Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103898/2/Fra/Ka

Linz, 14.08.1996

VwSen-103898/2/Fra/Ka Linz, am 14. August 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des C B, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 23.5.1996, VerkR96-15771-1994, betreffend Übertretungen der StVO 1960, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird hinsichtlich der Übertretung nach § 15 Abs.1 StVO 1960 (Faktum 1) als unbegründet abgewiesen.

Diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Der Berufung wird hinsichtlich der Übertretungen nach § 11 Abs.1 StVO 1960 und nach § 11 Abs.2 StVO 1960 (Fakten 2 und 3) stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich aufgehoben und das Verfahren wegen Verfolgungsverjährung eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren hinsichtlich der Übertretung nach Punkt 1 (§ 15 Abs.1 StVO 1960) einen Kostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, ds 400 S, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu zahlen.

Für den Berufungswerber entfällt hinsichtlich der Verfahren nach den Punkten 2 und 3 (§ 11 Abs.1 StVO 1960 und § 11 Abs.2 StVO 1960) die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 45 Abs.1 Z3 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 sowie § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretungen nach 1.) § 15 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden), nach 2.) § 11 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 1.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) und nach 3.) § 11 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt, weil er am 11.7.1994 um 11.20 Uhr den PKW Kz.: auf der Westautobahn A1 in Fahrtrichtung Salzburg gelenkt hat, wobei er 1.) 300 m vor der Ausfahrt Raststätte Mondsee den vorschriftswidrig rechts überholte, 2.) anschließend lenkte er seinen PKW auf den linken Fahrstreifen, ohne sich vorher zu überzeugen, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist und 3.) hat er den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens nicht so rechtzeitig angezeigt, daß sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen konnten.

Ferner wurde gemäß § 64 Abs.1 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Strafen vorgeschrieben.

I.2. Dagegen richtet sich die durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Akt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c VStG).

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

I.3.1. Zum Faktum 1 (§ 15 Abs.1 StVO 1960):

Die Erstbehörde stützt den gegenständlichen Tatbestand auf die Anzeige vom 18.7.1994, erstattet durch den Gendarmeriebeamten Rev.Insp. H des GP Gmunden, auf die nachfolgende Zeugenaussagen dieses Gendarmeriebeamten vom 22.3.1995 sowie auf die Zeugenaussage der P vom 21.12.1995.

Frau Gisela Putz lenkte zur Tatzeit am Tatort den PKW, Kz.:.

Herr H war Beifahrer. Der O.ö. Verwaltungssenat kann in der diesbezüglichen Beweiswürdigung der Erstbehörde eine Unschlüssigkeit nicht erkennen und tritt ihr bei. Es entspricht auch der Lebenserfahrung, daß derartige Privatanzeigen dann erstattet werden, wenn sich ein Verkehrsteilnehmer konkret gefährdert oder behindert fühlt oder wenn er das Fahrverhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers als besonders rücksichtslos hält. Der Bw vermag dem durch die oben genannten Zeugen festgestellten Sachverhalt nichts wesentliches entgegenzusetzen. In der Rechtfertigung vom 24.1.1995, ergangen auf die Aufforderung zur Rechtfertigung der belangten Behörde vom 27.12.1994, gesteht er den gegenständlichen Tatbestand zu. Wörtlich schreibt er an die Erstbehörde: "Daraufhin überholte ich den PKW vorschriftswidrig rechts - das stimmt." In der Stellungnahme, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. F vom 20.9.1995 an die Erstbehörde wird im wesentlichen vorgebracht, daß das "Sperren" im zweiten Fahrstreifen unzulässig sei und einen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung darstelle. Darüber hinaus habe die Lenkerin des überholten Fahrzeuges gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen. Auch der Meldungsleger sei zur Anzeige nicht legitimiert gewesen. Somit wird auch in dieser Stellungnahme der gegenständliche Tatbestand zugestanden. In der Stellungnahme vom 27.2.1996 an die Erstbehörde meint der Bw, berechtigt gewesen zu sein, in die Kolonne der ersten Fahrspur zu wechseln und am PKW des Meldungsfahrzeuges vorbeizufahren. Das Vorbeifahren an Fahrzeugen der anderen Fahrspur innerhalb der Kolonne sei jedenfalls zulässig, und zwar auch dann, wenn die Kolonne aus der ersten Fahrspur später verlassen und in die Kolonne der zweiten Fahrspur eingereiht werde. In seinem Rechtsmittel gegen das angefochtene Straferkenntnis wiederholt der Bw im wesentlichen seine bereits im Verfahren vorgebrachten Argumente. Er meint ua, daß die Erstbehörde den Hinweis nicht gelten lasse, wonach er sich als Lenker des den Meldungslegern nachfahrenden PKW's bereits von weitem durch Lichtzeichen bemerkbar gemacht und seine Absicht, das Fahrzeug zu überholen angezeigt hatte. Die Lenkerin G P habe auf das Verkehrssignal nicht geachtet, sondern verblieb unter unzulässiger Blockierung der Überholspur in der dort befindlichen "zweiten Kolonne", ohne auf das Vorfahren der Fahrzeuge aufzuschließen. Er sei daher berechtigt gewesen, in die Kolonne der ersten Fahrspur zu wechseln und am PKW des Meldungsfahrzeuges vorbeizufahren. Erst danach habe er sich wieder in die zweite Fahrspur begeben und seine Fahrt nunmehr vor dem PKW der G P fortgesetzt. Das Vorbeifahren an Fahrzeugen der anderen Fahrspuren innerhalb der Kolonne sei jedenfalls zulässig, und zwar auch dann, wenn die Kolonne aus der ersten Fahrspur später verlassen und in die Kolonne der zweiten Fahrspur eingereiht werde.

Zu dieser Verantwortung wird rechtlich ausgeführt:

Wie die Erstbehörde bereits zutreffend festgestellt hat, liegt ein Vorbeifahren im Sinne des § 2 Abs.1 Z30 StVO 1960 durch den Bw am Fahrzeug der G P schon deshalb nicht vor, weil unter diesem Begriff das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einer sich auf der Fahrbahn befindenden, sich nicht fortbewegenden Person oder Sache, insbesondere an einem anhaltenden, haltenden oder parkenden Fahrzeug, zu verstehen ist. Wenn auch der Bw den Begriff "Vorbeifahren" verwendet, ist sinngemäß aus seiner Argumentation abzuleiten, daß er nicht ein "Vorbeifahren", sondern ein "Nebeneinanderfahren von Fahrzeugreihen" im Sinne des § 2 Abs.1 Z29 StVO 1960 meint. Nach dieser Bestimmung liegt kein Überholen vor, wenn Fahrzeugreihen nebeneinander, auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, fahren. Davon kann jedoch im gegenständlichen Fall nicht ausgegangen werden (siehe die oben genannten Zeugenaussagen). Auch der Bw selbst räumt in seiner ersten Stellungnahme vom 24.1.1995 an die Erstbehörde noch ein, daß auf dem rechten Fahrstreifen nahezu kein Verkehr herrschte und er deshalb den PKW vorschriftswidrig rechts überholte. Die "zweite" Kolonne hat der Bw erst in einem späteren Verfahrensstadium in die Diskussion gebracht.

Aufgrund der oa Zeugenaussagen und der ersten Rechtfertigung des Bw geht der O.ö. Verwaltungssenat jedoch nicht davon aus, daß sich am linken Fahrstreifen eine Fahrzeugreihe bewegt hat. Weiters ist im gegenständlichen Zusammenhang festzustellen, daß, als sich der Bw am Fahrzeug der Zeugin P vorbeibewegte, er auch am rechten Fahrstreifen noch nicht in einer Kolonne fuhr, sondern auf diese erst aufschloß. Ein Nebeneinanderfahren im Sinne des § 2 Abs.1 Z29 StVO 1960 lag daher nicht vor. Was das angebliche "Sperren" des zweiten Fahrstreifens durch G P anlangt, so ist der Bw darauf hinzuweisen, daß auf der Autobahn auf der rechten Seite selbst dann nicht überholt werden darf, wenn der Vorausfahrende durch Fahren auf der linken Seite des Überholens allenfalls mutwillig verhindert (OLG Wien, 26.5.1976, 13Bs 481/75, ZVR 1976/345).

Die Berufung war daher in der Schuldfrage als unbegründet abzuweisen.

Zur Strafe:

Grundsätzlich ist zu sagen, daß das vorschriftswidrige Rechtsüberholen auf der Autobahn mit hoher Geschwindigkeit ein sehr gefährliches Fahrmanöver darstellt, welches geeignet ist, die Interessen der Verkehrssicherheit nachteilig zu beeinträchtigen. Es haftet dieser Übertretung hoher Unrechtsgehalt an. Gründe, die für ein geringfügiges Verschulden sprechen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch vom Bw nicht vorgebracht. Die Zeugin P hat angegeben, ihren PKW mit ca. 130 bis 140 km/h gelenkt zu haben. Es ist daher davon auszugehen, daß sie die gesetzlich erlaubte Höchstgeschwindigkeit eingehalten und der Bw diese Geschwindigkeit beim Rechtsüberholen überschritten hat. Der Bw hätte die Geduld aufwenden müssen, noch eine gewisse Strecke hinter der Zeugin P nachzufahren. Sein Verschulden ist somit nicht als geringfügig zu bewerten.

Erschwerungsgründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit hat die Erstbehörde berücksichtigt. Dem geschätzten monatlichen Durchschnittseinkommen ist der Bw in seinem Rechtsmittel nicht entgegengetreten. Es kann somit in einer Geldstrafe, die den gesetzlichen Strafrahmen zu 20 % ausgeschöpft hat, eine Überschreitung des Ermessensspielraumes nicht festgestellt werden.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

I.3.2. Zu den Fakten 2 und 3 (§ 11 Abs.1 und § 11 Abs.2 StVO 1960):

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in einem ähnlich gelagerten Fall (auch hier ging es um Übertretungen nach § 11 Abs.1 und nach § 15 Abs.1 StVO 1960) ausgesprochen, daß die Umschreibung "sodann" an sich, ohne das Hinzutreten von ergänzenden Feststellungen nicht geeignet ist, über einen konkreten Zeitpunkt präzise Aussagen zu treffen, geschweige denn im grammatikalischen Kontext des Spruches den Tatort ausreichend zu konkretisieren. Bei einer Übertretung des § 11 Abs.2 StVO 1960 hat der VwGH die Umschreibung des Tatortes mit den Worten "kurz nach" und "kurz vor" als dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z1 VStG entsprechend anzusehen (VwGH 19.10.1988, 88/02/0074).

Unter Zugrundelegung dieser Judikatur ist der O.ö.

Verwaltungssenat der Ansicht, daß die Tatortumschreibung hinsichtlich der gegenständlichen Fakten nicht den Anforderungen des § 44a Z1 VStG entspricht. Der Begriff "anschließend" umschreibt kein dem oa Gebot entsprechendes räumliches Naheverhältnis.

Hinsichtlich der Übertretung nach § 11 Abs.2 StVO 1960 ist noch auszuführen, daß diese eine konkrete Behinderung oder Gefährdung anderer Straßenbenützer voraussetzt. Das skizzierte Tatbild hat Folgen für den Inhalt des Schuldspruches. Dieser erfordert entsprechende Feststellungen darüber, welche anderen Verkehrsteilnehmer in welcher Weise durch die Unterlassung der Anzeige behindert oder gefährdet wurden. Fehlen derartige Feststellungen, so ist der Bescheid rechtswidrig (VwGH 5.9.1986, ZfVB 1987/3/1337). Nimmt die Behörde eine konkrete Gefährdung infolge "Notbremsung" an, so sind Feststellungen darüber erforderlich, mit welcher Geschwindigkeit und mit welchem Abstand das Fahrzeug des (angeblich gefährdeten) Anzeigers hinter dem Fahrzeug des Beschuldigten fuhr (VwGH, 24.4.1986, ZfVB 1987/1/199).

Da hinsichtlich der oa Tatbestandsmerkmale bzw Umschreibungserfordernisse hinsichtlich des Tatortes keine rechtzeitigen und tauglichen Verfolgungshandlungen gesetzt wurden, ist diesbezüglich Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG spruchgemäß zu entscheiden war.

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. F r a g n e r

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