Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-104598/14/Weg/Km

Linz, 12.05.1998

VwSen-104598/14/Weg/Km Linz, am 12. Mai 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des M K vom 21. April 1997 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 15. April 1997, VerkR96-20426-1996-Ro, nach der am 29. April 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1 und Z2, § 51 Abs.1, § 51i VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat unter der Zl. VerkR96-20426-1996-Ro am 15. April 1997 nachstehendes Straferkenntnis (wörtliche Wiedergabe) erlassen:

"Sehr geehrter Herr K! Sie lenkten am 11.10.1996 um 22.20 Uhr ein Motorfahrrad der Marke S auf der sogenannten Ortsdurchfahrt von G, Bezirk B, aus Richtung Sportanlagen von G kommend bis hinter das Anwesen G 1. und haben sich am 11.10.1996 um 22.40 Uhr, beim Anwesen G gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht, einem Gendarmeriebeamten, geweigert, Ihre Atemluft mittels Alkomat auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl aufgrund von Alkoholisierungsmerkmalen vermutet werden konnte, daß Sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben, 2. obwohl dieses nicht zum Verkehr zugelassen war, 3. obwohl die vorgeschriebene Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung nicht bestand, 4. und haben, wie bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO festgestellt wurde, den Sturzhelm nicht bestimmungsgemäß verwendet.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1. § 5 Abs.2 StVO 1960 2. § 36 lit.a KFG 1967 3. § 36 lit.d KFG 1967 4. Art.IV Abs.5 lit.a BGBl.Nr. 615/1977 i.d.F. BGBl.Nr. 253/1984 Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Gemäß Punkt 1. § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 Punkt 2. - 4. § 134 Abs.1 KFG 1967 Geldstrafen von:

1. S 10.000,-2. S 500,-3. S 500,-4. S 200,-Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von:

1. 10 Tagen 2. 24 Stunden 3. 24 Stunden 4. 12 Stunden Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes zu zahlen:

1. S 1.000,-2. S 50,-3. S 50,-4. S 20,-als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich S 200,-- angerechnet); Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe, Kosten, Barauslagen) beträgt daher:

S 12.320,--." 2. Dagegen brachte der Beschuldigte rechtzeitig und auch sonst zulässig Berufung ein, in welcher er einwendet nicht der Lenker des Motorfahrrades gewesen zu sein. Er führt dazu näher aus, daß er überhaupt kein Moped lenken könne und somit als Täter ausscheide. Daß er an der Trainingsjacke wiedererkannt worden sei, sei nicht schlüssig, weil es in der Pension (in der er wohnt) viele Personen gebe, die solche Trainingsjacken tragen. Er könne auch mehrere Personen anführen, die bezeugen könnten, daß er das Mofa nicht gelenkt hat, nämlich I S und Z K. Ihm sei unerklärlich wie ihn die Gendarmeriebeamten bei Dunkelheit und im Gegenverkehr erkennen könnten. 3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Vernehmung des Beschuldigten, durch zeugenschaftliche Befragung der vom Beschuldigten namhaft gemachten Personen Z K und I S sowie durch zeugenschaftliche Befragung der Gendarmeriebeamten G S und R W anläßlich der am 29. April 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der A K, der Sohn des Beschuldigten, die Funktion eines Dolmetsch übernahm.

Bei der Beurteilung der Zeugenaussagen war mitzubedenken, daß sich der Vorfall am 11. Oktober 1996 um 22.20 Uhr, also zu nächtlicher Stunde zugetragen hat. Es war mitzuberücksichtigen, daß die sich begegnenden Fahrzeuge (Patrouillenfahrzeug und Motorfahrrad) das Abblendlicht eingeschaltet hatten und eine (zumindest geringfügige) Blendwirkung nicht auszuschließen ist. Wenn man des weiteren bedenkt, daß die Beobachtungsmöglichkeit nur auf wenige Augenblicke eingeschränkt war, ist die Möglichkeit eines Beobachtungsirrtums zumindest denkmöglich. Es steht jedenfalls fest, daß die Gendarmeriebeamten ein Motorfahrrad im Gegenverkehr bemerkten, auf welchem zwei Personen saßen. Diese Personen trugen keinen Sturzhelm, was auch der Grund des Entschlusses zu Aufnahme der Verfolgung war. Durch das Wendemanöver verloren die Gendarmeriebeamten das Motorfahrrad aus den Augen. Auf der Suche danach begaben sie sich ca. 5 Minuten später in die Pension S, in welcher viele Flüchtlinge ihren Aufenthalt hatten. Dabei begegnete den Gendarmeriebeamten der Beschuldigte im Hof des Gebäudes. Dieser war mit einer Trainingsjacke bekleidet, welche jener glich, die der vorher beobachtete Mopedlenker trug. Ein Motorfahrrad wurde schließlich auch aufgefunden und zwar zwischen den Gebüschen dieses Anwesens und ohne Kennzeichen. Der Motor war noch warm. Der Beschuldigte, der der deutschen Sprache in keiner Form mächtig war, bestritt unter Zuhilfenahme seines dolmetschenden Sohnes, mit dem Moped gefahren zu sein. Den Alkotest verweigerte er etwa mit den Worten: "Nix fahren mit Moped. Nix machen Alkotest". Bei der mündlichen Verhandlung gaben I S und Z K dem Beschuldigten insofern ein Alibi, als sie behaupteten, mit dem Berufungswerber während des Abends beisammengewesen zu sein und mehrere Flaschen Bier getrunken zu haben. Beide Zeugen führten aus, daß der Beschuldigte überhaupt kein Moped lenken könne und somit auch aus diesem Grunde nicht gefahren sein könne. Der Beschuldigte selbst beteuerte, er sei noch niemals mit einem Moped gefahren und könne im übrigen überhaupt nicht Moped fahren. Er könne höchstens und auch das habe er schon jahrelang nicht probiert, mit einem Rad fahren. Der Beschuldigte ist dickgesichtig, hat einen kurzgeschnittenen Schnauzbart und sah seinem bei der Verhandlung anwesenden Bruder auch wegen dieser Gesichtsform und dem Schnauzbart sehr ähnlich. Ob eine andere von den angeblich ca. 50 Personen der Pension S dem Berufungswerber ähnlich sieht, konnte nicht eruiert werden. Es war auch nicht sicher, daß das letztlich zwischen den Gebüschen aufgefundene Moped jenes war, welches von den Gendarmeriebeamten vorher beobachtet wurde. Es ist dies allerdings wahrscheinlich, weil einerseits der Motor des aufgefundenen Mopeds noch warm war und andererseits (wie das beobachtete Moped) ein Kennzeichen nicht montiert war. Wenn die Gendarmeriebeamten anläßlich der mündlichen Verhandlung ausführten, im Begegnungsverkehr eine Person als Lenker erkannt zu haben, die ausgesehen hat, wie der später im Hof der Pension S aufgegriffene Beschuldigte, so kann (zumindest im Zweifel) dennoch nicht von der Lenkeigenschaft ausgegangen werden und zwar aufgrund folgender Umstände, die noch einmal wie folgt zusammengefaßt werden: Nachtzeit; Abblendlichter, die gegenseitig blenden; nur sehr kurze Beobachtungsmöglichkeit des Gesichtes des Lenkers; keine direkte Verfolgung des Beschuldigten; Alibi durch die Zeugen S und K dahingehend, daß der Beschuldigte mit ihnen Bier getrunken habe und das gemeinsam zum Biertrinken verwendete Zimmer nur zwei oder drei Minuten verließ; Aussage dieser Zeugen, daß der Beschuldigte unkundig ist, ein Moped zu lenken; Möglichkeit das eine andere ähnlich aussehende Person Lenker des Mopeds war.

Zur Alkotestverweigerung ist sachverhaltsmäßig noch festzustellen, daß der Verdacht des Lenkens eines Fahrzeuges in einem vermutlich alkoholbeeinträchtigten Zustand vorlag und der Alkoholisierungsmerkmale aufweisende Beschuldigte die Durchführung des Alkostests verweigerte. Eine Aufklärung darüber, daß sich die Verpflichtung zum Alkotest bereits ergibt, wenn Lenkerverdacht besteht, ist nicht erfolgt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Hinsichtlich der Fakten 2, 3 und 4 des Straferkenntnisses ist Tatbildvoraussetzung das Lenken eines Motorfahrrades. Nachdem das Lenken - wie oben ausgeführt - nicht mit einer für ein Strafverfahren ausreichenden Sicherheit als erwiesen anzunehmen ist, war in Befolgung des § 45 Abs.1 Z1 VStG der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis diesbezüglich zu beheben und das Verfahren einzustellen.

Wie schon oben angedeutet, knüpft die Verpflichtung zur Durchführung des Alkotests an den Verdacht, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigen Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben. Diese Verdachtsmomente lagen zweifelsohne vor. Das bedeutet, daß der Berufungswerber dem Buchstaben des Gesetzes entsprechend den Alkotest hätte durchführen müssen. Daß diese Verpflichtung (so zumindest der VwGH) auch dann besteht, wenn sich im nachhinein herausstellt, daß die Lenkeigenschaft nicht vorliegend war, ist weithin unbekannt. Diese Unkenntnis kann in Ausnahmefällen schuld- und strafbefreiend wirken. Ein derartiger Ausnahmefall wird als vorliegend angenommen.

Im gegenständlichen Fall ist nämlich der Berufungswerber, der der deutschen Sprache in überhaupt keiner Form mächtig war, kein Führerscheininhaber und auch sonst (außer als Fußgänger) kein Verkehrsteilnehmer, sodaß von ihm diese Feinstkenntnisse des § 5 StVO 1960 nicht erwartet und auch nicht verlangt werden können. Eine Aufklärung durch die Gendarmeriebeamten, daß nämlich die Verpflichtung zum Alkotest schon an den Verdacht des Lenkens knüpft, ist ebenfalls nicht erfolgt, einerseits weil Sprachbarrieren bestanden und andererseits, weil die Gendarmeriebeamten von der Lenkung ausgegangen sind und deshalb keine Notwendigkeit für diese Aufklärung bestand.

Dem Berufungswerber wird also im Sinne des § 5 Abs.2 VStG eine entschuldigende Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift des § 5 Abs.2 zweiter Satz StVO 1960 zugebilligt, also ein die Strafbarkeit aufhebender Schuldausschließungsgrund zuerkannt, weshalb gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG spruchgemäß zu entscheiden war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Wegschaider Beschlagwortung: Berufung verspätet

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum