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des Landes Oberösterreich
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VwSen-104674/3/Ki/Shn

Linz, 14.07.1997

VwSen-104674/3/Ki/Shn Linz, am 14. Juli 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Sefedin J vom 26. Mai 1997 gegen das Straferkenntnis der BH Grieskirchen vom 12. Mai 1997, VerkR96-1451-1997, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG zu II: § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die BH Grieskirchen hat mit Straferkenntnis vom 12. Mai 1997, VerkR96-1451-1997, über den Berufungswerber (Bw) gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden) verhängt, weil er am 23.12.1996 um 03.45 Uhr im Gemeindegebiet von Kematen a. Innb., Bezirk Grieskirchen, Oberösterreich, auf der Innkreisautobahn A 8 auf Höhe des Strkm.s 26,303 von Wels kommend in Richtung Suben fahrend als Lenker des Kombis der Marke Mercedes, Type 123 T, mit dem behördlichen Kennzeichen (D) die Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen Umständen, insbesondere den Verkehrs-, Straßen- und Sichtverhältnissen sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung angepaßt hat, zumal er bei einer Fahrgeschwindigkeit von 90 - 100 km/h bei eisglatter Fahrbahn vorerst mit seinem Kraftfahrzeug rechts von der Fahrbahn abkam, gegen eine Leitschiene stieß, in weiterer Folge zwischen der Leitschiene und der Lärmschutzwand durchfuhr und nach 102 m im Straßengraben mit seinem Fahrzeug zum Stillstand kam, wobei sich er und sein Mitfahrer Herr B verletzten (verletzte Rechtsvorschrift § 20 Abs.1 StVO 1960). Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 100 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schreiben vom 26. Mai 1997 Berufung. Er führt begründend aus, daß am besagten Morgen er sehr wohl seine Geschwindigkeit den Umständen, den Straßenverkehrszeichen und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung angepaßt hat. Doch wie aus heiterem Himmel habe es plötzlich zu regnen begonnen. Der Regen sei sofort auf der Windschutzscheibe zu Eis angefroren und schon im selben Augenblick habe er gemerkt, daß der Straßenbelag auch von einer auf die andere Sekunde eisglatt war. Es sei für ihn unmöglich gewesen, die Geschwindigkeit, welche er ja schon der Straßenkennzeichnung und der Wintersaison angepaßt hatte, noch einmal zu verringern, da sich das von ihm gelenkte Fahrzeug schon im selben Augenblick auch nicht mehr von ihm beeinflussen ließ. Er sei sich sicher, daß es an diesem Morgen aufgrund "höherer Gewalt" zu sehr vielen unverschuldeten Unfällen gekommen sein muß. I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nicht anzuberaumen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.1 VStG).

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und wie folgt erwogen:

Gemäß § 20 Abs.1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen, sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.

Der Bw fuhr zum Vorfallszeitpunkt unbestritten eine Geschwindigkeit von 90 bis 100 km/h und es steht außer Frage, daß diese Geschwindigkeit im Fall einer eisglatten Fahrbahn bei weitem als überhöht anzusehen ist. Der Bw hat sohin durch sein Verhalten den ihm vorgeworfenen Tatbestand in objektiver Hinsicht verwirklicht.

Im vorliegenden Fall stellt sich jedoch die Frage, ob dieses Verhalten dem Bw in subjektiver Hinsicht (§ 5 VStG) vorgeworfen werden kann. Er rechtfertigt sich damit, daß es plötzlich zu regnen begann und der Regen sofort auf der Windschutzscheibe zu Eis angefroren ist bzw er bemerkte, daß auch der Straßenbelag von einer auf die andere Sekunde eisglatt war. Er habe daher sein Fahrzeug nicht mehr beherrschen können.

Die Erstbehörde hat die beiden Gendarmeriebeamten, welche die Unfallsaufnahme durchführten, als Zeugen einvernommen. Beide Beamte haben ausgesagt, daß etwa im Bereich des vorgeworfenen Tatortes die Fahrbahn zwar eisglatt, im Bereich Wels jedoch bloß naß war. Einer der Beamten hat festgestellt, daß er nicht sagen könne, ob der Eisregen plötzlich im Unfallbereich erfolgte, zumal dies geographisch verschieden sein kann. Es sei seiner Meinung nach eher unwahrscheinlich, daß von einer Sekunde auf die andere die Fahrbahn total vereist sei.

Der zweite Meldungsleger hat überdies festgestellt, daß sie die eigene Fahrgeschwindigkeit den Verhältnissen entsprechend einstellten. Er habe zu seinem Kollegen gesagt, daß er "gemütlicher" fahren solle. An der Unfallstelle habe er feststellen können, daß für die meisten Verkehrsteilnehmer die Fahrgeschwindigkeit für diese Verhältnisse zu hoch war. Entgegen der Auffassung des einen Zeugen, wonach es eher unwahrscheinlich sei, daß die Fahrbahn von einer Sekunde auf die andere total vereisen könne, vertritt die erkennende Berufungsbehörde die Auffassung, daß es durchaus der Lebenserfahrung entspricht, daß unter besonderen Umständen eine plötzliche Vereisung eintritt, mit welcher ein Fahrzeuglenker grundsätzlich nicht zu rechnen braucht. Daß dies im vorliegenden Fall so gewesen sein könnte, wird auch dadurch erhärtet, daß, wie einer der beiden Zeugen angegeben hat, die meisten Verkehrsteilnehmer die Fahrgeschwindigkeit noch nicht den Verhältnissen angepaßt haben. Selbst der Lenker des Dienstfahrzeuges dürfte, geht man vom Wortlaut der Zeugenaussage des Beifahrers, wonach er "gemütlicher" fahren solle, aus, vorerst eine etwas höhere Geschwindigkeit gefahren sein.

Nachdem auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist, wonach das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zugrundezulegen ist, ist iSd Berufungsentscheidung zu berücksichtigen, daß, ausschließlich bezogen auf den konkreten Vorfall, eine plötzlich aufgetretene Vereisung nicht auszuschließen ist und der Bw, wie er in seiner Rechtfertigung ausführte, nicht mehr in der Lage war, seine Geschwindigkeit rechtzeitig den Fahrbahnverhältnissen anzupassen.

Nachdem somit nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit festgestellt werden kann, daß dem Bw sein inkriminiertes Verhalten in subjektiver Hinsicht vorwerfbar ist, war der Berufung Folge zu geben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Mag. K i s c h

Beschlagwortung: Fahrbahnvereisung; subjektive Zumutbarkeit der Einhaltung einer angepaßten Fahrgeschwindigkeit

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