Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103919/23/Bi/Fb

Linz, 17.12.1996

VwSen-103919/23/Bi/Fb Linz, am 17. Dezember 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer (Vorsitz: Dr. Wegschaider, Berichterin: Mag. Bissenberger, Beisitz: Dr. Leitgeb) über die Berufung des Herrn S T, T, I, D, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. N N, R, G, vom 2. Juli 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 24. Juni 1996, VerkR96/2393/1996, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 10.

Dezember 1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruches bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 9.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 10 Tage herabgesetzt wird.

II. Der Beitrag für das Strafverfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 900 S; im Rechtsmittelverfahren fallen keine Verfahrenskostenbeiträge an.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 19 VStG, §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1a StVO 1960.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1a StVO 1960 eine Geldstrafe von 12.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Tagen verhängt, weil er am 27. April 1996 um 0.20 Uhr den PKW, Kennzeichen , in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit einem Atemluftalkoholgehalt von 0,51 mg/l auf der P B im Bereich der Autobahnauffahrt A im Gemeindegebiet von I von Kirchdorf/Krems kommend in Richtung A gelenkt habe. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.200 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige, aus drei Mitgliedern bestehende 4.

Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 10. Dezember 1996 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Beschuldigtenvertreters Rechtsanwalt Dr. N, des Behördenvertreters Herrn B, des Zeugen GI K und des technischen Amtssachverständigen Ing. A durchgeführt.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er sei mit seiner Gattin, die wegen endgültigen Nierenversagens dreimal wöchentlich an ein Heimdialysegerät angeschlossen werden müsse, auf Urlaub in Kroatien gewesen und habe dort, da er nicht mehr beabsichtigt habe, ein Fahrzeug zu lenken, mittags und abends je eine Halbe Bier konsumiert. Gegen 19.00 Uhr habe er seine Frau an das Heimdialysegerät, das er aus Deutschland mitgebracht habe, anschließen wollen, jedoch einen technischen Fehler festgestellt. Da von einem vorherigen Versuch in Kroatien bekannt gewesen sei, daß die dort verwendeten Dialysegeräte für seine Frau unverträglich seien, sei ihm nichts anderes übrig geblieben, als sofort nach Deutschland zurückzufahren. Es sei für ihn völlig überraschend gewesen, daß der Alkotest positiv ausgefallen sei, und er könne sich das nur durch eine Fehlmessung des Gerätes erklären. Im übrigen habe eine Notstandssituation insofern vorgelegen, als er das höherwertige Rechtsgut, nämlich das Leben seiner Gattin, durch die Fahrt nach Deutschland retten habe müssen. Gehe man vom Vorliegen einer Fehlmessung aus, habe lediglich eine Minderalkoholisierung bestanden. Er beantragt dazu die Beiziehung eines technischen und eines medizinischen Sachverständigen.

Zur Strafhöhe wird ausgeführt, daß er für die Ehegattin, für die ein erhöhter Unterhaltsbedarf bestehe, und drei Kinder sorgepflichtig sei, wobei ihm vom Monatsnettogehalt von DM 3.000,-- nach Abzug der Kreditraten und der Lebensversicherung DM 1.000,-- zum Leben verblieben. Er beantragt daher die Einstellung des Verfahrens, in eventu Herabsetzung der verhängten Strafe.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz, Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteienvertreter gehört, der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen und auf dieser Grundlage ein technisches Sachverständigengutachten durch den Amtssachverständigen erstellt wurde. Weiters wurden der Eichschein für das verwendete Atemalkoholmeßgerät V12-257 und das Überprüfungsprotokoll der letzten technischen Überprüfung des Gerätes vor dem Vorfall eingeholt.

Das Beweisverfahren hat ergeben, daß der Rechtsmittelwerber am 27. April 1996 um 0.20 Uhr als Lenker des angeführten PKW im Kreuzungsbereich der B mit der A vom Meldungsleger GI K im Rahmen des Verkehrsüberwachungsdienstes angehalten und aufgrund des deutlichen Alkoholgeruchs der Atemluft aufgefordert wurde, sich einer Atemalkoholprüfung mit dem im Gendarmeriefahrzeug mitgeführten Atemalkoholmeßgerät zu unterziehen. Um 0.23 Uhr und 0.25 Uhr wurden zwei gültige Blasversuche durchgeführt, die einen günstigsten Wert von 0,51 mg/l AAK ergaben. Der Rechtsmittelwerber hat ausgeführt, am 26.

April 1996 um 12.00 Uhr und um 17.00 Uhr je eine Halbe Bier getrunken zu haben, wobei sich der Meldungsleger bei der mündlichen Verhandlung auch daran erinnerte, daß die Rede von einem Heimdialysegerät für die Gattin des Rechtsmittelwerbers war. Der Zeuge hat ausgeführt, seiner Erinnerung nach habe sich ein Mann als Beifahrer im Fahrzeug des Rechtsmittelwerbers befunden, der aber aus unbekannten Gründen nicht in der Lage gewesen sei, das Fahrzeug weiterzulenken, sodaß dieses nach der vorläufigen Abnahme des deutschen Führerscheins abgestellt worden sei.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte nicht geklärt werden, ob nicht doch die Gattin des Rechtsmittelwerbers sich damals im Fahrzeug befunden hat und der Beschuldigtenvertreter war auch nicht in der Lage mitzuteilen, ob der Rechtsmittelwerber beabsichtigt hatte, ein neues Dialysegerät aus Deutschland nach Kroatien zu bringen oder, was naheliegender gewesen wäre, seine Gattin zur Dialyse nach Deutschland zu bringen.

Aus den vom Rechtsmittelwerber vorgelegten Unterlagen über die Krankheit seiner Gattin geht hervor, daß diese wegen endgültigen Nierenversagens seit 1989 dreimal wöchentlich regelmäßig für 4,5 Stunden pro Woche an ein Dialysegerät zur Blutwäsche angeschlossen werden muß. Im Akt befindet sich auch eine Bestätigung für den Zoll, die die Erforderlichkeit des Transportes eines Dialysegerätes samt Zubehör durch den Rechtsmittelwerber von Deutschland nach Jugoslawien bestätigt.

Der technische Amtssachverständige gelangt aufgrund der vorliegenden Unterlagen, insbesondere des Meßprotokolls, des Eichscheins und des Wartungsprotokolls, zur gutachtlichen Auffassung, daß die vorgesehenen Meßkriterien, insbesondere hinsichtlich Mindestzeit, Mindestvolumen und Konzentration des Verlaufs der Atemalkoholkonzentration während der Ausatmung sowie Probendifferenz eingehalten wurden. Fehlmessungen sind nicht zustande gekommen, da diese ansonsten auf dem Meßstreifen ausgedruckt worden wären. Auf der Grundlage der letzten Eichung am 26. September 1995, der Messung innerhalb der Nacheichfrist von 2 Jahren und der letzten Wartung des Gerätes am 16. April 1996, also 11 Tage vor dem Vorfall, gelangt der Sachverständige zu dem Schluß, daß zwei gültige Messungen im Sinn der Verwendungsrichtlinien des Gerätes zustande gekommen sind, wobei auch ein unzulässiger Eingriff in das Gerät vor dem Vorfall auszuschließen ist. Auch aus den Aussagen des Meldungslegers, wonach das Gerät vor dem Vorfall schon etwa zwei Stunden in Betrieb war und außerdem sämtliche Eichstempel aufwies, war eine Fehlfunktion auszuschließen.

Für den unabhängigen Verwaltungssenat besteht auf dieser Grundlage kein Zweifel an der Verwertbarkeit der ordnungsgemäß zustande gekommenen Meßwerte, wobei auch der Rechtsmittelwerber nicht im Stande war, behauptete Meßfehler oder eine Funktionsuntüchtigkeit konkret zu bezeichnen. Auch bestehen keinerlei Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen des Meldungslegers.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 darf, wer sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 %o oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

Auf der Grundlage des Beweisverfahrens ist davon auszugehen, daß der Rechtsmittelwerber ein Fahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt und Alkoholisierungssymptome aufgewiesen hat, sodaß die Aufforderung, sich einer Atemluftalkoholuntersuchung zu unterziehen, gerechtfertigt war, zumal der Meldungsleger auch zur Durchführung von Alkomatuntersuchungen speziell geschult und behördlich ermächtigt war. Das im Gendarmeriefahrzeug mitgeführte Gerät war ordnungsgemäß geeicht und funktionstüchtig. Die Messung ergab einen günstigsten Wert von 0,51 mg/l Atemalkoholgehalt. Auf der Grundlage des technischen Sachverständigengutachtens ist dieser Wert ordnungsgemäß zustande gekommen und im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens verwertbar, sodaß von einer Minderalkoholisierung nicht auszugehen und die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens verzichtbar war.

Vom Vorliegen einer Notstandssituation iSd § 6 VStG war deshalb nicht auszugehen, weil zwar durchaus glaubwürdig ist, daß der Rechtsmittelwerber zum Zweck der Durchführung einer Dialyse seiner Gattin nach Deutschland fuhr, jedoch vermag die Beschuldigtenverantwortung nicht davon zu überzeugen, daß hier ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten vorgelegen hat, indem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten konnte, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht (vgl VwGH v 22. März 1991, 89/18/0040, ua). Insbesondere das Vorliegen einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben der Gattin des Rechtsmittelwerbers durch das Lenken des Fahrzeuges in zweifellos alkoholbeeinträchtigtem Zustand konnte deshalb nicht bewiesen werden, weil vom Rechtsmittelwerber nie behauptet wurde, daß sich seine Gattin im PKW befunden hat - das Beschuldigtenvorbringen war für den unabhängigen Verwaltungssenat so zu verstehen, daß der Rechtsmittelwerber ein anderes Dialysegerät aus Deutschland nach Kroatien bringen wollte. Bedenkt man aber, daß die lange Hin- und Rückfahrt zu einer erneuten zeitlichen Verzögerung der Blutwäsche geführt hätte, wären nähere Erläuterungen zur behaupteten Dringlichkeit dieses Vorhabens im Hinblick auf die Gesundheit der Gattin des Rechtsmittelwerbers unumgänglich gewesen. Die Beschuldigtenverantwortung läßt Ausführungen darüber vermissen, warum der Rechtsmittelwerber nicht gleich seine Gattin auf diese Fahrt mitgenommen hat, ob geprüft wurde, ob nicht eine Dialyse in Österreich durchgeführt hätte werden können, wie der Rechtsmittelwerber nach dem Abstellen des Fahrzeuges letztendlich nach Deutschland gekommen ist und vor allem, wie sich eine zeitliche Verzögerung der Blutwäsche auf die Gesundheit seiner Gattin auswirkt. Es ist ihm daher nicht gelungen, die wesentlichen Kriterien für die Annahme einer Notstandssituation darzulegen, sodaß von einer solchen nicht auszugehen war.

Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt daher zu der Auffassung, daß der Rechtsmittelwerber den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

Zur Strafbemessung ist auszuführen:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Strafrahmen des § 99 Abs.1 StVO 1960 reicht von 8.000 S bis 50.000 S Geldstrafe bzw einer bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.

Der Rechtsmittelwerber ist verwaltungsstrafrechtlich unbescholten, was als wesentlicher Milderungsgrund zu berücksichtigen gewesen wäre. Erschwerend war kein Umstand.

Er hat glaubwürdig den erhöhten Unterhaltsbedarf für seine Gattin dargetan, sodaß auch aus diesem Grund eine Herabsetzung der verhängten Strafe gerechtfertigt war.

Auch wenn nicht vom Vorliegen einer Notstandssituation auszugehen war, so ist dennoch zu berücksichtigen, daß iSd § 34 StGB die Übertretung möglicherweise aus achtenswerten Beweggründen begangen wurde. Die Übertretung hat auch keinen Schaden oder sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen, wenn auch zu betonen ist, daß Alkoholübertretungen zu den schwersten Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung zählen.

Unter diesem Gesichtspunkt war mit einer Herabsetzung der verhängten Strafe vorzugehen, wobei die Geldstrafe in Anbetracht der finanziellen Verhältnisse des Rechtsmittelwerbers gegenüber der Ersatzfreiheitsstrafe niedriger anzusetzen war. Die nunmehr verhängte Strafe entspricht sowohl dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung, als auch den finanziellen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers, dem es überdies freisteht, mit der Erstinstanz eine Ratenvereinbarung zu treffen.

Die Strafe liegt an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens und soll den Rechtsmittelwerber in Hinkunft zur genauesten Einhaltung der Alkoholbestimmungen anhalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Wegschaider

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