Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103668/9/Weg/Ri

Linz, 30.09.1996

VwSen-103668/9/Weg/Ri Linz, am 30. September 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des A K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. E H, vom 10. April 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 26. März 1996, VerkR96, nach der am 30.

September 1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Die Berufung hinsichtlich der Schuld wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß es im Spruch anstatt ".... weil Sie ca.

70 km/h statt ca. 40 km/h gefahren sind ..." zu lauten hat: ".... weil Sie ca. 65 km/h statt ca. 53 km/h gefahren sind ....".

II. Dem Eventualantrag auf Reduzierung der Strafe wird mit der Maßgabe stattgegeben, daß die Geldstrafe mit 1.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 34 Stunden festgesetzt wird.

III. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren erster Instanz vermindert sich auf 100 S.

Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren war nicht vorzuschreiben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 19, § 51 Abs.1, § 51i, § 64 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.1 erster Satz iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden verhängt, weil dieser am 26. September 1994 gegen 6.50 Uhr das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen EF im Gemeindegebiet S auf der S Landesstraße bei Straßenkilometer in Richtung B gelenkt und dabei die Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen Verhältnissen (Fahrbahn, Verlauf der Straße und Sichtverhältnisse) angepaßt hat, weil er ca. 70 km/h statt ca. 40 km/h gefahren sei, weshalb er das Kraftfahrzeug nicht mehr zu beherrschen vermochte, sodaß ein Verkehrsunfall mit Eigenverletzung die Folge war.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 200 S in Vorschreibung gebracht.

2. Die Erstbehörde begründet den Schuldspruch des Straferkenntnisses in erster Linie mit einem straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigengutachten, wonach der Berufungswerber bei den gegebenen Fahrbahnverhältnissen (durch Obst verunreinigte und somit glitschige Fahrbahn) mit überhöhter Geschwindigkeit (statt ca. 40 km/h ca. 70 km/h) gefahren sei und diese Geschwindigkeitsüberschreitung letztlich auch Ursache für das Abkommen von der Fahrbahn gewesen sei.

3. Der Berufungswerber wendet in seiner rechtzeitigen und auch sonst zulässigen Berufung sinngemäß ein, die Fahrgeschwindigkeit sei nicht überhöht gewesen, das die Fahrbahn verunreinigende Obst sei auf Grund der Sichtverhältnisse nicht erkennbar gewesen und es sei der Strafausspruch zu Unrecht erfolgt. Insbesondere wendet sich der Berufungswerber gegen das überschießende Gutachten des im erstinstanzlichen Verfahren beigezogenen Straßenverkehrstechnikers, welcher über die Beweisthematik hinaus auch über die fachliche Eignung des Berufungswerbers zum Lenken von Kraftfahrzeugen umfangreiche Ausführungen gemacht habe. Er erachte den Gutachter für voreingenommen.

4. In Befolgung des Antrages des Beschuldigten auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde eine solche für den 30. September 1996 anberaumt und auch durchgeführt.

Zu dieser Verhandlung wurde ein straßenverkehrstechnischer Amtssachverständiger, welcher mit jenem im erstbehördlichen Verfahren nicht ident ist, beigezogen. Auf Grund des Ergebnisses dieser Verhandlung, anläßlich der auch ein Lokalaugenschein durchgeführt wurde, wird nachstehender Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Der Berufungswerber lenkte am 26. September 1994 gegen 6.50 Uhr seinen PKW (O K G, Baureihe C, 115 PS) aus dem Ortsgebiet S kommend auf der S Landesstraße in Richtung B.

Zu den Sichtverhältnissen wird bemerkt, daß am Vortag die Umstellung auf die Winterzeit erfolgte und es sohin schon hell gewesen sein muß. Möglicherweise warfen die entlang dieses Straßenstückes stehenden Obstbäume einen die Sicht beeinträchtigenden Schatten. Im Ortsgebiet von S fuhr der Berufungswerber im vierten Gang mit einer Geschwindigkeit von ca. noch 50 km/h und beschleunigte nach dem Ende des Ortsgebietes seinen eigenen Angaben zufolge leicht. Auf den Tacho blickte der Berufungswerber nicht. Die Straße verläuft in diesem Bereich bergauf. Wie schon ausgeführt befinden sich entlang der Straße links- und rechtsseitig Birnenbäume und war nach Angaben der Gendarmerie die Fahrbahn durch herabgefallenes Obst äußerst rutschig. Diese Rutschigkeit wurde noch dadurch verstärkt, daß infolge der Morgenstunden Tau auf der Fahrbahn lag und somit laut Sachverständigem eine Fahrbahnbeschaffenheit vorliegt, die einer Schneefahrbahn ähnlich ist. Nach dem Auslauf einer leichten Rechtskurve knapp außerhalb des Ortsgebietes von S, nämlich bei Straßenkilometer, kam dann der Berufungswerber rechts von der Fahrbahn ab und kollidierte mit einem Birnenbaum.

Die Anstoßgeschwindigkeit betrug nach Schätzung des Sachverständigen zumindest 60 km/h. Diese Schätzung wurde auf Grund der Deformierung des PKW's vorgenommen. Die Fahrgeschwindigkeit vor dem Anprall muß infolge der vorangegangenen Schleuderbewegungen höher gewesen sein und wird vom Sachverständigen mit zumindest 65 km/h geschätzt.

Diese Geschwindigkeitsschätzungen decken sich auch in etwa mit den Aussagen des Beschuldigten, welcher ausführte, durch das Ortsgebiet von S noch mit ca. 50 km/h gefahren zu sein und anschließend leicht beschleunigt zu haben. Der Sachverständige errechnete beim Lokalaugenschein nach einer Vermessung der Unfallstelle und der zuvor befahrenen Straßenstrecke unter Zugrundelegung der durch Obst verunreinigten und durch Tau noch zusätzlich rutschigen Fahrbahn, daß die technisch gerade noch mögliche Kurvengrenzgeschwindigkeit 91 km/h betrug. Diese technische Grenzgeschwindigkeit ist jene, welche ohne Hinzutreten anderer Faktoren gerade noch gefahren werden kann, ohne von der Fahrbahn abzukommen. Diese anderen Faktoren iSd § 20 Abs.1 StVO 1960, etwa Fußgänger, Radfahrer in Kombination mit einem vorausfahrenden Verkehr und einem allfälligen Gegenverkehr usw erfordern es iSd § 20 Abs.1 StVO 1960, daß innerhalb der zur Verfügung stehenden Annäherungssichtweite unter Rücksichtnahme der situationsbezogenen Anlage-, Sichtund Witterungsverhältnisse angehalten werden kann. Hinzu tritt die sogenannte Bremsverlustzeit (Reaktionszeit + Bremsschwellzeit + Bremsansprechzeit), welche vom Sachverständigen mit einer Sekunde angenommen wurde. Unter diesen durch § 20 Abs.1 StVO 1960 vorgegebenen Umständen ergibt sich eine Kurvengrenzgeschwindigkeit unter Inrechnungstellung einer gegebenen Sichtweite von 45 m von etwa 53 km/h (so der Sachverständige in seinem Gutachten).

Der Berufungswerber, welcher bestritt, das herabgefallene Obst erkannt zu haben, führte bei seiner Befragung aus, das Obst müsse schon die ganze Nacht über auf der Fahrbahn gelegen sein, weil am Vortag ein Sturm gewesen sei. Damit bringt er aber auch zum Ausdruck, daß er bei einer von einem Fahrzeuglenker erwartbaren Vorausschau von der Möglichkeit des herabgefallenen Obstes Bescheid wissen mußte und demgemäß seine Fahrgeschwindigkeit hätte einrichten müssen. Aus diesem Grund ist die vom Sachverständigen beantwortete Kurvengrenzgeschwindigkeit unter den selben Parametern (ausgenommen herabgefallenes Obst) von 64 km/h für den Berufungswerber nicht entschuldigend. Er hätte eben in Anbetracht des herabgefallenen Obstes und der in Verbindung mit Tau entstandenen rutschigen Fahrbahn mehr Augenmerk auf die Fahrbahnverhältnisse und auf die mögliche Geschwindigkeit richten müssen. Diese Sorgfaltswidrigkeit und die unangepaßte Geschwindigkeit führte schließlich zu einem schweren Verkehrsunfall, bei dem der Beschuldigte selbst schwer verletzt wurde.

Es wird also als erwiesen angenommen, daß der Beschuldigte zumindest fahrlässig die Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen Umständen, insbesondere nicht den Straßen- und Sichtverhältnissen sowie der Eigenschaft des Fahrzeuges angepaßt hat.

Hinsichtlich der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse geht die Berufungsbehörde von der Vermögenslosigkeit und einem nicht widersprochenen Einkommen von 9.000 S monatlich bei nicht vorliegenden Sorgepflichten aus. Der Berufungswerber ist einmal verwaltungsstrafrechtlich vorbestraft, jedoch nicht einschlägig.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 20 Abs.1 erster Satz StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen .....

Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Ein Zuwiderhandeln gegen diese Vorschrift stellt gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Verwaltungsübertretung dar und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen) zu bestrafen.

Wie oben ausgeführt, hat der Berufungswerber der Vorschrift des § 20 Abs.1 erster Satz StVO 1960 dadurch zuwidergehandelt, daß er trotz der durch herabgefallenes Obst und Tau rutschigen Fahrbahn seinen PKW mit ca. 65 km/h lenkte, obwohl die mögliche Kurvengrenzgeschwindigkeit bei ca. 53 km/h lag. Dazu ist auszuführen, daß die vom Sachverständigen errechneten Geschwindigkeiten physikalische Grenzwerte darstellen.

Ob der Berufungswerber (Führerscheinneuling) im Falle eines richtigen Gegenmanövers nach dem Erkennen der Gefahr bzw.

der Schleuderbewegung (zB Auslenken) das Abkommen von der Fahrbahn hätte verhindern können, ist bei der Subsumierbarkeit seines Verhaltens unter die Bestimmung des § 20 Abs.1 erster Satz StVO 1960 rechtlich nicht von Belang.

Zur Strafhöhe:

Neben dem im Materiengesetz normierten Strafrahmen ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Mildungerungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Reduzierung der Strafhöhe erfolgte wegen der nunmehr geringeren zum Vorwurf gemachten Geschwindigkeitsüberschreitung, aber auch deshalb, weil sich der Berufungswerber selbst schweren Schaden zugefügt hat und sohin die Spezialprävention in den Hintergrund tritt sowie letztlich, daß der Berufungswerber mit seinen damals 18 1/2 Jahren noch nicht ganz ausgereift gewesen sein könnte.

6. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Wegschaider

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