Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103903/25/Sch/Rd

Linz, 02.05.1997

VwSen-103903/25/Sch/Rd Linz, am 2. Mai 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des K, vertreten durch die Rechtsanwälte, gegen die Fakten 1a) bis 1c) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 8. Juli 1996, VerkR96-3885-1995, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher mündlicher Berufungs-verhandlung am 9. April 1997 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird hinsichtlich der Fakten 1a) und 1c) Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesen Punkten behoben und das Verfahren eingestellt. Im übrigen (Faktum 1b) wird die Berufung abgewiesen und das Straferkennt- nis bestätigt.

Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz beträgt 100 S. Als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren ist der Betrag von 200 S (20 % der bezüglich Faktum 1b) verhängten Geldstrafe) zu leisten. Insoweit der Berufung Folge gegeben wurde entfällt jeglicher Verfahrens- kostenbeitrag.

Rechtsgrundlagen: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 bzw. 45 Abs.1 Z1 und 2 VStG. zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat mit Straferkenntnis vom 8. Juli 1996, VerkR96-3885-1995, über Herrn K, ua wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1a) § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960, 1b) § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 und 1c) § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 Geldstrafen von 1a) 1.000 S, 1b) 1.000 S und 1c) 1.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1a) 30 Stunden, 1b) 30 Stunden und 1c) 30 Stunden verhängt, weil er am 3. August 1995 um ca. 19.10 Uhr den Kombi mit dem Kennzeichen auf der B 138 aus Richtung Roßleithen kommend in Richtung Klaus gelenkt habe, wobei er zwischen Straßenkilometer 62,850 und 62,610 einen mit ca. 80 km/h fahrenden PKW-Lenker überholt habe, obwohl dadurch andere Straßenbenützer gefährdet bzw. behindert hätten werden können, da der Überholvorgang im Bereich einer unübersichtlichen Kurve erfolgt sei, er am Beginn des Überholmanövers nicht einwandfrei erkennen habe können, ob er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang wieder in den Verkehr einordnen hätte können ohne dadurch andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern, da am Beginn des Überholmanövers keine ausreichende Sicht hiezu gegeben gewesen sei, er diesen Überholvorgang an einer unübersichtlichen Straßenstelle - Beginn im Bereich einer unübersichtlichen Rechtskurve in seiner Fahrtrichtung gesehen - durchgeführt habe (Fakten 1a bis 1c). Überdies wurde der Berufungswerber zu einem diesbezüglichen Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 300 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Zum stattgebenden Teil der Berufung:

Nach der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 (VwGH 10.7.1981, 81/02/0017 ua) kann von einer unübersichtlichen Straßenstelle dann nicht gesprochen werden, wenn der überholende KFZ-Lenker in der Lage ist, das Straßenstück bei Beginn des Überholvorganges zur Gänze zu überblicken, das er für diese Maßnahme einschließlich des ordnungsgemäßen Wiedereinordnens seines KFZ auf dem rechten Fahrstreifen benötigt. Es ist sohin zu beurteilen, wie weit die Sicht eines überholenden Fahrzeuglenkers gemessen von seiner Position zu Beginn des Überholmanövers ausreichte, welche Länge die Überholstrecke hatte und inwieweit das gegenständliche Straßenstück ihm bis zum Ende der Überholstrecke nicht die erforderliche Übersichtlichkeit geboten hat.

Anläßlich der eingangs erwähnten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ein Lokalaugenschein abgeführt und anhand der Angaben des Zeugen B bzw. des Berufungswerbers selbst der angezeigte Überholvorgang einer fachlichen Beurteilung durch einen beigezogenen technischen Amtssachverständigen unterzogen. Dieser ist in seinem Gutachten zu dem Schluß gekommen, daß der Rechtsmittelwerber zu Beginn seines Überholmanövers eine größere Sichtweite hatte, als der tatsächliche Überholweg, also die Überholstrecke, betragen hat. Bei einer Sichtweite von 250 m bis 300 m je nach Annahme des Überholbeginnes (Angaben des Zeugen bzw. des Berufungswerbers) ergibt sich ein Überholweg von längstens 198 m, sodaß diese Strecke vom Berufungswerber zu Beginn des Überholmanövers jedenfalls hinreichend eingesehen werden konnte.

Die Erstbehörde geht im Zusammenhang mit der dem Rechtsmittelwerber ebenfalls zur Last gelegten Übertretung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 davon aus, daß diese Übertretung deshalb vorgelegen sei, "da der Überholvorgang im Bereich einer unübersichtlichen Kurve erfolgte". Unter Hinweis auf das obzitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes und das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens kann im vorliegenden Fall aber nicht von einer unübersichtlichen Straßenstelle im rechtlich relevanten Sinne gesprochen werden.

Bei der Übertretung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 kommt es nicht auf den Eintritt einer Gefährdung am Ende eines unerlaubten Überholmanövers, sondern auf ein bei Beginn des Überholvorganges (bzw. was das Abbrechen eines Überholvorganges anlangt, während dieses Vorganges) erkennbares Gefährden - Können an. Ein Lenker kann durch einen Überholvorgang sowohl gegen § 16 Abs.1 lit.a als auch gegen § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 (Idealkonkurrenz) verstoßen, wenn er vor einer unübersichtlichen Kurve und trotz erkennbaren Gegenverkehrs, der gefährdet werden könnte, zu überholen begonnen hat oder wenn er - nachdem er ohne erkennbaren Gegenverkehr, aber vor einer unübersichtlichen Kurve zu überholen begonnen hat - trotz während des Überholvorganges erkennbar werdenden Gegenverkehrs den Überholversuch nicht abbricht, obwohl dies noch möglich wäre. Ergibt sich jedoch die Gefährdung des entgegenkommenden Lenkers allein aus dem Überholen an einer unübersichtlichen Straßenstelle, hat der Lenker nur gegen § 16 Abs.2 leg.cit. verstoßen (VwGH 29.8.1990, 90/02/0094).

Wenn sohin, wie bereits oben näher ausgeführt, im vorliegenden Fall von einer unübersichtlichen Straßenstelle nicht die Rede sein kann, so kann demgemäß auch die Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer nicht in einer solchen Unübersichtlichkeit begründet sein. Erwägungen im Zusammenhang mit einer möglichen Gefährdung bzw. Behinderung eines allfälligen Gegenverkehrs sind zum einen deshalb entbehrlich, da der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses hiezu keine Feststellungen enthält (solcher hätte es zur Spruchkonkretisierung bedurft - VwGH 25.3.1992, 91/03/0044) und zum anderen, da nach den entsprechenden übereinstimmenden Angaben sowohl des Rechtsmittelwerbers als auch des erwähnten Zeugen weder zu Beginn noch während dieses Überholmanövers Gegenverkehr sichtbar war.

Der Berufung hatte sohin in diesen beiden Punkten Erfolg beschieden zu sein.

Dagegen hält der Tatvorwurf gemäß § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 einer Überprüfung aus folgenden Gründen stand:

Nach Lage des - bemerkenswert wenig übersichtlichen - erstbehördlichen Aktes wurde vorerst von unterschiedlichen Tatortbereichen ausgegangen, letztlich aber eine fristgerechte Verfolgungshandlung den im Straferkenntnis angeführten Tatort beinhaltend getätigt (Gendarmerieerhebungen mit anschließendem Bericht vom 3. Februar 1996 über Auftrag der Erstbehörde), welcher sich auch bei der Berufungsverhandlung - von irrelevanten Abweichungen im Meternbereich abgesehen - als zutreffend herausgestellt hat. Aufgrund des durchgeführten Lokalaugenscheines und der aufgenommenen weiteren Beweise steht unbestrittenerweise fest, daß der Berufungswerber mit seinem Überholmanöver aus der Annäherung heraus begonnen und hiebei eine Fahrgeschwindigkeit von 100 km/h eingehalten hat. Divergierend sind die Angaben des Rechtsmittelwerbers und des Zeugen Z (des überholten Fahrzeuglenkers) im Zusammenhang mit der Örtlichkeit des Beginnes des Überholvorganges, welcher nach den Angaben des Zeugen (und entsprechendes Ausmessen dieses Punktes durch den technischen Amtssachverständigen) bei Kilometer 62,863 und nach jenen des Berufungswerbers bei Kilometer 62,942 gewesen sei. Dieser Divergenz kommt aber im Ergebnis bei der Beurteilung des Sachverhaltes keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu. Die Sichtweite auf den weiteren Fahrbahnverlauf beträgt nach den Feststellungen an Ort und Stelle maximal 300 m, wobei nach den Feststellungen des technischen Amtssachverständigen ein gefährdungs- bzw. behinderungsfreies Wiederein-ordnen seitens des Berufungswerbers nach dem Überholmanöver von Beginn an nur dann angenommen werden konnte, wenn das überholte Fahrzeug keine höhere Geschwindigkeit als 70 km/h eingehalten hätte (im Gutachten ausführlich begründet). Die Fahrgeschwindigkeit des überholten Fahrzeuges wurde vom Berufungswerber auf 70 km/h geschätzt, wogegen der Zeuge selbst seine Fahrgeschwindigkeit sowohl im erstbehördlichen Verfahren als auch vor der Rechtsmittelbehörde mit etwa 80 km/h angegeben hat. Die Berufungsbehörde gibt in diesem Punkt aus folgenden Erwägungen heraus den Angaben des Zeugen gegenüber jenen des Rechtsmittelwerbers den Vorzug: Zum einen ist besonders hervorzuheben, daß der Zeuge anläßlich der Berufungsverhandlung einen absolut glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat. Des weiteren ist die Schätzung der Fahrgeschwindigkeit eines überholten Fahrzeuges aus der Position des überholenden Fahrzeuglenkers heraus kein Umstand, der die Annahme einer bestimmten Fahrgeschwindigkeit dieses Fahrzeuges stützen könnte. Einer solchen Geschwindigkeitsangabe könnte allenfalls dann Bedeutung zukommen, wenn vorerst eine gewisse Wegstrecke in gleichbleibendem Abstand mit der gleichen Fahrgeschwindigkeit des Vordermannes gefahren und erst dann mit dem Überholmanöver begonnen worden wäre. Im vorliegenden Fall wurde allerdings, wie bereits oben dargelegt, aus der Annäherung heraus überholt, sodaß es dem Berufungswerber nicht möglich war, nachvollziehbare Wahrnehmungen zur Fahrgeschwindigkeit des überholten Fahrzeuges zu machen. Demgegenüber ist es einem Fahrzeuglenker jederzeit möglich, anhand des Tachos seines Fahrzeuges die gerade eingehaltene Fahrgeschwindigkeit festzustellen. Nach den Schilderungen des Zeugen über die seines Erachtens nach gegeben gewesene Gefährlichkeit des Überholmanövers des Berufungswerbers ist es nach der allgemeinen Lebenserfahrung durchaus naheliegend, daß ein Fahrzeuglenker gerade in so einer Situation auch der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit Aufmerksamkeit zollt.

Es war daher nach dem abgeführten Berufungsverfahren davon auszugehen, daß der Rechtsmittelwerber zu Beginn seines Überholmanövers entgegen der Bestimmung des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 nicht die erforderliche Überholsichtweite hatte. Vom Berufungswerber wurde anläßlich der erwähnten Verhandlung der Beweisantrag gestellt, es solle eine gutachtliche Stellungnahme eines entsprechenden Sachverständigen zu der Frage eingeholt werden, bis zu welcher Örtlichkeit ihm ein für den übrigen Verkehr gefahrloses Wiederabbrechen des Überholvorganges möglich gewesen wäre. Die Frage im Zusammenhang mit einem allfälligen Abbruch eines Überholmanövers stellt sich, und hier wird auf das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.8.1990 verwiesen, im vorliegenden Fall nicht. Abgesehen davon ist noch besonders hervorzuheben, daß es bei einer Übertretung des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 auf die Verhältnisse zu Beginn des Überholmanövers ankommt und die Überholsichtweite zu diesem Zeitpunkt zu beurteilen ist. Der Beweisantrag war daher mangels Entscheidungsrelevanz abzuweisen.

Die Berufungsschrift enthält im Zusammenhang mit der Strafhöhe keine Ausführungen, sodaß sich aus diesem Grunde weitergehende Ausführungen erübrigen. Unbeschadet dessen hält die in diesem Punkt verhängte Geldstrafe in der Höhe von 1.000 S einer Überprüfung anhand der Kriterien des § 19 VStG ohne weiteres stand. Es kann als bekannt vorausgesetzt werden, daß vorschriftswidrige Überholmanöver eine zumindest abstrakte Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellten, ja sogar häufig die Ursache schwerer Verkehrsunfälle sind. Gerade generalpräventive Erwägungen machen daher entsprechende Geldstrafen nötig, um zum Ausdruck zu bringen, daß Überholvergehen keinesfalls "Bagatelldelikte" sind. Milderungsgründe, insbesondere jener der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit, lagen ebensowenig wie Erschwerungsgründe vor.

Die Berufungsbehörde geht im Zusammenhang mit den persönlichen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers davon aus, daß er als Inhaber eines Transportunternehmens in der Lage sein wird, die verhängte Geldstrafe ohne unzumutbare Einschränkung seiner Lebensführung bezahlen zu können. Hinsichtlich des weiteren Faktums des angefochtenen Straferkenntnisses ist bereits eine gesonderte Berufungsentscheidung ergangen. Zu II.: Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

S c h ö n

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