Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103815/17/BI/FB

Linz, 19.08.1997

VwSen-103815/17/BI/FB Linz, am 19. August 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer (Vorsitz: Dr. Wegschaider, Berichterin: Mag. Bissenberger, Beisitz: Dr. Weiß) über die Berufung des Herrn K S, H, M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R F, H, S, vom 4. Juni 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 14. Mai 1996, VerkR96-654-1996, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, nach der am 26. Februar 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG, §§ 99 Abs.1 lit.b iVm 5 Abs.2 und 100 Abs.2 StVO 1960.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs.2 iVm 99 Abs.1b StVO 1960 eine Geldstrafe von 22.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 528 Stunden verhängt, weil er am 3. Februar 1996 um 11.00 Uhr den LKW, Probefahrtkennzeichen , im Kreuzungsbereich M Landesstraße - Bundesstraße gelenkt habe. Obgleich vermutet werden habe können, daß er sich beim Lenken in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe, habe er sich am 3. Februar 1996 bis 12.16 Uhr am Gendarmerieposten M gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde ermächtigten Organ der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er von diesem Organ dazu aufgefordert worden war. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 2.200 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige 4. Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 26. Februar 1997 fand eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers, seines rechtsfreundlichen Vertreters, der Zeugen RI S und RI R sowie des technischen Amtssachverständigen Ing. A statt. Die Behördenvertreterin hat sich entschuldigt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung wurde vom Parteienvertreter verzichtet.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er habe am 3. Februar 1996 um 11.00 Uhr den angeführten LKW gelenkt und einen Verkehrsunfall verursacht, er habe jedoch keine Alkoholisierungsmerkmale aufgewiesen und den Alkotest nicht verweigert. Eine allenfalls leichte Rötung der Bindehäute könne aber ebenso wie Alkoholgeruch der Atemluft viele Ursachen haben. Er habe am Vorabend einige alkoholische Getränke konsumiert und aufgrund eines dringenden Anrufs in den Morgenstunden des 3. Februar 1996 von der Morgentoilette abgesehen und sich die Zähne nicht geputzt. Bis zum Einschreiten der Beamten habe er weder etwas gegessen noch getrunken. Es könne daher sein, daß seine Atemluft nach Alkohol gerochen habe, jedoch habe eine Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt nicht vorgelegen. Er sei nach dem Verkehrsunfall mit dem Beamten zum Gendarmerieposten M zur Unfallaufnahme gegangen und ihm sei auch der Führerschein wieder übergeben worden, als er beim Verlassen des Gendarmeriepostens plötzlich aufgefordert worden sei, sich einem Alkotest zu unterziehen. Seiner Pflicht sei er insofern nachgekommen, als er zwei Blasversuche durchgeführt habe, die vom Testgerät entgegen den Behauptungen der Behörde auch registriert worden seien, jedoch sei dem Gesetz keine Verpflichtung zu entnehmen, Alkotests in unbegrenzter Anzahl durchführen zu müssen. Das Testgerät habe divergierende Werte aufgewiesen, was aber nicht er zu verantworten habe. Es liege vielmehr der Verdacht nahe, daß das Alkoholtestgerät funktionsunfähig gewesen sei. Eine medizinische Untersuchung durch den Amtsarzt, die zweifelsfrei ergeben hätte, daß er nicht alkoholisiert gewesen sei, sei nicht durchgeführt worden. Die Erstinstanz habe die Beamten zur Differenz der beiden ersten Blasversuche nicht vernommen und auch nicht befragt, warum sie ihm die Möglichkeit einer klinischen Untersuchung nicht eingeräumt hätten. Das Straferkenntnis beruhe auf Vorurteilen der Behörde gegen ihn, weshalb er dessen ersatzlose Behebung und Einstellung des Verfahrens beantrage.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 11. Juni 1997, 31 BI 71/97, sowie in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Rechtsmittelwerber und sein rechtsfreundlicher Vertreter gehört, die angeführten Zeugen einvernommen und ein technisches Gutachten zur Funktionstüchtigkeit des verwendeten Testgeräts erstellt wurde.

Das Beweisverfahren hat ergeben, daß der Rechtsmittelwerber am 3. Februar 1996 um 11.00 Uhr als Lenker des angeführten LKW im Kreuzungsbereich M-Landesstraße mit der Bundesstraße aus Richtung M kommend an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden beteiligt war, bei dem der Unfallgegner eine Verletzung in Form einer Brustbeinprellung erlitt. Im Rahmen der Unfallaufnahme wurden von den Zeugen RI S und RI R laut deren übereinstimmenden Angaben Alkoholisierungssymptome, insbesondere Alkoholgeruch der Atemluft, festgestellt und die Unfallaufnahme beim Gendarmerieposten M beendet. Der Rechtsmittelwerber wurde dort wegen dieser Symptome von RI S, der für solche Amtshandlungen speziell geschult und behördlich ermächtigt ist, aufgefordert, sich einer Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt zu unterziehen, die mit dem beim Gendarmerieposten M befindlichen Alkomat Nr. W-615 durchgeführt wurde. Aus dem Meßstreifen geht hervor, daß der Meßversuch um 12.00 Uhr wegen zu kurzer Blaszeit ungültig war, die erste Messung um 12.02 Uhr einen Atemluftalkoholgehalt von 0,57 mg/l und die Messung um 12.03 Uhr einen solchen von 0,63 mg/l ergab, allerdings das Gerät die Messungen wegen zu großer Probendifferenz als nicht verwertbar einstufte.

RI S forderte den Rechtsmittelwerber auf, den Alkotest zu wiederholen und zog dazu RI R bei. Laut übereinstimmenden Angaben beider Gendarmeriebeamten habe der Rechtsmittelwerber dann mehrere Blasversuche durchgeführt, bei denen aber das charakteristische Piepsen beim Beginn des Volumenstroms nicht hörbar gewesen sei und das Gerät keinen Ausdruck produziert habe. Der Rechtsmittelwerber habe geäußert, er bringe keine Luft in den Schlauch, dieser sei anscheinend verstopft. Daraufhin führte RI S selbst eine Beblasung durch und stellte die Funktionstüchtigkeit des Geräts fest. Anschließend wurde das Gerät neu gestartet und der Rechtsmittelwerber führte nochmals drei Blasversuche durch, die ähnlich verliefen wie die vorher, sodaß schließlich von RI S die Versuche abgebrochen und das Verhalten des Rechtsmittelwerbers als Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung gewertet wurde. Er teilte diesem mit, daß ein nicht ordnungsgemäßes Beblasen als Verweigerung des Alkotests anzusehen sei. Ihm selbst ist bei seinem Blasversuch keine Funktionsstörung des Geräts aufgefallen, allerdings wurde der Meßstreifen von ihm nicht für wichtig erachtet und daher nicht der Anzeige beigelegt. Beide Zeugen haben bestätigt, daß normalerweise beim Hineinblasen ein leichtes Blasgeräusch zu hören sei, das in diesem Fall gefehlt habe, und sie haben ihren Eindruck wiedergegeben, daß der Beschuldigte offenbar kein gültiges Ergebnis erzielen wollte. RI S hat ausgeführt, daß es bei den Blasversuchen so ausgesehen habe, als ob der Rechtsmittelwerber die Luft in die Wangen hineinblasen würde, aber er habe sie nicht in das Mundstück geblasen. Festgestellt wurde, daß der Alkomat zuletzt vor dem Vorfall im März 1995 geeicht wurde und die Eichfrist mit 31. Dezember 1997 abläuft. Die halbjährliche Überprüfung des Geräts bei der Herstellerfirma erfolgte kurz nach dem Vorfall am 28. Februar 1996 und ergab keine Auffälligkeiten. Im Prüfprotokoll ist angeführt, daß das Gerät keine Probendifferenzen ergeben hat. RI R hat dazu ausgeführt, er habe, als er das Gerät zur Überprüfung eingeschickt habe, um genaue Untersuchung im Hinblick darauf gebeten und darauf sei offenbar dieser Vermerk im Prüfprotokoll zurückzuführen. Mit dem Gerät seien zweimal Fälle von Probendifferenzen innerhalb des letzten Jahres aufgetreten.

Der technische Sachverständige kommt auf der Grundlage des Eichscheins, der Prüfprotokolle und der Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis, daß nicht auf eine Funktionsuntüchtigkeit des Gerätes am 3. Februar 1996 geschlossen werden kann. Er hat dazu ausgeführt, daß die Analyseeinheit und der Beatmungsschlauch in sämtlichen Betriebsarten dieses Gerätes in beide Richtungen frei durchgängig sind, und die Beatmungsrichtung der Analyseeinheit lediglich durch die Membran im Mundstück bestimmt wird. Eine Manipulation des Mundstückes so, daß die Beatmungsrichtung in Richtung Gerät nicht mehr durchgängig ist, hat er ausgeschlossen und ausgeführt, ein Ausdruck über nicht verwertbare Messungen werde nur dann erzielt, wenn die Ansprechschwelle des Strömungsmessers erreicht werde, dh wenn auch der Pfeifton des Gerätes hörbar werde. Die Probendifferenz werde durch den Programmablauf selbsttätig berechnet, dh es werde überprüft, ob der zweite der beiden Einzelmeßwerte vom ersten um nicht mehr als 10 % abweiche. Grundlage dafür sei daher der jeweils erste Wert. In der eichamtlichen Zulassung sei bei einer größeren Differenz als +/- 10 % der Ausdruck des Hinweises "Probendifferenz" vorgesehen.

Der Sachverständige hat erläutert, daß eine Probendifferenz im allgemeinen auf physiologische Voraussetzungen zurückzuführen sei, zumal dadurch in erster Linie eventueller Haftalkohol an Mundschleimhäuten erkannt werden solle. Die Kontrolle der Probendifferenz stelle sohin eine zusätzliche Absicherung dar, daß lediglich die Ausatmungsluft gemessen werde. Im gegenständlichen Fall seien beim ersten und zweiten Meßversuch das mindesterforderliche Exspira-tionsvolumen und die mindesterforderliche Exspirationszeit erreicht worden.

Für den unabhängigen Verwaltungssenat besteht kein Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen der beiden Gendarmeriebeamten, zumal einem speziell geschulten Straßenaufsichtsorgan zuzumuten ist, erkennen zu können, aus welchem Grund sich beim für funktionstüchtig befundenen Atemalkoholmeßgerät kein Meßwert ergibt. Laut dem schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachten besteht kein Zweifel, daß zum Vorfallszeitpunkt das Gerät ordnungsgemäß geeicht war, wobei auch die ca einen Monat später durchgeführte technische Überprüfung keinen Hinweis auf irgendwelche Funktionsungenauigkeiten oder Defekte ergeben hat. Auch konnte die Zeugenaussage von RI S im Hinblick auf die Funktionsweise des Alkomat eindeutig zugeordnet werden. Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates ist jedoch allein auf der Grundlage der Software des verwendeten Atemluftuntersuchungsgerätes nicht eindeutig und zweifelsfrei geklärt, aus welchen Überlegungen heraus der (in der Reihenfolge) erste von einem Probanden erzielte Meßwert als Berechnungs-grundlage für die Probendifferenz heranzuziehen ist. Eine Verpflichtung zur Heranziehung des ersten Meßergebnisses als Berechnungsgrundlage ergibt sich weder aus der Betriebsanleitung für den Alcomat 52052/A 15 der Firma Siemens noch aus den Verwendungsrichtlinien des Bundesministeriums für Inneres noch aus der Gerätezulassung Zl. 41 483/90. Geht man nämlich vom zweiten erzielten Meßwert von hier 0,63 mg/l AAG aus, so liegt der ersterzielte von 0,57 mg/l durchaus innerhalb einer Abweichung von unter 10 % (0,63 - 0,063 = 0,567; 0,57 + 0,057 = 0,627). Würde im gegenständlichen Fall das in der Reihenfolge zweite Meßergebnis als Grundlage für die Berechnung einer Probendifferenz herangezogen, ergäbe sich keine solche, sodaß eine gültige und verwertbare Atemalkoholmessung anzunehmen wäre. Soweit die im Hinblick auf die folgenden Erwägungen vielleicht etwas zu umfangreiche Sachverhaltsdarstellung.

In rechtlicher Hinsicht wurde folgendes erwogen:

Gemäß § 99 Abs.1b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Gemäß § 5 Abs.2 2. Satz Z1 leg.cit. sind besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen. Im gegenständlichen Fall steht außer Zweifel, daß der Rechtsmittelwerber ein Fahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt hat, wobei im Zuge der Unfallerhebungen Alkoholgeruch der Atemluft wahrgenommen wurde. Ein solches Symptom läßt (unabhängig von sonstigem Mundgeruch) durchaus die Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung zu, wobei der Rechtsmittelwerber auch ausgeführt hat, in der Nacht vorher alkoholische Getränke getrunken zu haben. Die Aufforderung zum Alkotest durch den Zeugen RI S, der für solche Amtshandlungen speziell geschult und behördlich ermächtigt ist, war daher zulässig, ebenso die Mitnahme zum Gendarmerieposten M zur Durchführung eines Alkotests, zumal der Rechtsmittelwerber nie bestritten hat, den LKW tatsächlich gelenkt zu haben. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl zB Erk v 24. Februar 1993, 91/03/0343) ist der Lenker so lange verpflichtet, sich der Atemluftuntersuchung zu unterziehen, als noch kein gültiges Meßergebnis (zwei nicht erheblich voneinander abweichende Einzelmeßwerte) zustandegekommen ist oder noch nicht mit Sicherheit feststeht, daß mit dem verwendeten Gerät kein verläßliches Meßergebnis erzielt werden kann. Einem geschulten Organ der Straßenaufsicht ist die einwandfreie Beurteilung der Frage, wieso bei der Alkomatuntersuchung kein brauchbares Ergebnis zustandegekommen ist, zuzumuten. Das erhebliche Abweichen zweier Meßwerte gibt noch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß das verwendete Gerät funktionsuntüchtig gewesen sei.

Das Verhalten des Rechtsmittelwerbers, nämlich die Nichtdurchführung weiterer Blasversuche zur Erlangung zweier verwertbarer Atemalkoholmessungen, wäre nach der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutig und zweifelsfrei als Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung zu werten. Demnach hätte der Rechtsmittelwerber den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt.

Zu berücksichtigen ist aber, daß aufgrund der über drei Tage dauernden Gesundheitsschädigung des Unfallgegners, der beim Verkehrsunfall eine Prellung des Brustbeines erlitt, Anzeige wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung erstattet wurde. Der Rechtsmittelwerber wurde vom Bezirksgericht M mit Urteil vom 29. November 1996, 2 U 43/96, wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung gemäß §§ 88 Abs.1 und 3 iVm 81 Z2 StGB verurteilt, wobei er schuldig erkannt wurde, am 3. Februar 1996 in M im Kreuzungsbereich der B mit der M-Landesstraße bei StrKm 217,937 als Lenker eines LKW dadurch, daß er infolge Unachtsamkeit in die bevorrangte Bundesstraße einfuhr und mit dem dort fahrenden PKW des E W zusammenstieß, diesen fahrlässig in Form einer Prellung des Brustbeines am Körper verletzt zu haben, nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte, obwohl er vorhersehen hätte können, daß ihm die Lenkung eines Kraftfahrzeuges, mithin eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet war. Aus der Urteilsbegründung geht hervor, daß das Gericht beim Rechtsmittelwerber zum Unfallszeitpunkt eine Alkoholisierung und absolute Fahruntüchtigkeit angenommen hat, da zwar die Atemluftmessungen zum Teil nicht verwertbar gewesen seien, die beiden gültigen Versuche aber eine Alkoholisierung von deutlich über 0,8 %o angezeigt hätten, wobei die Funktionstüchtigkeit des Geräts auf Grund der Zeugensaussage von RI S angenommen wurde. Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 11. Juni 1997, 31 BI 71/97, wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Beweiswürdigung des Erstgerichts im Hinblick auf die Alkoholisierung gefolgt.

Zusammenfassend ergibt sich daraus, daß die beiden Meßergebnisse, die im Verwaltungsstrafverfahren für nicht verwertbar erachtet wurden und zum Vorwurf der Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung führten, im Gerichtsverfahren sehr wohl verwertet wurden und die Grundlage für die Feststellung einer Alkoholbeeinträchtigung im Ausmaß von deutlich über 0,8 %o waren. Die oben zitierten Urteile sind rechtskräftig und gehören damit dem Rechtsbestand an, sodaß auch die Verwaltungsbehörden daran gebunden und sie auch im Verwaltungsstrafverfahren zu beachten sind.

Gemäß § 100 Abs.2 StVO 1960 schließen die im § 99 Abs.1 lit.a bis c enthaltenen Strafdrohungen einander aus.

Hier ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, der ua im Erkenntnis vom 26. April 1991, 91/18/0022, ausgesprochen hat, daß es im do Fall unzulässig war, den Beschwerdeführer sowohl wegen Verweigerung der Atemluftprobe als auch wegen des kurz danach erfolgten Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem in alkoholbeeinträchtigten Zustand (Alkomat 0,77 mg/l) zu bestrafen. Da die rechtskräftige Verurteilung wegen § 5 Abs.1 StVO früher erfolgt sei, hätte die Behörde die kumulative Verurteilung wegen Übertretung des § 99 Abs.1 lit.b StVO für rechtswidrig befinden müssen. Es ist unzulässig, einen KFZ-Lenker schuldig zu erkennen, er habe in alkoholbeeinträchtigtem Zustand ein Fahrzeug gelenkt und sich anschließend geweigert, seine Atemluft untersuchen zu lassen (vgl VwGH v 11. Dezember 1981, 81/02/0164). Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Rechtsauffassung, daß das Urteil wegen §§ 88 Abs.1 und 3 iVm 81 Z2 StGB zwar formal nicht einen ausdrücklichen Schuldspruch gemäß §§ 99 Abs.1 iVm 5 Abs.1 StVO 1960 darstellt, jedoch materiell als Surrogat dessen anzusehen ist. Im Hinblick auf die Ausführungen im Urteil des EGMR vom 23. Oktober 1995, Zl. 33/1994/480/562, Serie A/328 (= ÖJZ 1995, 954 MRK E Nr. 51), betreffend den "Fall Gradinger" und das daran anschließende Erkenntnis des VfGH vom 5. Dezember 1996, Zl. G 9/96 ua Zlen., bedeutet die gerichtliche Verurteilung auch eine rechtskräftige Bestrafung wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholbeeinträchtigtem Zustand. Sie kommt daher einem verwaltungsstrafrechlichen Schuldspruch wegen §§ 99 Abs.1 iVm 5 Abs.1 StVO 1960 gleich. Die das Kumulationsprinzip des § 22 VStG ausschließende Anordnung des § 100 Abs.2 StVO muß vor dem Hintergrund der Judikatur des EGMR und des VfGH zu Art.4 Abs.1 des 7. ZP EMRK bei einem dem verfassungsrechtlichen Sachlichkeitsgebot verpflichteten Verständnis auf jene gerichtlichen Verurteilungen erweitert werden, die einen Schuldspruch wegen alkoholbeeinträchtigten Lenkens als wesentlichen Aspekt des angewendeten Straftatbestandes implizieren. Ohne diese ausdehnende Auslegung des § 100 Abs.2 StVO wäre kein verfassungskonformes Ergebnis erzielbar, weil die Differenzierung im § 100 Abs.2 StVO zwischen den Schuldsprüchen nach § 99 Abs.1 iVm § 5 Abs.1 StVO und nach § 81 Z2 StGB bzw. § 88 Abs.3 2. Fall oder § 88 Abs.4 3. Fall sachlich nicht zu rechtfertigen wäre.

Im gegenständlichen Fall ist somit von einer rechtskräftigen Verurteilung des Rechtsmittelwerbers wegen Lenkens eines Fahrzeuges in alkoholbeeinträchtigtem Zustand auszugehen, weshalb eine zusätzliche Bestrafung wegen Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung bei verfassungskonformem Verständnis des § 100 Abs.2 StVO 1960 ausscheidet.

Wie schon oben angedeutet, gibt es keine Rechtsvorschrift, die vorschreibt, das erste (frühere) Meßergebnis der Atemluftuntersuchung als Maßstab für die noch zulässige Probendifferenz heranzuziehen. Berechnete man die zulässige Abweichung von 10 % vom zweiten (späteren) Meßergebnis, läge die Probendifferenz im gegenständlichen Fall innerhalb der zulässigen Schwankungsbreite, sodaß eine gültige Atemluftalkoholmessung vorläge. Insofern läge eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 vor, die einerseits nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist und andererseits die unzulässige Doppelbestrafung geradezu evident machen würde (ne bis in idem).

Weil sohin die Tat keine Verwaltungsübertretung bildet, hatte der unabhängige Verwaltungssenat im Sinne des § 45 Abs.1 Z1 VStG von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen.

Auf Grund der oben erläuterten Überlegungen war spruchgemäß zu entscheiden, wobei auch Verfahrenskostenbeiträge naturgemäß nicht anfallen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Wegschaider

Beschlagwortung: Heranziehung des ersten Meßergebnisses bei der Atemluftprobe für Berechnung der 10% Probendifferenz ohne rechtliche Grundlage; § 100 Abs.2 StVO muß vor dem Hintergrund der Judikatur des EGMR und des VfGH zu Art.4 Abs.1 des ZP EMRK auf jene gerichtlichen Verurteilungen erweitert werden, die einen Schuldspruch wegen alkoholbeeinträchtigten Lenkens als wesentlichen Aspekt des angewendeten Straftatbestandes implizieren

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