Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103285/9/Ki/Bk

Linz, 08.03.1996

VwSen-103285/9/Ki/Bk Linz, am 8. März 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Josef M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Albrecht S, vom 31. Oktober 1995, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 5. Oktober 1995, VerkR96-928-1-1995/Win, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 1. März 1996, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 5. Oktober 1995, VerkR96-928-1-1995/Win, über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 8.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe eine Woche) verhängt, weil er am 31. Jänner 1995, um 14.20 Uhr, als Fußgänger auf der B 38, auf dem Stadtplatz in R auf Höhe des Hauses Stadtplatz Nr.

25 (Gasthaus D) in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht und sich gegenüber einem Organ der Straßenaufsicht am 31.1.1995, um 15.49 Uhr, im Landeskrankenhaus Rohrbach geweigert hat, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 800 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Berufungswerber hat gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 31. Oktober 1995 rechtzeitig Berufung erhoben und beantragt, der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wolle gemäß § 51i Abs.1 VStG eine mündliche Verhandlung anberaumen, um den beschriebenen und in den beiliegenden Krankengeschichten dokumentierten Status des Beschuldigten zu verifizieren und das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 5.10.1995 ersatzlos beheben.

Die Tatsache der Verweigerung des Alkotests bleibt unbestritten, es wird jedoch argumentiert, daß die körperliche und geistige Konstitution des Beschuldigten zum Zeitpunkt der Alkotestaufforderung keinen anderen Schluß als den zulassen, daß er die Aufforderung zwar verstanden im Sinne von wahrgenommen hat, sie aber geistig nicht zu verarbeiten in der Lage war, weshalb ihm das Ungehorsamsdelikt nicht zuzurechnen sei.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, weil weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 1. März 1996 Beweis erhoben.

Bei dieser Verhandlung wurden der Berufungswerber sowie als Zeuge RI H Albert einvernommen. Ein Vertreter der belangten Behörde ist ohne Angabe von Gründen nicht erschienen.

Weiters wurde die Beurteilung eines medizinischen Sachverständigen hinsichtlich des Geisteszustandes des Berufungswerbers in bezug auf dessen Diskretions- bzw Dispostionsfähigkeit im Zusammenhang mit der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung eingeholt.

Der Berufungswerber hat bei seiner Einvernahme im wesentlichen ausgesagt, daß er nach dem Unfall kurz benommen gewesen sei, er dann aber mitbekommen habe, daß Arzt, Rettung und Polizei gekommen wären. Mit der Rettung sei er dann ins Spital gebracht worden. Es sei ihm nicht bekannt gewesen, daß er auch der Aufforderung zu einem Alkotest nachkommen müsse.

Was dann der Gendarmeriebeamte im Krankenhaus von ihm tatsächlich gewollt habe, hätte er nicht mitbekommen. Er habe sich überhaupt nicht ausgekannt, was der Gendarmeriebeamte von ihm wollte. Was er genau zu ihm gesagt habe, daran könne er sich nicht mehr erinnern.

Der als Zeuge einvernommene Gendarmeriebeamte hat im Zusammenhang mit der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung im wesentlichen ausgesagt, daß er, nachdem beim Berufungswerber seitens eines Kollegen und durch den Arzt Alkoholisierungssymptome (Alkoholgeruch) festgestellt wurden, mit dem Alkomat ins Krankenhaus gefahren sei. Im Krankenhaus habe sich der Berufungswerber in der Unfallaufnahme befunden. Er habe sich dort mit ihm über den Unfall unterhalten und nachdem er selbst auch Atemalkohol festgestellt habe, hätte er die Aufforderung zum Alkotest gemacht. Nachdem ihm bekannt sei, daß der Berufungswerber selbst nie ein Fahrzeug gelenkt habe, habe er diese Aufforderung etwas ausschweifig gemacht und dem Berufungswerber auch erklärt, daß er als Fußgänger verpflichtet sei einen Test zu machen. Er habe irgendwo erkannt, daß der Berufungswerber dies nicht so richtig begriffen habe und habe daher nochmals ausdrücklich zu ihm gesagt, daß "wenn er nicht blase, dies einer Verweigerung gleichkomme und dies auch strafbar sei". Der Berufungswerber habe weder mit ja noch mit nein reagiert, er habe nur gesagt, daß er nichts getrunken hat. Er habe ihm daraufhin nochmals erklärt, daß er als Fußgänger verpflichtet wäre. Er habe ihm auch ausdrücklich gesagt, daß er diesen Test im Krankenhaus durchführen könne. Der Berufungswerber habe daraufhin wiederum nur dahingehend reagiert, daß er gesagt hätte, "warum soll ich blasen, ich habe nichts getrunken".

Der Zeuge habe daraufhin das Verhalten als Verweigerung ausgelegt und die Amtshandlung beendet. Er habe zwar nicht den Eindruck gehabt, daß der Berufungswerber den Vorfall überhaupt nicht begreife, er habe aber doch den Eindruck, daß der Berufungswerber mit der konkreten Situation nicht klar gekommen sei, daß er mit dieser Sache etwas überfordert war. Aus seiner Sicht habe es nicht so ausgesehen, daß der Berufungswerber so stark verletzt war, er habe dies erst im Krankenhaus gesehen. Wie sich später herausgestellt habe, sei es doch eine schwere Verletzung gewesen und dies dürfte ihn sehr abgelenkt haben. Daß der Berufungswerber verwirrt gewesen wäre, den Eindruck habe er nicht gehabt, vielleicht aufgrund des Alters und weil er wahrscheinlich nie mit so einer Situation konfrontiert war, dürfte er sich nicht ausgekannt haben.

Der medizinische Sachverständige hat in seiner Sachverständigenbeurteilung vom 11. Jänner 1996 ausgeführt, daß die vorliegenden Unterlagen eine eindeutige Beurteilung hinsichtlich der Diskretions- bzw Dispositionsfähigkeit des Berufungswerbers in bezug auf die vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht zulassen. Aus den vorliegenden Krankenhausberichten lasse sich eine diesbezügliche Einschränkung nicht mit Sicherheit ableiten. Zu berücksichtigen sei jedoch das fortgeschrittene Alter des Berufungswerbers, sowie die Schwere der Verletzung, welche insbesondere im Zusammenhang mit einem etwaigen Alkoholkonsum es doch wahrscheinlich erscheinen lasse, daß der Berufungswerber den Zweck und die Sinnhaftigkeit der vorgesehenen Alkoholprobe nicht ausreichend verstanden habe.

Beim gegenständlichen Verkehrsunfall erlitt der Berufungswerber eine Impressionsfraktur des rechten Schienbeines sowie eine Wadenbeinfraktur rechts und es war aufgrund der Schwere der erlittenen Verletzungen eine mehrwöchige Behandlungsdauer erforderlich.

I.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Zunächst wird festgestellt, daß die Tatsache der Verweigerung des Alkotests bzw die Berechtigung des Gendarmeriebeamten zur Vornahme des Alkotests unbestritten bleiben. Es ist daher ausschließlich abzuklären, ob dem Berufungswerber seine Verweigerung in verwaltungsstrafrechtlicher Relevanz vorgeworfen werden kann.

Gemäß § 3 Abs.1 VStG ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder diese Einsicht gemäß zu handeln.

Gemäß § 5 Abs.2 leg.cit. entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Im vorliegenden Falle war dem Berufungswerber offensichtlich nicht bekannt, daß er auch als Fußgänger dann verpflichtet ist der Aufforderung zu einem Alkotest Folge zu leisten, wenn er einen Verkehrsunfall verursacht hat. Nun ist zwar grundsätzlich von einem mit rechtlichen Werten verbundenen Staatsbürger zu erwarten, daß er sich über die für den Lebensalltag maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften entsprechend informiert, im gegenständlichen Falle ist es aber auch einem mit rechtlichen Werten verbundenen Menschen zuzubilligen, daß er als Nichtführerscheinbesitzer über die Alkoholbestimmungen der Straßenverkehrsordnung nicht entsprechend informiert ist. Dies vor allem deshalb, zumal lediglich eine gesetzliche Verpflichtung zur Vornahme eines Alkotests im Falle der Verursachung eines Verkehrsunfalles besteht, nicht jedoch eine straßenpolizeiliche Strafbarkeit eines alkoholisierten Fußgängers schlechthin normiert ist.

Diese Tatsache besagt jedoch grundsätzlich nicht, daß dadurch ein allfälliger Verbotsirrtum eines Fußgängers im Hinblick auf die Verpflichtung zum Alkotest generell von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreien würde. Im Regelfalle wird das Organ der Straßenaufsicht der betreffenden Person entsprechende Instruktionen erteilen und diese auf die Gesetzeslage hinweisen. Durch diese Belehrung erlangt die zum Alkotest verpflichtete Person Kenntnis von der relevanten Rechtsvorschrift und kann sich diese letztlich auf einen Verbotsirrtum nicht mehr berufen.

Im vorliegenden Falle jedoch handelt es sich beim Berufungswerber offensichtlich um einen deutlich über die Lebensjahre hinaus gealterten Menschen von einfacher Geisteskompetenz. Dies hat auch seine Einvernahme im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung bestätigt. Er war wohl in der Lage, auf gezielte Fragen hin entsprechende Antworten zu geben, die den Schluß rechtfertigen, daß grundsätzlich bei ihm eine Zurechnungsfähigkeit in verwaltungsstrafrechtlicher Relevanz gegeben ist. Bezogen auf den verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall bzw die Aufforderung zum Alkotest konnte er jedoch keine Angaben machen. Wenn auch diesbezüglich zu berücksichtigen ist, daß der Berufungswerber sich in jede Richtung hin verteidigen kann und daher grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Berufungswerber letztlich ein günstiges Verfahrensergebnis beeinflussen könnte, so scheint es doch im konkreten Falle der Tatsache zu entsprechen, daß der Rechtsmittelwerber zum Zeitpunkt der Aufforderung nicht in der Lage war, die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens einzusehen bzw dieser Einsicht gemäß zu handeln.

Dies ergibt sich sowohl aus der Sachverständigenbeurteilung des medizinischen Amtssachverständigen als auch letztlich aus der Aussage des Gendarmeriebeamten, welcher doch den Eindruck hatte, daß der Berufungswerber mit der konkreten Situation nicht klargekommen ist.

Unter Zugrundelegung des oben dargelegten Sachverhaltes gelangt der O.ö. Verwaltungssenat zur Auffassung, daß der Berufungswerber generell sich in einem Zustand befindet, daß er ein verwaltungsstrafrechtliches Handeln verantworten könnte bzw daß grundsätzlich ein Verbotsirrtum ausgeschlossen werden könnte, zumal der Gendarmeriebeamte eine ausführliche Belehrung über die entsprechende Rechtsvorschrift vorgenommen hat. Dennoch war der Berufungswerber im konkreten Falle im Hinblick auf seinen generellen labilen Zustand einerseits bzw auf die beim Verkehrsunfall erlittene schwere Verletzung andererseits zum Zeitpunkt der Aufforderung nicht in der Lage, das Unerlaubte seiner Tat einzusehen. Er war zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig, weshalb ihm der Verbotsirrtum nicht angelastet werden kann. Der Berufung war daher Folge zu geben und das Strafverfahren im Hinblick auf den dargelegten Strafausschließungsgrund einzustellen.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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