Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-103596/2/Gu/Atz

Linz, 22.03.1996

VwSen-103596/2/Gu/Atz Linz, am 22. März 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Hans GUSCHLBAUER über die Berufung des F. L., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ch. R., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 20.2.1996, Zl. VerkR96-6892-1-1994-Li, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht:

Der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird bestätigt.

Aus Anlaß der Berufung wird die verhängte Geldstrafe auf 500 S, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 15 Stunden und der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag auf 50 S herabgesetzt.

Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 5 Abs.1, § 16, § 19, § 51e Abs.2, § 65 VStG, § 19 Abs.5 und Abs.7 StVO 1960, § 99 Abs.3 lit.a leg.cit.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, am 3.9.1994, um 9.50 Uhr, den PKW mit dem Kennzeichen L-..., auf der Weilhart Landesstraße aus Richtung Braunau kommend bis zur Kreuzung mit der Brunnthaler Bezirksstraße, Strkm 6,0, Gemeinde Braunau, gelenkt zu haben und auf dieser ungeregelten Kreuzung den Vorrang eines Fahrzeuges, das seine Fahrtrichtung beibehalten hat, verletzt zu haben, weil dessen Lenker zu einem unvermittelten Bremsen und Ablenken seines Fahrzeuges (laut Unfallaufnahme mit dem Kennzeichen BR-...) genötigt worden sei.

Wegen der Verletzung des § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.5 StVO 1960 wurde dem Beschuldigten in Anwendung des § 99 Abs.3 lit.a StVO eine Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) und ein Verfahrenskostenbeitrag von 100 S auferlegt.

Begründend führt die erste Instanz aus, daß die Verwaltungsübertretung aufgrund der Anzeige des GPK Braunau vom 16.11.1994, GZ. P-2205/94-Scha, sowie dem Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. W. H. festgestellt und als erwiesen anzusehen sei.

Bei der Strafbemessung wurde die bisherige Unbescholtenheit als mildernd gewertet und ein monatliches Nettoeinkommen von geschätzten 10.000 S, bei Nichtvorliegen von Vermögen und Sorgepflichten, zugrundegelegt und für die Straffestsetzung Spezial- und Generalprävention ins Treffen geführt.

In seiner rechtzeitig dagegen erhobenen Berufung macht der rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte mangelnde Tatsachenfeststellungen und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Er rügt, daß trotz Beweisanbotes der Akt des anhängigen Zivilverfahrens vor dem BG Braunau nicht beigeschafft wurde und dem Ersuchen um Unterbrechung des Verfahrens nicht entsprochen wurde.

Die erste Instanz habe bei der Vorrangverletzung dem Beschuldigten vorgeworfen, daß er vor dem versuchten Linksabbiegemanöver nicht weiter nach vorne gefahren sei, was ihm eine bessere Sichtmöglichkeit auf den PKW des Zweitbeteiligten gebracht hätte und wodurch er diesen PKW hätte früher erkennen können.

Es fehlten aber Feststellungen, ob der Beschuldigte zum Zeitpunkt des Abbiegens den Zweitbeteiligten bereits sehen konnte oder nicht. Dies sei aber eine entscheidungsrelevante Frage. Eine Bestrafung wegen Vorrangsverletzung setze denknotwendig die Wahrnehmbarkeit eines vorfahrtsberechtigten Fahrzeuges durch den Wartepflichtigen voraus.

Eine konsequente Weiterentwicklung dieses Grundsatzes würde bedeuten, daß der Beschuldigte eine Vorrangsverletzung nicht zu verantworten habe, wenn der Beginn des Einfahrmanövers zu einem Zeitpunkt erfolgte, als sich der Entgegenkommende noch nicht innerhalb der Sichtweite des Beschuldigten befand.

Diesbezüglich habe der im Zivilverfahren zugezogene Sachverständige aus dem Verkehrswesen, Dipl.-Ing. L., zu Protokoll gegeben:

"Ob der PKW des Zweitbeteiligten zu dem Zeitpunkt, als der Einschreiter (Beschuldigte) aus der Stillstandsposition begonnen hat wegzufahren, im objektiven Sichtbereich war, kann im Rahmen der Beweiswürdigung feststellt werden und nicht anhand objektiver Unfallsspuren oder rechnerisch rekonstruiert werden".

Gestützt werde diese Annahme durch die Darstellung des Sachverständigen Dipl.-Ing. H., der ebenfalls die Möglichkeit, daß der Beschuldigte sein Abbiegemanöver vor Ansichtigwerden des Fahrzeuges des Entgegenkommenden begonnen habe, nicht ausgeschlossen habe. Diesbezüglich fehlten Feststellungen der ersten Instanz, weshalb die Entscheidung zur Gänze angefochten wird.

Aus diesen Gründen beantragt der Rechtsmittelwerber die ersatzlose Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses, in eventu die (nicht mehr zulässige) Zurückverweisung der Sache zur ersten Instanz, in eventu die Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Zivilverfahrens.

Da nur eine Geldstrafe von 1.000 S, sohin unter 3.000 S verhängt worden ist, war gemäß § 51e Abs.2 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entbehrlich, zumal eine solche von dem Berufungswerber nicht ausdrücklich verlangt wurde.

Die von der ersten Instanz erhobenen und im Akt befindlichen Beweismittel reichen für die Beurteilung der Sache hin. Mit zusätzlichen Beweisaufnahmen ist in der Verwaltungsstrafsache insbesondere auch angesichts der zwischenzeitig verflossenen Zeit nichts Zusätzliches mehr zu gewinnen.

Von entscheidendem Gewicht erscheinen dem O.ö.

Verwaltungssenat die Aussagen der bei der Vorrangverletzung (Unfall) nicht beteiligten Personen, die kurz nach dem Unfall in der Niederschrift des GPK Braunau vom 3.9.1994 mit H. B., geb. 7.6.1969, und dessen Vater F. B., geb.

14.4.1935, gemacht wurden sowie deren Aussagen in der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Braunau am 28.6.1995.

Demnach hat H. B. vor der Gendarmerie folgendes wörtlich ausgeführt:

"Ich fuhr am 3.9.1994 um ca. 10.00 Uhr mit meinem PKW von Richtung Braunau kommend, auf der Weilhart Ldstr., in Oberrothenbuch, in Richtung Schwand. Bei der Kreuzung am Rothenbuchenerberg wollte ich dann nach links in Richtung Schwand abbiegen. Ich fuhr hinter einem grauen PKW mit Linzer Kennzeichen. Dieser stand an besagter Kreuzung und wollte nach links in Richtung Schwand abbiegen. Der vor uns fahrende PKW fuhr langsam los, als plötzlich aus Richtung Ach auf der Weilhart Landesstr. ein roter PKW, glaublich der Marke Honda, offensichtlich zu schnell, daher. Der Zusammenstoß war daher unausweichlich. Der Linzer PKW wurde einige Meter zurückgeschoben. Wir hielten sofort an, sicherten die Unfallstelle ab und schauten nach Verletzten".

In der Niederschrift ist weiters vermerkt:

"Der im PKW des B. mitfahrende F. B., geb. 14.4.1935 in Handenberg geb., wh gleiche Anschrift, bestätigte die Angaben des Sohnes." In der vorzitierten Hauptverhandlung hat H. B. als Zeuge vernommen folgendes wörtlich ausgeführt: "Ich bin unmittelbar hinter dem Fahrzeug des Privatbeteiligten nachgefahren. Ich habe dann wahrgenommen, daß dieses Fahrzeug langsamer geworden ist und ich hatte den Eindruck, daß der Lenker jetzt nach links abbiegen wird. Er hat auch ein Blinkzeichen gesetzt. Er ist dann auch zum Stillstand gekommen, und zwar noch fahrbahnparallel auf meinem Fahrstreifen. In der Folge setzte er die Fahrt langsam nach links fort und als er mit dem Einbiegen nach links gerade begonnen hatte, kam es schließlich zu dem Anstoß mit dem entgegenkommenden Fahrzeug. Für mich war die Situation so, daß ich das Herankommen des Fahrzeuges des Beschuldigten (gemeint Heiml, dem Entgegenkommenden, denn dieser war im strafgerichtlichen Verfahren der Beschuldigte) schon wahrgenommen habe und noch gesagt habe: "Jetzt staubt's und selbst versucht habe, möglichst weit hinten zu bleiben, um bei dem zu erwartenden Unfall nicht noch selbst Schäden zu erleiden. Es war also praktisch für mich erkennbar, daß die beiden Fahrzeuge aufeinander zufuhren. Der Zusammenstoß war im Hinblick auf die Fahrlinien der beiden Fahrzeuge unvermeidlich. Nach dem Zusammenstoß ist das Fahrzeug des Privatbeteiligten zurückgestoßen worden. Mein Fahrzeug wurde dabei nicht berührt. Über Frage des SV: Ich zeige an Ort und Stelle meine ungefähre Sitzposition und die Position, welche der Beschuldigte beim ersten Sichtkontakt mir gegenüber hatte. Die Position wird vermessen und es ergeben sich folgende Daten: Das Beschuldigtenfahrzeug war etwa 35 m vor dem Straßenkilometer 6,0, als der Zeuge B. nach seiner Darstellung es gesehen hat. Ob der Beschuldigte in dieser Position bereits gebremst hat, kann ich nicht sagen, ich vermute das aber. Der Erstbeschuldigte war glaublich mit der linken Frontseite aber noch nicht mit der rechten Frontseite über der Leitlinie im Zeitpunkt des Anstoßes. Zur Geschwindigkeit des beschuldigten Fahrzeuges kann ich nur sagen, daß ich den Eindruck gehabt habe, daß es schnell dagewesen ist. Den Tiefenabstand zum Fahrzeug des Privatbeteiligten gebe ich mit etwa 15 m an." Der Vater des Vorgenannten, F. B., gab ebenfalls als Zeuge folgendes an:

"Ich bin mit meinem Sohn mitgefahren. Ich habe die ganze Situation unmittelbar beobachtet, weil ich schon kommen gesehen habe, was sich jetzt abspielt. Wir sind über die untere Kurve heraufgefahren und haben uns dem Fahrzeug des Privatbeteiligten genähert und dabei gesehen, daß dieser zum Stillstand kam und auch dann nach links abbiegen wollte. Ich habe mir die ganze Verkehrssituation deshalb etwas näher angeschaut. Ich habe zu meinem Sohn noch gesagt, er soll vorsichtig sein und nicht zu eng nachfahren, weil "da staubt es jetzt". Ich habe das schon in dem Augenblick gesagt, als ich den Unfallzusammenhang unmittelbar vor meinem Auge ablaufen gesehen habe. Die gegenständliche Kreuzung ist mir bekannt, da ich in der Nähe wohne und mir ist daher auch die Gefährlichkeit im Zuge des Einbiegemanövers nach links bekannt. Ich fahre hier auch regelmäßig (bei Linksabbiegen Richtung Schwand). Aus meiner langjährigen Erfahrung, insbesondere auch bei Traktorfuhrwerken in dem gegenständlichen Bereich, ist mir bekannt, daß es sehr gefährlich ist, hier nach links abzubiegen, wenn jemand mit deutlich hoher Geschwindigkeit von Ach kommend hier hereinfährt." Von Bedeutung ist auch die Feststellung des Gerichtes im vorerwähnten Hauptverhandlungsprotokoll, daß während des Lokalaugenscheins ein sehr reger Linksabbiegeverkehr, insbesondere von LKWs herrschte und im Linksabbiegeverkehr von Personenkraftwagen auch Situationen erkennbar waren, die durchaus eher bedenklich erschienen.

Die Aussagen der erwähnten Zeugen waren lebensnah, durch die eigenen Feststellungen des Gerichtes bezüglich der Gefährlichkeit des Straßenstückes bestätigt, in sich schlüssig und insbesondere auch deswegen gegenüber allen anderen Angaben der Unfallbeteiligten glaubwürdig, weil sie kein Interesse am Ausgang des Verfahrens besitzen. Demnach steht fest, daß der Zeuge beim Herannahen an die Kreuzung einen Abstand zum Beschuldigten von ca. 15 m hielt, den Entgegenkommenden ebenfalls schon wahrgenommen hat und sah, daß der Beschuldigte dessen ungeachtet langsam losfuhr (in die Kreuzung einfuhr), obwohl der Beschuldigte in Folge des Verlaufes der Straße (leichte Fahrbahnkuppe und Rechtskurve) den Entgegenkommenden denknotwendig damit hätte früher wahrnehmen müssen und jedenfalls zügig den Kreuzungsbereich hätte verlassen müssen.

Dieses Defizit an besonders geschärfter Aufmerksamkeit an einem für den Rechtsmittelwerber unbekannten Straßenstück mit Kreuzung verbunden mit dem nicht rasch, sondern nur langsamen Einbiegemanöver und somit nicht zügigem Verlassen der Gefahrenstelle begründet im Zusammenhalt mit dem dadurch erforderlichen Abbremsen (letztlich kam es auch zum Zusammenstoß mit dem vorrangberechtigten Gegenverkehr), das tatbestandsmäßige Verhalten und gemessen an einem maßgerechten geprüften Autolenker, auch die Vorwerfbarkeit der Tat in Form von Fahrlässigkeit, welche als Schuldform bei einer Verwaltungsübertretung hinreicht (§ 5 Abs.1 VStG).

Durch die aus Vernehmung von Unbeteiligten zweifelsfreie Beweislage war die Beischaffung weiterer Beweise und eine Unterbrechung des Verfahrens entbehrlich. Nachdem die Übertretung bedeutende Folge zeitigte, war trotz des relativ geringen Maßes an Fahrlässigkeit ein Absehen von einer Bestrafung im Sinn des § 21 Abs.1 VStG nicht möglich.

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Außer der von der ersten Instanz als mildernd gewerteten bisherigen Unbescholtenheit kommen nach Auffassung des O.ö.

Verwaltungssenates dem Beschuldigten noch weitere Milderungsgründe zugute.

Zum einen hat er an den Folgen der Übertretung am meisten gelitten. Darüber hinaus hat der Straßenhalter ungünstige Verhältnisse geschaffen, sodaß dies dem Umstand nahekommt, daß die Tat unter Einwirkung eines Dritten geschehen ist (§ 34 Z4 StGB).

Aus all diesen Gründen war die verhängte Strafe noch näher an die Untergrenze zu reduzieren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an:

1. Herrn F. L. z.Hd. Herrn Rechtsanwalt Dr. C. R., L. 42, 4020 Linz; 2. Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, Hammersteinplatz 1, 5280 Braunau am Inn, zur Zahl VerkR96-6892-1-1994-Li, unter Aktenrückschluß mit dem Ersuchen um nachweisbare Zustellung der Entscheidung an den Vertreter des Rechtsmittelwerbers.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum