Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104048/28/BI/FB

Linz, 20.05.1997

VwSen-104048/28/BI/FB Linz, am 20. Mai 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer (Vorsitz: Dr. Wegschaider, Berichterin: Mag. Bissenberger, Beisitz: Dr. Weiß) über die Berufung des Herrn A S, F, H, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. W H & Partner, E, H, vom 1. Oktober 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 17. September 1996, VerkR96-2953-1995-Br, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 15. April 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: §§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 45 Abs.1 Z1 VStG, §§ 99 Abs.1b iVm 5 Abs.2 Z1 StVO 1960.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 99 Abs.1 lit.b iVm 5 Abs.2 Z1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 12.000 S (12 Tage EFS) verhängt, weil er am 3. August 1995 um 17.40 Uhr den PKW auf der B bei Strkm 55,300 in W, Gemeinde L, gelenkt und sich um 19.23 Uhr des genannten Tages auf dem Gendarmerieposten F gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht auf dessen Aufforderung geweigert habe, sich der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mit dem Alkomat zu unterziehen, obwohl er aufgrund des starken Alkoholgeruchs seiner Atemluft verdächtig gewesen sei, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.200 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige 4. Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er habe zusammen mit seinen Beifahrern zu einem Konzert nach Prag fahren wollen und auf der gesamten Fahrt keinen Alkohol konsumiert gehabt, auch weil ihm bekannt sei, daß in Tschechien 0,0 %o vorgeschrieben seien. Die Einreise nach Tschechien sei ihm jedoch wegen des von ihm nicht mitgeführten Führerscheins verweigert worden und bei der anschließenden Einreise in Österreich sei er von den Zollbeamten genauestens kontrolliert worden. Dabei sei ihm gesagt worden, daß er ohne Führerschein den PKW nicht mehr weiter lenken dürfe. Daraufhin sei ein Freund aus Linz telefonisch ersucht worden, ihn und seine Beifahrer abzuholen. Er habe, nachdem ihm die Zollbeamten gesagt hätten, er dürfe nicht mehr weiterfahren, ansonsten werde Anzeige erstattet, auch nicht mehr beabsichtigt, seinen PKW zu lenken und daraufhin Alkohol in Form von Bier und zwei bis drei Fläschchen Wodka konsumiert. Erst einige Zeit später seien Gendarmeriebeamte gekommen, ohne daß ihm vorher mitgeteilt worden sei, daß die Gendarmerie verständigt worden sei. Der Beamte habe ihn zum Alkotest aufgefordert und er sei auch zum Gendarmerieposten Freistadt mitgefahren und habe den Beamten auch darauf hingewiesen, daß er in der Zwischenzeit beim Grenzübergang Alkohol konsumiert habe. Er habe aber keineswegs eine halbe Flasche Cognac, die er im ÖAMTC-Kiosk gekauft haben wolle, ausgetrunken, wie ihm vorgeworfen worden sei. Er beantragt die Einvernahme der Zeugen S und K zum Beweis dafür, daß er vor dem Abstellen des PKW keinen Alkohol konsumiert habe und daß kein Verdacht auf Alkoholisierung zum Zeitpunkt des Einschreitens der Sicherheitswacheorgane bestanden habe. Die Erstinstanz habe auch bislang die amtswegig auszuforschenden Zollwachebeamten nicht einvernommen. Ein Verdacht der Alkoholisierung für den Zeitpunkt des Abstellens des PKW habe keinesfalls bestanden. Zum Beweis dafür werde die zeugenschaftliche Einvernahme der Gendarmeriebeamten beantragt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 15. April 1997, bei der der Rechtsmittelwerber gehört und die Zeugen R K, RI H, Insp. G, Insp. A und Insp. R einvernommen wurden. Ein Vertreter der Erstinstanz ist nicht erschienen. Der Zeuge H S war entschuldigt. Vor der Verhandlung wurde ein Ortsaugenschein beim Grenzübergang W zur Klärung der örtlichen Verhältnisse durchgeführt.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich: Der Rechtsmittelwerber lenkte am 3. August 1995, laut eigenen Angaben nach der Nachtschicht in der Papierfabrik in H, gegen 9.30 Uhr seinen PKW, in dem sich die Zeugen S, K und K befanden, von H in Richtung Tschechien, wobei beabsichtigt war, ein Konzert in Prag zu besuchen, das am nächsten Tag stattfinden sollte. Im Fahrzeug wurde nach Aussagen des Zeugen K und des Rechtsmittelwerbers Bier und kleine Fläschchen Schnaps mitgenommen, wobei die Beifahrer schon auf der Fahrt Alkohol tranken, nach eigenen Angaben nicht aber der Rechtsmittelwerber, weil diesem bekannt war, daß in Tschechien die 0,0 %o-Grenze gilt und er keinen Ärger mit der tschechischen Polizei wollte. Am Grenzübergang W erfolgte die Ausreise ohne Komplikationen. Bei der Einreise in Tschechien wurde der Rechtsmittelwerber beanstandet, weil er dem kontrollierenden Beamten seinen Führerschein nicht vorweisen konnte. Er hatte wegen "versuchter Einreise ohne Lenkerberechtigung" eine Strafe zu bezahlen. Außerdem wurde ihm die Einreise verweigert, sodaß er den PKW gegen etwa 17.40 Uhr zurück nach Österreich lenkte. Als er den Zollbeamten erklärte, er dürfe in Tschechien wegen des vergessenen Führerscheins nicht einreisen, wurde der PKW an den Fahrbahnrand gewunken und der Rechtsmittelwerber sowie die Beifahrer und der PKW einer genauen Kontrolle unterzogen. Dabei wurde ihm nach eigenen Aussagen von einem Zollbeamten mitgeteilt, daß er ohne Führerschein auch in Österreich kein Fahrzeug lenken dürfe; sollte er weiterfahren, werde er zur Anzeige gebracht. Daraufhin wurde vom Zeugen S der Vorschlag gemacht, er rufe einen Freund in Linz an, der den Rechtsmittelwerber und seine Begleiter in W abholen sollte. Als das geklärt gewesen sei, habe der Rechtsmittelwerber nach eigenen Angaben keinen Grund gesehen, nicht auch Alkohol zu trinken, zumal kein Zweifel bestand, daß er seinen PKW nicht mehr lenken würde. Ihm sei von den Zollbeamten nicht mitgeteilt worden, daß er noch zum Alkotest aufgefordert werden würde, und auch die dort anwesenden Gendarmeriebeamten hätten davon nichts gesagt. Einige Zeit später seien andere Gendarmeriebeamte gekommen und RI H hätte ihn aufgrund der zu diesem Zeitpunkt zweifellos bestehenden Alkoholisierungssymptome aufgefordert, zur Durchführung einer Atemluftuntersuchung zum Gendarmerieposten F mitzukommen. Dort wurde um 19.23 Uhr die Atemluftuntersuchung verweigert. Das Beweisverfahren hat ergeben, daß die damals noch in Ausbildung befindlichen und noch nicht zur Durchführung von Alkomatuntersuchungen geschulten und ermächtigten Gendarmeriebeamten Insp. G und Insp. A, die beim Zollamt Dienst hatten, gegen 18.10 Uhr von einem namentlich unbekannten und aufgrund der verstrichenen Zeit nicht mehr eruierbaren Zollbeamten ersucht wurden, sich "den Rechtsmittelwerber anzusehen", wobei dieser nach Erinnerung der beiden Zeugen von einer eventuellen Vermutung einer Alkoholisierung oder Suchtgiftbeeinträchtigung sprach. Als sie zum PKW kamen, fielen ihnen beim Rechtsmittelwerber Alkoholgeruch der Atemluft und gerötete Augenbindehäute auf. Beim Fahrzeug befanden sich Bierflaschen. Der Rechtsmittelwerber erwähnte nicht, daß er gerade vorher Bier getrunken hätte oder daß er beim Kiosk gewesen wäre. Beide Zeugen räumten ein, sie hätten ihn aber nicht die ganze Zeit über beobachtet. Es könne auch sein, daß der Rechtsmittelwerber nicht informiert worden sei, daß der Gendarmerieposten L über Funk benachrichtigt worden sei. Die über Funk angeforderten Zeugen RI H und Insp. R erschienen gegen 18.25 Uhr beim Zollamt und der zur Durchführung solcher Amtshandlungen geschulte und ermächtigte RI H forderte den Rechtsmittelwerber auf Grund der von ihm wahrgenommenen Alkoholisierungssymptome auf, zur Durchführung einer Atemluftuntersuchung zum Gendarmerieposten F mitzufahren. Der Rechtsmittelwerber erklärte, er habe, weil die Zollkontrolle so lange gedauert habe, nach dem Abstellen des PKW Alkohol getrunken, wobei laut Aussage des Zeugen eine im Kiosk gekaufte Flasche Cognac, die halb ausgetrunken und weggeworfen worden sei, erwähnt wurde, fuhr dann aber im Gendarmeriefahrzeug nach F mit. Dort verweigerte er um 19.23 Uhr trotz Aufklärung über die Folgen die Durchführung der Atemluftuntersuchung mit der Begründung, er habe erst während der Zollkontrolle etwas getrunken und fühle sich nicht schuldig. Er wurde dann zum Zollamt zurückgebracht, wo von den Zeugen die angeblich weggeworfene Cognacflasche gesucht, jedoch nicht gefunden wurde. Erhebungen im damals noch geöffneten Kiosk erfolgten nicht. Für den unabhängigen Verwaltungssenat besteht kein Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen der Gendarmeriebeamten, wobei diese insgesamt bestätigten, daß der Rechtsmittelwerber zur Zeit ihres jeweiligen Tätigwerdens jedenfalls Alkoholisierungssymptome aufwies, was aber auch von ihm selbst nie bestritten wurde. Daß die Beifahrer mehr oder weniger Alkohol konsumiert hatten, steht ebenfalls fest; ebenso, daß der Rechtsmittelwerber jederzeit die Möglichkeit hatte, Alkohol im nahegelegenen Kiosk zu kaufen und zu konsumieren. In der Zeit von der Einreise um 17.40 Uhr bis zum Tätigwerden der Zeugen G und A um ca. 18.10 Uhr hatte der Rechtsmittelwerber nur Kontakt mit Zollbeamten, deren Namen nicht mehr eruierbar sind. Im Hinblick auf dieses Ergebnis des Beweisverfahrens wurde von einer Vertagung zur Einvernahme des Zeugen S abgesehen.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 eine Verwaltungsübertretung begeht und zu bestrafen ist, wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Gemäß § 5 Abs.2 2.Satz Z1 leg.cit. sind besonders geschulte und von der Behörde ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich alkoholbeeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Aufforderung zur Atemluftuntersuchung ist das Vorliegen der Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung zum Zeitpunkt des Lenkens eines Fahrzeuges. Auf den gegenständlichen Fall bezogen steht zwar fest, daß der Rechtsmittelwerber den PKW tatsächlich auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr auf österreichischem Staatsgebiet, nämlich auf der B von der Bundesgrenze zum Zollamt W, gelenkt hat, jedoch sind nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates keinerlei Anhaltspunkte für eine Vermutung, er könnte sich bereits beim Lenken des Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben, zu finden. Im Gegenteil spricht vor allem für den Rechtsmittelwerber, daß die Ausreise relativ kurz vor 17.40 Uhr unauffällig erfolgt sein muß und auch bei der versuchten Einreise nach Tschechien, bei der eine Beanstandung wegen des vergessenen Führerscheins in der Weise erfolgte, daß er sogar Strafe zu bezahlen hatte, eventuell schon zu dieser Zeit vorhandene Alkoholisierungssymptome dem tschechischen Grenzorgan bei der üblichen Kontrolle mit Sicherheit aufgefallen sein müßten. Bei der österreichischen Zollkontrolle, die ca. eine halbe Stunde in Anspruch nahm, bestand für ihn jedenfalls die Möglichkeit, Alkohol im Kiosk zu kaufen und zu konsumieren, zumal er nicht die ganze Zeit über unter Beobachtung stand.

Konkrete Aussagen über eine vermutete Alkoholbeeinträchtigung zum Zeitpunkt des Lenkens des PKW wären nur vom die Zollkontrolle durchgeführt habenden Zollbeamten zu erwarten, dessen Identität weder von der Erstinstanz noch bei der mündlichen Verhandlung festgestellt werden konnte. Insbesondere wäre die Frage zu klären gewesen, ob sein ca. eine halbe Stunde nach der Anhaltung an die Zeugen G und A gerichtetes Ersuchen, sie mögen sich "den Beschuldigten ansehen", weil er ihm "komisch" vorkomme, wobei auch von einer möglichen Alkohol- oder Suchtgiftbeeinträchtigung die Rede gewesen sein soll, bereits auf den Zeitpunkt des Lenkens des PKW bezogen war oder ob der Rechtsmittelwerber neben ihm Alkohol getrunken hat, daher beeinträchtigt schien und der Zollbeamte die Weiterfahrt auf diesem Weg verhindern wollte. In diesem Zusammenhang ist der Verantwortung des Rechtsmittelwerbers, ihm sei gesagt worden, ohne Führerschein dürfe er das Fahrzeug nicht lenken und bei Zuwiderhandlung würde er zur Anzeige gebracht, weshalb die Abholung durch den in Linz wohnenden Freund des Zeugen S organisiert worden sei, durchaus denkmöglich und schlüssig. Ebenso ist seiner Verantwortung, er habe vorgehabt, eine Strecke von immerhin über 400 km zurückzulegen, noch dazu sei in Tschechien jeglicher Alkoholkonsum beim Lenken eines Fahrzeuges verboten und er habe dort keinen Ärger haben wollen, kein logisches Argument entgegenzusetzen. Auch die Zeugen G und A haben eingeräumt, möglicherweise sei dem Rechtsmittelwerber nicht mitgeteilt worden, daß die Beamten des Postens L im Hinblick auf die nach 18.10 Uhr festgestellten Alkoholisierungssymptome verständigt wurden. Es war daher der Beschuldigtenverantwortung diesbezüglich Glauben zu schenken und davon auszugehen, daß der Rechtsmittelwerber von der bevorstehenden Aufforderung zur Atemluftuntersuchung keine Kenntnis hatte. Seine Verantwortung, für ihn habe kein Grund bestanden, weshalb er nach dem Abstellen des PKW keinen Alkohol hätte trinken dürfen, ist daher nachvollziehbar. Da in der mündlichen Verhandlung die Frage einer Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung bezogen auf das Lenken des Fahrzeuges nicht geklärt werden konnte und auf Grund der inzwischen verstrichenen Zeit keine Klärung mehr zu erwarten ist, dieser Umstand aber dem Rechtsmittelwerber nicht zum Nachteil gereichen darf, war im Zweifel spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Wegschaider

Beschlagwortung: Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung muß sich auf Lenken des Fahrzeuges beziehen, nicht auf Zeitraum danach

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