Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104038/8/Bi/Fb

Linz, 10.02.1997

VwSen-104038/8/Bi/Fb Linz, am 10. Februar 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer (Vorsitz: Dr. Wegschaider, Berichterin: Mag. Bissenberger, Beisitz: Dr. Weiß) über die Berufung des Herrn A S, F, G, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. F G, E, W, vom 3. Oktober 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 17. September 1996, VerkR96-7602-1995 EI/FF, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 2. Alt. und 66 VStG, §§ 99 Abs.1 lit.a iVm 5 Abs.1 und 99 Abs.6 lit.c StVO 1960.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem oben an geführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 99 Abs.1 lit.a iVm 5 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 16.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Tagen verhängt, weil er am 20. Oktober 1995 um ca. 19.20 Uhr den Kleinbus auf der A W, km , im Gebiet der Gemeinde S in Richtung S gelenkt habe, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Atemluftalkoholgehalt um 21.18 Uhr 0,62 mg/l) befunden habe. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.600 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige, aus drei Mitgliedern bestehende 4. Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber verweist auf die Entscheidung des EGMR vom 23. Oktober 1995, Nr. 33/1994/480/562, und macht geltend, das Verbot der Doppelbestrafung und der Grundsatz "ne bis in idem" seien nicht beachtet worden.

Er begehrt die ausdrückliche Feststellung, daß die Frage des Lenkens des Fahrzeuges in alkoholisiertem Zustand am 20.

Oktober 1995 durch ihn bereits Gegenstand des Strafverfahrens vor dem Landesgericht Wels gewesen sei. Er verweist auf das Urteil vom 20. März 1996, beantragt die Beischaffung dieses Gerichtsaktes und macht geltend, er dürfe wegen dieses Sachverhalts nicht noch einmal, auch nicht in einem Verwaltungsstrafverfahren, bestraft werden.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz, in dem sich neben dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wels vom 21. November 1995 und dem Protokollsvermerk über die Hauptverhandlung vom 20. Februar 1996 das im Berufungsvorbringen angeführte Urteil des Landesgerichtes Wels vom 20. März 1996, in gekürzter Ausfertigung befinden, weshalb auf eine (neuerliche) Beischaffung des Gerichtsaktes verzichtet wurde.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Der Rechtsmittelwerber wurde mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 20. März 1996, wegen des Vorfalls vom 20. Oktober 1995 des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1, 3 und 4 (§ 81 Z1 und 2) StGB, des Vergehens der fahrlässigen Gemeingefährdung nach § 177 Abs.1 StGB und des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§ 81 Z1 und 2) StGB schuldig erkannt und verurteilt.

Im Verwaltungsstrafverfahren war dem Rechtsmittelwerber eben derselbe Vorfall im Hinblick auf § 5 Abs.1 StVO 1960 zur Last gelegt worden. Bei Anwendung der Verwaltungsvorschrift des § 99 Abs.6 lit.a StVO idF der 19. StVO-Novelle, die besagte, daß eine Verwaltungsübertretung nicht vorliegt, wenn eine in Abs.2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht, wäre das Verhalten des Rechtsmittelwerbers abermals einer strafrechtlichen Sanktion unterzogen worden. § 99 Abs.1 StVO und damit sämtliche Alkoholübertretungen waren in dieser Subsidiaritätsklausel nicht enthalten, weshalb parallel zur Zuständigkeit der Gerichte eine solche der Verwaltungsstrafbehörde mit dem Ergebnis bestand, daß eine Doppelbestrafung sogar zu erfolgen hatte.

Diese Rechtslage widersprach jedoch dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 23. Oktober 1995, Nr.33/1994/480/562.

Der unabhängige Verwaltungssenat stellte daher mit Schriftsatz vom 21. Oktober 1996 den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge die Worte "in Abs.2, 2a, 2b, 3 und 4 bezeichnete" in § 99 Abs.6 lit.c StVO als verfassungswidrig aufheben (G 301/96).

Der Verfassungsgerichtshof hat mit dem in der Beilage angeschlossenen Erkenntnis vom 5. Dezember 1996, G 9/96 ua, ua die Wortfolge "in Abs.2, 2a, 2b, 3 und 4 bezeichnete" in § 99 Abs.6 lit.c StVO idF der 19. StVO-Novelle als verfassungswidrig aufgehoben. Er hat außerdem ausgesprochen, daß die als verfassungswidrig erkannte Gesetzesbestimmung auch in jenen Rechtssachen nicht mehr anzuwenden ist, die am 5. Dezember 1996 bei einem unabhängigen Verwaltungssenat anhängig waren.

Auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, daß die - nun keine Einschränkungen mehr enthaltende - Subsidiaritätsklausel des § 99 Abs.6 lit.c StVO 1960 idFd 19. StVO-Novelle auch auf das dem Gerichtsurteil zugrundeliegende Verhalten des Rechtsmittelwerbers zu beziehen ist.

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 2. Alternative VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet.

Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden, wobei weder im erstinstanzlichen noch im Berufungsverfahren Kostenbeiträge zu leisten sind.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Wegschaider

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