Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103646/7/Weg/Ri

Linz, 22.07.1996

VwSen-103646/7/Weg/Ri Linz, am 22. Juli 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung der A K vom 26. März 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft ... vom 13. März 1996, VerkR96..., zu Recht erkannt:

I. Der Berufung hinsichtlich der Erfüllung des objektiven Tatbildes wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß der Abstand zum voranfahrenden Fahrzeug 10 m betrug, ansonsten wird der Schuldspruch bestätigt.

II. Der Berufung gegen die Strafhöhe wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß die Geldstrafe mit 1.500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 36 Stunden festgesetzt wird.

III. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der ersten Instanz ermäßigt sich auf 150 S; ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren war nicht vorzuschreiben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 19, § 51 Abs.1, § 51e Abs.2, § 64 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft ... hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über die Berufungswerberin wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.3 lit.a iVm § 18 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 3.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt, weil diese am 9. Oktober 1995 um 15.37 Uhr den PKW, Kennzeichen UU..., in ... , Richtung ..., bei km ... gelenkt und dabei beim Fahren hinter dem nächsten vor ihr fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten hat, daß ihr jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, da sie trotz einer Geschwindigkeit von 127 km/h bis auf 5 m auf das Vorderfahrzeug auffuhr.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 300 S in Vorschreibung gebracht.

2. Die Erstbehörde nahm die zum Vorwurf gemachte Verwaltungsübertretung auf Grund der zeugenschaftlichen Aussage des Meldungslegers und der vom Meldungsleger beigelegten fotografischen Dokumentation des Vorfalls als erwiesen an. Den Einspruchsausführungen, daß sich der Sicherheitsabstand auf Grund eines abrupten und unvorhersehbaren Bremsmanövers des Vorderfahrzeuges auf den Abstand von 5 m reduziert hätte, entgegnete die Erstbehörde unter Hinweis auf die zeugenschaftlichen Ausführungen des Meldungslegers und die Lichtbilder damit, daß der zum Vorwurf gemachte unzureichende Sicherheitsabstand auf einer Strecke von 900 m bestanden habe, wobei die durch eine Laserpistole festgestellte Geschwindigkeit 127 km/h betragen hätte. Von einer kurzfristigen Verringerung des Sicherheitsabstandes könne aus diesen Gründen keine Rede sein.

Die Strafhöhe begründet die Erstbehörde mit der Schwere der Übertretung und dem Hinweis, daß es gerade zu geringe Sicherheitsabstände sind, die immer wieder die Ursache schwerster Verkehrsunfälle seien. Die Erstbehörde legte als Begründung für die Strafhöhe ein monatliches Nettoeinkommen von 13.000 S, den Besitz eines Einfamilienhauses und keine Sorgepflichten zugrunde. Strafmildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit gewertet; erschwerende Umstände seien im Verfahren nicht zutagegetreten.

3. Die Berufungswerberin wendet in ihrer rechtzeitigen und auch sonst zulässigen Berufung sinngemäß ein, es sei möglich, daß sie keinen genügenden Sicherheitsabstand eingehalten habe. Es sei jedoch kaum vorstellbar, daß über eine Strecke von 900 m ein Abstand von nur 5 m eingehalten worden sei. Im konkreten Fall sei sie hinter einem Fahrzeug auf einer dreispurigen übersichtlichen Autobahn gefahren, sodaß ihr ein Anhalten, zumindest aber ein Ablenken ihres Fahrzeuges, jederzeit möglich gewesen wäre, auch wenn das vor ihr fahrende Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre.

Im übrigen erscheint ihr das Strafausmaß jedenfalls als überhöht, da weder ihre bisherige Unbescholtenheit noch ihre persönliche finanzielle Situation entsprechend gewürdigt worden sei. Sie habe im gegenständlichen Fall weder einen Verkehrsunfall verursacht noch habe sich der vor ihr fahrende PKW-Lenker durch sie gefährdet oder behindert gefühlt. Sie ersucht abschließend, das gegen sie eingeleitete Strafverfahren einzustellen bzw. das Strafausmaß nach entsprechender Würdigung der Strafmilderungsgründe neu festzusetzen.

4. Im Hinblick auf die Berufungsausführungen, insbesondere der Behauptung der Beschuldigten, daß ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, wurde ein straßenverkehrstechnisches Gutachten in Auftrag gegeben.

Nach diesem Gutachten des Straßenverkehrstechnikers Ing. ...

vom 18. Juni 1996 ergibt sich folgendes (wörtliche Wiedergabe):

"Berücksichtigt man einen mindest erforderlichen Sicherheitsabstand von 1,0 sek., so ergibt sich bei einer Geschwindigkeit von 123 km/h eine durchfahrene Strecke von 34 m. Dieses Zeitmaß leitet sich aus der Verlustzeit, bestehend aus Reaktionszeit, Bremsansprech- und Bremsschwellzeit, vom Bremsmanöver her. Dabei ist die Reaktionszeit auch bei jungen, geübten und aufmerksamen Fahrzeuglenkern mit mindestens 0,7 sek. anzusetzen.

Aus der obigen Berechnung ergibt sich somit ein mindest erforderlicher Tiefen-Sicherheitsabstand von 34 m bei einer Geschwindigkeit von 123 km/h bei optimalen Sicht- und Fahrbahnverhältnissen. Stellt man nun diesem mindest erforderlichen Sicherheitsabstand den tatsächlich eingehaltenen von maximal ca. 2 Fahrzeuglängen, also ca. 10 m gegenüber, so wird ersichtlich, daß die Berufungswerberin einen aus Sicherheitsgründen als wesentlich zu gering zu beurteilenden Sicherheitsabstand eingehalten hat.

Weiters ergibt sich, daß bei einer Geschwindigkeit von 123 km/h der tatsächl. eingehaltene Tiefenabstand von etwa 10 m in knapp 0,3 sek. durchfahren wird. In dieser kurzen Zeit ist es aber auch einer jungen und konzentrierten Person nicht möglich zu reagieren bzw. nach erfolgter Reaktion auch noch Gegenmaßnahmen in Form von Abbremsen oder Auslenken des Fahrzeuges zu setzen. Dementsprechend wäre es somit der Berufungswerberin bei der von ihr gefahrenen Geschwindigkeit und dem eingehaltenen Tiefenabstand zum voranfahrenden Fahrzeug nicht möglich gewesen rechtzeitig ihr Fahrzeug anzuhalten, wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, da für das voranfahrende Fahrzeug die Verlustzeiten entfallen und die Berufungswerberin ihren Reaktionsanlaß erst dann erhält, wenn das voranfahrende Fahrzeug bereits abgebremst wird und somit die Bremslichter aufleuchten. Das gleiche gilt sinngemäß für ein Ablenkmanöver und ist außerdem hiezu festzustellen, daß auf den Lichtbildern ersichtlich ist, daß ein Auslenken auch nicht möglich gewesen wäre, weil linksseitig eine Sicherheitsleitschiene und rechtsseitig zeitweise andere Fahrzeuge die anschließende Fahrspur benutzten.

Aus dem obigen ergibt sich somit eine Verkehrssituation mit wesentlich erhöhtem Risikopotential durch das sich einerseits die Berufungswerberin selbst und andererseits auch andere Verkehrsteilnehmer schon beim Auftreten geringster Störfaktoren gefährdet worden wären. Aus der Unfallforschung ist weiters bekannt, daß bei Überschreitung der menschlichen Leistungsgrenzen bzw. der physikalischen Grenzen es nicht nur zu Verkehrskonflikten sondern zumeist zu Unfällen kommt." Der Sachverständige ging bei seinem Gutachten von einer Geschwindigkeit von 123 km/h aus (Meßfehler - Toleranz wurde in Abzug gebracht) und nahm zugunsten der Berufungswerberin einen maximalen Tiefensicherheitsabstand von etwa zwei PKW-Längen oder ca. 10 m an. Den im Vergleich zum Strafvorwurf höheren Sicherheitsabstand begründet der Sachverständige mit einer Auswertung der fotografischen Dokumentation.

5. Der Berufungswerberin wurde dieses Gutachten zur Kenntnis gebracht, worauf diese mit Schreiben vom 16. Juli 1996 antwortet, sie müsse zu ihrer Verwunderung feststellen, daß über diesen Vorfall eine 2 1/2 seitige Stellungnahme mit genauester Analyse angefertigt wurde, obwohl das von ihr nie in Frage gestellt worden sei. Ihre bisherigen Bitten um Verständnis hätten sich sowohl bei den persönlichen Vorsprachen als auch schriftlichen Stellungnahmen hauptsächlich auf die Möglichkeit eines geringeren Strafausmaßes bezogen. Sie habe immer ersucht, ihre bisherige Unbescholtenheit zu berücksichtigen. Sie sei nun bereits seit mehr als 13 Jahren täglich im Straßenverkehr und habe bisher keine einzige Übertretung begangen. Weiters seien auch ihre Vermögensverhältnisse keinesfalls so, daß eine Strafe in dieser Höhe so einfach zu verkraften wäre.

Bei ihrem Verdienst als Gemeindebedienstete und den laufenden Rückzahlungsraten auf Grund des Hausbaus sei die verhängte Geldstrafe wirklich eine sehr beträchtliche Summe.

6. Zumal die Berufungswerberin nunmehr eindeutig das Vorliegen der objektiven Tatbildmäßigkeit bestätigt, wird unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Straßenverkehrstechnikers Ing. ... als erwiesen angenommen, daß die Berufungswerberin über eine Strecke von ca. 900 m einen in diesem Gutachten näher beschriebenen zu geringen Sicherheitsabstand einhielt. Der Tatvorwurf allerdings bleibt punktuell auf Straßenkilometer ... eingeschränkt, weil auch die Erstbehörde sowohl in der Strafverfügung als auch in der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und letztlich im Straferkenntnis von dieser eingeschränkten Tatörtlichkeit ausgeht. Eine Ausdehnung der Tatörtlichkeit, die ein höheres Verschulden und eine höhere Gefährdung der Verkehrsinteressen indizieren würde ist dem O.ö.

Verwaltungssenat im gegenständlichen Verfahrensstadium nicht mehr möglich. Den von der Erstbehörde als erwiesen angenommenen persönlichen Verhältnissen wurde im wesentlichen nicht widersprochen und werden diese ebenfalls als erwiesen angenommen. Erschwerende Umstände traten nicht zutage, während der Milderungsgrund der Unbescholtenheit vorliegend ist.

7. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

In Hinblick auf das Vorliegen des objektiven Tatbildes wird um Wiederholungen zu vermeiden - auf die zutreffenden Ausführungen der Erstbehörde mit der Maßgabe verwiesen, daß der Sicherheitsabstand nicht 5 m sondern 10 m betrug.

Zur Strafhöhe:

Neben dem im Materiengesetz normierten Strafrahmen ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Mildungerungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Bei einem Strafrahmen von bis zu 10.000 S erscheint die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe insbesondere deshalb als überhöht, weil ein 10 m - Abstand die Verkehrssicherheit weniger gefährdet als ein 5 m - Abstand, wobei anzumerken ist, daß auch der zugunsten der Beschuldigten höher angenommene Abstand ein sehr hohes Unfallpotential in sich birgt. Wesentlich für die Reduzierung der Geldstrafe war aber in erster Linie die bisherige Unbescholtenheit der Berufungswerberin bei glaubhaft gemachter 13-jähriger Fahrpraxis.

8. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Wegschaider

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