Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103608/10/Ki/Shn

Linz, 21.08.1996

VwSen-103608/10/Ki/Shn Linz, am 21. August 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 9. Kammer (Vorsitzender Dr. Bleier, Beisitzer Dr. Leitgeb, Berichter Mag. Kisch) über die Berufung des August Z, vom 6. März 1996, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 5. März 1996, VerkR96-4626-1995, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 19. August 1996 zu Recht erkannt:

I: Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II: Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG zu II: § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit Straferkenntnis vom 5. März 1996, VerkR96-4626-1995, gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 18.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 240 Stunden) verhängt, weil er am 12.12.1995 um 16.20 Uhr den PKW, Kennzeichen, im Gemeindegebiet von L auf der Dorfstraße bis auf Höhe des Hauses G 5 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand lenkte. Er habe dadurch § 5 Abs.1 StVO 1960 verletzt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 1.800 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Bw mit Schreiben vom 6. März 1996 Berufung. Er begründet diese im wesentlichen damit, daß in der Bescheidbegründung (des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) auf seine Argumentation bzw seine Stellungnahme zum Gutachten des Amtsarztes der BH Perg nicht ausführlich eingegangen worden sei.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eine Kammer zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 19. August 1996 Beweis erhoben. Der Bw hat an der Verhandlung teilgenommen. Weiters wurde in der Verhandlung durch eine medizinische Amtssachverständige ein Gutachten erstattet. Die belangte Behörde hat sich bezüglich Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt.

I.5. Der Bw hat bei seiner Einvernahme im wesentlichen ausgeführt, daß die Richtigkeit der Meßwerte dem Grunde nach nicht bestritten wird. Er habe in der Zeit von etwa 14.00 Uhr an drei halbe Liter (Zipfer Urtyp) Bier getrunken. Die ersten beiden Biere habe er eher langsam, das letzte Bier vor Fahrtantritt schnell (innerhalb 1/4 Stunde) getrunken.

Die Anhaltung sei beim Haus seines Bekannten erfolgt. Sein damaliges tatsächliches Körpergewicht betrug 83 kg. Daß eine Blutabnahme als sehr tauglicher Gegenbeweis notwendig gewesen wäre, sei ihm bekannt gewesen, er sei jedoch damals der Meinung gewesen, daß er zum Zeitpunkt des Fahrzeuglenkens noch nicht alkoholisiert war. Er habe den Eindruck gehabt, daß der Alkotest beim GP Mauthausen nicht fair abgelaufen sei, seiner Meinung nach dürften die Gendarmeriebeamten auf ein positives Testergebnis hingearbeitet haben. Die Gendarmeriebeamten seien ihm gezielt nachgefahren, obwohl er seiner Auffassung nach nicht auffällig gefahren sei.

Die medizinische Amtssachverständige hat in ihrem bei der Verhandlung erstellten Gutachten im wesentlichen ausgeführt, daß die Trinkangaben des Bw in der Lage sind, den Alkomatmeßwert (0,42 mg/l als niedrigeres Ergebnis) zu erklären. Unter Berücksichtigung des Meßergebnisses errechne sich zur Tatzeit eine minimale Tatzeitblutalkoholkonzentration von 0,89 %o. Bei Annahme des behaupteten Sturztrunkes würde sich dann eine Tatzeitblutalkoholkonzentration von 0,705 %o ergeben.

Die Sachverständige führt ferner aus, daß es eine wissenschaftlich unbetrittene Tatsache sei, daß die Anflutungswirkung den sogenannten Konzentrationsfehlbetrag im Venenblut mindestens bis zum Analysenwert ausgleicht. Die Beeinträchtigung durch Alkohol sei in der Anflutungsphase besonders schwerwiegend bzw nachteilig. In der Anflutungsphase würden somit unabhängig von der exakten Höhe des Blutalkoholgehaltes zur fraglichen Zeit mindestens die gleichen schwerwiegenden Beeinträchtigungen bestehen, wie sie dem errechneten Blutalkoholgehalt von 0,84 %o oder sogar 0,89 %o entsprechen, sodaß im vorliegenden Fall trotz einer möglichen rechnerischen Unterschreitung der 0,8 %o Grenze zur Tatzeit wegen der sogenannten Anflutungswirkung mit Sicherheit eine Alkoholbeeinträchtigung vorgelegen sei.

I.6. In freier Beweiswürdigung hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 darf, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

Organe der Straßenaufsicht sind gemäß § 5 Abs.5 leg.cit.

berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, daß sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt zu bringen, sofern eine Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt keinen den gesetzlichen Grenzwert übersteigenden Alkoholgehalt ergeben hat.

Dazu wird zunächst festgestellt, daß auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist, wonach das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zugrundezulegen ist. Wenn sohin nach Durchführung aller Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen.

Der gegenständlichen Bestrafung liegt eine Anzeige des GP St. Georgen/Gusen vom 12. September 1995 zugrunde. Aus dieser Anzeige geht hervor, daß ein Meßergebnis um 16.31 Uhr mit 0,39 mg/l AAK bzw um 16.35 Uhr, mit 0,47 mg/l AAK aufgrund der zu hohen Differenz nicht gewertet werden konnte. Eine neuerliche Untersuchung der Atemluft auf Alkohol habe ein positives und verwertbares Ergebnis hervorgebracht, nämlich um 16.44 Uhr 0,44 mg/l AAK und um 16.48 Uhr 0,42 mg/l AAK.

Aus der Anzeige geht nicht hervor, daß der Bw vor der Anhaltung besonders aufgefallen wäre. In der Beilage zur Anzeige wurden die Alkoholisierungssymptome wie folgt beurteilt:

Geruch der Atemluft nach Alkohol: deutlich Gang: sicher Sprache: deutlich Rötung der Bindehäute: deutlich Benehmen: beherrscht Wenn sich auch der Bw als Beschuldigter in jede Richtung hin verteidigen konnte, so wird seinen Trinkangaben im vorliegenden konkreten Fall Glauben geschenkt. Diese Angaben wurden bereits anläßlich der Amtshandlung vorgebracht und es hat auch die medizinische Amtssachverständige in ihrem Gutachten beurteilt, daß die Trinkangaben in der Lage sind, den Alkomatmeßwert (0,42 mg/l) als niedrigeres Ergebnis zu erklären. Außerdem hat die Sachverständige auch bestätigt, daß unter Zugrundelegung des behaupteten Sturztrunkes zum Lenkzeitpunkt (vor der Anhaltung) ein unter dem gesetzlichen Grenzwert liegender Meßwert (Tatzeitblutalkoholkonzentration von 0,705 %o) möglich sei.

Allerdings beurteilt die Amtssachverständige diesen Sturztrunk als wissenschaftlich unbestrittene Tatsache dahingehend, daß die Beeinträchtigung durch Alkohol in der Anflutungsphase besonders schwerwiegend bzw nachteilig sei und somit zur Tatzeit wegen der sogenannten Anflutungswirkung mit Sicherheit eine Alkoholbeeinträchtigung vorgelegen sei.

Diese Aussage der medizinischen Amtssachverständigen bezüglich Anflutungsphase ist zwar schlüssig und steht grundsätzlich nicht in Widerspruch zu den Denkgesetzen und den Erfahrungen des Lebens, der O.ö. Verwaltungssenat vermag sich jedoch dieser generellen Aussage nicht zur Gänze anzuschließen, zumal gerade im Hinblick auf den bereits erwähnten Grundsatz "in dubio pro reo" eine konkrete, fallbezogene Beurteilung erforderlich ist.

Durch das Wort "jedenfalls" bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, daß eine Person auch bei Nichterreichen des Grenzwertes alkoholbeeinträchtigt sein könnte, etwa durch das Phänomen der Anflutung. Gleichzeitig ist aus der Gesetzesdefinition des § 5 Abs.1 StVO 1960 aber auch abzuleiten, daß nicht in jedem Fall bereits bei einem darunter liegenden Meßwert von einer verwaltungsstrafrechtlich relevanten Alkoholisierung auszugehen ist. Wird der gesetzliche Grenzwert nicht erreicht, ist, wenn Anhaltspunkte für eine Alkoholisierung vorliegen, eine konkrete Beurteilung des Falles vorzunehmen.

Die StVO 1960 gibt den zuständigen Behörden zu dieser Maßnahme insofern eine Handhabe, als nach der bereits zitierten Bestimmung des § 5 Abs.5 StVO 1960 Organe der Straßenaufsicht berechtigt sind, Personen, von denen vermutet werden kann, daß sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, auch dann zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt zu bringen, wenn die Atemluftuntersuchung keinen den gesetzlichen Grenzwert übersteigenden Alkoholgehalt ergeben hat. Bestehen sohin Bedenken, daß trotz Unterschreiten des Grenzwertes eine Fahruntauglichkeit iSd § 5 Abs.1 StVO 1960 gegeben ist, müßte diese Fahruntauglichkeit nach Begutachtung durch einen im § 5 Abs.5 StVO 1960 autorisierten Arzt - und zwar im zeitlichen Zusammenhang mit der Amtshandlung - vorgenommen werden. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen und es sind auch sonst keine Umstände hervorgekommen, daß der Bw zum Lenkzeitpunkt tatsächlich fahruntauglich, dh in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, gewesen wäre. Dem Bw wurde von dem anzeigenden Gendarmeriebeamten bestätigt, daß er einen sicheren Gang und eine deutliche Sprache hatte. Die - wohl berechtigte - Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung war lediglich auf einen deutlichen Geruch der Atemluft nach Alkohol bzw auf eine deutliche Rötung der Bindehäute zurückzuführen. Daß nach der Konsumation eines halben Liter Bieres im Sturztrunk jedenfalls ein Alkoholgeruch in der Atemluft festgestellt werden kann, ist eine Erfahrungstatsache und es ist weiters aus einer lediglichen Rötung der Augenbindehäute noch nicht abzuleiten, daß tatsächlich eine Alkoholbeeinträchtigung vorliegt.

Zusammenfassend wird daher festgehalten, daß im vorliegenden Fall nicht mit einer zur Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, daß sich das Anflutungsphänomen beim Bw dahingehend ausgewirkt hat, es habe eine zur Fahruntauglichkeit iSd § 5 Abs.1 StVO 1960 führende Alkoholbeeinträchtigung zum Lenkzeitpunkt vorgelegen. Die dem Bw zur Last gelegte Tat kann somit nicht erwiesen werden, es war daher der Berufung Folge zu geben und das Strafverfahren - in dubio pro reo - einzustellen (§ 45 Abs.1 Z1 VStG).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Dr. B l e i e r

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