Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104459/27/BI/FB

Linz, 06.11.1997

VwSen-104459/27/BI/FB Linz, am 6. November 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer (Vorsitz: Dr. Wegschaider, Berichterin: Mag. Bissenberger, Beisitz: Dr. Weiß) über die Berufung des Herrn J S, F, W, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J L, G, S, vom 18. Dezember 1996 (Datum des Poststempels) gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 18. November 1996, S 4100/St/96, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, aufgrund des Ergebnisses der am 2. Oktober 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird im Zweifel Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 erste Alternative und 66 VStG, §§ 64 Abs.1 iVm 134 Abs.1 KFG 1967.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 64 Abs.1 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 17.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Tagen verhängt, weil er am 1. Juni 1996 um 10.40 Uhr in S auf Höhe des Objektes K Nr. 8 den PKW mit dem Kennzeichen gelenkt habe, obwohl er nicht im Besitz der erforderlichen Lenkerberechtigung gewesen sei. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.700 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige 4. Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 2. Oktober 1997 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers, seines rechtsfreundlichen Vertreters Dr. P, des Vertreters der Erstinstanz Herrn P und der Zeugen RI J H und E R durchgeführt.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er habe zum damaligen Zeitpunkt den PKW nicht gelenkt, sondern dies sei seine Lebensgefährtin E R gewesen. Dem Meldungsleger müsse ein Irrtum bei seiner Beobachtung unterlaufen sein, zumal auch seiner Aussage zu entnehmen sei, daß er sich über die Identität des Lenkers keineswegs sicher gewesen sei. Schon durch die getönten PKW-Scheiben seien die Beobachtungsmöglichkeiten eingeschränkt gewesen und der Anzeiger habe den PKW nicht in der Annäherung, sondern erst im Vorbeifahren beobachtet, wobei der Lenker nicht auf der ihm zugekehrten, sondern auf der ihm abgewandten Seite im PKW gewesen sei. Der Anzeiger hätte daher regelrecht in die Hocke gehen müssen, um die hinter dem Lenkrad sitzende Person im Kopfbereich sehen zu können. Er berufe sich auf die Einholung eines amtstechnischen Sachverständigengutachtens bzw die Durchführung entsprechender Stellproben. Die Zeugin R sei zu diesem Zeitpunkt zum Merkur-Markt gefahren, der von der Beobachtungsstelle nur etwa 3 Fahrminuten entfernt sei. Dort habe sie den PKW auf dem Kundenparkplatz abgestellt und deshalb habe er trotz sofort eingeleiteter Fahndung nicht gefunden werden können. Er selbst habe in der Nacht zum 1. Juni 1996 als Türsteher in der Diskothek "P" in S bis 7.00 Uhr früh gearbeitet, wofür er auch zwei Zeugen geltend macht. Er habe sich nach dem Heimkommen verständlicherweise schlafen gelegt. Er ersuche daher, der Berufung Folge zu geben.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien gehört, die angeführten Zeugen einvernommen und ein Ortsaugenschein auf Höhe des Hauses K in S durchgeführt wurde. Folgender Sachverhalt ist wesentlich:

Der Meldungsleger RI H befand sich am 1. Juni 1996 um etwa 10.40 Uhr zu Fuß auf Höhe des Hauses K. Er hatte laut eigenen Aussagen gerade die K überquert, wobei er in einiger Entfernung einen sich aus Richtung Kreuzung mit der R nähernden PKW registriert hatte. Dieser PKW war mit normaler Geschwindigkeit unterwegs, was am Motorengeräusch festzustellen war und es bestand wegen dessen Unauffälligkeit für den Zeugen kein Grund, den PKW anzuhalten oder sich sonst auf ihn zu konzentrieren. Der Zeuge befand sich, in Fahrtrichtung dieses PKW gesehen, auf der rechten Seite der K am Beginn der Allee, wobei normales Tageslicht herrschte und keinerlei Sichteinschränkung bestand. Laut seiner Aussage drehte er sich in dem Moment um, als der ihm unbekannte PKW an ihm vorbeifuhr und nahm laut eigenen Angaben den Rechtsmittelwerber, der ihm persönlich bekannt war und von dem er wußte, daß dieser keine Lenkerberechtigung besaß, auf dem Lenkersitz wahr. Zu diesem Zeitpunkt sei es jedoch für ein Zeichen zum Anhalten zu spät gewesen, und er entschloß sich, eine Zulassungsanfrage hinsichtlich des Kennzeichens zu machen und eine Funkfahndung einzuleiten. Der PKW wurde nicht gefunden. Der Zeuge hat bei der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe sich ca 2 m vom Fahrbahnrand bzw 3 m vom Lenker entfernt befunden. Er habe den Lenker schräg von vorne gesehen, nicht durch das Seitenfenster. Das Gesicht des Lenkers sei nicht vom Rückspiegel verdeckt gewesen und dieser habe weder eine Kopfbedeckung noch eine Sonnenbrille getragen. Er habe den Rechtsmittelwerber von mehreren Amtshandlungen her sehr gut gekannt und habe keineswegs eine Frau gesehen - in diesem Fall hätte keine Veranlassung für eine Zulassungsanfrage bestanden - sondern es sei mit Sicherheit der Rechtsmittelwerber gewesen. Beim PKW habe es sich um einen Audi Quattro gehandelt, von getönten Scheiben sei ihm nichts aufgefallen. Der Lenker sei für ihn eindeutig erkennbar gewesen.

Laut übereinstimmenden Schilderungen des Rechtsmittelwerbers und seiner Lebensgefährtin, der Zeugin R, hat der Rechtsmittelwerber zu dieser Zeit, so auch in der Nacht zum 1. Juni 1996 im Lokal "P" in S, S, gearbeitet, kam in der Regel zwischen 7.00 Uhr, 8.30 Uhr früh heim und legte sich schlafen. Um ihn nicht zu stören, machte die Zeugin in der Zwischenzeit Erledigungen und fuhr laut eigenen Angaben am 1. Juni 1996 zur angegebenen Zeit einkaufen in den Merkur-Markt. Die Zeugin hat ausgeführt, sie sei sicher, daß eine Verwechslung vorliegen müsse, weil ganz sicher sie den PKW zum damaligen Zeitpunkt, einem Samstagvormittag, gelenkt habe. Sie und der Rechtsmittelwerber seien oft gleich angezogen und sie trage beim Einkaufen normalerweise einen Trainingsanzug, eine Kappe und habe das Haar hinten zu einem Zopf geflochten. Bei flüchtigem Hinschauen habe daher sicher eine Ähnlichkeit bestanden und sie seien auch von guten Bekannten öfter verwechselt worden. Der Rechtsmittelwerber hat ausgeführt, er habe den PKW, der getönte Scheiben gehabt habe, inzwischen weiterverkauft. Er habe ihn zum damaligen Zeitpunkt mit Sicherheit nicht selbst gelenkt und von dem Vorfall erst zweieinhalb Wochen später durch den Ladungsbescheid der Erstinstanz erfahren. Er habe nachträglich diesen Vormittag rekonstruiert und sei zu dem Schluß gekommen, daß er zum angegebenen Zeitpunkt zuhause geschlafen habe, sodaß nur seine Lebensgefährtin den PKW habe lenken können. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde ein Ortsaugenschein an der vom Meldungsleger angegebenen Stelle beim Haus K in S durchgeführt, bei dem auch eine Fahrprobe mit einem VW Golf mit leicht getönten Scheiben, die aber nach Aussage des Rechtsmittelwerbers nicht mit der bei dem damals gelenkten Audi Quattro vergleichbar seien, durchgeführt wurde. Dabei wurde festgestellt, daß bei einer Vorbeifahrt eines PKW mit getönten Scheiben mit der vom Meldungsleger angegebenen Geschwindigkeit eine einwandfreie Beobachtung des Lenkers nicht ohne weiteres möglich ist. Bei der Annäherung dieses PKW wurde festgestellt, daß der in der Mitte der Windschutzscheibe befindliche Rückspiegel in der Annäherungsphase etwa auf den letzten 20 m das Gesicht des Lenkers vom Beobachtungsstandort des Meldungslegers aus zumindest teilweise verdeckt, sodaß jedenfalls eine Person auf dem Beifahrersitz leichter erkennbar wäre. Hat aber der Zeuge, wie er angibt, den Lenker von schräg vorne durch die Windschutzscheibe gesehen, so ist außerdem fraglich, inwieweit beim durch die Körpergröße des Zeugen anzunehmenden Blickwinkel - der Zeuge hat nicht behauptet, in die Knie gegangen zu sein - das Gesicht voll erkennbar war. Bei der Fahrprobe wurde festgestellt, daß eine Einsichtsmöglichkeit auf das Gesicht nur wenige Sekunden besteht, zumal dieses zunächst durch den Innenspiegel und im Zuge des Vorbeibewegens durch das Fahrzeug selbst verdeckt wird. Selbst wenn davon ausgegangen wird, daß die Lichtverhältnisse für die Beobachtung des Meldungslegers günstig waren - eine Schattenbildung durch die Alleebäume kann in diesem Zusammenhang ausgeschlossen werden -, so ist doch durch die getönten Scheiben von einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Beobachtungsmöglichkeit auszugehen.

Dazu kommt, daß die tatsächliche Ähnlichkeit der Zeugin R mit dem Rechtsmittelwerber nicht von der Hand zu weisen ist. Beide waren bei der mündlichen Verhandlung annähernd gleich gekleidet, beide haben dunkle längere Haare, eine schmale längliche Gesichtsform und die gleiche Gesichtsfarbe. Es ist durchaus vorstellbar, daß während der kurzen Zeitspanne, in der das Fahrzeug am Meldungsleger vorbeigefahren ist und dieser uneingeschränkt von vorne durch die Windschutzscheibe Sicht auf den Lenker hatte, dieser tatsächlich den ihm bekannten Rechtsmittelwerber zu erkennen meinte, obwohl es sich tatsächlich um die Zeugin R gehandelt haben könnte, auch wenn der Meldungsleger glaubhaft ausgeführt hat, die Zeugin sei ihm unbekannt gewesen und, wenn er gesehen hätte, daß das ihm ebenfalls unbekannte Fahrzeug von einer Frau gelenkt worden wäre, er nie auf den Rechtsmittelwerber gekommen wäre, wobei auch kein Anlaß für eine Zulassungsanfrage bestanden hätte.

Beweiswürdigend ist zu sagen, daß die Beschuldigtenverantwortung und die Zeugenaussage Roeseler im Hinblick auf die damalige Beschäftigung des Rechtsmittelwerbers als Türsteher im Lokal "P" durchaus als schlüssig anzusehen sind - aus diesem Grund wurde auch von der Einvernahme der angebotenen Zeugen T P und F M abgesehen - und auch das Schlafbedürfnis des Rechtsmittelwerbers nach einer die Nacht über dauernden Tätigkeit in einem Lokal entspricht durchaus der allgemeinen Lebenserfahrung. Nachvollziehbar ist auch, daß die Zeugin, um den Schlaf des Rechtsmittelwerbers in der engen Wohnung nicht zu stören, diese zwecks Besorgungen der am Samstagvormittag üblichen Einkäufe verlassen hat. Nicht erklärbar ist allerdings, warum in die vom Meldungsleger initiierte Funkfahndung trotz der damaligen Fahrtrichtung des PKW nicht doch auch die Wohnung des Rechtsmittelwerbers einbezogen wurde. Der unabhängige Verwaltungssenat hatte nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung die bei der mündlichen Verhandlung aufgenommenen Beweise - weitere wurden weder beantragt noch scheinen solche zielführend - entsprechend zu werten. Dabei traten weder Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen der Zeugin R und des Rechtsmittelwerbers zutage, noch bestehen Zweifel dahingehend, daß der Meldungsleger aus seiner Sicht nicht tatsächlich den Rechtsmittelwerber als Lenker des PKW zu erkennen vermeinte. Ihm war bekannt, daß der Rechtsmittelwerber des öfteren Kraftfahrzeuge ohne die erforderliche Lenkerberechtigung gelenkt hat, jedoch war bei der zeugenschaftlichen Befragung auszuschließen, daß er dem Rechtsmittelwerber gegenüber voreingenommen ist oder war. Er hat auch bei der Verhandlung und insbesondere beim Ortsaugenschein seine Beobachtungen und die Umstände, unter denen diese Beobachtungen erfolgt sind, schlüssig dargelegt, sodaß grundsätzlich kein Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit besteht. Aus den oben genannten Überlegungen, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeugin R mit dem Rechtsmittelwerber, die besonders bei einem nur kurzen In-Erscheinung-Treten möglicherweise verstärkt war, ist jedoch eine Verwechslung der Zeugin mit dem Rechtsmittelwerber nicht gänzlich auszuschließen.

Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt auf der Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und insbesondere des Ortsaugenscheins und der durchgeführten Fahrprobe zu der Auffassung, daß letztlich nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit gesagt werden kann, ob es sich beim damals vom Meldungsleger beobachteten Lenker des Fahrzeuges tatsächlich um den Rechtsmittelwerber gehandelt hat. In rechtlicher Hinsicht war daher im Zweifel für den Beschuldigten spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Wegschaider Beschlagwortung: Beweisverfahren ergab keine eindeutige Aussagemöglichkeit über die Lenkereigenschaft -> Einstellung im Zweifel.

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