Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104012/10/WEG/Ri

Linz, 30.04.1997

VwSen-104012/10/WEG/Ri Linz, am 30. April 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des P K vom 13. September 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 2. September 1996, VerkR96-2023-1995/Be/Ne, nach der am 28. April 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Hinsichtlich des Faktums lit.a des Straferkenntnisses wird der Berufung mit der Maßgabe Folge gegeben, daß der Berufungswerber die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht (wie vorgeworfen) um 40 km/h überschritten hat, sondern um ein nicht bestimmbares, jedoch wesentlich geringeres Ausmaß. Demgemäß wird die Geldstrafe auf 300 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden reduziert. Der Berufung hinsichtlich des Faktums lit.b des Straferkenntnisses wird Folge gegeben, diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der ersten Instanz ermäßigt sich auf insgesamt 300 S, ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren war nicht vorzuschreiben.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 19, § 45 Abs.1 Z1, § 51, § 51i, § 64 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach a) § 20 Abs.2 StVO 1960 und b) § 15 Abs.5 StVO 1960 Geldstrafen von a) 3.000 S und b) 1.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von a) 6 Tagen und b) 2 Tagen verhängt, weil dieser am 9. März 1995 um 12.25 Uhr den LKW mit dem Kennzeichen auf der B WStraße aus Richtung S kommend in Richtung W gelenkt und a) zwischen Strkm und Strkm die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 40 km/h überschritten habe und b) weiters im Gemeindegebiet von E bei L zwischen Strkm und Strkm seine Fahrgeschwindigkeit erhöht habe, obwohl er überholt wurde.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 400 S in Vorschreibung gebracht.

2. Die Erstbehörde begründet die Tatvorwürfe im wesentlichen mit den zeugenschaftlichen Aussagen der Gendarmeriebeamten, welche detailliert, widerspruchsfrei und glaubwürdig seien, während die Berufungsausführungen als unglaubwürdige, nicht substantiierte Schutzbehauptungen gewertet wurden. Aus der Anzeige ist zu entnehmen, daß die Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren in gleichbleibendem Abstand mit einem Zivil-KFZ und dem Ablesen auf dem nicht geeichten Tacho festgestellt worden sei. 3. Der Berufungswerber bringt in seiner rechtzeitigen und auch sonst zulässigen Berufung sinngemäß vor, er habe die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit keinesfalls in diesem Ausmaß überschritten. Er bezweifelt dabei, daß beim Nachfahren die Geschwindigkeit immer gleich bleibt und ersucht um Auskunft, ob der Tacho des Privatwagens, mit dem die Beamten unterwegs waren, geeicht war. Er selbst sei an diesem Tag mit einem keinesfalls schnellen Fahrzeug unterwegs gewesen. Er wehrt sich gegen die Beweiswürdigung der Erstbehörde insbesondere deshalb, daß seine Aussagen als unglaubwürdig und als Schutzbehauptung qualifiziert werden. Er habe beim Überholmanöver des ihm folgenden Privat-PKWs, in welchem die Gendarmeriebeamten saßen, keinesfalls die Geschwindigkeit erhöht, was auch nicht möglich gewesen sei, weil vor ihm andere Kraftfahrzeuge gefahren seien. Er habe sich über das riskante Überholmanöver des Privat-PKWs gewundert. Es sei für ihn erst ab dem Ansichtigwerden der Haltekelle während des Nebeneinanderfahrens erkennbar gewesen, daß es sich bei den Insassen dieses Privat-PKWs um Gendarmeriebeamte handeln müsse. Er sei unbescholten und habe bisher keine Probleme mit der Exekutive gehabt. Obwohl er zwar keine Zeugen beibringen könne, hofft er, daß auch sein Wort als Staatsbürger noch eine gewisse Bedeutung hat. 4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Vernehmung des Beschuldigten, durch zeugenschaftliche Befragung der Gendarmerieorgane und durch Abfahren des tatörtlichen Straßenverlaufes anläßlich der mündlichen Verhandlung am 28. April 1997, zu der ein Vertreter der belangten Behörde nicht erschienen ist.

Die beiden Gendarmeriebeamten konnten sich an den schon über zwei Jahre zurückliegenden Vorfall nur mehr dunkel erinnern und mußten bei ihren Aussagen im wesentlichen auf die Anzeige verweisen. Die Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung erfolgte mit einem nicht geeichten Tacho, der hinsichtlich einer Abweichung niemals überprüft wurde. Es wird von den Gendarmeriebeamten eine Abweichung von 10% bis 15% des Tachowertes nicht ausgeschlossen. Die Geschwindigkeit wird auf dem verwendeten F mit einer Nadel angezeigt und besteht lt. telefonischer Auskunft eines technischen Amtssachverständigen auch darin ein Ungenauigkeitspotential von bis zu 5 km/h. Weder aus der Anzeige noch aus den Zeugenaussagen der Gendarmeriebeamten kann entnommen werden, wie groß der Abstand beim Nachfahren in gleichbleibendem Abstand war. Rev. Insp. W führte dazu aus, daß er sich nicht festlegen könne, ob dies 20 m oder 50 m waren, sicherlich jedoch nicht 100 m. Das Beibehalten des gleichbleibenden Abstandes ist laut Rev. Insp. Wdurch Schätzung festgestellt worden, Hilfsmittel wie etwa Leitpflöcke wurden dazu nicht verwendet. Nicht geklärt werden konnte, wie sich trotz des Nachfahrens in einem relativ geringen Abstand angesichts der angeblichen Geschwindigkeit weitere Fahrzeuge zwischen dem Beschuldigtenfahrzeug und dem Exekutivfahrzeug im Ortsgebiet von E oder schon etwas vorher in den Verkehr einordnen konnten. Daß derartige Fahrzeuge letztlich dazwischen waren und im übrigen auch der Beschuldigte schon im Ortsgebiet von E auf einen vor ihm fahrenden PKW auflief, ist auf Grund der Aktenlage und der Aussagen der Gendarmeriebeamten erwiesen. Eine Erklärung dafür, daß sich weitere Fahrzeuge zwischen dem Beschuldigtenfahrzeug und dem Gendarmeriefahrzeug in den Verkehr einreihten, wäre ein möglicherweise größerer Abstand (vielleicht doch 100 m) oder/und eine letztlich doch geringere Geschwindigkeit, als zum Vorwurf gemacht. Der Beschuldigte selbst, ein trotz 23-jähriger Fahrpraxis unbescholtener Staatsbürger, brachte glaubwürdig vor, es sei zwar möglich, die höchstzulässige Geschwindigkeit überschritten zu haben, keinesfalls jedoch in diesem Ausmaß. Er hält eine Geschwindigkeit von ca. 60 km/h für möglich. Auf den Tacho habe er allerdings nicht geblickt. Es ist bei der Bewertung der zum Vorwurf gemachten Geschwindigkeits- überschreitung unter Berücksichtigung der aufgezählten Umstände, insbesondere des nicht geeichten Tachos und des nicht festgestellten Abstandes beim Nachfahren im Zusammenhang mit den Aussagen des Berufungswerbers zwar davon auszugehen, daß die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten wurde, bei weitem jedoch nicht in diesem Ausmaß.

Zur Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs.5 StVO 1960 war im Zuge des Lokalaugenscheines festzustellen, daß etwa ab der Eisenbahnkreuzung in E bei L eine über mehrere Kilometer gerade verlaufende Straßenstrecke außerhalb des Ortsgebietes folgt und dieses Straßenstück als klassische Beschleunigungsstrecke anzusehen ist. Unter Berücksichtigung dieses Straßenstückes und des Verkehrsaufkommens, welches als nicht besonders dicht anzunehmen ist (ansonsten ja das Überholmanöver nicht eingeleitet hätte werden können) ist eine gefahrene Geschwindigkeit des verfolgten Beschuldigten von 100 km/h realistisch. Wer selbst mit der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit fährt, braucht nicht damit zu rechnen, von einem anderen Verkehrsteilnehmer überholt zu werden. Dazu kommt, daß der Berufungswerber sein Augenmerk auf die vor ihm liegende Beschleunigungsstrecke und einen vor ihm fahrenden PKW richtete und im Moment des Überholbeginnes seitens des Gendarmeriefahrzeuges nicht in den Rückspiegel blickte. Infolge der Fahrzeugbeschaffenheit und der Ladung war im übrigen der mittlere Rückspiegel nicht verwendbar. Es ist davon auszugehen, daß der Berufungswerber das überholende Gendarmeriefahrzeug erst sah, als dieses mit ihm auf gleicher Höhe war. Zu dieser Zeit erfolgte jedoch bereits das Vorzeigen der Anhaltekelle, worauf der Beschuldigte auch seine Geschwindigkeit verringerte und der Anhaltungsaufforderung nachkam. Ob des vom Berufungswerber als riskant empfundenen Überholmanövers kam es letztlich während der Amtshandlung auch zu Vorhalten gegenüber den Gendarmeriebeamten und zu einem nicht von übermäßiger Höflichkeit getragenen Wortwechsel. 5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Zur Geschwindigkeitsüberschreitung:

Der Spruch eines Bescheides ist nicht rechtswidrig, wenn er zwar die Überschreitung der zulässigen, ziffernmäßig bestimmten Fahrgeschwindigkeit (nämlich hier 50 km/h), nicht aber das Ausmaß dieser Überschreitung anführt (VwGH 13.3.1981, 02/0325/80). Wird die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges durch Nachfahren in etwa gleichbleibendem Abstand mit etwa gleicher Geschwindigkeit durch Ablesen der Geschwindigkeit vom Tachometer des verfolgten Fahrzeuges festgestellt, handelt es sich nicht um eine Messung, sondern um eine Schätzung (VwGH 27.5.1988, 87/18/0069). Eine Schätzung ist naturgemäß ungenau und zwar umso ungenauer, je unsicherer die zur Schätzung verwendeten Parameter sind. Insbesondere der nicht justierte Tachometer und der völlig unklar gebliebene Abstand während des Nachfahrens führten im Zusammenhang mit den oben angeführten Judikaten des Verwaltungsgerichtshofes zur spruchgemäßen Korrektur der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.2 StVO 1960. Demgemäß mußte auch die Geldstrafe reduziert werden, wobei insbesondere dem Umstand der Unbescholtenheit eines langjährigen Kraftfahrers ein besonderes Gewicht beizumessen war. Zur Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs.5 StVO 1960:

Gemäß dieser Gesetzesstelle darf der Lenker eines Fahrzeuges, das überholt wird, die Geschwindigkeit nicht erhöhen, sobald ihm der Überholvorgang angezeigt worden ist oder er den Überholvorgang nach den Verkehrsverhältnissen sonst wahrgenommen haben muß. Wer selbst mit der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit fährt (dies war auf Grund der schon erwähnten Umstände anzunehmen), braucht nicht damit zu rechnen, von einem anderen Verkehrsteilnehmer überholt zu werden. Somit ist es nicht vorwerfbar, daß der Berufungswerber zu Beginn des Überholtwerdens nicht in den Rückspiegel blickte. Er konnte sohin den Beginn des Überholmanövers nicht erkennen, insbesondere auch deshalb nicht, weil vom überholenden Fahrzeug keine Warnzeichen abgegeben wurden. Der Berufungswerber hat den Überholvorgang entsprechend der geschilderten Verkehrsverhältnisse erst wahrgenommen, als das Gendarmeriefahrzeug auf gleicher Höhe war. Ab diesem Zeitpunkt verminderte jedoch der Berufungswerber infolge der vorgezeigten Haltekelle die Geschwindigkeit.

Somit steht fest, daß die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet, weshalb iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG spruchgemäß zu entscheiden war.

6. Die Kostenentscheidung ist eine gesetzliche Folge der §§ 64 und 65 VStG.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Wegschaider

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