Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103920/6/Bi/Fb

Linz, 12.02.1997

VwSen-103920/6/Bi/Fb Linz, am 12. Februar 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn C T, L, S, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr.

E, S, M, vom 26. Juli 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 12. Juli 1996, VerkR96-17473-1996-Shw, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Höhe der verhängten Strafe richtet, keine Folge gegeben und das Straferkenntnis im Strafausspruch vollinhaltlich bestätigt.

Soweit sich der Berufungsantrag auf den Schuldspruch des Straferkenntnisses erstreckt, wird er als unzulässig zurückgewiesen.

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 1.800 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: §§ 66 Abs.4 und 63 Abs.3 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG, § 99 Abs.1a StVO 1960.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1a StVO 1960 eine Geldstrafe von 9.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen verhängt und ihm einen Verfahrenskostenersatz von 900 S auferlegt.

2. Der Rechtsmittelwerber hat fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, weil der Rechtsmittelwerber zwar in der Berufung ausdrücklich eine mündliche Verhandlung beantragt, mit Schriftsatz vom 24. Jänner 1997 jedoch darauf verzichtet hatte. Die Erstinstanz hat bereits bei der Aktenvorlage am 6. August 1996 auf die Durchführung einer Berufungsverhandlung verzichtet (§ 51e Abs.3 VStG).

3. Im Rechtsmittel wird der Antrag gestellt, der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen. In der Begründung hat der Rechtsmittelwerber ausgeführt, der Schuldspruch des Straferkenntnisses bliebe unangefochten und das Rechtsmittel richte sich lediglich gegen den Strafausspruch, die Bemessung der Geldstrafe, im konkreten gegen die Nichtanwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 20 VStG. Die übrigen Ausführungen in der Begründung betreffen grundlegende und spezielle Erwägungen zur außerordentlichen Strafmilderung. Das Berufungsvor bringen enthält weiters die Anregung an den unabhängigen Verwaltungssenat, einen Antrag auf Gesetzesprüfung hinsichtlich der vom Rechtsmittelwerber für verfassungswidrig erachteten Bestimmung des § 100 Abs.5 StVO zu stellen oder möglichst umgehend über seine Berufung zu entscheiden, zumal er "einen Rechtsanspruch darauf habe, vor dem Verfassungsgerichtshof Anlaßfall zu werden".

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und folgendes erwogen:

Zur Berufung gegen den Schuldspruch:

Gemäß § 63 Abs.3 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Im gegenständlichen Fall bezieht sich der Berufungsantrag auf eine vollständige Behebung des Straferkenntnisses, ohne daß in der Begründung hiezu nähere Ausführungen enthalten wären. Im Gegenteil, die Berufungsausführungen lassen keinen Zweifel darüber offen, daß der Rechtsmittelwerber die Strafbemessung (nur) im Hinblick auf die Nichtanwendung des § 20 VStG bekämpft. Da es sich beim gänzlichen Fehlen einer (den Schuldspruch betreffenden) Berufungsbegründung bei richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung nicht um einen bloßen Formmangel handelt, war das Rechtsmittel, soweit sich der Antrag gegen den Schuldspruch richtete, als unbegründet und daher unzulässig zurückzuweisen.

Zur Berufung gegen die Strafe:

Der Strafrahmen des § 99 Abs.1 StVO 1960 reicht von 8.000 S bis 50.000 S Geldstrafe bzw von einer bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe. Gemäß § 100 Abs.5 StVO 1960 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung der 19. StVO-Novelle findet unter anderem bei einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 StVO die Bestimmung des § 20 VStG keine Anwendung.

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Dem Rechtsmittelwerber wird vorgeworfen, am 30. Juni 1996 um 8.20 Uhr einen PKW auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt zu haben, wobei die Atemluftuntersuchung um 8.37 Uhr bzw 8.39 Uhr Werte von 0,53 mg/l ergab. Seinen Alkoholkonsum vom Vorabend bis 1.00 Uhr nachts hat der Rechtsmittelwerber mit 2 Cola-Rum und 5 Halbe Bier angegeben und sich über den hohen Atemalkoholwert gewundert, weil er doch schon um 1.00 Uhr mit dem Trinken aufgehört habe.

Der Rechtsmittelwerber ist HTL-Schüler und hat am 4.

Dezember 1995 eine Lenkerberechtigung für die Gruppen A und B erworben. Aus dem Verfahrensakt geht hervor, daß er eine einschlägige Vormerkung aus dem Jahr 1994 aufweist; damals wurde eine Geldstrafe von 4.000 S (4 Tage EFS) verhängt.

Diese einschlägige Vormerkung wurde zutreffend als straferschwerend gewürdigt.

Die Erstinstanz ging von einem Taschengeld in Höhe von 2.000 S und Einkünften aus Ferialarbeit von 8.000 S netto monatlich sowie vom Nichtbestehen von Vermögen und Sorgepflichten aus.

Der unabhängige Verwaltungssenat vermag auf dieser Grundlage nicht zu erkennen, inwieweit die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zustehenden Ermessensspielraum überschritten haben könnte. Der Rechtsmittelwerber war zum Zeitpunkt des Vorfalls Jugendlicher, was einen Milderungsgrund iSd § 34 Z1 StGB darstellt. Auch wenn für den unabhängigen Verwaltungssenat die Einkommensschätzung der Erstinstanz, insbesondere hinsichtlich der 8.000 S Monatseinkommen aus Ferialarbeit der Rechtsmittelwerber ist HTL-Schüler - nicht nachvollziehbar ist, so ist dennoch davon auszugehen, daß er zumindest einen Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern hat.

Aufgrund der Erschwerungsgründe der einschlägigen Vormerkung und des Umstandes, daß der Rechtsmittelwerber immerhin siebeneinhalb Stunden nach Trinkende noch einen Atemalkoholgehalt von 0,53 mg/l (ca. 1,06 %o) aufwies, was nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates den Schluß auf seine geradezu gefährliche Gleichgültigkeit im Umgang mit Alkohol allgemein und in Verbindung mit dem Straßenverkehr im besonderen zuläßt, ist eine Herabsetzung der verhängten Strafe auch im Hinblick auf general- und vor allem spezialpräventive Überlegungen nicht gerechtfertigt. Die verhängte Strafe liegt nahe an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens und ist nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates im Hinblick auf general-, vor allem aber spezialpräventive Überlegungen eher niedrig bemessen, zumal im gegenständlichen Fall finanzielle Verhältnisse eher in den Hintergrund zu treten haben.

Außerdem steht es dem Rechtsmittelwerber frei, mit der Erstinstanz Ratenzahlung oder Strafaufschub zu vereinbaren.

Die Ersatzfreiheitsstrafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe wesentlich niedriger bemessen.

Zur Anregung des Rechtsmittelwerbers, möglichst umgehend über die Berufung zu entscheiden, ist auszuführen, daß gemäß der Bestimmung des § 51 Abs.7 dem unabhängigen Verwaltungssenat für die Berufungsentscheidung 15 Monate ab Einlangen der Berufung zur Verfügung stehen, die in Anspruch zu nehmen ihm je nach Aktenanfall und Dringlichkeit der Entscheidungen selbst überlassen bleiben muß.

Zur Anregung, der unabhängige Verwaltungssenat möge aufgrund der vom Rechtsmittelwerber gehegten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 100 Abs.5 StVO einen Antrag auf Gesetzesprüfung beim Verfassungsgerichtshof einbringen, ist auszuführen, daß der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich diese Rechtsauffassung nicht teilt. Außerdem wird auf die beim Verfassungsgerichtshof diesbezüglich bereits anhängigen Verfahren hingewiesen.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt nach wie vor die Auffassung, daß die vom Rechtsmittelwerber behauptete Ver letzung des Gleichheitsgrundsatzes nur dann gegeben wäre, wenn der Gesetzgeber durch die Neuregelung des § 100 Abs.5 StVO idFd 19. StVO-Novelle ohne sachliche Rechtfertigung das von ihm selbst geschaffene Ordnungssystem verlassen hätte.

Der Regierungsvorlage zu § 100 Abs.5 StVO 1960 idFd 19.

StVO-Novelle ist zu entnehmen, daß die Anwendung des § 20 VStG unter anderem wegen des hohen Unrechtsgehalts der im § 99 Abs.1, 2 und 2a StVO angeführten Verwaltungsübertretungen ausgeschlossen sein soll. Aus der Sicht des unabhängigen Verwaltungssenates überzeugt diese Begründung insofern nicht ganz, weil eine vom Gesetzgeber vorgesehene Strafuntergrenze ja schon aufgrund des höheren Unrechtsgehaltes der betreffenden Übertretung eingeführt wurde, da ansonsten mit einem Strafrahmen "bis zu .." das Auslangen gefunden hätte werden können. Den Unrechtsgehalt einer mit Mindeststrafe pönalisierten Übertretung nun als Argument gegen die außerordentliche Strafmilderung, für die diese Mindeststrafe Voraussetzung ist, zu verwenden, hält logischen Überlegungen nicht stand.

Der Regierungsvorlage ist als weiteres Argument das der General- und Spezialprävention zu entnehmen, das nach h. Auffassung als sachliche Rechtfertigung für den Ausschluß der ordentlichen Strafmilderung besser geeignet ist. Zweck der Geldstrafe ist es, speziell beim jugendlichen Verkehrsteilnehmer die Bewußtseinsbildung und die Entwicklung eines im Straßenverkehr erforderlichen Verantwortungsgefühls zu erreichen und ihn von der Begehung weiterer Übertretungen abzuhalten, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und andere Straßenbenützer vor Schaden zu bewahren. Dabei darf nicht übersehen werden, daß es sich bei solchen Verkehrsüber tretungen nicht automatisch um "Kavaliersdelikte" mit einem Unrechtsgehalt an der Bagatellgrenze handelt, sondern, daß der Straßenverkehr nur durch das von Vernunft, Rücksichtnahme und Vertrauen geprägte Verhalten jedes Einzelnen unter Einhaltung bestimmter Regeln funktionieren kann. Daß die Nichteinhaltung dieser Regeln einen Verstoß darstellt und entsprechend geahndet wird, wird bereits Kindern im Verkehrserziehungsunterricht in der Schule und den Jugendlichen beim Erwerb der Lenkerberechtigung vermittelt und damit bewußt gemacht, daß Alkoholübertretungen schwerwiegende Verstöße darstellen und ihre Ahndung auch den finanziellen Spielraum einschränkt. Daß ein Schüler kein geregeltes Einkommen bezieht, kann wohl nicht ernsthaft ein Grund dafür sein, sich im Vertrauen auf günstigere Behandlung über im Straßenverkehr geltende Regelungen hinwegzusetzen. Ein Jugendlicher, der durch wessen finanzielle Mittel auch immer eine Lenkerberechtigung erwirbt und tatsächlich als Lenker eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnimmt, kann sich wohl nicht ernsthaft auf eine - nach Auffassung des Rechtsmittelwerbers bestehende - mangelnde geistige Reife berufen, wenn er in alkoholbeeinträchtigtem Zustand ein Fahrzeug lenkt und das Gefährdungspotential genauso hoch ist, wie bei einem erwachsenen beeinträchtigten Verkehrsteilnehmer.

Abgesehen davon, daß dem Jugendlichen seine finanziellen Verhältnisse schon vor der Begehung der Übertretung selbst bestens bekannt sind - was ihn eigentlich dazu animieren müßte, sich an die vorgegebenen Regeln zu halten -, vermag der unabhängige Verwaltungssenat im finanziellen Spielraum zB eines arbeitslosen Familienvaters mit drei Kindern und Schulden keine wesentliche Besserstellung zu erkennen.

Die Bewußtseinsbildung und die Entwicklung eines im Straßen verkehr erforderlichen Verantwortungsgefühls kann zwar nicht über Geldstrafen allein erreicht werden, kann aber zusammen mit dem Entzug der Lenkerberechtigung - der nicht als Strafe, sondern als Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer gedacht ist, jedoch wohl in den meisten Fällen als Strafe aufgefaßt wird - , den damit verbundenen Konsequenzen und der Nachschulung den Jugendlichen dazu veranlassen, seine Einstellung zu Alkohol im Straßenverkehr zu überdenken.

Im gegenständlichen Fall wurde der Rechtsmittelwerber bereits 1994 das erste Mal wegen einer Alkoholübertretung bestraft, was für ihn offenbar kein Anlaß war, ihn zum Umdenken in bezug auf Alkohol im Straßenverkehr zu bewegen.

Unter anderen auch aus diesen Gründen hat sich der unabhängige Verwaltungssenat entschlossen, die Anregung, einen Antrag auf Gesetzesprüfung hinsichtlich der Bestimmung des § 100 Abs.5 StVO idFd 19. StVO-Novelle zu stellen, nicht aufzugreifen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

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