Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104097/6/Sch/<< Rd>> Linz, am 16. Dezember 1996 VwSen104097/6/Sch/<< Rd>>

Linz, 16.12.1996

VwSen 104097/6/Sch/<< Rd>> Linz, am 16. Dezember 1996
VwSen-104097/6/Sch/<< Rd>> Linz, am 16. Dezember 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Schön über die Berufung bzw. auf das Strafausmaß beschränkte Berufung des Dr. Franz FH vom 4.

Oktober 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 18. September 1996, VerkR96-14995-1995, wegen zweier Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich Faktum 2 des angefochtenen Straferkenntnisses Folge gegeben, dieses insoweit behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Die auf das Strafausmaß beschränkte Berufung (Faktum 1) wird abgewiesen und das Straferkenntnis im angefochtenen Umfang bestätigt.

II. Hinsichtlich des stattgebenden Teils der Berufung entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Der Berufungswerber hat als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren hinsichtlich Faktum 1 den Betrag von 200 S (20 % der diesbezüglich verhängten Geldstrafe) zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 bzw 45 Abs.1 Z1 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Straferkenntnis vom 18. September 1996, VerkR96-14995-1995, über Herrn Dr. FH, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 16 Abs.2 lit.a StVO 1960 und 2) § 52 Z10a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 1.000 S und 2) 1.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 48 Stunden und 2) 48 Stunden verhängt, weil er am 24. August 1995 um 15.40 Uhr den Kombi mit dem Kennzeichen auf der Bundesstraße 1 aus Richtung L in Richtung S gelenkt und 1. ca. bei Kilometer 226,000 einen in einem Abstand von ca.

40 m unmittelbar hinter einem Gendarmeriefahrzeug fahrenden Klein-LKW überholt habe, obwohl in diesem Bereich deutlich sichtbar die Vorschriftszeichen "Überholen verboten" mit der Zusatztafel "ausgenommen Zugmaschinen" aufgestellt gewesen seien.

2. Während des Überholvorganges habe er die durch deutlich sichtbar aufgestellte Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h erheblich überschritten.

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von insgesamt 200 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung bzw. auf das Strafausmaß beschränkte Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erwies sich als nicht erforderlich (§ 51e Abs.1 bzw. Abs.2 VStG).

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat im Hinblick auf die angezeigte Geschwindigkeitsüberschreitung das Gutachten eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen eingeholt und der Erstbehörde zur Kenntnis gebracht, welches - hier geringfügig gekürzt wiedergegeben folgenden Inhalt hat:

"Bei der angewandten Geschwindigkeitsmessung durch Vorausfahren mit einem Fahrzeug ohne geeichtem Tachometer und ohne Fotoeinrichtung wird aus der im Dienstfahrzeug abgelesenen Geschwindigkeit auf die Geschwindigkeit des hinterherfahrenden Fahrzeuges geschlossen. Dies ist unter Berücksichtigung unten angeführter Fehlertoleranzen nur dann möglich, wenn der Abstand zwischen dem Dienstfahrzeug und dem überwachten Fahrzeug während der überwachten Zeit bzw.

Strecke annähernd konstant ist.

Das vorliegende Verfahren setzt aus mathematisch-naturwissenschaftlicher Sicht eine längere Überwachungszeit bzw. eine längere Überwachungsstrecke voraus. Nur dadurch lassen sich die bei diesem Verfahren auftretenden erheblichen Fehlertoleranzen - insbesondere was das von den Beamten zu schätzende Abstandsverhalten zwischen den beiden Fahrzeugen betrifft - ausreichend einzugrenzen. Bei den konkreten Geschwindigkeiten sollte die überwachte Strecke nicht unter 500 m liegen.

Die Beobachtung nach hinten begann etwa bei Strkm 226,000.

Hier überholte Dr. H ein Fahrzeug das hinter dem Dienstwagen fuhr. Ab Strkm 227,200 fuhren die Beamten unmittelbar hinter dem Fahrzeug von Herrn Dr. H mit eingeschaltetem Blaulicht nach. Zwischenzeitlich wurde also und ist auch aus dem Akteninhalt erkennbar, das Dienstfahrzeug überholt.

Daraus folgert, daß die Beobachtungsstrecke (Strecke, für die während des Überholvorganges der konstante Vorausfahrabstand eingehalten wurde) für die Feststellung des gleichbleibenden Vorausfahrabstandes zu kurz war.

Mögliche Geschwindigkeitsänderungen während der überwachten Strecke entziehen sich mangels Videoaufzeichnung ohnehin einer objektiven Berücksichtigung durch den Sachverständigen, womit nur auf weitgefaßte Fehlertoleranzen zurückgegriffen werden kann.

Ganz allgemein kommen bei diesen Geschwindigkeitsmeßverfahren folgende weitere Fehlermöglichkeiten (entnommen aus "Fehlerquellen bei polizeilichen Meßverfahren" der Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht) in Betracht:

- Ungenauigkeit des nicht geeichten serienmäßigen Tachometers des Dienstfahrzeuges. Nicht geeichte Tachometer können in jedem Geschwindigkeitsbereich Voreilungen um bis zu 7 % ihres Skalenendwertes aufweisen.

- Ungenauigkeit durch ungenügenden Reifendruck des Dienstfahrzeuges. Der Wert am Tachometer kann damit eine um bis zu 0,5 % zu hohe Geschwindigkeit anzeigen.

- Ungenauigkeit durch nicht mehr neuwertiges Reifenprofil des Dienstfahrzeuges. Die Geschwindigkeit kann dadurch um bis zu 3 % zu hoch angezeigt werden.

- Ungenauigkeit durch die Maßtoleranz des Abrollumfanges der Reifen am Dienstfahrzeug. Die Geschwindigkeit kann dadurch um bis zu 2 % zu hoch angezeigt werden.

- Ungenauigkeit durch Reifenwechsel am Dienstfahrzeug. Die Geschwindigkeit kann dadurch um bis zu 2 % zu hoch angezeigt werden.

- Ungenauigkeit durch Ablesefehler der analogen Geschwindigkeitsanzeige. Die Geschwindigkeit kann dadurch um zumindest 2 % bzw. höchstens 5 km/h zu hoch angezeigt werden.

- Ungenauigkeit durch Verändern des Abstandes zwischen dem Dienstfahrzeug und dem überwachten Fahrzeug während der Meßfahrt. Bei fehlenden konkreten Angaben ist von einer Verringerung des Vorausfahrabstandes auszugehen, bei einem zu veranlagenden Fehler von zumindest 10 %.

Da praktisch keine der obigen Ungenauigkeiten entsprechend der Aktenlage ausgeschlossen werden können, sind zumindest Fehler bezüglich Tachometervoreilung, Ablesefehler, Abrollumfang und Abstand zu berücksichtigen. Darüber hinaus war die Meßdistanz zu kurz.

Mit den eben angeführten Toleranzwerten müßte unabhängig des Mangels der ungenügenden Meßstrecke und der vorhandenen Unwägbarkeiten von einer maximalen Geschwindigkeit des Klein-LKW von 50 km/h bis 55 km/h ausgegangen werden.

Nach einem für das Bundeslandes Nordrhein-Westfalen/BRD vorliegenden Erlaß, der für unseren Sachverständigendienst als Arbeitsbehelf herangezogen wird, wären für das vorliegende Meßergebnis von 70 km/h zum einen 10 % für den nicht justierten Tachometer und zum anderen automatisch weitere 15 % des sich ergebenden Wertes abzuziehen, womit sich nur mehr 53,5 km/h ergeben würden. Bei einem Geschwindigkeitsunterschied beim Überholen selbst mit 30 km/h folgen daraus lediglich 83 km/h für das Fahrzeug von Herrn Dr. H." Die Berufungsbehörde ist - insbesondere gestützt durch die Aussage des technischen Amtssachverständigen, wonach die Beobachtungsstrecke im konkreten Fall zu gering war - zu der Ansicht gelangt, daß die dem Rechtsmittelwerber zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung nicht mit der für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden konnte (der eingestandene Geschwindigkeitsunterschied von 30 km/h bezog sich im übrigen nicht auf den überholten Klein-LKW). Bemerkenswert ist, daß die Erstbehörde das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren im Hinblick auf die in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 26. September 1995 noch unter Punkt 3. enthaltene Geschwindigkeitsüberschreitung de facto aus dem gleichen Grund (Fragen der Nachfahrstrecke bzw. Tachoabweichung) zur Einstellung gebracht hat.

Zu dem ausschließlich wegen der Strafhöhe in Berufung gezogenen Faktum 1 des erwähnten Straferkenntnisses ist zu bemerken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Überholdelikte gehören zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften. Daß vorschriftswidrig überholende Fahrzeuglenker eine zumindest abstrakte Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellen, braucht nicht näher erörtert zu werden.

Der Berufungswerber mußte bereits mehrmals wegen als einschlägig anzusehender Delikte bestraft werden, welcher Umstand einen Erschwerungsgrund darstellt. Milderungsgründe lagen nicht vor.

Dem Antrag des Berufungswerbers auf Herabsetzung der Geldstrafe auf 500 S konnte somit nicht stattgegeben werden.

Die von der Erstbehörde angenommenen persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers, denen nicht entgegengetreten wurde, lassen erwarten, daß er zur Bezahlung der Geldstrafe ohne weiteres in der Lage sein wird.

Zu II.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

S c h ö n


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