Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104428/2/Fra/Kop/Shn

Linz, 08.04.1997

VwSen-104428/2/Fra/Kop/Shn Linz, am 8. April 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Ilija C vom 10.2.1997 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 20.1.1997, VerkR96-18236-1995, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

II. Zuzüglich zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden dem Berufungswerber 1.200 S als Beitrag zu den Kosten für das Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat auferlegt. Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24, 51e, 51i VStG; § 4 Abs.1 lit.a und § 4 Abs.2 StVO 1960 iVm § 99 Abs.2 lit.a leg.cit. zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Mit Straferkenntnis vom 20.1.1997, VerkR96-18236-1995, wurde über den Berufungswerber (Bw) von der BH Vöcklabruck eine Geldstrafe von je 3.000 S verhängt, weil er am 28.10.1995 gegen 10.30 Uhr den PKW in Vöcklabruck auf der Anichstraße bis zur Kreuzung mit der Bundesstraße 145 gelenkt habe, wobei er einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verschuldete, indem er eine Fußgängerin einige Meter mitschleifte und diese dadurch verletzt wurde. Der Bw habe es nach dem Verkehrsunfall mit Personenschaden, mit dem sein Verhalten in ursächlichem Zusammenhang stand, unterlassen, 1) sein Fahrzeug sofort anzuhalten und habe es 2) unterlassen, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

I.2. In der rechtzeitig erhobenen Berufung vom 10.2.1997 beantragte der Bw, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen seine Person einzustellen in eventu die Strafe herabzusetzen und begründete dies im wesentlichen wie folgt: Die Angaben der Belastungszeugin B wären, was den Grad ihrer Verletzungen sowie die Handlung des Bw angehe ("Mitschleifen") maßlos übertrieben, unrichtig und die Zeugenaussage insgesamt unglaubwürdig. Die Verletzungen von Frau B würden vom Sturz und nicht vom angeblichen Mitschleifen - welches bestritten wird - stammen. Es könne nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden, daß der Bw den Sturz wahrgenommen habe, sodaß ihn weder die Pflicht getroffen habe, das Fahrzeug anzuhalten, noch die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen. Daran mag auch die gerichtliche Verurteilung wegen des Vergehens nach § 83 Abs.2 StGB nichts zu ändern, zumal die Körperverletzung nach dieser Gesetzesstelle nur fahrlässig herbeigeführt worden wäre.

Der Beschuldigte habe sich weiters noch nie etwas zu Schulden kommen lassen. Auch habe er bezüglich der konkreten Tat kein besonders rücksichtsloses Verhalten an den Tag gelegt.

I.3. Die erstinstanzliche Behörde hat den Akt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt, womit dessen Zuständigkeit begründet wird. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt wurde, hatte das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen.

Da pro Straftatbestand keine 3.000 S übersteigende Strafe verhängt worden war, der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststeht und der Bw die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung dem Ermessen des unabhängigen Verwaltungssenates anheim stellt, sohin die Durchführung einer solchen nicht iSd § 51e Abs.2 VStG ausdrücklich beantragt wurde, konnte von der Durchführung einer solchen vor dem unabhängigen Verwaltungssenat abgesehen werden.

I.4. Nach Durchsicht des erstinstanzlichen Aktes, dem in Kopie die Gerichtsurteile erster und zweiter Instanz angefügt sind, ist folgender rechtserheblicher Sachverhalt als erwiesen anzusehen:

Frau Christine B, lenkte ihr Fahrzeug, einen silbermetalic farbenen Toyota Corolla, am 28.10.1995 um ca 10.30 Uhr auf der Anichstraße im Gemeindegebiet Vöcklabruck vom Baumarkt H kommend in Richtung B145. An der Kreuzung mit der Salzkammergut-Bundesstraße B145 neben der Firma H ordnete sie sich zum Linksabbiegen ein. Plötzlich rollte das Fahrzeug vor ihr, ein rotlackierter Alfa Romeo, das vom Bw gelenkt wurde, zurück, bis es mit dem Heck an die Vorderfront des Kfz von Frau B anstieß, wobei allerdings am letztgenannten Kfz kein Schaden entstand.

Frau B stieg daraufhin aus ihrem Kfz aus, um den Bw auf dieses ungewöhnliche Verhalten hinweisen zu wollen, ging einige Schritte nach vor zu dem wieder angehaltenen PKW des Bw und zwar bis zum Bereich der Lenkertür, wo sie sich an der Oberkante des halb herunter gelassenen Seitenfensters festhielt und den Lenker ansprach. Dieser blickte sie kurz an, sprach aber kein Wort und obwohl er sah, daß sich Frau B mit den Händen am halb herunter gelassenen Seitenfenster der linken PKW-Tür festhielt, fuhr er plötzlich los und zwar in den Kreuzungsbereich nach links in Richtung Vöcklabruck in die Bundesstraße 145 ein, was zur Folge hatte, daß Frau B, die ihre Hände am oben genannten Seitenfenster hatte, vorerst mitgehen dann mitlaufen mußte und schließlich durch den schneller werdenden PKW mitgezogen wurde. Aus Angst, unter die Räder zu kommen, hielt sich Frau B in der dargestellten Weise weiterhin am Fahrzeug des Bw fest, schrie laut und verlor schließlich aufgrund der Beschleunigung des PKW des Bw mit ihren Füßen den Bodenhalt und fiel, als der Bw seinen PKW schließlich in der Fahrbahnmitte der B145 anhielt, nach Loslassen des Fensters auf die Fahrbahn und erlitt hiebei Hautabschürfungen an beiden Knien. Der Bw setzte daraufhin seine Fahrt in Richtung Vöcklabruck fort und ließ die Verletzte auf der Kreuzungsmitte liegen und unterließ es fernerhin, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle von diesen Geschehnissen zu informieren.

Der Bw wurde mit Urteil des BG Vöcklabruck vom 23.5.1996, Zl. 4 U 61/96, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs.2 StGB zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt. Das LG Wels gab der Berufung des Bw keine Folge und bestätigte mit Urteil vom 15.10.1996, GZ 24 BI 132/96, das obengenannte bezirksgerichtliche Urteil.

Der oben genannte Sachverhalt gründet sich auf die Feststellung der Gerichte sowie auf die unzweifelhaften Ergebnisse des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens und wird in den wesentlichen Grundzügen vom Bw auch nicht bestritten. I.5. Erwägungen der Berufungsbehörde:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofort anzuhalten.

Gemäß § 4 Abs.2 StVO 1960 haben die in Abs.1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind, sofort die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen.

Gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 500 S bis 30.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, wenn der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs.1 und Abs.2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt.

Es ist erwiesen und wird im übrigen vom Bw auch nicht bestritten, daß er, nachdem Frau B aufgrund seines ursächlichen Verhaltens (Weiterfahren) auf die Straße fiel, die Fahrt Richtung Vöcklabruck fortsetzte und es auch unterließ, sofort die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle von den Geschehnissen zu verständigen.

Somit sind die Tatbestände des § 4 Abs.1 lit.a und § 4 Abs.2 zweiter Satz StVO in objektiver Hinsicht als erfüllt anzusehen.

Daß Frau B verletzt wurde, wird selbst vom Bw nicht bestritten, das Ausmaß der Verletzungen ist für die Anhalte- und Verständigungspflicht des § 4 Abs.1 lit.a und des § 4 Abs.2 StVO ebenso unerheblich wie die Frage, ob die entstandenen Verletzungen einer ärztlichen Versorgung bedurften oder nicht (vgl VwGH vom 13.2.1979, ZfVB 1979/5/2008).

Wie der Bw richtigerweise erkannte, reicht es für die Bestrafung nach § 83 Abs.2 StGB aus, daß die Körperverletzung bei Mißhandlungsvorsatz fahrlässig eingetreten ist. Er verkennt jedoch die Rechtslage, wenn er annimmt, daß die Verpflichtungen des § 4 StVO nur den treffen, der vom Unfall (und der Verletzung einer Person) Kenntnis hatte, also vorsätzlich gehandelt hat. Nach ständiger Judikatur des VwGH kann eine Übertretung nach § 4 Abs.2 StVO auch in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen werden. Der Tatbestand des § 4 Abs.2 leg.cit. ist - wie die erstinstanzliche Behörde zu Recht feststellte - schon dann erfüllt, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Unfalles, insbesondere die Möglichkeit der Verletzung einer Person zu erkennen vermocht hätte. Bereits in diesem Fall setzt die Verständigungspflicht iSd § 4 Abs.2 StVO ein (VwGH vom 11.11.1976, ZfVB 1977/2/519; VwGH vom 17.10.1980, ZfVB 1981/6/1664). Daß die Verletzungen vom Sturz, und nicht wie die Erstbehörde annahm, vom Mitschleifen herrühren, vermag an der Tatbestandsmäßigkeit des genannten Verhaltens nichts zu ändern. Es war für einen objektiven, mit rechtlich geschützten Werten verbundenen Autofahrer in der Situation des Bw ebenso wie für den Bw selbst zumindest erkennbar, daß das Losfahren und Beschleunigen des Kfz, an dessen Fensterscheibe sich - ob rechtmäßigerweise oder nicht, das sei dahingestellt - eine um Hilfe schreiende Person festhält, dazu führen kann (und in concreto auch geführt hat), daß diese Person den Halt unter den Füßen verliert und auf die Straße fällt und dadurch am Körper verletzt wird.

In der geschilderten Situation durfte der Bw keinesfalls davon ausgehen, die genannte Person hätte den beschleunigenden PKW einfach losgelassen und wäre somit unverletzt geblieben. Es widerspricht nur nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, sondern auch der rechtskräftigen Feststellung der Gerichte, daß der Sturz von Frau Buchinger für den Bw nicht erkennbar gewesen wäre. Vielmehr ist anzunehmen, daß dem Bw das weitere Schicksal dieser Frau, deren Präsenz der Bw als aufdringlich und unangenehm empfinden mußte und empfunden hat, vollkommen gleichgültig war, was sich auch daran dokumentiert, daß der Bw in der Vernehmung vom 28.10.1995 angab, nicht mehr in den Rückspiegel geschaut zu haben (und so die im Kreuzungsbereich auf der Straße liegende Frau nicht bemerkt hätte).

Da der Tatbestand in objektiver wie subjektiver Weise als erfüllt anzusehen ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

I.6. Zur Strafbemessung:

Zwar ist dem Bw insoweit zuzustimmen, daß für den unabhängigen Verwaltungssenat zum Unterschied zur Erstbehörde ein zu Hautabschürfungen führendes Mitschleifen der Frau B nicht als erwiesen anzusehen ist und die Verletzungen nur vom Sturz herrühren. Trotzdem ist der erstinstanzlichen Behörde Recht zu geben, daß die Tat des Bw besonders rücksichtslos ist. Der Unrechtsgehalt der Tat ist zumindest als durchschnittlich, wenn nicht gar als mittelschwer zu beurteilen. Dies deshalb, da durch das Verhalten des Bw die Zeugin B verletzt und hilflos mitten auf der Straße im Kreuzungsbereich zurückblieb, was eine nicht unbeträchtliche Gefährdung der körperlichen Integrität dieser Frau darstellt. Sich in einer solchen Situation vollkommen gleichgültig über das weitere Schicksal der Frau zu verhalten und die Fahrt einfach fortzusetzen, stellt genau jenes Verhalten dar, welches der Gesetzgeber mit Strafe zu vermeiden sucht. Bedauerlicherweise nehmen derart asoziale Verhaltensweisen im Straßenverkehr zu, sodaß auch aus generalpräventiven Gründen eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe nicht in Betracht kommen kann, zumal ohnehin nur je 10 % der gesetzlichen Höchststrafe verhängt wurden.

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein Beilage Dr. F r a g n e r

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