Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-104404/2/Fra/Bk

Linz, 03.03.1997

VwSen-104404/2/Fra/Bk Linz, am 3. März 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn M, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 23. Jänner 1997, Zl.

III/S-26272/96-4, betreffend Übertretungen der StVO 1960 und des KFG 1967, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird antragsgemäß Folge gegeben. Der Berufungswerber wird wegen der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen ermahnt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 21 Abs.1 und 24 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen Übertretungen 1) nach § 8 Abs.4 StVO 1960 eine Geldstrafe von 200 S (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden), 2) nach § 24 Abs.1 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 100 S (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden, 3) nach § 102 Abs.2 KFG 1967 eine Geldstrafe von 100 S (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) und 4) nach § 102 Abs.6 KFG 1967 eine Geldstrafe von 100 S (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt, weil er am 9.8.1996 um 9.58 Uhr in L vor dem Haus Nr. 13, mit dem Kfz, Kennzeichen , 1) den Gehsteig mit dem Fahrzeug vorschriftswidrig benützt hat, indem er das Fahrzeug mit dem rechten Räderpaar auf dem Gehsteig abgestellt hat; 2) das Fahrzeug im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" gehalten hat; 3) die Alarmblinkanlage vorschriftswidrig eingeschaltet hat; 4) nicht dafür gesorgt hat, daß das Fahrzeug von Unbefugten nur durch Überwindung eines beträchtlichen Hindernisses in Betrieb genommen werden konnte, obwohl er sich so weit/so lange von dem Kraftfahrzeug entfernte, daß er es nicht mehr überwachen konnte. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Strafe vorgeschrieben.

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig gegen die Höhe der Strafe bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Die Bundespolizeidirektion Linz - als nunmehr belangte Behörde sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c VStG).

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

I.3.1. Der nunmehrige Berufungswerber brachte in seinem Einspruch vom 12.11.1996 gegen die vorangegangene Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Linz vom 29.10.1996 ua folgendes vor:

"§ 21 Abs.1 VStG sieht vor, daß die Behörde von der Verhängung einer Strafe absehen kann, wenn das Verschulden des Beschuldigten gering ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. § 21 Abs.2 leg cit sieht auch vor, daß die Organe der öffentlichen Aufsicht von der Erstattung einer Anzeige unter den obengenannten Voraussetzungen absehen können.

Ich bin Student und habe während der Sommerferien bei der Firma S Lebensmittel GmbH als Verkaufswagenfahrer gearbeitet. Daß ich als Student versuche, in den Ferien möglichst viel Geld zu verdienen, ist wohl klar. Nun ist es bei der Firma S so, daß man einen Grundlohn und zusätzlich eine Provision von der ausgelieferten Ware bekommt. Es ist also so, daß jeder Fahrer versucht, möglichst viel Umsatz zu machen, um auf eine möglichst hohe Provision zu kommen.

Grundsätzlich weiß jeder Fahrer schon am Vortag, welche Kundschaften er mit welcher Ware zu beliefern hat. Bei mir allerdings war es so, daß ich das zu machen hatte, was zusätzlich anfiel. Das waren einerseits vorwiegend Belieferungen von Freibädern und großen Gasthäusern, andererseits aber auch der Transport von Tiefkühltruhen von und zu den Kundschaften. Solche Transporte waren allerdings nicht sehr beliebt, da bei diesen keine Provision zu erzielen war. Um eben einen solchen Transport einer Tiefkühltruhe handelte es sich am 9.8.96. Dieser 9. August war ein für diesen Sommer überdurchschnittlich heißer Freitag. Das bedeutet, daß sich an einem solchen Tag sämtliche Großkundschaften mit einem Vorrat für das Wochenende beliefern lassen. Für mich war das immer eine Chance, einen großen Umsatz zu erzielen. Daher war ich bestrebt, an solchen Tagen anfallende Tiefkühltruhentransporte möglichst rasch hinter mich zu bringen, damit mir nicht ein anderer Fahrer die großen Aufträge wegschnappen kann.

Ich hatte eine Kundschaft im L aufzusuchen und mir deren Tiefkühltruhe anzusehen, da diese angeblich nicht funktionierte. Anschließend sollte ich eine Kundschaft mit einer Tiefkühltruhe, die bereits mit einigen Kartons Eis befüllt war, beliefern. (Besonders bei Neukundschaften war es so, daß sie, wenn es organisatorisch nicht anders möglich war, ihre erste Lieferung bereits in der Tiefkühltruhe bekamen. Das Problem dabei ist, daß in dem Fahrzeug, mit dem Tiefkühltruhen transportiert werden, keine Möglichkeit bestand, die Tiefkühltruhe an einen Stromkreis anzuschließen, sodaß es wichtig war, die Lieferung so rasch als möglich zur Kundschaft zu bringen, da der Transport in einer nicht in Betrieb befindlichen Tiefkühltruhe nur innerhalb eines begrenzten Zeitraumes möglich ist).

Ich suchte mir also zuerst das L, um die Tiefkühltruhe auszutauschen. Obwohl ich in L studiere, ist meine Straßenkenntnis und meine Orientierung in L äußerst schlecht. Ich hatte mir zwar den Weg ins L beschreiben lassen, fand aber nicht auf Anhieb hin. Nach einigem Fragen gelang es mir, in die S zu finden. Dort fand ich dann auf der linken Seite Parkplätze, die für Fahrzeuge der Post reserviert waren, vor. Da ich niemandem den Platz verstellen wollte, suchte ich weiter, fand aber in einer angemessenen Umgebung des Eingangs keinen Platz. Da ich schon unter Zeitdruck stand, weil ich eben noch Eis in einer Tiefkühltruhe hatte, dachte ich mir, es wäre wohl die einzige Möglichkeit, meinen Auftrag ohne Schaden durchführen zu können, wenn ich das Fahrzeug gegenüber dem Eingang zum L abstelle. Ich sah, daß da Parkplätze vor dem Haus waren. Da ich die Parkenden nicht behindern wollte, stellte ich das Fahrzeug so ab, daß es vor dem Hauseingang stand, wodurch sämtliche Autos ihren Parkplatz ungestört verlassen hätten können.

Um auch nachkommende Fahrzeuge, vor allem Lastkraftwagen, nicht zu behindern, dachte ich mir, es wäre wohl am besten, das Fahrzeug etwa zur Hälfte auf den Gehsteig zu stellen.

Um diejenigen, die mein Verhalten eventuell stören würde zu beruhigen, schaltete ich die Alarmblinkanlage ein, um zu erkennen zu geben, daß ich sehr bald wieder beim Fahrzeug sein werde.

Nachdem ich mich vergewissert hatte, daß ich wirklich niemanden behindern werde, eilte ich ins L, um zu suchen, wo die Kundschaft ist. Dabei habe ich in der Eile vergessen, den Schlüssel abzuziehen und das Fahrzeug abzusperren. Nach einigen Problemen und Verzögerungen bei der Kundschaft begab ich mich wieder zum Fahrzeug, um an den mir von der Kundschaft bekanntgegebenen Platz zu fahren, von wo aus ich die Tiefkühltruhe am einfachsten ins Geschäftslokal transportieren konnte.

Als ich zum Fahrzeug kam, war bereits ein Polizist damit beschäftigt, eine "Verständigung" auszufüllen.

Meine Erklärungen schien er als übliche Ausreden abzutun.

Zusammenfassend halte ich also fest, daß ich mich am 9.8.1996 bei der Begehung der mir vorgeworfenen Übertretungen in einer Situation befand, in der sich wohl auch ein anderer, rechtstreuer Mensch nicht anders verhalten hätte." In seinem Rechtsmittel vom 10.2.1997 ergänzte der Berufungswerber seine Ausführungen wie folgt:

"Im Straferkenntnis wird ausgeführt, daß eine Anwendung des § 21 VStG ausscheidet, da zumindest die vorschriftswidrige Benützung des Gehsteiges, das Halten des Fahrzeuges im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten", sowie die vorschriftswidrige Verwendung der Alarmblinkanlage wissentlich erfolgten.

Dazu möchte ich sagen, daß mein Geständnis gegenüber dem Sicherheitsorgan, woraus die entscheidende Behörde wohl meine Wissentlichkeit schließt, sich darauf bezog, daß ich mir nach dem Hinweis des Beamten bewußt war, die Übertretungen begangen zu haben. Bei meiner Parkplatzsuche selbst allerdings habe ich, wie durch meine Ausführungen im Einspruch gegen die Strafverfügung wohl verständlich, nicht daran gedacht, daß da vielleicht ein Parkverbot sein könnte.

Daß ein Autolenker die Vorschriften des KFG und der StVO kennen und beachten muß, ist mir klar, allerdings bei jeder Übertretung einer Vorschrift deswegen auf Vorsätzlichkeit zu schließen, ist meines Erachtens nicht zu vertreten und würde in letzter Konsequenz auch dazu führen, daß dem § 21 VStG für das Verkehrsrecht beinahe jeder Anwendungsbereich entzogen würde. Das war mit Sicherheit nicht Absicht des Gesetzgebers.

Bei der Subsumtion eines Sachverhaltes unter § 21 VStG ist wohl nicht nur auf die dogmatische Schuld abzustellen, sondern auch auf die Strafzumessungsschuld. Betrachtet man nun das Verhaltens-, Gesinnungs- und Erfolgsunrecht meiner Tat, so kann man doch sagen, daß der Unrechtsgehalt deutlich unter demjenigen liegt, der typischerweise bei der Begehung solcher Übertretungen vorliegt. Ich befand mich eben wegen der Angst, Schaden am mitgeführten Kühlgut zu erleiden und wegen des Zeitdrucks in einer Notlage.

Im Straferkenntnis wurde auch erwähnt, daß die Höhe der Strafe geeignet erscheint, mich von der Begehung solcher Taten abzuhalten. Dazu möchte ich sagen, daß allein das Zusammentreffen mit dem Beamten bei der Begehung der Tat ausgereicht hat, um mich von der Begehung solcher Übertretungen abzuhalten. Umso mehr jetzt bereits das zweite Mal, daß ich mich mit diesen Übertretungen auseinandersetze.

Spezalpräventiv ist also eine Bestrafung nicht erforderlich." I.3.2. Das oben genannte Vorbringen des Berufungswerbers ist rechtlich wie folgt zu beurteilen:

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigen von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Trotz der Verwendung des Wortes "kann" ermächtigt diese Vorschrift die Behörde nicht zur Ermessensübung. Sie ist vielmehr als eine Anordnung zu verstehen, die die Behörde im Rahmen der gesetzlichen Gebundenheit ermächtigt, bei Zutreffen der im ersten Satz angeführte Kriterien von einer Strafe abzusehen und bei Zutreffen des im zweiten Satz angeführten weiteren Kriteriums mit einer Ermahnung vorzugehen. Für die Annahme, daß der Behörde in Fällen, in denen die tatbestandsbezogenen Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG erfüllt sind, eine Wahlmöglichkeit zwischen einem Strafausspruch und dem Absehen von einer Strafe offenstehe, bleibt bei der gebotenen fassungskonformen Auslegung kein Raum (VwGH 28.10.1980, 263, 264/80). Der Beschuldigte hat, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, einen Anspruch darauf, daß von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht wird.

Daß die Tat keine gravierenden Nachteile und Folgen nach sich gezogen hat, hat die Erstbehörde selbst eingeräumt. Es ist daher zu prüfen, ob das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist. Die Erstbehörde hat diesbezüglich festgestellt, daß zumindest die vorschriftswidrige Benützung des Gehsteiges, das Halten des Fahrzeuges im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten", sowie die vorschriftswidrige Verwendung der Alarmblinkanlage wissentlich erfolgt sei, weshalb nicht mehr von einem geringfügigen Verschulden gesprochen werden kann. Hiezu stellt der O.ö.

Verwaltungssenat fest, daß lt. Judikatur des VwGH selbst bei vorsätzlichem Handeln des Täters die Schuld des Beschuldigten geringfügig sein kann, wenn besondere Umstände bei der Begehung der Tat diesen Schluß rechtfertigen (vgl.

VwGH 31.1.1990, 89/03/0084, 27.5.1992, 92/02/0167, und viele andere). Diese besonderen Umstände hat jedoch nach Auffassung des O.ö. Verwaltungssenates im gegenständlichen Fall der Berufungswerber mit seinen oben wiedergegebenen Rechtfertigungen ausreichend aufgezeigt, weshalb von der Verhängung einer Strafe abzusehen war. Die Ermahnung war jedoch auszusprechen, um den Berufungswerber auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens hinzuweisen. Auch der Ausspruch der Ermahnung scheint im Hinblick auf die Ausführungen des Berufungswerbers ausreichend, aber auch erforderlich, um ihn in Hinkunft von Übertretungen der gleichen Art abzuhalten.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. F r a g n e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum