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VwSen-103435/3/Gu/Atz

Linz, 25.01.1996

VwSen-103435/3/Gu/Atz Linz, am 25. Jänner 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 2. Kammer unter dem Vorsitz des Dr. Ewald LANGEDER sowie durch den Berichter Dr. Hans GUSCHLBAUER und dem Beisitzer Dr. Hermann BLEIER über die Berufung des W... L... gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 20.9.1995, Zl. VerkR-96/8632/1993/Mr, zu Faktum 1) betreffend eine Übertretung der StVO 1960 zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Der Rechtsmittelwerber hat keinerlei Verfahrenskosten zu bezahlen.

Rechtsgrundlagen:

§ 51e Abs.1 VStG, § 4, § 7, § 8 Zustellgesetz, § 3 Abs.1, § 45 Abs.1 Z2, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat den Rechtsmittel werber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, am 5.6.1993 um ca. 23.30 Uhr in St. Florian aus Richtung Asten kommend in Fahrtrichtung Tillysburg auf der Tillysburger-Bezirksstraße bei Strkm. 2,252 das Motorfahrrad, Kz. O-46.575 gelenkt zu haben, wobei er sich in einem deutlich vermutbar durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe und entgegen der von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Straßenaufsichtsorgan an ihn gerichteten Aufforderung um 23.43 Uhr bei Strkm. 2,252 der Tillysburger-Bezirksstraße eine Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert habe.

Wegen Verletzung des § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960 wurde über ihn in Anwendung des § 99 Abs.1 lit. b leg.cit.

eine Geldstrafe von 23.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Tage) und ein Verfahrenskostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren von 2.300 S verhängt.

In seiner Berufung macht der Rechtsmittelwerber geltend, daß er erst am 9. Jänner 1996 vom Straferkenntnis Kenntnis erlangt habe. Erst durch die Aufforderung zum Strafantritt sei ihm zugestellt worden. Er sei nicht betrunken gewesen und sei auch nicht zum Alkotest aufgefordert worden. Aufgrund einer herausspringenden Kette sei er seinerzeit gestürzt und sofort bewußtlos geworden.

Sinngemäß begehrt er wegen der Sache nicht bestraft zu werden.

Vorgängig war zu prüfen, ob das eingebrachte Rechtsmittel rechtzeitig war.

Zum Zeitpunkt der angelasteten Tat am 5.6.1993 und dem Zeitpunkt der Verfolgungshandlung, nämlich des Ladungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 2. Juli 1993 war der Beschuldigte in Enns, V... ., wohnhaft.

Dort hat ihn die Verfolgungshandlung auch erreicht und ist er daraufhin bei der Strafbehörde erster Instanz erschienen um sich zu rechtfertigen. Zwischenzeitig holte die erste Instanz von den eingeschrittenen Gendarmerieorganen ergänzende Informationen ein und ließ die Aufnahmeärztin des Krankenhauses Enns zur Thematik, Intensität der Alkoholisierung einerseits, Dispositionsfähigkeit andererseits und schließlich auch zur Frage, ob ein Alkomattest gesundheitlich zumutbar gewesen wäre, befragen.

Die erste Instanz versuchte, nachdem ein Wohnsitzwechsel nicht angezeigt wurde, das Beweisergebnis dem Beschuldigten unter der bekannten Adresse zur Kenntnis zu bringen. Diese Postsendung wurde nicht behoben. Ohne daß im Akt Ermittlungen aufscheinen, wurde das Straferkenntnis auf den Abgabeort ...straße ... adressiert, am 5.10.1995 hinterlegt und nicht behoben. Eine Erhebung ergab, daß der Beschuldigte mit Wirkung 3.10.1995 sich in Linz, ...straße .., angemeldet hatte.

Tatsächlich erhielt der Beschuldigte erst im Vollstreckungsverfahren vom ergangenen Straferkenntnis Kenntnis, indem er sich zur Behörde begab und ihm das Straferkenntnis dort am 9. Jänner 1996 persönlich ausgefolgt wurde. Am selben Tage brachte er noch die Berufung ein.

Gemäß § 4 des Zustellgesetzes ist Abgabestelle der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf. Das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anläßlich einer Amtshandlung auch deren Ort.

Gemäß § 8 des Zustellgesetzes hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, im Falle der Änderung der Abgabenstelle dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Gemäß § 7 des Zustellgesetzes gilt eine Zustellung, wenn bei ihr Mängel unterlaufen sind, in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist, tatsächlich zugekommen ist.

Für den gegenständlichen Fall hatte dies die Bedeutung, daß eine Hinterlegung des Schriftstückes nur dann die Wirkung der Zustellung gehabt hätte (weil der Beschuldigte die Adressenänderung nicht bekannt gab), wenn das Schriftstück an die seinerzeitige Adresse ... ., Enns, adressiert gewesen wäre oder wenn das Schriftstück nach vorheriger Ermittlung der neuen richtigen Abgabestelle, dies war ab 3.10.1995, die Adresse Linz, ...straße .., an diese Abgabestelle zugestellt worden wäre. Da beides nicht der Fall war, wurde der Zustellmangel erst durch die persönliche Übernahme bei der Behörde am 9. Jänner 1996 behoben. Die Berufung ist daher rechtzeitig.

Bereits aus der Aktenlage u.z. durch die Angabe der Aufnahmeärztin, welche sich in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses wiederfindet, ist ersichtlich, daß das angefochtene Straferkenntnis zu beheben ist, zumal eindeutig daraus hervorgeht, daß der Beschuldigte zur Tatzeit einen Kapitalrausch hatte, indem ausgeführt wurde, "Die Intensität der Alkoholisierung war stark, der Tremor in den Händen war wahrnehmbar und der Gang war wankend. Die Dispositionsfähigkeit war zum Zeitpunkt der Untersuchung (dies war kurz nach der Aufforderung zum Alkomattest) sicher nicht gegeben, am nächsten Tag eher schon. Der Alkomattest wäre gesundheitlich (d.h. demnach physisch) zumutbar gewesen." Durch die Information des GPK Enns vom 15. Juli 1993, GZ. P 1602/93/Pi, hatte die Behörde Kenntnis, daß er vor der Tat 21 halbe Bier konsumiert hatte.

Warum die erste Instanz in der damals (nach Kenntnis der Auskunft der Aufnahmeärztin und der Gendarmerieermittlungen) noch offenen Verfolgungsverjährungsfrist die Verfolgung nicht auf die Übertretung des § 83 Abs.1 des Sicherheitspolizeigesetzes (selbstverschuldete volle Berauschung) abgeändert hat, ist nicht erfindlich.

In der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses, welche darauf Bezug nimmt, daß die Dispositionsfähigkeit zum Zeitpunkt der Untersuchung sicher nicht gegeben war, finden sich keine weiteren Ausführungen aufgrund welchen Umstandes die Dispositionsfähigkeit dessen ungeachtet dennoch gegeben gewesen sei.

Mit einem Erkundungsbeweis in diese Richtung war in einer mündlichen Verhandlung nichts mehr zu gewinnen, zumal an der Aussagekraft der Aufnahmeärztin nicht zu rütteln ist.

Gemäß § 3 VStG ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln. War die Fähigkeit zur Zeit der Tat aus einem dieser Gründe im hohen Grad vermindert, so ist das als mildernder Umstand bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen. Das gilt aber nicht für Bewußtseinsstörungen, die auf selbstverschuldeter Trunkenheit beruhen.

Die Dispositionsfähigkeit war nach dem vorliegenden Ergebnis nicht nur in hohem Grad vermindert, sondern aufgrund der medizinischen Fachkunde der Ärztin mit Sicherheit nicht gegeben.

Das Spannungsfeld - möglicher antizipierter Tatwille bei selbstverschuldeter voller Berauschung und alkoholisierte Lenkung eines Fahrzeuges - wäre nur dann Gegenstand einer Betrachtung und Würdigung, wenn dem Beschuldigten eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 StVO 1960 vorgeworfen worden wäre.

Da dies alles nicht der Fall war und beim Beschuldigten anläßlich der Verweigerung des Alkomattestes wegen eines gewaltigen Alkoholabusus Unzurechnungsfähigkeit vorlag, war der Berufung im Ergebnis ein Erfolg beschieden. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren wegen eines Schuldausschließungsgrundes gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

Dies befreite den Rechtsmittelwerber von Beiträgen zu den Kosten des Berufungsverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an:

1. Herrn W... L..., ...straße .., 4020 Linz; 2. Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zur Zahl VerkR-96/8632/1993/Mr, Kärntnerstraße 16, 4021 Linz, unter Aktenrückschluß mit dem Ersuchen um nachweisbare Zustellung der Entscheidung an den Rechtsmittelwerber.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Langeder

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