Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104225/9/Sch/Rd

Linz, 10.07.1997

VwSen-104225/9/Sch/Rd Linz, am 10. Juli 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Ing. P vom 26. November 1996, vertreten durch die Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 7. November 1997, III/VU/S/6644/95 H, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 28. Mai 1997 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich der Fakten 1 und 3 Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesen Punkten behoben und das Verfahren eingestellt. Im übrigen wird die Berufung mit der Maßgabe abgewiesen, daß der Spruch wie folgt ergänzt wird: "... 2) es als Lenker dieses Kfz unterlassen, nach einem sich zu diesem Zeitpunkt an dieser Örtlichkeit ereignet habenden Verkehrsunfall mit Sachschaden, ...".

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 300 S. Als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens ist der Betrag von 600 S (20 % der bezüglich Faktum 2 verhängten Geldstrafe) zu leisten.

Rechtsgrundlagen: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 bzw. 45 Abs.1 Z1 und 3 VStG. zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.: 1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 7. November 1996, III/VU/S/6644/95 H, über Herrn Ing. P, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 11 Abs.1 StVO 1960, 2) § 4 Abs.5 StVO 1960 und 3) § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 Geldstrafen von 1) 1.000 S, 2) 3.000 S und 3) 5.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) einem Tag, 2) drei Tagen und 3) zehn Tagen verhängt, weil er am 12. Dezember 1995 um 18.10 Uhr in Linz, Autobahnabfahrt Dornach, Gabelung der A7, Abfahrten Nord und Süd, den PKW mit dem Kennzeichen gelenkt und den Fahrstreifen nach rechts gewechselt habe, ohne sich vorher zu überzeugen, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei, es als Lenker dieses Kraftfahrzeuges unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, die nächste Sicherheitsdienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift mit dem Unfallbeteiligten (Unfallgeschädigten) unterblieben sei, es unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, obwohl die Beiziehung der Polizei zur Unfallaufnahme verlangt worden sei. Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von insgesamt 900 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Zu den formellen Einwendungen des Berufungswerbers im Zusammenhang mit der mangelnden Unterschrift auf der ihm zugegangenen erstbehördlichen Entscheidung:

Nach entsprechenden im kurzen Wege dort getätigten Erhebungen der Berufungsbehörde werden die Ausfertigungen von Straferkenntnissen bei der Bundespolizeidirektion Linz dergestalt angefertigt, daß automationsunterstützt (EDV) zwei völlig inhaltsgleiche Ausfertigungen von Straferkenntnissen ausgedruckt und beide vom Sachbearbeiter unterfertigt werden, von denen dann eine im Akt verbleibt und die andere dem Beschuldigten zugestellt wird. Im vorliegenden Fall wurde aber nur das im Akt verbliebene Exemplar vom Bearbeiter unterfertigt, die dem Berufungswerber zugegangene Ausfertigung enthält weder eine Unterschrift des Genehmigenden noch einen kanzleimäßigen Beglaubigungsvermerk. Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers vermag diese Tatsache jedoch das Straferkenntnis weder als Nicht-Bescheid zu qualifizieren noch ihm eine sonstige Rechtswidrigkeit anzulasten.

Gemäß § 18 Abs.4 letzter Satz AVG ist die Unterschrift oder deren Beglaubigung auf der zu vervielfältigenden Ausfertigung oder auf dem Original anzubringen, wenn vervielfältigte Ausfertigungen vorliegen oder der Fall gegeben ist, in dem der Inhalt einer Erledigung in einer solchen technischen Weise mitgeteilt wird, die eine genaue Wiedergabe des Originals ermöglicht. Sohin genügt die Unterschrift oder deren Beglaubigung entweder auf der zu vervielfältigenden Ausfertigung oder auf dem Original. Diese Rechtsansicht wird durch die Erläuternden Bemerkungen zur AVG-Novelle 1995 (§ 18 Abs.4 zweiter Satz) gestützt, wo es ua heißt: "Die Beglaubigung erstreckt sich sohin in Hinkunft darauf, daß entweder eine unterschriebene Erledigung im Akt erliegt oder aber eine der sonstigen in Abs.2 für zulässig erklärten Genehmigungen vorliegt".

Zur Sache selbst:

Der Tatvorwurf im Zusammenhang mit Faktum 1 des angefochtenen Straferkenntnisses war nach der Beweislage, die der Berufungsbehörde vorlag, nicht hinreichend erweislich. Neben dem entsprechenden vom Berufungswerber vorgelegten und in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 15. Jänner 1997, GZ: 15C675/96X-14, das zugunsten des Berufungswerbers ein Verschulden des Beklagten (des Berufungswerbers im Verwaltungsstrafverfahren) am Zustandekommen des Verkehrsunfalles als nicht erkennbar annimmt, war insbesondere die Aussage des Zweitbeteiligten bei der Berufungsverhandlung wesentlich. Unter anderem hat er ausgeführt, über ein konkretes Lenkmanöver des anderen Fahrzeuglenkers, also des Berufungswerbers, nichts angeben zu können. Es kann daher auch nicht mit Sicherheit angenommen werden, daß der Berufungswerber einen vorschriftswidrigen Fahrstreifenwechsel zu verantworten hätte.

Zu Faktum 3 des Straferkenntnisses, sohin zum Vorwurf der Übertretung nach § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960, ist folgendes zu bemerken:

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 12.4.1985, 85/18/0205) muß dem Spruch eines Bescheides zu entnehmen sein, durch welche konkrete Tathandlung oder Unterlassung es der Beschuldigte unterlassen hat, an der Sachverhaltsfeststellung dadurch konkret mitzuwirken, daß ein Sicherheitswacheorgan in die Lage versetzt worden wäre, ohne weitere Erhebungen Anzeige zu erstatten. Es bedarf nicht nur der Konkretisierung nach Tatzeit und Tatort, sondern auch hinsichtlich jenes Verhaltens, das dem Betreffenden als Nichtmitwirkung an der Ermittlung der den Unfall charakterisierenden Sachverhaltselemente angelastet wird (VwGH 14.5.1982, 02/1246/80).

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses läßt sich in diesem Punkt nicht dahingehend aus, worin konkret das Verhalten bzw. Unterlassen des Berufungswerbers gelegen war, das als Nichtmitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes qualifiziert wurde. Hiebei genügt es nicht, daß diesbezüglich nähere Ausführungen in der Begründung des Straferkenntnisses enthalten sind. Einer Ergänzung des Bescheidspruches durch die Berufungsbehörde stand der Umstand entgegen, daß keine dies rechtfertigende fristgerechte Verfolgungshandlung vorliegt. In der erstbehördlichen Ladung zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren vom 8. Jänner 1996 ist von einem Tatvorwurf nach § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 nicht (auch nicht inhaltlich) die Rede. Auch in der dem Berufungswerber mit der Akteneinsichtnahme am 15. Februar 1996 zur Kenntnis gebrachten Anzeige der Sicherheitswache der Bundespolizeidirektion Linz sind keine Ausführungen enthalten, die einen solchen Tatvorwurf hinsichtlich eines verbotenen "Nachtrunkes", wie ihn die Erstbehörde laut Begründung des Straferkenntnisses angenommen hat, zum Inhalt haben.

Zur in Ablichtung im vorgelegten Verwaltungsstrafakt einliegenden Kopie einer Zeugenniederschrift vom 22. Jänner 1996, angefertigt für einen Entziehungsakt betreffend die Lenkerberechtigung des Berufungswerbers, vertritt die Berufungsbehörde die Ansicht, daß diese, auch wenn hierin von einem Alkoholkonsum des Berufungswerbers nach dem Verkehrsunfall die Rede ist nicht mehr als Verfolgungshandlung gewertet werden kann. Dieser Niederschrift, auch wenn sie innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist dem Berufungswerber im Rahmen der Akteneinsicht bekannt wurde, fehlt, da sie sich eindeutig auf das Verfahren zum Entzug der Lenkerberechtigung gegen den Berufungswerber richtet, der zweifelsfreie Bezug zum Verwaltungsstrafverfahren (Geschäftszahl bzw. Gegenstand).

Weitere Verfolgungshandlungen hinsichtlich "Nachtrunk" liegen nicht vor, sodaß sich diesbezüglich Ausführungen erübrigen.

Das Verwaltungsstrafverfahren war sohin in diesem Punkt aus dem formellen Grund der Verfolgungsverjährung einzustellen (§ 45 Abs.1 Z3 VStG).

Zum abweisenden Teil der Berufung ist vorweg auszuführen, daß nach dem Grundsatzerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Slg. 11894A, der Vorschrift des § 44a Z1 VStG dann entsprochen wird, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls aber auch in einem Wiederaufnahmeverfahren, in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Um diesem Gebot zweifelsfrei gerecht zu werden, hat die Berufungsbehörde eine Ergänzung des erstbehördlichen Bescheidspruches dergestalt vorgenommen, als die im Spruch enthaltene Tatörtlichkeit auch unmißverständlich als Unfallörtlichkeit qualifiziert wurde.

Hiezu war die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG berechtigt (nach der einschlägigen, wenngleich von ho. nicht geteilten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - vgl. Art. 129 B-VG - sogar verpflichtet).

Diesbezüglich liegen nämlich fristgerechte Verfolgungshandlungen (Ladung zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren vom 8. Jänner 1996 und Akteneinsicht vom 15. Februar 1996) vor. Nach den glaubwürdigen und schlüssigen Angaben des einvernommenen Zeugen und Zweitbeteiligten P wurde von den Unfallbeteiligten nicht vereinbart, noch in die Freistädter Straße einzubiegen und dort einen Identitätsnachweis durchzuführen. Vielmehr wurde, nachdem sich der Berufungswerber geweigert hatte, seine Identität nachzuweisen, übereingekommen, sich mit den unfallbeteiligten Fahrzeugen zum nahegelegenen Polizeiwachzimmer "Dornach" zu begeben. Entgegen der getroffenen "Vereinbarung" ist der Berufungswerber jedoch plötzlich nach rechts, also nicht in Richtung Wachzimmer, abgebogen und davongefahren. Er hat sich, wie auch von ihm nicht bestritten wurde, zu sich nach Hause begeben und sich dort, ohne vorerst weitere Veranlassungen zu einer Unfallmeldung bzw. zu einem doch noch durchzuführenden Identitätsnachweis mit dem Zweitbeteiligten zu treffen, weiter aufgehalten. Erst nach der Unfallmeldung durch den Zeugen und anschließender telefonischer Aufforderungen durch Sicherheitswachebeamte des erwähnten Wachzimmers hat sich der Berufungswerber etwa 35 Minuten nach dem Unfallzeitpunkt dorthin begeben. Wenn man dieses Erscheinen auf dem Wachzimmer überhaupt noch als Versuch einer Unfallmeldung werten kann, so kann er aber jedenfalls nicht mehr als "ohne unnötigen Aufschub" angesehen werden. Unter "ohne unnötigen Aufschub" kann nämlich nur verstanden werden, daß die Meldung über einen Verkehrsunfall, bei dem nur Sachschaden entstanden ist, nach Durchführung der am Unfallort notwendigen, durch das Gebot der Verkehrssicherheit erforderlich erscheinenden Maßnahmen bzw. nach vergeblichem Versuch des Identitätsnachweises zu erfolgen hat (VwGH 12.11.1970, 1771/69). Zur Strafbemessung: Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Der Schutzzweck des § 4 StVO 1960 ist ein mehrfacher. Insbesondere sollen hiedurch mögliche weitergehende Folgen eines Verkehrsunfalles hintangehalten, die Ursachen eines solchen möglichst umgehend ermittelt werden können, aber auch soll ein Unfallgeschädigter in die Lage versetzt werden, ohne unverhältnismäßigen Aufwand davon Kenntnis zu erlangen, mit wem er sich hinsichtlich der Schadensregulierung auseinanderzusetzen haben wird. Der Unrechtsgehalt von Übertretungen des § 4 StVO 1960 muß daher als erheblich angesehen werden, worauf bei der Strafbemessung anhand der Kriterien des § 19 Abs.1 VStG Bedacht zu nehmen ist.

Die hiefür verhängte Geldstrafe in der Höhe von 3.000 S kann angesichts der obigen Ausführungen keinesfalls als überhöht angesehen werden.

Auch in Anbetracht des nach der Aktenlage gegebenen Milderungsgrundes der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Berufungswerbers erscheint die Geldstrafe angemessen. Erschwerungsgründe lagen nicht vor.

Den persönlichen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers, wie sie in der erstbehördlichen Entscheidung ausgeführt sind, wurde in der Berufung nicht entgegengetreten, sodaß sie auch der Berufungsentscheidung zugrundegelegt werden konnten. Das geschätzte monatliche Mindesteinkommen von 15.000 S wird dem Berufungswerber die Bezahlung der Geldstrafe ohne weiteres ermöglichen.

Zu II.: Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

S c h ö n

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