Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103336/8/Fra/Ka

Linz, 29.05.1996

VwSen-103336/8/Fra/Ka Linz, am 29. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des R B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 22.9.1995, VerkR96-3859-1995, betreffend Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 23.

Mai 1996, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird hinsichtlich des Tatbestandes als unbegründet abgewiesen. Die Worte "um 60 km/h" im Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses haben zu entfallen. Hinsichtlich der Strafe wird der Berufung insofern Folge gegeben, als wegen der gegenständlichen Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 4.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 96 Stunden) verhängt wird.

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem O.ö.

Verwaltungssenat keinen Kostenbeitrag zu leisten. Für das Verfahren erster Instanz ermäßigt sich der Kostenbeitrag auf 10 % der neu bemessenen Strafe, ds 400 S.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 16, 19, 24, 44a und 51 VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 6.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 120 Stunden) verhängt, weil er am 15.1.1995 um 15.00 Uhr den PKW auf der Westautobahn A1 in Fahrtrichtung Wien gelenkt hat, wobei er im Gemeindegebiet von Perg im Attergau bei km 240,200 die für Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 60 km/h überschritten hat. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Strafe vorgeschrieben.

I.2. Dagegen richtet sich die fristgerecht durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel samt Akt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c VStG).

I.3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 23.5.1996 erwogen:

I.3.1. Der Bw bringt vor, daß die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck für die Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses nicht zuständig gewesen sei, weil gemäß § 94a iVm § 94b Abs.1 lit.a StVO 1960 für die Handhabung der Verkehrspolizei auf Autobahnen die Landesregierung zuständig ist. Dieser Einwand ist unzutreffend. Der Bw vermischt hier die Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung durch Organe des Landesgendarmeriekommandos (LGK) für Oberösterreich, die im Rahmen der Zuständigkeit der Landesregierung gemäß § 94a Abs.1 und 2 eingesetzt werden, mit der Zuständigkeit der belangten Behörde, die als Verwaltungsstrafbehörde tätig wurde. Der Bw ist darauf hinzuweisen, daß gemäß § 26 Abs.1 VStG den Bezirksverwaltungsbehörden in erster Instanz die Untersuchung und Bestrafung aller Übertretungen zusteht, deren Ahndung nicht anderen Verwaltungsbehörden oder den Gerichten zugewiesen ist. Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist. Da die von den Organen des LGK hier festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung im örtlichen Bereich des politischen Bezirkes Vöcklabruck begangen wurde, ist die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck auch als örtlich und sachlich zuständige Behörde eingeschritten.

I.3.2.1. Der Bw bemängelt weiters, daß die Gendarmeriebeamten Rev.Insp. S und Rev.Insp. W zum gegenständlichen Sachverhalt nicht als Zeugen einvernommen wurden und im Akt sich auch kein Eichungsbescheid der verwendeten Provida-Anlage und auch keine nähere Bezeichnung derselben befindet. Der Bw stellt daher fest, daß es die Erstbehörde unterlassen habe, ein Beweisverfahren durchzuführen, weshalb das angefochtene Straferkenntnis rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sei.

Aufgrund des oa Einwandes, der berechtigt ist, hat der O.ö.

Verwaltungssenat den Sachverhalt im Rahmen der Berufungsverhandlung neu aufgenommen.

Rev.Insp. W gab bei der Berufungsverhandlung zeugenschaftlich an, der Lenker des Zivilstreifenwagens gewesen zu sein. Er könne sich an den Vorfall nicht mehr erinnern, weil er sich auf das Fahren konzentriert hat und die im Zivilstreifenwagen eingebaute Provida-Anlage vom Beifahrer bedient wurde. Beifahrer und Meldungsleger des gegenständlichen Vorfalles war Rev.Insp. S. Dieser erklärte bei der Berufungsverhandlung die Bedienung der Provida-Anlage. Zeugenschaftlich gab er an, sich an den Vorfall noch etwas erinnern zu können, weil das gegenständliche Fahrzeug ein Kärntner Kennzeichen aufgewiesen hat und er ebenfalls ein gebürtiger Kärntner sei. Besondere Vorkommnisse hat es nicht gegeben. Die Bedienung der Anlage funktioniert so, daß, wenn der Zivilstreifenwagen von einem anderen Fahrzeug überholt wird, auf dieses im gleichbleibenden Abstand aufgeschlossen wird und sodann die Anlage, deren Bedienungselemente sich auf Höhe des Handschuhfaches befinden, eingeschaltet wird. Wenn der Abstand gleichbleibend ist, wird der Wegstreckenmesser eingeschaltet und nach 1.000 m wieder ausgeschaltet (die Anlage ist auf 1.000 m eingestellt). Berechnet wird die Durchschnittsgeschwindigkeit auf dieser Wegstrecke von 1.000 m. Es wird aber auch ständig auf dem Bildschirm die momentan gefahrene Geschwindigkeit des Zivilstreifenwagens angezeigt. Nach dieser Wegstrecke von 1.000 m wird die Anlage ausgeschaltet und es wird versucht, mit einem im Fahrzeug befindlichen Handblaulicht den Lenker aufmerksam zu machen, um ihn anschließend anzuhalten. Auch im gegenständlichen Fall erfolgte die Anhaltung auf einem Parkplatz. Wenn es ein Fahrzeuglenker will, wird ihm sofort das Videoband vorgespielt. Der Bw gab zu seiner Rechtfertigung an, nicht auf dem Tachometer geschaut zu haben, normalerweise fahre er nicht so schnell. Dazu befragt, warum in der Anzeige angeführt ist, daß die Höchstgeschwindigkeit bei 190 km/h lag, gab der Meldungsleger an, daß es sich um die gemessene Durchschnittsgeschwindigkeit handelte. Als Tatort wird in der Regel der Kilometer, der sich in der Mitte der Wegstrecke befindet, angegeben. Warum er in der Anzeige hineingeschrieben hat, daß die Höchstgeschwindigkeit bei 190 km/h lag, könne er sich nicht mehr erklären. Das Videoband existiert nicht mehr, es gibt auch keine Dienstvorschriften bezüglich Aufbewahrung des Videobandes.

I.3.2.2. Der unabhängige Verwaltungssenat hat keine Veranlassung, die zeugenschaftlichen Schilderungen des Meldungslegers bei der Berufungsverhandlung in Zweifel zu ziehen. Dieser wurde ausdrücklich auf die Folgen einer falschen Zeugenaussage aufmerksam gemacht. Der Zeuge wirkte sehr sachlich und emotionslos. Er sagte auch, daß es bei der Anhaltung keine besonderen Vorkommnisse gegeben hat und es kann somit kein Grund gefunden werden, daß er den Bw wahrheitswidrig belasten will. Im Hinblick auf die Funktionsweise der Provida-Anlage ist es auch glaubwürdig, daß der Meldungsleger die Durchschnittsgeschwindigkeit und nicht - wie in der Anzeige vermerkt - die Höchstgeschwindigkeit festgestellt hat. Der Meldungsleger versuchte auch diesen Fehler nicht zu relativieren. Es handelt sich hier offenbar um einen Routinefehler.

Bei der Berufungsverhandlung wurde auch der Eichschein für die betreffende Provida-Anlage vorgelegt. Daraus geht hervor, daß der Geschwindigkeitsmesser am 4.10.1994 (rund drei Monate vor der Tat) geeicht wurde und die gesetzliche Nacheichfrist am 31.12.1997 abläuft. In diesem Zusammenhang ist noch erwähnenswert, daß der Meldungsleger auch angab, lediglich ein Dienstfahrzeug mit einer fix eingebauten Provida-Anlage zu verwenden.

Unter Zugrundelegung der oben angeführten Zeugenaussagen sowie des Eichscheines ist der O.ö. Verwaltungssenat zur Überzeugung gelangt, daß der Bw die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in ständiger Rechtsprechung dargetan, daß eine Geschwindigkeitsschätzung durch Nachfahren im gleichbleibenden Abstand in Verbindung mit dem Ablesen der Geschwindigkeit vom Tachometer des nachfahrenden Kraftfahrzeuges zur Ermittlung der gefahrenen Geschwindigkeit geeignet ist, wobei dem Umstand, daß der Tachometer im nachfahrenden Fahrzeug nicht geeicht ist, bei erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen keine Bedeutung zukommt (vgl. zB das Erk. vom 15.2.1991, Zl.90/18/0233). Dem Umstand, daß im gegenständlichen Fall der Videofilm nicht mehr zur Verfügung stand, kommt daher keine Bedeutung zu. Es ist aufgrund des Beweisergebnisses jedenfalls davon auszugehen, daß der Bw die gesetzliche Geschwindigkeitsüberschreitung zur Tatzeit am Tatort mit dem im Rede stehenden PKW überschritten hat.

Die Berufung war daher in der Schuldfrage als unbegründet abzuweisen. Das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung wurde deshalb aus dem Spruch herausgenommen, weil dieses kein Tatbestandsmerkmal des § 20 Abs.2 StVO 1960 darstellt.

I.4. Zur Strafe:

Anknüpfend an den letzten Satz in der Begründung zur Schuldfrage geht der O.ö. Verwaltungssenat davon aus, daß der Bw die zulässige Höchstgeschwindigkeit um ca. 60 km/h überschritten hat. Ca. deshalb, weil - wie oben erwähnt die Meldungsleger eine Durchschnittsgeschwindigkeitsüberschreitung von 60 km/h festgestellt haben und naturgemäß der Nachfahrabstand des Zivilstreifenwagens zum Beschuldigten-PKW gewissen Schwankungen unterliegt. Unter weiterer Berücksichtigung einer Eichfehlergrenze ist es durchaus möglich, daß die Geschwindigkeitsüberschreitung beim angeführten Straßenkilometer nicht exakt bei 60 km/h lag, sondern durchaus um einige km/h darunter liegen konnte, aber nicht wesentlich, weil der Nachfahrabstand kontinuierlich gleich war. Berücksichtigt man eine Eichfehlergrenze von 3 % ist aber jedenfalls von einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 54 km/h auszugehen.

Unter Berücksichtigung dieses Umstandes sowie des weiteren Umstandes der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Bw, der als mildernd zu werten ist, war die Strafe schuldangemessen herabzusetzen. Hinzu kommt, daß im Verfahren kein erschwerender Umstand hervorgekommen ist und auch die Geschwindigkeitsüberschreitung keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen hat. Im Hinblick auf das gute Einkommen des Bw (ca. 60.000 S) erschien dem O.ö.

Verwaltungssenat selbst unter Berücksichtigung der Vermögenslosigkeit und des Umstandes, daß er für Ehefrau und 1 Kind sorgepflichtig ist, eine weitere Herabsetzung der Strafe nicht vertretbar. Es muß hier auch von einem erheblichen Verschulden ausgegangen werden, denn derartig eklatante Geschwindigkeitsüberschreitungen werden zumindest "in Kauf genommen". Daß durch die Wahl einer solchen Geschwindigkeit die Verkehrssicherheit ganz erheblich reduziert wird, bedarf wohl keiner näheren Erörterung und muß auch jedem Laien einsichtig sein. Es bedarf daher aus spezialpräventiven Gründen der Strafe in der nunmehr festgesetzten Höhe.

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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