Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103320/15/Ki/Bk

Linz, 08.02.1996

VwSen-103320/15/Ki/Bk Linz, am 8. Februar 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Andreas M, S, B, vertreten durch RA Dr. Alfred J, H, L, vom 8. November 1995, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 17. Oktober 1995, Zl. VerkR96-3124-1995-Wi, aufgrund des Ergebnisses der am 31. Jänner 1996 durchgeführten öffentlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird dahingehend Folge gegeben, daß der Spruch des Straferkenntnisses wie folgt zu lauten hat:

"Sie haben am 5. Mai 1995 um 01.45 Uhr als Lenker des PKWs mit dem behördlichen Kennzeichen auf der Innkreisautobahn A8 im Bereich der Autobahnauffahrt M (Fahrtrichtung) einen PKW links überholt, obwohl nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden war, zumal im dortigen Bereich (Strkm) der linke der beiden Fahrstreifen durch einen Verkehrsunfall blockiert bzw durch Haberkornhütchen abgesperrt war.

Sie haben dadurch § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 verletzt.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 2.000 S, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt." Im übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beitrag des Berufungswerbers zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde wird auf 200 S herabgesetzt; der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat entfällt.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG.

Zu II.: § 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 17. Oktober 1995, VerkR96-3124-1995-Wi, dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe am 5. Mai 1995 um 01.45 Uhr als Lenker des PKWs mit dem behördlichen Kennzeichen auf der Innkreisautobahn A8 im Bereich des Gemeindegebietes M auf Höhe des Strkms in Fahrtrichtung einen PKW links überholt, obwohl nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden war.

Er habe den Überholvorgang auf dem linken Fahrstreifen mit einer starken Bremsung abschließen müssen und sei ca. 30 m hinter einem auf dem linken Fahrstreifen stehenden Einsatzfahrzeug zum Stillstand gekommen. Er habe dieses Überholmanöver unter besonders gefährlichen Verhältnissen und mit besonderer Rücksichtslosigkeit durchgeführt, weil er den Überholvorgang nicht abgebrochen habe, obwohl bereits aus einer Entfernung von etwa 320 m die Unfallstelle erkennbar gewesen sei, ca. 20 m vor der Unfallstelle ein Gendarmerieeinsatzfahrzeug am äußerst linken Fahrbahnrand mit eingeschaltetem Blaulicht und Richtungspfeil nach rechts abgestellt gewesen sei und etwas nach rechts versetzt ein paar Meter dahinter ein Einsatzfahrzeug der Autobahnmeisterei mit eingeschalteter Dachwarneinrichtung (Pfeil nach rechts) und aktiviertem Blaulicht gestanden sei.

Der linke Fahrstreifen sei hinter diesen beiden Einsatzfahrzeugen mittels rückstrahlenden Haberkornhüten und vier Warnblinkleuchten abgesperrt gewesen. Etwa 400 m vor der Unfallstelle sei ein Warndreieck am Ausfahrtstreifen M und etwa 250 m vor der Unfallstelle am linken und rechten Fahrbahnrand ebenfalls jeweils ein Warndreieck aufgestellt gewesen.

Er habe dadurch § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960, BGBl.Nr. 159, verletzt.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs.3 lit.c StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 90 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 300 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Berufungswerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 8. November 1995 rechtzeitig Berufung mit den Anträgen, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn einzustellen; in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen, in eventu das Strafausmaß schuldangemessen herabzusetzen.

Als mangelhaftes Verfahren wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung wird im wesentlichen bemängelt, daß nicht eindeutig beurteilt werden könne, wo die angelastete Übertretung begangen worden sei, sodaß die Umschreibung mit "auf Höhe des Strkms." nicht ausreiche, weil ein Überholvorgang eine längere Wegstrecke in Anspruch nehme.

Die belangte Behörde habe nicht ausgeführt, woher die Information, der Berufungswerber habe im Bereich der Absicherung 250 m vor der Unfallstelle einen PKW überholt, stamme und sie beziehe sich nur allgemein auf Wahrnehmungen der Gendarmeriebeamten, die jedoch aufgrund ihres Standortes und wegen der Dunkelheit den Beginn des angeblichen Überholmanövers gar nicht sehen hätten können. Nachdem er von der Raststätte auf die Autobahn aufgefahren sei und beschleunigt habe, habe er mit ca. 110 km/h zum Überholen eines anderen Fahrzeuges angesetzt. Zu diesem Zeitpunkt sei die gesamte Überholstrecke zu überblicken und kein Hindernis erkennbar gewesen. Bei Ansichtigwerden des Blaulichtes habe er sofort seine Geschwindigkeit reduziert und daher den neben ihm rechts befindlichen PKW nicht überholt. Er habe seinen Überholversuch vorsichtshalber abgebrochen und so aus diesem Grund den Überholvorgang in der vorgesehenen Weise nicht durchführen können, da er dann die Unfallstelle gesehen habe. Sowohl der rechts neben ihm befindliche PKW als auch er selbst hätten rechtzeitig abgebremst, wobei sie ungefähr dieselbe Geschwindigkeit gehabt hätten. Zu Beginn der Absperrung habe er ungefähr noch Schrittgeschwindigkeit gehabt und er sei weit vor dem Einsatzwagen der Gendarmerie, jedenfalls weiter als 30 m, zum Stillstand gekommen. Es sei also unrichtig, daß er erst unmittelbar vor den Einsatzfahrzeugen zum Stehen gekommen sei bzw daß besonders gefährliche Verhältnisse vorliegen und daß er zunächst die Überholstrecke nicht überblickt hätte.

Als unrichtige rechtliche Beurteilung rügt der Berufungswerber, daß kein Überholvorgang vorgelegen habe, weil er wohl zum Überholen ansetzte, das Überholen aber nicht durchführen konnte. Besonders gefährliche Verhältnisse und eine besondere Rücksichtslosigkeit würden ebenfalls nicht vorliegen, entgegenkommende Straßenbenützer habe er nicht behindern können, weil es sich um eine Autobahn handle.

Darüber hinaus sei im Spruch des angefochtenen Bescheides der Ausspruch der Geldstrafe unrichtigerweise unter die Bestimmung des § 99 Abs.3 lit.c StVO 1960 subsumiert worden.

Außerdem sei die ausgesprochene Strafe überhöht. Es würden weder besonders gefährliche Verhältnisse noch eine besondere Rücksichtslosigkeit vorliegen. Da keine erschwerenden Umstände vorliegen, hätte die belangte Behörde mit einer geringeren Strafe das Auslangen finden müssen.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung verbunden mit einem Lokalaugenschein am 31. Jänner 1996 Beweis erhoben. Bei der Berufungsverhandlung wurden der Berufungswerber sowie als Zeugen RI Christian P und AI Alfred S einvernommen. Weiters haben an der Verhandlung ein Vertreter der belangten Behörde, der Rechtsvertreter des Berufungswerbers sowie ein straßenverkehrstechnischer Amtssachverständiger teilgenommen.

I.5. Der Berufungswerber hat bei seiner Einvernahme ausgeführt, daß er von der Raststätte A auf die Autobahn aufgefahren sei. Nachdem sich vor ihm ein PKW befunden habe, sei er auf die linke Fahrspur gefahren, die Autobahn war zu diesem Zeitpunkt im Prinzip komplett leer. Als er auf der linken Fahrspur unterwegs war, habe er bereits den Widerschein eines Blaulichtes gesehen. Er habe aber noch nicht sehen können, ob die Unfallstelle auf seiner Fahrtrichtung oder auf der anderen Fahrtrichtung war. Er habe die Geschwindigkeit reduziert und sei von diesem Zeitpunkt an neben dem vorhin erwähnten PKW am linken Fahrstreifen gefahren. Er habe, nachdem er auf die Autobahn aufgefahren ist, ursprünglich auf etwa 130 km/h beschleunigt, beim Ansichtigwerden des Blaulichtes habe er die Geschwindigkeit ebenso wie der vor ihm ursprünglich Überholte die Geschwindigkeit etwa auf 100-110 km/h reduziert. Als er erkannt habe, daß ein Unfall in seiner Fahrtrichtung war, habe er die Geschwindigkeit reduziert und sei vor der Unfallstelle nur mehr Schrittgeschwindigkeit gefahren. Er hätte keine Vollbremsung machen müssen, der andere Fahrzeuglenker sei vor ihm in die Unfallstelle eingefahren. Er selbst habe sich nach diesem Fahrzeug eingereiht und sei vom Gendarmeriebeamten mittels Winkerkelle angehalten worden. Die aufgestellten Warndreiecke habe er nicht bewußt wahrgenommen. Den Überholvorgang habe er deswegen nicht abgebrochen, weil aus der Situation heraus einmal der von ihm Überholte gebremst hätte, um ihn hineinzulassen andererseits auch er gebremst hätte um sich hinter diesem Fahrzeug einreihen zu können. Er sei mindestens 30 m vor dem Einsatzfahrzeug aus seiner Fahrtrichtung gesehen zum Stillstand gekommen. Im Prinzip habe er den Überholvorgang schon abgebrochen als er das Blaulicht bemerkte, es wäre mit seinem Fahrzeug ein Leichtes gewesen, das andere Fahrzeug noch zu überholen.

Befragt bezüglich Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse führte der Berufungswerber aus, daß er im Monat ca. 5.000 DM netto verdiene und er für drei Kinder sorgepflichtig sei. An Miete habe er 2.000 DM zu bezahlen.

Die beiden Gendarmeriebeamten haben als Zeugen im wesentlichen ausgeführt, daß sie im gegenständlichen Bereich mit einer Unfallsaufnahme beschäftigt waren.

Jedenfalls der linke Fahrstreifen sei durch Haberkornhütchen abgesperrt gewesen, die Einsatzfahrzeuge bzw sonstige am Unfall beteiligte Fahrzeuge seien nach den Haberkornhütchen abgestellt gewesen. Beide konnten den ankommenden Verkehr beobachten und haben die in der Anzeige erwähnten Fahrzeuge nebeneinander herankommen gesehen. Man habe den Eindruck gehabt, daß der Berufungswerber auf der letzten Strecke die Geschwindigkeit stark vermindert habe und er sei letztlich im Bereich der Haberkornhütchen zum Stillstand gekommen. Sie hätten sich durch den Vorfall gefährdet gefühlt, zumal nicht abzusehen war, ob der Berufungswerber sein Fahrzeug noch rechtzeitig abbremsen hätte können.

I.6. In freier Beweiswürdigung gelangt der O.ö.

Verwaltungssenat zur Auffassung, daß den Aussagen der Gendarmeriebeamten in bezug auf den Überholvorgang Glauben zu schenken ist. Die Aussagen wurden unter Wahrheitspflicht getätigt und sind in sich schlüssig und den Denkgesetzen nachvollziehbar. Auch ist davon auszugehen, daß die Zeugen als geschulte Gendarmeriebeamte in der Lage sind, das Verkehrsgeschehen entsprechend zu beurteilen und es ist ihnen nicht zu unterstellen, daß sie den Berufungswerber willkürlich einer Verwaltungsübertretung beschuldigen würden.

Es bestehen daher keine Bedenken, die von den Gendarmeriebeamten getroffenen Aussagen der Entscheidung zugrundezulegen.

Der Berufungswerber konnte sich in jede Richtung verteidigen. Dieser Umstand darf zwar nicht schlechthin für ihn als belastend gewertet werden. Im konkreten Falle hat er aber den gegenständlichen Vorfall aus seiner Sicht geschildert und es werden auch diese Angaben, was den Überholvorgang an sich betrifft, der Entscheidung zugrundegelegt.

Nachdem durch die Einvernahme der Zeugen bzw insbesondere auch durch die Aussage des Berufungswerbers der den Überholvorgang betreffende Sachverhalt eindeutig festgestellt werden konnte, war die Erstellung eines straßenverkehrstechnischen Gutachtens aus objektiver Sicht gesehen entbehrlich.

Was die Tatbestandsmerkmale hinsichtlich der besonders gefährlichen Verhältnisse bzw der besonderen Rücksichtslosigkeit anbelangt, so verkennt die Berufungsbehörde nicht, daß Gendarmeriebeamte sowie Bedienstete der Autobahnmeistereien im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben, wie insbesondere bei der Aufnahme von Verkehrsunfällen, enormen Gefährdungen ausgesetzt sind. Es ist mit allen Mitteln anzustreben, für die Sicherheit dieser Personen Sorge zu tragen. In Anbetracht der bestehenden Gefahrensituationen ist es allerdings für die betroffenen Personen naturgemäß nicht einfach, bei der Beurteilung derartiger Situationen stets objektive Kriterien anzuwenden, weshalb das subjektive Empfinden einer konkreten Gefährdung für sich nicht ausreicht, diesen Umstand in verwaltungsstrafrechtlich relevanter Weise einer Bestrafung zugrundezulegen. Diese verwaltungsstrafrechtlich relevante Beurteilung ist ausschließlich anhand von objektiven Kriterien bezogen auf den gesamten Sachverhalt vorzunehmen.

I.7. Unter Zugrundelegung des im Berufungsverfahren gewonnenen Ermittlungsergebnisses hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 darf der Lenker eines Kraftfahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

§ 1 Abs.2 Z29 leg.cit. definiert Überholen als das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einem auf derselben Fahrbahn in der gleichen Richtung fahrenden Fahrzeug. Nach dieser Definition dauert der Überholvorgang jedenfalls solange, als sich beide Fahrzeuge zumindest teilweise auf gleicher Höhe befinden (die in der zit. Bestimmung zit.

Ausnahmen sind im vorliegenden Falle nicht relevant).

Aus den Aussagen der beiden Zeugen aber auch aus der Einvernahme des Beschuldigten geht eindeutig hervor, daß sich der Berufungswerber vor der Unfallstelle im Bereich des nunmehr festgestellten Tatortes am linken Fahrstreifen neben einem anderen Kraftfahrzeug befunden hat. Er selbst hat ausgesagt, daß er nach der Autobahnraststätte M ein vor ihm fahrendes Fahrzeug am linken Fahrstreifen überholen wollte und er letztlich bedingt durch den verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall diesen Überholvorgang nicht vollenden konnte.

Wenn der Berufungswerber in diesem Zusammenhang vermeint, es würde ausreichen in derartigen Fällen bloß die Geschwindigkeit zu vermindern, so entspricht diese Auffassung nicht der Rechtslage. Von einem objektiv sorgfältigen Kraftwagenlenker ist zu erwarten, daß er im Falle von Bedenken, ob noch genügend Platz vorhanden sein könnte, den Überholvorgang sofort abbricht, dh daß er die Geschwindigkeit derart vermindert, daß er sich wiederum hinter dem ursprünglich überholten Fahrzeug einreihen könnte. Dies hat der Berufungswerber im vorliegenden Falle unbestritten unterlassen, weshalb der gegenständliche objektive Tatbestand von ihm verwirklicht wurde.

Was die subjektive Tatseite anbelangt, so sind im gegenständlichen Verfahren keine Gründe hervorgekommen, welche ein Verschulden des Berufungswerbers an der Verletzung der gegenständlichen Verwaltungsvorschrift ausschließen würden und es wurden solche Gründe auch vom Berufungswerber nicht behauptet. Er hat daher die vorgeworfene Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht zu vertreten.

Was die Rüge anbelangt, der Tatort sei unrichtig beschrieben, so ist der Berufungswerber insoferne im Recht, als nach dem von der belangten Behörde festgestellten Tatort, die Verwaltungsübertretung erst nach der Unfallstelle erfolgt wäre. Tatsächlich aber ereignete sich der Überholvorgang logischerweise bereits vor der Unfallstelle im Bereich der Autobahnauffahrt M. Dies wurde jedoch durch den nunmehr neu gefaßten Spruch im gegenständlichen Berufungserkenntnis klargestellt, wobei auf die Rechtsprechung des VwGH hingewiesen wird, wonach der Tatort mit der Angabe, der Überholvorgang habe bei einem bestimmten Straßenkilometer stattgefunden, hinreichend konkretisiert ist (VwGH vom 23.1.1991, 89/03/0302).

Die von der erkennenden Behörde vorgenommene Spruchkorrektur hinsichtlich des Tatortes nach Ablauf der gesetzlichen Verfolgungsverjährungsfrist war im konkreten vorliegenden Falle zulässig, zumal durch den von der belangten Behörde erhobenen Tatvorwurf im Hinblick auf den räumlichen Zusammenhang mit dem Unfallort einerseits bzw der festgestellten Tatzeit andererseits der Sachverhalt derart konkretisiert war, daß der Berufungswerber in der Lage war, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und überdies auch eine Doppelbestrafung ausgeschlossen ist.

Der Berufungswerber ist auch im Recht mit dem Hinweis, daß der Ausspruch der Geldstrafe unrichtigerweise unter die Bestimmung des § 99 Abs.3 lit.c StVO 1960 subsumiert wurde.

Hier scheint es sich aber offensichtlich um einen Schreibfehler zu handeln.

Unabhängig davon ist die Berufungsbehörde berechtigt, hinsichtlich eines festgestellten Sachverhaltes im Berufungsverfahren eine andere rechtliche Qualifikation vorzunehmen als die belangte Behörde. Im vorliegenden Falle wurde im Spruch des Berufungserkenntnisses unter Berücksichtigung des nunmehr eingeschränkten Tatvorwurfes eine entsprechende Richtigstellung der Strafnorm vorgenommen.

Was den Vorwurf anbelangt, der Berufungswerber hätte das Überholmanöver unter besonders gefährlichen Verhältnissen und mit besonderer Rücksichtslosigkeit durchgeführt, so gelangt die Berufungsbehörde aufgrund des bei der mündlichen Berufungsverhandlung gewonnenen Beweisergebnisses zur Auffassung, daß diese qualifizierten Tatmerkmale im vorliegenden Falle nicht als erwiesen angesehen werden können. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß eine gewisse - abstrakte - Gefährdung bereits in die jeweilige Strafnorm miteinbezogen ist. Ein über dieses Unrechtsmaß hinausgehender höherer Unrechtswert iSd § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 ist an das Vorliegen zusätzlicher Bedingungen geknüpft, welche in der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses bereits dargelegt wurden. Für die Beurteilung, ob diese besonderen Umstände ebenfalls verwirklicht wurden, ist ausschließlich ein objektiver Maßstab anzulegen.

Im vorliegenden Falle grenzt das Verhalten des Berufungswerbers im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall zumindest an die vorgeworfenen besonders gefährlichen Verhältnisse bzw auch auf die besondere Rücksichtslosigkeit.

Andererseits kann im vorliegenden Falle nicht ausgeschlossen werden, daß die Feststellungen der Gendarmeriebeamten umständebedingt doch auch eine subjektive Komponente enthalten. Immerhin hat der Berufungswerber sein Fahrzeug noch vor der Unfallstelle ohne größere Probleme zum Stillstand bringen können.

Nachdem, wie soeben dargelegt wurde, nicht mit der für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit erwiesen werden kann, daß die gegenständliche Verwaltungsübertretung unter besonders gefährlichen Verhältnissen und mit besonderer Rücksichtslosigkeit durchgeführt wurde, war diesbezüglich der Tatvorwurf in dubio pro reo aufzuheben.

I.8. Was die Strafbemessung (§ 19 VStG) anbelangt, so war zunächst zu berücksichtigen, daß für den nunmehr reduzierten Tatvorwurf ein geringerer Strafrahmen (Geldstrafe bis zu 10.000 S) festgelegt ist.

Es ist aber auch hinsichtlich des Grunddeliktes zu berücksichtigen, daß durch undiszipliniertes Verhalten von Kraftwagenlenkern insbesondere auf Autobahnen es immer wieder zu schwersten Verkehrsunfällen kommt. Auch ist zu bedenken, daß Gendarmeriebeamte und Bedienstete von Autobahnmeistereien durch undisziplinierte Fahrmanöver im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben permanent einer Gefahr ausgesetzt sind.

Wenn auch die von der belangten Behörde erhobenen Vorwürfe hinsichtlich besonders gefährlicher Verhältnisse bzw besonderer Rücksichtslosigkeit nicht erwiesen werden konnten, so war doch das Verhalten des Berufungswerbers im Hinblick auf die konkrete Situation in hohem Maße unverantwortlich.

Dazu kommt, daß er sich offenbar des Unrechtsgehalts seines Verhaltens in keiner Weise bewußt ist. Dementsprechend ist jedenfalls aus spezialpräventiven Gründen eine entsprechende Bestrafung notwendig. Darüber hinaus haben auch generell zur Hintanhaltung der dargelegten undisziplinierten Verhaltensweisen generalpräventive Überlegungen bei der Straffestsetzung miteinzufließen.

Unter Berücksichtigung des Strafmilderungsgrundes der bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit ist die nunmehr mit 20 % der vorgesehenen Höchststrafe festgelegte Geldstrafe tat- und schuldangemessen und auch für den Berufungswerber im Hinblick auf die von ihm dargelegten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse durchaus zumutbar. Eine weitere Herabsetzung sowohl der verhängten Geldstrafe als auch der ausgesprochenen Ersatzfreiheitsstrafe ist aus den dargelegten Erwägungen nicht vertretbar. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. K i s c h

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