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des Landes Oberösterreich
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VwSen-104014/3/WEG/Ri

Linz, 01.09.1997

VwSen-104014/3/WEG/Ri Linz, am 1. September 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des H K, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. M L und DDr. K R H vom 22. August 1996 gegen Punkt 1. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft V vom 26. Juli 1996, VerkR96-10144-1995, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, Punkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses behoben und diesbezüglich das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm. § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 16 Abs.2 lit.a StVO 1960, 2.) § 102 Abs.5 lit.a KFG 1967 und 3.) § 102 Abs.5 lit.b KFG 1967 Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) von 1.) 800 S (36 Stunden), 2.) 200 S (12 Stunden) und 3.) 200 S (12 Stunden) verhängt, weil dieser am 1. Mai 1995 gegen 13.30 Uhr als Lenker des Motorrades mit dem Kennzeichen P (D) auf der M Bundesstraße im Gemeindegebiet von St. L Richtung St. G bei Straßenkilometer 1.) ein mehrspuriges Kraftfahrzeug auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" gekennzeichnet ist, links überholt hat. 2.) und 3.) hat der Berufungswerber bei dieser Fahrt den Führerschein und den Zulassungsschein für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug nicht mitgeführt. Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren von 120 S in Vorschreibung gebracht.

2. Gegen das Faktum 1.) des Straferkenntnisses hat der rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Berufung eingebracht. Die Fakten 2.) und 3.) des Straferkenntnisses blieben ausdrücklich unbekämpft und sind sohin in Rechtskraft erwachsen.

In der Berufung, aber auch in den dieser vorausgegangenen Schriftsätzen und auch schon anläßlich der Anhaltung bringt der Beschuldigte vor, er habe keinesfalls überholt, sondern sei an einem rechtsabbiegenden PKW "vorbeigefahren". Zum Terminus "Vorbeifahren" sei vorweg bemerkt, daß entsprechend der diesbezüglichen Begriffsbestimmung von einem Vorbeifahren nur dann gesprochen werden kann, wenn der PKW auf der Fahrbahn stillgestanden wäre. Ein Überholen (ob erlaubt oder unerlaubt sei dahingestellt) liegt dann vor, wenn der Motorradlenker sich seitlich an dem in die gleiche Richtung fahrenden PKW vorbeibewegt hat, allerdings nur wenn dieser PKW sich noch auf derselben Fahrbahn befunden hat und nicht wenn dieser schon in eine Kreuzung eingefahren ist und die Fahrbahn verlassen hat. Unter Überholen versteht man im übrigen lediglich die Phase des Vorbeibewegens selbst und nicht den Spurwechsel vor bzw nach dem Vorbeibewegen.

3. Die Erstbehörde hat in dieser Angelegenheit einen Lokalaugenschein durchgeführt und kam unter Berufung auf ein Sachverständigengutachten zum Ergebnis, daß der Meldungsleger einen allenfalls vorhanden gewesenen PKW, der in einer Gemeindestraße nach rechts eingebogen ist, von seinem Standort aus hätte sehen müssen. Aus diesem Grund wurde ein Überholmanöver, das im gegenständlichen Bereich wegen eines beschilderten Überholverbotes nicht zulässig ist, angenommen und zur Last gelegt.

Der Berufungswerber brachte schon während des Lokalaugenscheines und in seinen späteren Schriftsätzen vor, daß zum Tatzeitpunkt andere Sichtverhältnisse bestanden hätten als zum Zeitpunkt des Lokalaugenscheines. Vor allem sei der PKW, an dem er sich vorbeibewegt hat, nicht beleuchtet gewesen und hätte eine dunkle Farbe gehabt. Beim Lokalaugenschein wurde als Versuchsobjekt ein weißer PKW mit eingeschalteten Scheinwerfern verwendet. Daß ein Fahrzeug mit eingeschalteten Scheinwerfern leichter ersichtlich ist als ein anderes Fahrzeug sei wohl einleuchtend. Dem Antrag des Berufungswerbers, noch einmal bei Tatzeitverhältnissen einen Augenschein vorzunehmen, wurde unter Hinweis darauf, daß dies für das Beweisverfahren nichts erbrächte, nicht stattgegeben.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Einsicht in den erstbehördlichen Verwaltungsakt sowie durch Abhaltung eines Augenscheines am 14. August 1996. An diesem Tag herrschten wohl ähnliche Verhältnisse wie am 1. Mai 1995.

Bei der Durchsicht des Aktes ist auffälig geworden, daß die Anzeige erst am 2. Juni 1995 verfaßt wurde, während die Tat selbst bereits am 1. Mai 1995 gesetzt wurde. Es ist ferner auffällig, daß der Meldungsleger (entsprechend der Anzeige) auf Höhe Straßenkilometer gestanden sei und von dort aus die Übertretung deutlich beobachten habe können. Nimmt man diesen Standort als Entscheidungsgrundlage, so wäre die Sicht zweifelsohne wesentlich besser gewesen. Die Ausführungen in der Anzeige sind allerdings offenbar unrichtig, weil anläßlich der mündlichen Verhandlung am 20. Mai 1996 davon ausgegangen wurde, daß der Meldungsleger seinen Standort in der Haltestellenbucht G im Bereich von Straßenkilometer hatte. Die sogenannte Bushaltestelle G liegt im übrigen bei Straßenkilometer. Von diesem Standort aus besteht tatsächlich eine relativ schlechte Sicht zu der bei Kilometer abbiegenden Gemeindestraße. Noch dazu wenn man davon ausgeht, daß der Meldungsleger im Dienstkraftfahrzeug auf der Lenkerseite saß. Es befindet sich tatsächlich eine Baumgruppe, allerdings etwas vom Fahrbahnrand entfernt, im Sichtbereich zu dieser Kreuzung. Der angebliche Tatort befindet sich vom Beobachter aus gesehen in einer leichten Talsenke. Bei den Beobachtungen, die am 14. August 1997 über einen Zeitraum von fast einer Stunde gemacht wurden, stellte sich heraus, daß ein dunkles nicht beleuchtetes rechts abbiegendes Fahrzeug im Vergleich zum überholenden Motorrad, welches einen Scheinwerfer eingeschaltet hat, fast nicht erkennbar ist. Speziell dann nicht, wenn dieser PKW den äußerst rechten Fahrstreifen benutzt. Davon muß im Zweifel für den Beschuldigten jedenfalls ausgegangen werden.

Wenn man alle Umstände des gegenständlichen Falles bewertet, so ist nicht auszuschließen, daß sich der Berufungswerber mit seinem Motorrad und eingeschaltetem Abblendlicht an einem rechts einbiegenden PKW vorbeibewegte. Es ist dies sogar wahrscheinlich, zumal er sich von der ersten Phase des Verfahrens an in die gleiche Richtung verantwortete. Daß der Meldungsleger diesen PKW nicht wahrnahm, könnte an seiner schlechten Beobachtungsposition gelegen sein und auch daran, daß ein dunkler rechtseinbiegender PKW gegenüber einem beleuchteten Motorrad sichtmäßig derartig in den Hintergrund tritt, daß er kaum mehr sichtbar ist. Dabei muß mitberücksichtigt werden, daß sich der Vorfall mehr als einen halben Kilometer vom Meldungsleger entfernt zutrug und tatsächlich eine zumindest leichte sichtbehindernde Baumgruppe dazwischen war. Nicht geklärt werden konnte die Diskrepanz hinsichtlich des angeblichen Beobachtungsstandortes in der Anzeige (Kilometer) und dem tatsächlichen Standort bei Kilometer. Warum die Anzeige über einen Monat später erstattet wurde, ist ebenfalls nicht erklärbar und könnte dieser Umstand zu einer etwas ungenaueren Sachverhaltsdarstellung geführt haben.

Wenn man von einem derartigen Vorbeibewegungsmanöver des Beschuldigten am rechtseinbiegenden PKW ausgeht, so läge noch immer ein verbotenes Überholmanöver vor, wenn sich das Vorbeibewegen auf der selben Fahrbahn zugetragen hat.

Nachdem das Vorbeibewegungsmanöver vom Meldungsleger offenbar nicht beobachtet werden konnte, kann auch der Behauptung des Berufungswerbers, daß sich das Vorbeibewegen schon zu einem Zeitpunkt zugetragen hat, in welchem der PKW die Fahrbahn nach rechts zur Gänze verlassen hat, nicht entgegengetreten werden. Für diesen Fall liegt dann aber kein Überholen im Sinne der Begriffsbestimmung vor und somit letztlich auch kein verbotenes Überholmanöver.

5. Über diesen Sachverhalt hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

Wie aus der Sachverhaltsdarstellung ersichtlich ist, kann dem Berufungswerber die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs.2 lit.a StVO 1960 nicht mit einer für ein Strafverfahren notwendigen und ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden. Aus diesem Grund war in Befolgung des § 45 Abs.1 Z1 VStG von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen. Diese Einstellung betrifft lediglich das Faktum 1 des Straferkenntnisses, nicht jedoch die Fakten 2 und 3, welche - wie oben schon ausgeführt - in Rechtskraft erwachsen sind.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Wegschaider

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