgesetzt habe und 2) (richtig: 3)) sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem diesbezüglichen Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 1.300 S verpflichtet.

2. Gegen die Tatvorwürfe 1) bis 3) dieses Straferkenntnisses hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Eingangs wird zu der vom Berufungswerber aufgeworfenen Frage der im Akt enthaltenen unterschiedlichen erstbehördlichen Aktenzahlen bemerkt, daß diese im Rahmen der Verhandlung außer Protokoll - abgeklärt wurde. Demnach steht fest, daß es sich sowohl bei den unter der GZ "VerkR96-6450-1994" als auch unter GZ "VerkR96-6451-1994" geführten Aktenstücken um einen identischen Aktenvorgang handelt, also lediglich die Möglichkeit eines kanzleimäßigen Versehens besteht, welches aber für die Beurteilung der Rechtssache ohne Bedeutung ist.

Daß sohin ein Teil des Aktes unter der erstgenannten und ein Teil unter der zweitgenannten Zahl firmiert, bedeutet keineswegs, daß die Tatsache oder auch nur die Möglichkeit einer Doppelbestrafung des Berufungswerbers gegeben war bzw.

ist.

Zur Berichtigung von Teilen des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses, insbesonders im Hinblick auf den Tatzeitpunkt, ist die Berufungsbehörde in Ansehung der Bestimmung des § 62 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG berechtigt gewesen.

Fristgerechte Verfolgungshandlungen mit dem richtigen Tattag lagen vor.

Die Berufungsbehörde vermag sich auch nicht der Rechtsansicht des Berufungswerbers anzuschließen, wonach das Straferkenntnis vor der Entscheidung über die Entziehung der Lenkerberechtigung nicht hätte ergehen dürfen. Für diese Rechtsmeinung findet sich keine gesetzliche Grundlage; abgesehen davon handelt es sich hiebei um zwei eigenständige Verfahren, die, wenngleich sie oftmals faktisch miteinander zu tun haben, in rechtlicher Hinsicht aber zu trennen sind.

In der Sache selbst ist folgendes auszuführen:

a) Zur Verwaltungsübertretung gemäß § 15 Abs.4 StVO 1960 (Faktum 1)):

Dieser Punkt konnte nach Ansicht der Berufungsbehörde dem Rechtsmittelwerber nicht mit der für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden. Es wird zwar nicht verkannt, daß die hiezu ergangene ausführliche Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses durchaus überzeugende Argumente enthält, andererseits aber es objektive Anhaltspunkte, insbesonders eindeutige Spuren, die die Annahme eines zu geringen Seitenabstandes verursacht durch das Fahrverhalten des Berufungswerbers rechtfertigen würden, nicht ausreichend gegeben sind. Diese Ansicht findet sich auch in den beiden im erstbehördlichen Akt einliegenden Gutachten zweier gerichtlich beeideter Sachverständiger, denen ohne Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht entgegengetreten werden kann. Wenngleich die Berufungsbehörde die Glaubwürdigkeit des mehrmals einvernommenen bzw. befragten zweitbeteiligten Unfallenkers, der zur Berufungsverhandlung nicht zur Verfügung stand, grundsätzlich nicht in Frage stellt, so vermag dies an der getroffenen Entscheidung nichts zu ändern, zumal der zitierte Rechtsgrundsatz im vorliegenden Fall ein verurteilendes Erkenntnis nicht zugelassen hat.

Mangels Anwendbarkeit dieses Grundsatzes im Zivilrecht wird eine Präjudizialität durch diese Berufungsentscheidung für eine allfällige schadenersatzrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Unfallbeteiligten nicht gesehen.

b) Zur Verwaltungsübertretung gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 (Faktum 2)):

Der Berufungswerber hat stets angeführt, im Zuge des Überholvorganges einen "Rumpler" wahrgenommen, diesen aber nicht in Verbindung mit einem Verkehrsunfall gebracht zu haben. Vielmehr vermeinte er, eine Fahrbahnunebenheit sei die Ursache hiefür gewesen. Diesem Vorbringen sind allerdings die Ausführungen des verkehrstechnischen Amtssachverständigen, der zur Berufungsverhandlung beigezogen wurde, entgegenzuhalten. Dieser führt in seinem Gutachten - hier gekürzt - nachstehendes aus:

"Es ist aus technischer Sicht, bezogen auf das konkrete vom Berufungswerber verwendete Fahrzeug mit relativ großem Radstand, davon auszugehen, daß Fahrbahnunebenheiten grundsätzlich weniger intensiv in das Innere des Fahrzeuges übertragen werden, als bei solchen mit kurzem Radstand. Ein durch seitliches Berühren, wie im vorliegenden Fall, entstandenes Geräusch ist grundsätzlich im Fahrzeuginneren wahrnehmbar. Dabei ist allerdings zu bemerken, daß es bei besser ausgestatteten Fahrzeugen mit entsprechender Innenausstattung nicht so intensiv hörbar ist, wie bei einem anderen Fahrzeug. Bei einem durch eine Fahrbahnunebenheit entstandenen 'Rumpler' handelt es sich aus fachlicher Sicht um ein dumpferes Geräusch als bei einem Anstoß Blech an Blech, also einem scharrenden Geräusch." Es steht daher zusammenfassend fest, daß der Berufungswerber ein Geräusch wahrgenommen hat, dieses - zumindest nach seinen eigenen Angaben - mit einem Unfall nicht in Verbindung gebracht hat. Ein solches Vorbringen kann den Berufungswerber jedoch nicht exkulpieren, zumal er sich mit dieser Annahme nach Lage des Falles nicht hätte begnügen dürfen. Der Tatbestand nach § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 ist nämlich schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (VwGH 6.7.1984, 82/02A/0072). Bei einem Überholmanöver, bei welchem ein Geräusch - hier als "Rumpler" bezeichnet - wahrgenommen wird und wo in der Folge der Lenker des überholten Fahrzeuges durch Betätigen der Lichthupe auf sich aufmerksam macht, kann das Geräusch nicht rechtens damit abgetan werden, es habe sich möglicherweise um eine Fahrbahnunebenheit gehandelt. Mit anderen Worten: Der Berufungswerber wäre aufgrund dieser Umstände verpflichtet gewesen, anzuhalten und sich zu überzeugen, ob seine Annahme für die Entstehung des Geräusches zutreffend war oder nicht. Die Berufungsbehörde hat im übrigen auch keine Zweifel an den Ausführungen des einvernommenen Zeugen RI Z, nach dessen Ortskenntnissen auf der vom Berufungswerber zwischen Unfallort und Anhalteort zurückgelegten Strecke von mehr als 8 km durchaus mehrere Stellen vorhanden gewesen wären, die ein sicheres Anhalten ermöglicht hätten. Dieses angebliche Ausschauhalten nach einer solchen Stelle über eine Strecke von mehr als 8 km ist für die Berufungsbehörde sohin ebenfalls kein Rechtfertigungsgrund für das nichterfolgte sofortige Anhalten.

c) Zur Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 (Faktum 3)):

Beim Berufungswerber wurde unbestrittenerweise mehr als eine Stunde nach dem Lenkzeitpunkt eine Atemluftalkoholkonzentration von 0,5 mg/l gemessen. Geht man von dem von der Wissenschaft und von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes anerkannten Umrechnungsfaktor von 1:2 (Atemluftalkohol:Blutalkohol) aus, so hatte der Berufungswerber zum Meßzeitpunkt einen Blutalkoholwert von ca. 1 Promille, zum Lenkzeitpunkt - unter Berücksichtigung des Abbauwertes von 0,1 Promille/Std - einen solchen von etwa 1,1 Promille. Mit diesen Werten ist auch die Trinkverantwortung des Berufungswerbers (in der Beilage 2 der Anzeige des GPK Suben vom 2.8.1994 enthalten) in Einklang zu bringen. Demnach habe er vor dem Lenkzeitpunkt ein Seidel Bier, einen 1/4l gespritzten Weißwein und Weißwein in unbekannter Menge getrunken. Es ist daher durchaus nicht unschlüssig anzunehmen, daß diese vom Berufungswerber nicht genannte Menge Weißwein jene war, die das Alkomatergebnis in der gegebenen Form bewirkt hat, sohin die Trinkverantwortung keinesfalls ein Argument für eine behauptete Funktionsstörung des Gerätes - vielmehr eher dagegen - sein kann, für die im übrigen nicht die geringsten Anhaltspunkte zutagegetreten sind. Der verwendete Alkomat war zum Meßzeitpunkt ordnungsgemäß geeicht, wobei es nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht darauf ankommt, welcher genaue technische Überprüfungsvorgang einer solchen Eichung vorausgeht. Vom Berufungswerber konnte im übrigen auch nicht dargelegt werden, welcher Teil dieses Vorganges allenfalls mit Fehlern behaftet gewesen sein könnte.

Aufgrund des Umstandes, daß sohin der entscheidungsrelevante Sachverhalt durch das abgeführte Beweisverfahren ausreichend ermittelt war, hatte die Abweisung der noch gestellten weiteren Beweisanträge zu erfolgen.

Zur Strafzumessung ist schließlich auszuführen:

Die Berufungsbehörde ist im vorliegenden - besonders gelagerten - Fall zu der Ansicht gelangt, daß bei beiden als erwiesen angenommenen Verwaltungsübertretungen mit der Verhängung der Mindeststrafe vorgegangen werden konnte. Wie der Rechtsvertreter des Berufungswerbers anläßlich der Verhandlung überzeugend ausführte, befindet sich sein Mandant nunmehr in einem sehr beeinträchtigten gesundheitlichen Zustand, der zu der Prognose veranlaßt, der Berufungswerber werde in Zukunft am Straßenverkehr als Fahrzeuglenker nicht mehr teilnehmen können. Aus diesem Grund fällt der wesentliche Strafzweck der Spezialprävention völlig weg, sodaß bei beiden Fakten mit der Mindeststrafe vorgegangen werden konnte. Aufgrund der Bestimmung des § 100 Abs.5 StVO 1960 durfte diese aber nicht unterschritten werden, von der Erteilung einer Ermahnung ganz abgesehen.

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

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