Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104210/10/WEG/Ri

Linz, 21.07.1997

VwSen-104210/10/WEG/Ri Linz, am 21. Juli 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung der G K; vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G H, vom 25. November 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7. November 1996, VerkR96-5972-1995 Be, nach der am 18. Juli 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung gegen das Faktum a) des Straferkenntnisses (§ 7 Abs.1 StVO 1960) wird Folge gegeben, diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis samt Straf- und Kostenausspruch behoben und das Verfahren eingestellt.

Der Berufung gegen Punkt b) des Straferkenntnisses (§ 18 Abs.1 StVO 1960) wird keine Folge gegeben und diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß anstelle von 10 m zu treten hat: "16 m." Der Berufung gegen Punkt c) des Straferkenntnisses (§ 20 Abs.2 StVO 1960) wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß die Geldstrafe auf 5.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 5 Tage reduziert wird. Demgemäß beträgt der Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der ersten Instanz lediglich 500 S.

Die Berufungswerberin hat als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren 200 S (20% der nach Punkt II bestätigten Strafe) zu entrichten.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 19, § 45 Abs.1 Z1 (nur hinsichtlich Spruchteil I), § 51 Abs.1, § 51i, § 64 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über die Berufungswerberin wegen der Verwaltungsübertretungen nach a) § 7 Abs.1, b) § 18 Abs.1 und c) § 20 Abs.2, jeweils StVO 1960, jeweils in Anwendung des § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, Geldstrafen von a) 500 S, b) 1.000 S und c) 9.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von a) 24 Stunden, b) 2 Tage und c) 9 Tage verhängt, weil diese am 17. Juni 1995 gegen 11.40 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen M-auf der A Westautobahn im Gemeindegebiet von S in Richtung W von km bis km auf dem linken Fahrstreifen gelenkt habe und somit nicht so weit rechts gefahren sei, wie dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar gewesen sei. Außerdem habe sie bei km einen zu geringen Sicherheitsabstand von einem vor ihr fahrenden Fahrzeug eingehalten (10 m bei einer Geschwindigkeit von 156 km/h). Von km bis km habe sie den PKW mit einer Geschwindigkeit von mindestens 200 km/h gelenkt und somit die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um mindestens 70 km/h überschritten. Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von insgesamt 1050 S in Vorschreibung gebracht.

2. Die Erstbehörde nahm den zur Bestrafung führenden Sachverhalt auf Grund einer Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich vom 7. September 1995 als erwiesen an. Im Zuge des ordentlichen Verfahrens erfolgte weder von der Beschuldigten noch vom bevollmächtigten Vertreter eine Gegendarstellung. Bei der Strafbemessung ist die Erstbehörde von einem monatlichen Nettoeinkommen von 15.000 S, Vermögenslosigkeit und keiner Sorgepflicht ausgegangen. Als strafmildernd sei die bisherige Unbescholtenheit gewertet worden.

3. Die Berufungswerberin bringt in ihrer rechtzeitigen und auch sonst zulässigen Berufung sinngemäß vor, der Vorwurf der Verwaltungsübertretung nach § 7 Abs.1 StVO 1960 sei ungerechtfertigt, weil am rechten Fahrstreifen Fahrzeuge (aufgelockert) unterwegs gewesen seien und es sich somit um einen Überholvorgang gehandelt habe. Zur angelasteten Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs.1 StVO 1960 vermeint die Berufungswerberin, daß sie während des Überholvorganges zum vorausfahrenden Fahrzeug aufgeschlossen habe und ihre Geschwindigkeit an dieses Fahrzeug anpassen habe müssen, zumal dieses Fahrzeug erst nach geraumer Zeit den Weg für den Überholvorgang wieder frei gemacht habe bzw auf Grund der Verkehrssituation wieder freimachen habe können. Beim Abstand des Gendarmeriefahrzeuges sei es unmöglich, den Tiefenabstand des vorausfahrenden Fahrzeuges zum dritten Fahrzeug exakt festzustellen und gehe die Schätzung über die tatsächliche Distanz entschieden hinaus. Sie räume ein, daß der Tiefenabstand möglicherweise in der Annäherungsphase geringer gewesen sei, als der halbe Tachoabstand, sie sei allerdings in dieser Phase bremsend oder bremsbereit gefahren, sodaß ihr ein jederzeitiges Anhalten auch dann möglich gewesen wäre, wenn das vorausfahrende Fahrzeug plötzlich gebremst hätte. Zur Übertretung nach § 20 Abs.2 StVO 1960 bringt die Berufungswerberin sinngemäß vor, daß das Meßverfahren nicht exakt gewesen sein könne, wahrscheinlich hätten die Nachfahrabstände variiert. Die vorgeworfene Geschwindigkeit könne bei dieser Fahrzeugtype überhaupt nicht erreicht werden. Eine Erhöhung der Geschwindigkeit von 150 km/h auf 200 km/h über einen Fahrkilometer hinweg sei technisch nicht möglich.

Die Berufungswerberin beantragt zu den Punkten a) und b) des Straferkenntnisses die Einstellung, zum Punkt c) die erhebliche Minderung der Geldstrafe.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch zeugenschaftliche Befragung des den Vorfall beobachtet habenden Gendarmeriebeamten F, durch Vorspielen des Videofilms, auf dem der gesamte Sachverhalt aufgezeichnet ist und durch Beiziehung des straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen Dipl.Ing. H, der den Videofilm fotogrammetrisch auswertete und ein Gutachten abgab. Diese Beweise wurden anläßlich der mündlichen Verhandlung am 18. Juli 1997 aufgenommen.

Demnach steht fest, daß die Berufungswerberin zu der im Straferkenntnis angeführten Zeit auf der dort angeführten tatörtlichen Strecke ihren PKW mit einer Höchstgeschwindigkeit von 201 km/h lenkte, wobei von diesem Wert keine Toleranzen mehr abzuziehen sind. Zu dieser vorgeworfenen Geschwindigkeit gab der Rechtsfreund der Berufungswerberin im Hinblick auf die Beweislage ein Tatsachengeständnis ab.

Zum Tatvorwurf der Unterschreitung des Sicherheitsabstandes kam der Sachverständige nach Auswertung des Videofilms zum Ergebnis, daß der Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug um 11.35 Uhr 16 m betragen habe und daß der Abstand zumindest hätte 35 m betragen müssen. Von einer Bremsbereitschaft könne nicht die Rede sein. Die Einnahme der Bremsbereitschaft und die Verzögerung von rund 0,7 m/sec² würden sich auf dem Videofilm erkennen lassen. Eine derartige Erkennbarkeit fehle jedoch und sei deshalb die Einrede der Bremsbereitschaft nicht zutreffend. Auch hinsichtlich des Sicherheitsabstandes von nunmehr 16 m (statt 10 m) gab der Vertreter der Berufungswerberin ein Tatsachengeständnis ab.

Was die Verletzung des Rechtsfahrgebotes anlangt, so war während der gesamten Verfolgungsstrecke durchgehend ein aufgelockerter Verkehr auf dem rechten Fahrstreifen vorhanden. Es handelte sich sohin um ein Überholmanöver und wäre nach Aussage des Sachverständigen ein Wiedereinreihen auf den rechten Fahrstreifen nicht zweckmäßig bzw zum Teil sogar verkehrsgefährdend gewesen. Im Hinblick auf das Beweismittel des Videofilms und die Aussage des Sachverständigen kann der Schuldvorwurf der Verwaltungsübertretung nach § 7 Abs.1 StVO 1960 nicht aufrecht erhalten werden.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Zum Faktum a):

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG ist von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

Da das Befahren des linken Fahrstreifens als ein durchgehendes Überholmanöver anzusehen ist, bildet das Befahren des linken Fahrstreifens keine Verwaltungsübertretung und war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zu den Fakten b) und c):

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die im Straferkenntnis angeführten Rechtsgrundlagen verwiesen. Der als erwiesen angenommene Sachverhalt, der im übrigen letztlich auch nicht bestritten wurde, läßt sich unschwer unter die Bestimmungen des § 18 Abs.1 StVO 1960 einerseits und des § 20 Abs.2 StVO 1960 andererseits subsumieren. Die Tabildmäßigkeit ist sohin gegeben und hat daher die Berufungswerberin die ihr angelasteten Verwaltungsübertretungen mit der Maßgabe begangen, daß beim Faktum b) der Sicherheitsabstand nicht 10 m sondern 16 m (statt 35 m) betragen hat.

Zur Strafhöhe: Neben dem im Materiengesetz normierten Strafrahmen ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Der Strafrahmen beträgt für beide Deliktstypen gemäß § 99 Abs.3 StVO 1960 bis zu 10.000 S.

Die Berufungsbehörde schließt sich grundsätzlich den Ausführungen der Erstbehörde an und ist ebenfalls der Ansicht, daß derartigen Verwaltungsübertretungen mit aller Schärfe zu begegnen ist, da gerade derartige Verwaltungsübertretungen und insbesondere derartig exorbitante Geschwindigkeitsüberschreitungen häufig die Ursache schwerster Verkehrsunfälle sind. Die Berufungswerberin (zum Tatzeitpunkt 42-jährig) ist bisher verwaltungsstrafrechtlich oder justizstrafrechtlich nicht negativ in Erscheinung getreten. Ihr Fehlverhalten steht somit in einem eklatanten Widerspruch zu ihrem bisherigen Lebenswandel, was eine Herabsetzung der Strafe auf die Hälfte des möglichen Strafrahmens (beim Delikt der Geschwindigkeitsüberschreitung) nach sich zieht. Bei der Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs.1 StVO 1960 ist der Strafrahmen ohnehin nur zu 10% ausgenützt worden und wird ergänzend hinzugefügt, daß die gegenständliche Unterschreitung des Sicherheitsabstandes ein hohes Maß an Gefährdung der Verkehrssicherheit in sich barg und schon aus diesem Grund keine Reduzierung der Strafe vorzunehmen war.

6. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Wegschaider

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