Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103935/2/Bi/Fb

Linz, 26.11.1996

VwSen-103935/2/Bi/Fb Linz, am 26. November 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn F T, D, R, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R W, B, R, vom 1. August 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 16. Juli 1996, VerkR96-685-1995, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis sowohl hinsichtlich des Schuldspruches als auch der verhängten Strafen mit der Maßgabe bestätigt, daß im Spruch die Worte "beim Wechseln vom linken auf den rechten Fahrstreifen" und im Punkt 2) die Worte "bzw Ihren Namen und Ihre Anschrift dem Geschädigten nachzuweisen" zu entfallen haben.

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz Beträge von 1) 400 S und 2) 200 S, ds 20 % der verhängten Strafen, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z1 und 19 VStG, §§ 4 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.2 lit.a und 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3b StVO 1960.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß 1) §§ 4 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 und 2) §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 Geldstrafen von 1) 2.000 S und 2) 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 48 und 2) 24 Stunden verhängt, weil er am 19. Dezember 1994 um 10.00 Uhr den LKW Mercedes mit dem Kennzeichen auf der W Straße in L nächst dem Haus Nr. 208 gelenkt habe, wobei er beim Wechseln vom linken auf den rechten Fahrstreifen mit dem rechten vorderen Fahrzeugeck des LKW das linke hintere Fahrzeugeck des auf dem rechten Fahrstreifen von J K gelenkten Opel Vectra mit dem Kennzeichen gestreift habe, wobei an K PKW der Kotflügel links hinten eingedellt worden und Lackschaden entstanden sei, und zwar in einer Anstoßhöhe zwischen 65 und 83 cm vom Boden gemessen, und er es unterlassen habe 1) sofort anzuhalten, indem er seine Fahrt Richtung stadtauswärts fortgesetzt habe, obwohl K durch Hupen auf sich aufmerksam gemacht habe, und 2) von diesem Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen bzw seinen Namen und seine Anschrift dem Geschädigten nachzuweisen, und habe erst aufgrund einer Funkfahndung von den Beamten einer weiteren Funkstreifenbesatzung auf der W Straße unmittelbar nach der Kreuzung mit der F Straße angehalten werden können.

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von insgesamt 300 S auferlegt.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber führt aus, die Erstinstanz habe die Zeugenaussage des Unfallgegners dem Schuldspruch zugrundegelegt, aber weder sein Vorbringen noch das Sachverständigengutachten berücksichtigt, obwohl sie dabei zu dem Schluß hätte kommen müssen, daß er die ihm vorgeworfenen Übertretungen zumindest im Zweifel nicht begangen habe.

Es sei keineswegs erwiesen, daß sich der Unfall auf dem rechten, vom Unfallgegner benützten, Fahrstreifen ereignet habe, sondern er habe immer angegeben, daß der Unfallgegner auf seine Fahrspur gekommen sei. Es möge zwar richtig sein, daß dieser gehupt habe, er habe im Rückspiegel aber kein Armzeichen bemerkt und das Hupsignal deshalb nicht dem Unfallgegner zuordnen können. Es habe daher kein Grund bestanden, das Fahrzeug anzuhalten, da er eine Berührung der Fahrzeuge nicht bemerkt habe und laut Gutachten auch nicht bemerken mußte.

Es sei ihm nicht bekannt, aus welchem Grund seine Haftpflichtversicherung den Schaden des Unfallgegners bezahlt habe, jedoch könne diese Zahlung nicht als Indiz für seine Schuld gewertet werden, weil es nicht Aufgabe der Haftpflichtversicherung sei, das Unfallgeschehen für eine Behörde nachzuvollziehen. Die Versicherung könne aus verschiedensten Gründen gezahlt haben, etwa aus ökonomischer Vernunft oder aufgrund einer Absprache mit der gegnerischen Versicherung oder aufgrund einer fehlerhaften Beurteilung des Unfallgeschehens.

Der Unfallgegner habe das gleiche Interesse daran wie er, seine Unschuld zu beteuern. Für diesen hätte ein Verschulden noch größere finanzielle Konsequenzen, weil er nämlich seinen Schaden und den Schaden am LKW bezahlen müßte und von seiner Haftpflichtversicherung in den Malus gestuft werden würde.

Er habe in den Rückspiegel geschaut, da er ein Hupsignal wahrgenommen habe, nicht weil er eine Berührung der Fahrzeuge bemerkt habe. Er habe aber nicht feststellen können, von wem das Hupen gekommen sei. Auch der Sachverständige habe nicht gesagt, daß er den Unfall bemerken hätte müssen, sondern nur, daß er ihn bemerken hätte können. Er habe sich absolut vorschriftsmäßig verhalten, weshalb ihm auch keine Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. Die Unterstellung der Erstinstanz, er hätte möglicherweise damit gerechnet, daß er nicht ausgeforscht werden würde, sei insofern haltlos, weil nie die Rede davon gewesen sei, daß das Kennzeichen des LKW verschmutzt oder schwer leserlich gewesen sei. Er sei seit 13 Jahren beim selben Arbeitgeber beschäftigt und habe in diesem Zeitraum 1,5 Mio. km unfallfrei zurückgelegt. Die Vermutung, er wolle durch die angebliche Fahrerflucht Probleme mit dem Arbeitgeber vermeiden, entbehre darum jeder Grundlage.

Die Erstinstanz hätte zumindest im Zweifel für ihn entscheiden müssen und habe sich auch insofern geirrt, als seine zwei Geschwindigkeitsüberschreitungen aus dem Jahr 1994 nicht als erschwerend für die Verletzung der Anhaltepflicht oder der Meldepflicht sein könnten.

Er beantrage daher die Einstellung des Strafverfahrens, in eventu Strafmilderung oder Nachsicht.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und nimmt folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der Rechtsmittelwerber lenkte am 19. Dezember 1994 um 10.00 Uhr den im Spruch angeführten 22t-LKW der Firma S in L auf der W Straße nächst dem Haus Nr. 208, wobei es aus hier nicht nachzuvollziehenden Gründen zu einer Streifung mit dem vom Zeugen K gelenkten PKW kam. Laut Anzeige des Meldungslegers Insp. W hat dieser am LKW einen Lackschaden an der Stoßstange rechts vorne und am PKW einen Lackschaden und eine Eindellung am Kotflügel links hinten festgestellt. Der Zeuge K hat einige Minuten nach dem Vorfall die Polizei verständigt und gemeldet, daß der im Bereich des Hauses W Straße 208 etwas hinter ihm auf dem linken Fahrstreifen stadtauswärts fahrende LKW auf den rechten Fahrstreifen wechseln wollte und ihn mit der rechten Vorderfront an seinem linken hinteren Kotflügel gestreift habe. Durch die Berührung sei er ins Schleudern gekommen, habe das Fahrzeug angehalten und versucht, den Lenker des LKW durch Hupen und Armzeichen auf den Vorfall aufmerksam zu machen. Dieser sei aber weitergefahren und er habe sich nur mehr das Kennzeichen merken können. Der LKW des Rechtsmittelwerbers wurde aufgrund einer Funkfahndung auf der W Straße, unmittelbar nach der Kreuzung mit der F Straße angehalten, wobei der Lenker angab, es sei richtig, daß er den LKW im Bereich des Hauses W Straße 208 am linken Fahrstreifen stadtauswärts gelenkt habe, wobei es auch richtig sei, daß ein Opel Vectra am rechten Fahrstreifen neben ihm gefahren sei. Es stimme aber nicht, daß er vom rechten auf den linken Fahrstreifen gekommen sei und er habe auch eine Kollision mit diesem PKW nicht bemerkt. Im Rückspiegel habe er gesehen, daß der Fahrzeuglenker angehalten habe und habe ihn auch hupen gehört, aber er habe sich dabei nichts gedacht.

Der Zeuge K hat im Rahmen seiner Einvernahme vor der BPD Linz am 14. Juni 1995 angegeben, der PKW habe eine kleine Delle und einen leichten Lackschaden gehabt, der bereits bezahlt sei. Er habe bei dem Anstoß einen "ziemlichen Schlag" erhalten und sein Fahrzeug auslenken müssen, weil es nach rechts gedrückt worden sei. Er habe noch gehupt und dem Lenker Zeichen gegeben, habe ihn aber wegen des Rotlichtes nicht verfolgen können. Der Zeuge hat außerdem eine Handskizze vom Zustandekommen des Unfalls angefertigt, die dem rechtsfreundlichen Vertreter im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht wurde.

Seitens der Erstinstanz wurde weiters das kraftfahrtechnische Sachverständigengutachten vom 15. November 1995, BauME-010000/2279-1995/Kep, eingeholt, in dem der Amtssachverständige Ing. K aufgrund der Schäden an beiden Fahrzeugen zu dem Schluß kommt, daß es denkbar wäre, daß der Beschuldigte den Anstoß visuell bemerken hätte können, zumal er mit dem Fahrzeug vertraut sei, von dessen Breite wisse und bei einer derartig engen Situation mit erhöhter Aufmerksamkeit fahren, insbesondere sein besonderes Augenmerk auf den rechts vor ihm fahrenden PKW richten hätte müssen. Eine Wahrnehmung des Anstoßes als Stoßreaktion und akustisch habe er nicht unbedingt wahrnehmen müssen.

Auf dieser Grundlage gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zur Auffassung, daß die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schon deshalb entbehrlich war, weil dem Rechtsmittelwerber nicht zur Last gelegt wurde, den Unfall tatsächlich verschuldet zu haben, sodaß für die Beurteilung der beiden Tatvorwürfe eine Klärung der Unfallursache dahingehend, wer nun tatsächlich auf den anderen Fahrstreifen gekommen ist, entbehrlich ist. Beide Tatvorwürfe bezogen sich auf ein Verhalten des Rechtsmittelwerbers nach dem Verkehrsunfall und es ist unbestritten, daß der Rechtsmittelwerber - aus welchen Gründen immer - die Fahrt fortgesetzt hat, während der Zeuge K den Verkehrsunfall gemeldet hat.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat folgendes erwogen:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

Gemäß § 4 Abs.5 leg.cit. haben die im Abs.1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.

Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Für den unabhängigen Verwaltungssenat steht unzweifelhaft und auch vom Rechtsmittelwerber unbestritten fest, daß er den LKW zum damaligen Zeitpunkt gelenkt hat, und daß es dabei zu einer Berührung zwischen den beiden Kraftfahrzeugen kam, die bei beiden Sachschaden zur Folge hatte. Auch wenn nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit geklärt werden kann, welches konkrete Fahrmanöver welchen Lenkers zu diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden geführt hat, ist dennoch davon auszugehen, daß bei beiden Lenkern schon die bloße Anwesenheit und das Lenken eines Fahrzeuges als unfallkausal anzusehen ist, sodaß sowohl der Rechtsmittelwerber als auch der Zeuge K als Person, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, anzusehen sind.

Unbestritten ist auch, daß der Rechtsmittelwerber seine Fahrt Richtung stadtauswärts fortgesetzt hat, ohne sich in irgendeinerweise um den Zeugen K zu kümmern, der tatsächlich versucht hat, mittels Hupsignal den Rechtsmittelwerber auf sich aufmerksam zu machen. Der Rechtsmittelwerber hat auch zweifellos das nächste Polizeiwachzimmer nicht vom Unfall verständigt, sondern die Unfallmeldung wurde vom Zeugen K durchgeführt.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Bei der Bestimmung des § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 handelt es sich überdies um ein Ungehorsamsdelikt, bei dem zum Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und Fahrlässigkeit dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (vgl ua VwGH vom 27. Februar 1981, 3407/80).

Die Definition der Fahrlässigkeit befindet sich im § 6 Abs.1 StGB. Diese Bestimmung besagt, daß fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist und deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könnte, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Maßstab für das Ausmaß der objektiven Sorgfaltspflicht ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte.

Nicht aber schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern die Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus (vgl VwGH vom 12. Juni 1989, 88/10/0169).

Die Außerachtlassung der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen Sorgfalt kann dem Täter iSd § 6 Abs.1 StGB nur dann vorgeworfen werden, wenn es ihm unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles auch zuzumuten war, sie tatsächlich aufzuwenden (vgl ua VwGH vom 6. März 1981, 235/80).

Voraussetzung für die Meldepflicht gemäß § 4 Ab.5 StVO ist als objektives Tatbestandsmerkmal der (unfallbedingte) Eintritt eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens, wobei - ebenso wie bei § 4 Abs.1 lit.a StVO - der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Personen- oder Sachschaden zu erkennen vermocht hätte. Der Täter muß den Geschehnissen um sein Fahrzeug volle Aufmerksamkeit zuwenden (vgl VwGH vom 14. Dezember 1988, 88/03/0084, vom 26. Mai 1993, 92/03/0125, ua).

Auf den gegenständlichen Fall bezogen geht der unabhängige Verwaltungssenat auf Grund der Lage der Beschädigungen an beiden Kraftfahrzeugen davon aus, daß der vom Rechtsmittelwerber gelenkte LKW dem versetzt vor ihm fahrenden PKW K aus welchen Gründen immer - so nahe gekommen sein muß, daß eine solche Streifung, die eine gewisse Intensität gehabt haben muß, weil es sonst nicht zu einer Eindellung des Kotflügels gekommen wäre, überhaupt erst möglich war. Dieser Vorgang hat sich im Fließverkehr ereignet, wobei die rechte vordere Stoßstangenecke des LKW zweifellos im Sichtbereich des ihn lenkenden Rechtsmittelwerbers lag. Gerade wenn dieser schon 13 Jahre beim selben Arbeitgeber beschäftigt ist, ist eine entsprechende Fahrpraxis vorauszusetzen Gegenteiliges wurde nie behauptet. Vom Rechtsmittelwerber muß daher erwartet werden, die genaue Position des rechten vorderen Stoßstangenecks des LKW "im Gefühl zu haben", wobei ihm schon wegen seiner erhöhten Sitzposition notgedrungenerweise auch die immer geringer werdende Entfernung zum schräg vor ihm fahrenden PKW K auffallen mußte.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt daher die Auffassung, daß der Rechtsmittelwerber, wenn er schon tatsächlich den Anstoß nicht gespürt haben sollte, was bei LKW dieser Größenordnung nicht denkunmöglich scheint, auch wenn der PKW des Zeugen dadurch leicht ins Schleudern geriet und dieser zum Auslenken gezwungen war, die Berührung jedenfalls visuell bemerken hätte müssen, zumal er verpflichtet war, die Aufmerksamkeit auf die in Fahrtrichtung vor dem LKW gelegene Umgebung zu lenken. Die Verantwortung des Rechtsmittelwerbers, er habe den Verkehrsunfall nicht bemerkt, ist für den unabhängigen Verwaltungssenat lediglich als diesem als Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren zustehende Schutzbehauptung anzusehen, weil ansonsten erhebliche Zweifel bestünden, ob der Rechtsmittelwerber in körperlicher und geistiger Hinsicht überhaupt zum Lenken von Kraftfahrzeugen befähigt ist. Zu bedenken ist nämlich, daß er zum Vorfallszeitpunkt erst 40 Jahre alt war und keinerlei Sehstörungen oder sonstige Reaktionsverlangsamungen behauptet wurden oder sonst zutage traten.

Dazu kommt noch, daß der Rechtsmittelwerber ja selbst bestätigt hat, bei der Weiterfahrt Hupzeichen bemerkt zu haben, allerdings, ohne diese dem Lenker des touchierten PKW zuordnen zu können. Verfolgt man die Fahrt des Rechtsmittelwerbers nach logischen Überlegungen weiter, so muß er sich am PKW K vorbeibewegt haben, weil ihm sonst ein Davonfahren nicht möglich gewesen wäre. Da er sich als Lenker links im LKW befand, der sich am PKW K links vorbeibewegte, ist nicht auszuschließen, daß er eventuelle Handzeichen des Zeugen nicht gesehen hat, allerdings kann er sich nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates nicht mit Erfolg auf die mangelnde Zuordnungsmöglichkeit der Hupzeichen berufen, wenn er aufgrund der vorherigen riskanten Verkehrssituation schon Zweifel haben mußte, ob die Berührung bzw "gefährliche" Nähe der beiden Fahrzeuge ohne Folgen geblieben ist.

Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates waren diese Hupzeichen im Hinblick auf ein Bemerkenmüssen des Verkehrsunfalls für den Rechtsmittelwerber gar nicht mehr erforderlich, weil ihm bereits vorher aufgrund der riskanten Fahrzeugpositionen zueinander und der minimalen Entfernung zwischen LKW und PKW die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden auffallen hätte müssen. Er hätte sich, was ihm mit Sicherheit möglich und auch zumutbar gewesen wäre, entsprechend vergewissern müssen, ob bei dem Vorfall nicht ein Verkehrsunfall mit Sachschaden entstanden ist. Ihm wäre demnach ein sofortiges Anhalten iSd § 4 Abs.1 lit.a StVO und nach Kenntnis der Sachbeschädigung an dem von ihm gelenkten LKW - dieser stand nicht in seinem Eigentum - und am PKW K eine sofortige Verständigung des nächstgelegenen Wachzimmers möglich und zumutbar gewesen, wenn er sich schon entschlossen hat, seinen Namen und seine Anschrift für sich zu behalten.

Er hat somit nicht nur in objektiver Hinsicht die ihm zur Last gelegten Tatbestände erfüllt, sondern sein Verhalten ist ihm auch in subjektiver Hinsicht vorwerfbar.

Die Berufung gegen den Schuldspruch war daher in beiden Punkten abzuweisen, wobei sich die Spruchabänderung auf die zitierte Gesetzesstelle sowie darauf gründet, daß zum einen eine Verpflichtung zum Nachweis der Identität nicht besteht, wohl aber eine Verpflichtung zur Meldung des Verkehrsunfalls mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub beim nächsten Polizeiwachzimmer, wenn ein Nachweis der Identität nicht stattgefunden hat (vgl VwGH vom 13. Juni 1984, 82/03/0202), und zum anderen die Beschreibung des Unfallherganges im Hinblick auf den Fahrstreifenwechsel eine Schuldzuweisung an den Rechtsmittelwerber beinhaltet, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist und daher der Verwaltungsstrafbehörde nicht zukommt.

Dem Vorbringen hinsichtlich der Schadenswiedergutmachung durch die Haftpflichtversicherung ist seitens des unabhängigen Verwaltungssenates nichts hinzuzufügen, außer, daß dieser Umstand für die oben dargelegten Überlegungen unmaßgeblich war.

Zur Strafbemessung ist auszuführen:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Strafrahmen des § 99 Abs.2 StVO 1960 reicht von 500 S bis 30.000 S Geldstrafe bzw 24 Stunden bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe. Der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 reicht bis 10.000 S Geldstrafe bzw bis zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.

Aus der Begründung des Straferkenntnisses geht hervor, daß die Erstinstanz die "Unbescholtenheit zu einschlägigen Verwaltungsvorstrafen" als mildernd und zwei Vormerkungen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen als erschwerend berücksichtigt hat.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch nur die absolute verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit als Milderungsgrund anzusehen (vgl ua Erkenntnis vom 21. September 1995, 94/09/0395), die beim Rechtsmittelwerber zweifellos nicht gegeben ist.

Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates sind Vormerkungen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht als auf der gleichen schädlichen Neigung beruhend im Hinblick auf Fahrerfluchtdelikte anzusehen, weil es hiebei nicht um die Ursache des Verkehrsunfalls geht, die im gegenständlichen Fall wohl auch nicht in der vom Rechtsmittelwerber eingehaltenen Geschwindigkeit zu suchen ist, sondern um dessen Verhalten danach. Diesbezüglich liegen keine einschlägigen Vormerkungen vor, sodaß der von der Erstinstanz angenommene Erschwerungsgrund nicht als solcher zu berücksichtigen ist.

Im gegenständlichen Fall waren daher vielmehr weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe zu berücksichtigen.

Da sich der Rechtsmittelwerber zur von der Erstinstanz vorgenommenen Schätzung seiner finanziellen Verhältnisse nicht geäußert hat, war von einem Bruttomonatseinkommen von 15.000 S und dem Nichtvorhandensein von Vermögen und relevanten Sorgepflichten auszugehen.

Unter diesem Gesichtspunkt vermag der unabhängige Verwaltungssenat eine Herabsetzung der verhängten Strafe nicht zu rechtfertigen, zumal sich auch durch die Spruchkonkretisierung der nicht als geringfügig anzusehende Unrechtsgehalt der Übertretungen nicht geändert hat und auch das Verschulden - vom Rechtsmittelwerber ist als Berufskraftfahrer ein besonderes Maß an Sorgfalt und Verantwortungsbewußtsein vorauszusetzen - nicht als geringfügig anzusehen ist. Die verhängten Strafen liegen im unteren Bereich des jeweiligen Strafrahmens, halten generalpräventiven Überlegungen stand und sollen den Rechtsmittelwerber zur genauesten Beachtung der straßenpolizeilichen Bestimmungen anhalten. Es steht ihm außerdem frei, mit der Erstinstanz eine Ratenvereinbarung zu treffen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

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