Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103576/2/Fra/Ka

Linz, 15.04.1996

VwSen-103576/2/Fra/Ka Linz, am 15. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des R B, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. T W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 6.2.1996, VerkR96-6150-1994-Li, betreffend Übertretungen der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 und Z3 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretungen nach 1.) § 4 Abs.1 lit.b StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 und nach 2.) gemäß § 31 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 je Geldstrafen in Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt, weil er am 21.8.1994 gegen 2.30 Uhr den PKW, Kz.: , auf der Oberinnviertler Landesstraße in Richtung Mattighofen, Gemeinde Schalchen, bei Strkm.36,5 gelenkt hat, und 1.) es unterlassen hat, nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand und als dessen Folge Schäden für Personen oder Sachen zu erwarten waren, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen, zumal nach dem Unfall die Fahrbahn an der Unfallstelle stark verschmutzt war und er die Unfallstelle nicht absicherte; 2.) eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (Leitschiene) beschädigt hat und nach diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden die nächste Gendarmeriedienststelle oder den Straßenerhalter von der Beschädigung unter Bekanntgabe seiner Identität nicht ohne unnötigen Aufschub verständigt hat.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in Höhe von je 10 % der verhängten Strafen vorgeschrieben.

2. Dagegen richtet sich die fristgerecht durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel samt Akt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c VStG).

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Zum Faktum 1 (§ 4 Abs.1 lit.b StVO 1960):

Der Bw wendet Verfolgungsverjährung ein und führt hiezu aus, daß die zur Last gelegte Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren sei. So sei zB bei Übertretungen nach § 15 Abs.4 StVO 1960 der Seitenabstand durch eine bestimmte Zahl oder eine Bandbreite zwischen zwei Zahlen festzuhalten, gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960, weshalb der Beschuldigte an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt hat oder nach § 19 Abs.7 leg.cit., worauf sich die Wartepflicht gründet. Die Strafbehörde erster Instanz begründet die Verpflichtung zur Absicherung der Unfallstelle damit, daß die Fahrbahn an der Unfallstelle stark verschmutzt war. Es werde weder angeführt, ob sie durch Erdreich, Glassplitter oder andere Teile des PKW oder der Leitschiene verunreinigt war. Dies werde erst in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ausgeführt, wobei diese Konkretisierung erst durch die zeugenschaftliche Einvernahme des erhebenden Gendarmeriebeamten Wimmer nach Eintritt der Verfolgungsverjährung bekannt wurde. In Anlehnung an die og.

Judikatur hätte die Erstbehörde im Sinne des § 44a VStG zu umschreiben gehabt, wodurch die Fahrbahn verschmutzt war. Da die Konkretisierung erst nach Eintritt der Verfolgungsverjährung erfolgte, überdies auch nicht im angefochtenen Spruch aufscheine, leide das angefochtene Straferkenntnis an einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit.

Damit ist der Bw im Ergebnis im Recht:

Die Regelung des § 44a Z1 VStG erfordert, die als erwiesen angenommene Tat im Spruch entsprechend zu konkretisieren, wozu es der Anführung aller Tatbestandsmerkmale bedarf, die zur Individualisierung und Konkretisierung des Verhaltens erforderlich ist. Zu dieser Konkretisierung des Tatvorwurfes im Sinne des § 44a Z1 VStG ist die individualisierte Beschreibung jener Handlungen oder Unterlassungen erforderlich, die dem Täter als inkriminiertes Verhalten zur Last gelegt wird (vgl VwGH 27.2.1979, 2099/78 uva). Dies bedeutet, daß die Sachverhaltselemente im Spruch derartig festgestellt werden müssen, daß unmißverständlich klargestellt ist, welche Tat als erwiesen angenommen wurde.

Die hier gewählte Umschreibung, daß die Fahrbahn nach dem Unfall an der Unfallstelle verschmutzt war, ist deshalb unzureichend, weil mit Schmutz lediglich ein verunreinigender Stoff gemeint ist, dessen Entfernung auf unterschiedliche Art und Weise (durch Zusammenkehren, Binden von Öl usw) erfolgen kann. Die notwendigen Maßnahmen zur Vermeidung von Folgeschäden richten sich somit nach der Art der Verschmutzung der Fahrbahn, die - damit die zur Last gelegte Tat den Umschreibungserfordernissen des § 44a Z1 VStG entspricht - auch in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmen ist. Die Erstbehörde hat die Art der Verschmutzung zwar aufgrund von Stellungnahmen des Beschuldigten ermittelt und in die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses aufgenommen. Sie hat damit zu erkennen gegeben, daß dies auch erforderlich ist. Der O.ö. Verwaltungssenat kann jedoch die Auffassung der Erstbehörde - siehe obenstehende Erwägungen - nicht teilen, daß durch die Anführung des Allgemeinbegriffes "Schmutz" im Spruch die Tat hinreichend konkretisiert ist.

Da die Art der Verschmutzung erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist erhoben wurde, ist Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb eine entsprechende Spruchkonkretisierung durch den O.ö. Verwaltungssenat nicht mehr zulässig ist.

Zum Faktum 2 (§ 31 Abs.1 StVO 1960):

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in seinem Erkenntnis vom 13.5.1987, Zl. 85/18/0067, ausgeführt, daß Voraussetzung für jede Strafbarkeit eines tatbildmäßigen, rechtswidrigen, menschlichen Verhaltens ist, daß der Täter schuldhaft gehandelt hat. Auch für das Verwaltungsstrafrecht gilt zufolge des § 5 Abs.1 VStG (ungeachtet der Beweislastumkehr für Ungehorsamsdelikte) ebenso wie gemäß § 4 des Strafgesetzbuches das Schuldprinzip, dh eine Bestrafung ist nur bei Vorliegen eines schuldhaften Verhaltens möglich. Im Beschwerdefall wurde der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil sich die belangte Behörde nicht mit der im Vordergrund stehenden wesentlichen Frage des Verschuldens des Beschwerdeführers an der Beschädigung eines Begrenzungspflockes auseinandergesetzt hat. Die Beschädigung einer Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs ist somit nur dann strafbar, wenn der Täter schuldhaft gehandelt hat.

Sowohl der Bw als auch die in seinem Fahrzeug mitfahrenden Personen gaben sofort nach der Einvernahme an, daß der Unfall deshalb passierte, weil sich plötzlich ein Reh vor dem Fahrzeug befand. Da diese Version nicht widerlegbar ist, kann das Verschulden an der gegenständlichen Beschädigung nicht nachgewiesen werden, weshalb es an der Strafbarkeit des gegenständlichen Verhaltens fehlt.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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