Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-103302/2/Sch/Rd

Linz, 17.11.1995

VwSen-103302/2/Sch/Rd Linz, am 17. November 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Schön über die Berufung des J H, vertreten durch die RAe Dr. M L und DDr. K, vom 31. Oktober 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 17. Oktober 1995, VerkR96-5127-1994-Li, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z2 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 17. Oktober 1995, VerkR96-5127-1994-Li, über Herrn J, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 10.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zehn Tagen verhängt, weil er am 22. August 1994 um ca. 2.30 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen auf der Freihuber Bezirksstraße von Richtung Maria Schmolln kommend in Richtung Mauerkirchen, bis ca. Straßenkilometer 2,885 gelenkt und sich hiebei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 1.000 S sowie zum Ersatz der Auslagen für die Blutuntersuchung in der Höhe von 1.672,80 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erwies sich als nicht erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Unbestritten ist, daß beim Berufungswerber nach dem Verkehrsunfall im Krankenhaus Braunau/Inn für medizinische Zwecke Blut abgenommen und über Auftrag der Staatsanwaltschaft Ried/Innkreis beschlagnahmt wurde. Dieses Blut wurde in der Folge auf Alkoholgehalt untersucht, wobei sich ein Alkohol wert von 1,12 Promille ergab. Am angefochtenen Straferkenntnis fällt auf, daß mit keinem Wort darauf eingegangen wurde, von welchem Blutalkoholgehalt (BAG) des Berufungswerbers zum Lenkzeitpunkt (für die Strafbemessung nicht unwesentlich) ausgegangen wurde; nicht einmal der BAG des Blutes des Berufungswerbers zum Abnahmezeitpunkt wird in der Begründung erwähnt.

Diese Fragen sind aber letztlich von untergeordneter Bedeutung, da sich die Berufungsbehörde der Rechtsansicht der Erstbehörde im Hinblick auf die Verwertung des abgenommenen und folglich auch für die Beweiszwecke verwendeten Blutes nicht anschließen kann.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 6.12.1988, B 1092/87, zu § 5 Abs.6 StVO 1960 a.F. folgendes ausgesprochen:

"Daß für eine zwangsweise, trotz Weigerung der betroffenen Person von der Behörde veranlaßte Blutabnahme § 5 Abs.6 keine hinreichende Rechtsgrundlage bildet, ergibt sich aber auch systematisch gesehen aus dem Charakter dieser Verfassungsbestimmung als Ausnahmevorschrift zu Art.90 Abs.2 B-VG. - Jeder gegen einen Beschuldigten gerichtete behördliche Eingriff, der diesen unter Strafsanktion verpflichtet, an der Wahrheitsfindung durch ein mündliches Geständnis oder dergestalt mitzuwirken, daß er seinen Körper für medizinische Eingriffe, mit anderen Worten als Beweismittel (gegen sich selbst), zur Verfügung stellt, widerspricht dem Anklageprinzip (so auch VfGH 26.9.1986, B 502/85). Mit Rücksicht auf diesen verfassungsrechtlichen Grundsatz mußte der Verfassungsgesetzgeber § 5 Abs.6 als Verfassungsbestimmung beschließen und bezeichnen, um damit zum Zwecke der erleichterten strafrechtlichen Verfolgung von Verkehrsdelikten eine Ausnahmebestimmung zu schaffen. Ist jedoch eine zwangsweise Blutabnahme ohne Einwilligung des Betroffenen aufgrund § 5 Abs.6 iVm Art. 90 Abs.2 B-VG ausgeschlossen, so kommt eine Blutabnahme bei bewußtlosen Personen unter Berufung auf diese Rechtsvorschrift von vornherein nicht in Betracht. Wenn § 5 Abs. 6 zwar unter bestimmten Voraussetzungen eine Verpflichtung festlegt, sich einer Blutabnahme zu unterziehen, und im Verein mit § 99 Abs.1 lit.c für den Fall der Verletzung dieser Pflicht eine Verwaltungsstrafe vorsieht, ohne jedoch die Verwaltungsbehörde zum Zwecke der Blutabnahme mit direkten Zwangsbefugnissen auszustatten, scheidet eine Blutabnahme bei bewußtlosen Personen schon deswegen aus, weil bei diesen eine Blutabnahme zum Zwecke der Blutalkoholfeststellung von vornherein lediglich als unmittelbare behördliche Zwangsmaßnahme denkbar und möglich ist. - Auch eine andere gesetzliche Grundlage für eine behördliche Blutabnahme bei Bewußtlosen zum Zweck der Blutalkoholbestimmung ist in der österreichischen Rechtsordnung nicht vorhanden. - Der Eingriff war gesetzlos und verletzte den Bf in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung seines Privatlebens gemäß Art. 8 Abs.1 MRK." Wenn die Erstbehörde besonders darauf hinweist, daß dem Berufungswerber das Blut aus medizinischen Gründen abgenommen worden sei und nicht zum Zwecke der Untersuchung auf Alkoholgehalt, so ist diese Argumentation nicht überzeugend.

Diesfalls käme es dann immer auf den Umstand an, warum eine Blutabnahme primär erfolgt ist bzw. wie sie deklariert wurde. Wenn es um einen Eingriff in ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht geht, können aber solche "Zufälligkeiten" nicht entscheidend sein.

Aufgrund der obigen Erwägungen erübrigte sich für den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, angesichts der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg zu Artikel 4 des 7. Zusatzprotokolles zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten samt Erklärungen, BGBl.Nr. 268/1988, hinsichtlich § 99 Abs.6 lit.c StVO 1960 einen Normprüfungsantrag ins Auge zu fassen. Der Gerichtshof hat wiederholt festgestellt, daß es nicht zulässig sei, nach einem strafgerichtlichen Verfahren wegen derselben strafbaren Handlung noch ein Verwaltungsstrafverfahren abzuwickeln (und umgekehrt).

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

S c h ö n

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum