Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-103976/5/Bi/Fb

Linz, 10.02.1997

VwSen-103976/5/Bi/Fb Linz, am 10. Februar 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung der Frau W S, S, J, vom 6. September 1996 gegen die Höhe der mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 27. August 1996, VerkR96-1968-1996/Wa, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, verhängten Strafen zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und die in den Punkten 1) bis 3) des Straferkenntnisses verhängten Strafen vollinhaltlich bestätigt.

II. Die Rechtsmittelwerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz 1) 400 S, 2) 400 S und 3) 600 S, sohin 1.400 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafen, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG, § 99 Abs.3a StVO 1960.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 16 Abs.1a iVm 99 Abs.3a StVO 1960, 2) §§ 16 Abs.1c iVm 99 Abs.3a StVO 1960 und 3) §§ 16 Abs.2b iVm 99 Abs.3a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 2.000 S, 2) 2.000 S und 3) 3.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 48, 2) 48 und 3) 72 Stunden verhängt sowie einen Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 700 S vorgeschrieben.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, sie erhebe gegen die Strafhöhe Berufung, zumal sie seit dem Jahr 1972 die Lenkerberechtigung für Fahrzeuge der Gruppe B besitze, seit diesem Zeitpunkt keinen Unfall verursacht habe und jährlich 30.000 km straffrei fahre. Sie stellt daher den Antrag, die Strafe auf ein Mindestmaß herabzusetzen.

Im Schreiben vom 25. Jänner 1997 hat sie geltend gemacht, daß sie wahrscheinlich nur zwei Fahrzeuge überholt, jedoch niemanden gefährdet oder behindert habe, wobei ihr auch die Möglichkeit des Wiedereinordnens ohne Gefährdung ersichtlich gewesen sei. Die Fahrgeschwindigkeit der überholten Fahrzeuge habe etwa 10 km/h betragen, wobei ein defekter LKW auf der Straße gestanden sei; sonst wäre der Überholvorgang nicht innerhalb von 250 m passiert. Sie hat neuerlich unter Berufung auf die Unbescholtenheit und die langjährige Fahrpraxis sowie ihres geringen Verschuldens die Verhängung einer Ermahnung oder zumindest eine deutliche Herabsetzung der verhängten Strafe beantragt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und folgendes erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß sich die Berufung vom 6. September 1996 ausdrücklich gegen die Strafhöhe richtete, weshalb das Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruchs in Rechtskraft erwachsen ist.

Die nunmehrigen Argumente der Rechtsmittelwerberin, sie habe nur zwei mit 10 km/h fahrende Fahrzeuge überholt, der LKW sei wegen eines Defektes überhaupt gestanden, und sie habe niemanden gefährdet oder behindert, widersprechen zum einen ihren eigenen Angaben vor der BH Judenburg vom 6. August 1996 - hier hat sie ausgeführt, sie sei mit dem Fahrzeug täglich unterwegs und könne sich an eine solche Situation nicht erinnern - und zum anderen vermögen diese Angaben aufgrund der bereits abgelaufenen Rechtsmittelfrist - diese betrug zwei Wochen ab der eigenhändig erfolgten Zustellung des Straferkenntnisses am 28. August 1996 und endete daher am 11. September 1996 - das Rechtsmittel nicht mehr auf den Schuldspruch des Straferkenntnisses auszudehnen.

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 reicht bis 10.000 S Geldstrafe bzw bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.

Der Rechtsmittelwerberin wurde vorgeworfen, zu einer bestimmten Zeit als Lenkerin eines Kombi auf einer bestimmten Straßenstrecke 1) mehrere Kraftfahrzeuge überholt zu haben, obwohl andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende gefährdet oder behindert hätten werden können, zumal die erforderliche Überholsichtweite fehlte, 2) überholt zu haben, ohne einwandfrei erkennen zu können, daß das Fahrzeug nachher wieder unter Einhaltung eines Sicherheitsabstandes und ohne Behinderung oder Gefährdung anderer Fahrzeuglenker wiedereingeordnet werden konnte und 3) die Fahrzeuge auf einer unübersichtlichen Straßenstelle, nämlich vor einer Fahrbahnkuppe, überholt zu haben.

Nach Mitteilung der Wohnsitzbehörde weist die Rechtsmittelwerberin dort eine nicht einschlägige Vormerkung aus dem Jahr 1994 auf, weshalb die Erstinstanz zu Recht vom Nichtbe stehen der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit ausgegangen ist. Weiters wurde das von der Rechtsmittelwerberin angegebene Monatsnettoeinkommen von 14.000 S und das Nichtbestehen von Vermögen und Sorgepflichten berücksichtigt.

Aus der Sicht des unabhängigen Verwaltungssenates ist zu bemerken, daß es sich bei der Nichtbeachtung der Überholbestimmungen um die gefährlichsten und rücksichtslosesten Übertretungen der Straßenverkehrsordnung überhaupt handelt. Da im gegenständlichen Fall das Überholmanöver im Bereich einer unübersichtlichen Fahrbahnkuppe durchgeführt wurde - die Fahrbahnkuppe wurde laut Anzeige von ihr auf der linken Fahrbahnhälfte durchfahren - , konnte die Rechtsmittelwerberin nicht einmal abschätzen, ob im Gegenverkehr ein Fahrzeug entgegenkommen würde oder ob sie ihr Fahrzeug im Notfall gefahrlos wiedereinordnen würde können. Dabei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich jemand gefährdet wurde - im gegenständlichen Fall kam zum Glück kein Gegenverkehr - sondern es reicht allein die Tatsache aus, daß im Fall eines Gegenverkehrs nicht nur sämtliche entgegenkommende Straßenbenützer, sondern auch die Insassen der von ihr überholten vier Fahrzeuge gefährdet, behindert oder sogar geschädigt hätten werden können. Dazu kommt noch, daß eines der von ihr überholten Fahrzeuge ein Sattelkraftfahrzeug mit größeren Längs- und Höhenabmessungen war, sodaß die Sichtverhältnisse schon dadurch extrem eingeschränkt waren. Das trotz dieser Situation eingeleitete Überholmanöver der Rechtsmittelwerberin ist daher nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates - trotz ihrer nunmehrigen zusammenfassenden Fest stellungen - als extrem sorglos und damit jedenfalls grob fahrlässig und im Punkt 3) sogar vorsätzlich - gemäß § 5 Abs.1 StGB handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht, wozu es genügt, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet - auszugehen war.

In Anbetracht des massiven Unrechts- und Schuldgehalts vermag der unabhängige Verwaltungssenat nicht zu finden, daß die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zustehenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte, auch wenn das Nichtbestehen der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit keinen straferschwerenden Umstand darstellt. Die langjährige Fahrpraxis der Rechtsmittelwerberin ist nicht als Milderungsgrund anzusehen, weil ein Fahrzeuglenker sein Verhalten der jeweiligen Situation anpassen muß und das Fehlen der Voraussetzungen für die Einleitung eines Überholmanövers durch eine langjährige Fahrpraxis nicht auszugleichen ist. Nicht als Milderungsgrund ist zu berücksichtigen, daß die Rechtsmittelwerberin laut eigenen Angaben 30.000 km pro Jahr unfallfrei fährt, zumal - wie auch im gegenständlichen Fall - das Nichtzustandekommen eines Verkehrsunfalls nicht allein von der Leistung der Rechtsmittelwerberin, sondern vor allem vom Glück und dem Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer abhängt.

Zusammenfassend ergibt sich für den unabhängigen Verwaltungssenat keinerlei Rechtfertigung für die beantragte Herabsetzung der Strafen oder gar für den Ausspruch einer Ermahnung. Die Strafen bewegen sich im unteren Viertel des gesetzlichen Strafrahmens, wobei es der Rechtsmittelwerberin freisteht, mit der Erstinstanz eine Ratenvereinbarung zu treffen. Die Strafen sollen die Rechtsmittelwerberin in Hinkunft zur genauesten Beachtung der Überholbestimmungen anhalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

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