Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104291/11/Le/Ha

Linz, 01.07.1997

VwSen-104291/11/Le/Ha Linz, am 1. Juli 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 9. Kammer (Vorsitzender: Dr. Bleier, Beisitzer: Mag. Kisch, Berichter: Dr. Leitgeb) über die Berufung des H F, A, L, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. G L und Mag. T F, L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 27.11.1996, GZ III/S 24324/96 V1P SE, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Es entfallen alle Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF. Zu II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 27.11.1996 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretung des § 5 Abs.2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (im folgenden kurz: StVO) eine Geldstrafe in Höhe von 12.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 13.7.1996 gegen 22.45 Uhr in G an einer näher bezeichneten Stelle den PKW gelenkt und habe sich am 14.7.1996 um 01.50 Uhr geweigert, sich der Untersuchung der Atemluft (Alkomat) auf Alkoholgehalt zu unterziehen, obwohl er sich vermutlich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand und obwohl er dazu von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht aufgefordert worden war.

In der Begründung dazu wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Beschuldigte zur im Spruch angegebenen Zeit einen Verkehrsunfall verursacht hatte, bei dem er leicht und sein Beifahrer C P schwer verletzt wurden. Die erhebenden Gendarmeriebeamten stellten beim Beschuldigten Alkoholisierungsmerkmale fest, wie starken Geruch nach alkoholischen Getränken aus dem Mund, gerötete Augenbindehäute, schwankenden Gang und eine lallende Aussprache. Da der Beschuldigte jedoch an der Stirn verletzt war, wurde er mit der Rettung in das AKH Linz eingeliefert, wo er von einem Organ der Sicherheitswache Linz zur Durchführung des Alkomattestes aufgefordert wurde. Er hätte zunächst selbst erklärt, daß die Verletzung bei der Atemluftuntersuchung nicht störend sei. Darauf führte er zunächst sechs Versuche durch, ohne dabei ein gültiges Meßergebnis zustandezubringen. Dann wurde er wegen seiner Verletzung ärztlich versorgt und anschließend wurden zwei weitere Blasversuche durchgeführt, bei denen ebenfalls kein gültiges Meßergebnis zustande kam.

In seiner Stellungnahme zur vorgehaltenen Anschuldigung gab er an, daß er die Atemluftprobe nicht verweigert hätte, sondern habe er wegen einer schweren Brustkorbprellung, Rißquetschwunden in der linken Gesichtshälfte mit Glassplittereinsprengungen und einem Riß einer Vene im linken Ohr die Untersuchung nicht durchführen können.

Daraufhin wurde der medizinische Amtssachverständige Dr. Wallnöfer mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, welcher feststellte, daß aufgrund der aktenkundigen Verletzungen die Durchführung der Alkomatuntersuchung möglich gewesen wäre; aus den Krankengeschichten des AKH und des UKH ergeben sich keine Hinweise auf eine Brustkorbprellung.

Zu diesem Gutachten des Polizeiarztes gab der Beschuldigte keine Stellungnahme ab. Nach einer Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage wurden die Gründe der Strafbemessung dargelegt.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 12.12.1996, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu die Strafsache zur neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen, in eventu das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen einzuholen.

In der Begründung wurde ausgeführt, daß der Bw durch den Verkehrsunfall erhebliche Verletzungen erlitten hätte, sodaß er die Atemluftprobe nicht ablegen hätte können. Er legte dazu vor einen augenärztlichen Befund Dris. H W vom 3.9.1996, in dem festgehalten wurde, daß die am linken Bulbus aufgetretene Netzhautblutung als direkte Folge einer Gewalteinwirkung im Sinne eines Bulbustraumas und somit auch als direkte Unfallfolge anzusehen sei.

3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung der Sach- und Rechtslage wurde am 1. Juli 1997 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der auch eine medizinische Amtssachverständige beigezogen wurde zur Beurteilung der Frage, ob der Bw in der Lage war, den Alkomattest korrekt durchzuführen oder ob ihn die bei seinem kurz davor stattgefundenen Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen daran gehindert hätten.

3.2. Der Rechtsvertreter des Bw legte eingangs zur Verhandlung eine vollständige Krankengeschichte des UKH Linz vor, aus der hervorgeht, daß Herr H F am 14.7.1996 um 03.20 Uhr in die Erstuntersuchung kam. Er trug einen Schutzverband am Kopf, der mit Blut völlig durchnäßt war; Blut tropfte auf den Boden und das T-Shirt des Patienten war blutdurchtränkt. Nach Abnahme des Verbandes zeigte sich an der linken Ohrmuschel im Bereich der mittleren Helix eine querverlaufende Rißquetschwunde, im prox. Mundwinkel ein spritzendes arterielles Gefäß. An der linken Gesichtshälfte parallel des Arcus zygomaticus zeigte sich eine ca. 5 cm lange Rißquetschwunde, tangential in die Hauttiefe eingehend. Als Behandlungen wurden Lokalanästhesie, Wundexcision, Wundrevision, Fremdkörperentfernung, Hautnähte udgl. durchgeführt.

Nach übereinstimmender Aussage des Bw und der als Zeugin einvernommenen Polizeibeamtin war der Bw zunächst ins AKH Linz aufgenommen worden. Nach Angaben des Bw wurde er dort jedoch nur unzureichend behandelt, indem ihm ein Kopfverband angelegt wurde sowie der linke Arm und die Hüfte geröntgt wurden.

Zur Durchführung des Alkomattestes wurde festgestellt, daß der Bw sich durchaus bereit erklärt hatte, den Alkomattest durchzuführen. Allerdings kam bei acht Versuchen kein gültiges Meßergebnis zustande. Der Bw erklärte dies damit, daß er bei dem Verkehrsunfall nicht angegurtet gewesen war und deshalb mit dem Kopf durch die Windschutzscheibe geprallt war, die bei diesem Anprall zu Bruch gegangen war. Weiters habe er bei einem der Blasversuche plötzlich einen Schmerz im Ohr verspürt, als ob etwas aufgeplatzt wäre. Zum Zeitpunkt des Blasvorganges wäre seine linke Gesichtshälfte angeschwollen gewesen, sodaß es möglich gewesen sein könnte, daß er vorbeigeblasen hätte.

Die den Alkomattest durchführende Polizeibeamtin, Insp. R W, wurde als Zeugin befragt. Sie gab dazu an, daß beim Bw Alkoholisierungssymptome festgestellt worden waren, und zwar gerötete Bindehäute und Alkoholgeruch. Sie konnte bei der Verhandlung jedoch nicht mehr sicher sagen, ob der Alkoholgeruch aus der Kleidung oder aus dem Mund des Bw stammte. Zu den Verletzungen des Herrn F befragt gab sie an, daß dieser im Gesicht nicht direkt verletzt war, sondern im Bereich der Haare. Ob er im Gesicht geschwollen gewesen wäre, konnte sie bei der Verhandlung nicht mehr angeben.

Den Alkoholgeruch erklärte der Bw damit, daß er mit Herrn P (seinem Beifahrer) zuvor in Tschechien gewesen sei, wo sie im Duty-Free-Shop einige Flaschen alkoholische Getränke gekauft hätten. Diese wären bei dem Unfall zerbrochen und hätte sich der Inhalt über ihre Kleidung ergossen.

Zu den geröteten Augenbindehäuten gab er an, daß dies bei ihm berufsbedingt chronisch sei. Er habe als Maler ständig mit Lösungsmitteln zu tun und sei deshalb auch dauernd in augenärztlicher Behandlung.

Die medizinische Amtssachverständige kam daraufhin bei Beurteilung der nunmehr bekannten Verletzungen des Bw zum Ergebnis, daß eine derart massive Blutung im Bereich des Mundwinkels geeignet ist, eine Beeinträchtigung bei der Durchführung der Alkomatuntersuchung nicht zur Gänze auszuschließen.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates.

Die unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 51c VStG über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder. Da im vorliegenden Verfahren der Bw mit einer Geldstrafe in Höhe von 12.000 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer berufen.

4.2. Gemäß § 99 Abs. 1 lit.b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 8.000 S bis 50.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, b) wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen .....

§ 5 Abs.2 StVO normiert, daß ..... besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt sind, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben ...... auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Im vorliegenden Fall steht unbestritten fest, daß der Bw ein Fahrzeug gelenkt hat und in tauglicher Weise von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht zur Untersuchung der Atemluft aufgefordert wurde. Es war im vorliegenden Verfahren zu klären, ob es dem Bw möglich war, den Alkomattest durchzuführen oder ob ihn seine beim Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen daran gehindert haben.

Aus dem von der Berufungsbehörde durchgeführten Beweisverfahren, insbesonders der bei der Berufungsverhandlung vorgelegten Krankengeschichte des Unfallkrankenhauses Linz über die Behandlung des Bw im Zeitraum vom 14.7.1996, 03.36 Uhr bis 22.7.1996, sowie der daraufhin erstellten gutachtlichen Stellungnahme der Amtssachverständigen für Medizin, ist hervorgekommen, daß der Bw aufgrund der beim Unfall erlittenen Verletzungen wahrscheinlich nicht in der Lage war, den Alkomattest ordnungsgemäß und effektiv durchzuführen.

4.3. Zum Verschulden bestimmt § 5 Abs.1 VStG folgendes: Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Der Bw hat anläßlich der mündlichen Verhandlung glaubhaft gemacht, daß ihn an der angelasteten Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft, da er aufgrund der erlittenen Verletzungen wahrscheinlich nicht in der Lage war, den Alkomattest korrekt durchzuführen. Damit konnte der von der Erstbehörde erhobene Tatvorwurf nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit erwiesen werden, weshalb das Strafverfahren einzustellen war.

Zu II.:

Die Aufhebung und Einstellung des Verwaltuntgsstrafverfahrens bewirkt auf der Kostenseite, daß der Bw weder mit Beiträgen zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an:

Beilage Dr. B l e i e r

Kanzleivermerk: 1. Anschluß 2.: Akt sowie eine weitere Erkenntnisausfertigung, Zustellung nachweislich; 2. Folgende Mehrausfertigungen herstellen: a) für Herrn Präsidenten 2 MA (für Evidenz) b) 1 MA für Le

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