Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104706/11/BR

Linz, 05.11.1997

VwSen-104706/11/BR Linz, am 5. November 1997

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Im Grunde des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1997, Zl. B 1631/97-9 erkennt der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn J vertreten durch Dr. E, Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau, vom 26. Mai 1997, AZ.: VerkR96-458-1997-Kb, wegen Übertretungen des KFG 1967 und der StVO 1960, im nunmehr zweiten Rechtsgang in den Punkten 2a, 2b und 2c zu Recht:

I. Der Berufung wird im Punkt 2a) keine Folge gegeben;

 

In den Punkten 2b) und 2c) wird der Berufung mit der Maßgabe Folge gegeben, daß die Geldstrafen auf 600 S und die Ersatzfreiheitsstrafen auf 30 Stunden ermäßigt werden.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG iVm § 19, § 20, § 24, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1, § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG.

 

II. Als Kosten für das Berufungsverfahren werden im Punkt 2a) 240 S auferlegt (20% der verhängten Strafe).

In den Punkten 2b) und 2c) ermäßigen sich die erstinstanzlichen Verfahrenskosten auf je 60 S. Für das Berufungsverfahren entfallen in diesen Punkten die Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 und 2, § 65 und § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wider den Berufungswerber insgesamt sechs Geldstrafen (1x 800 S, 3x 1.200 S und 2x 500 S [gesamt 5.400 S] und 1x 36 Stunden, 3x 48 Stunden und 2x 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt und folgende Tatvorwürfe erhoben:

"Sie lenkten am 30.11.1996, um ca. 03.30 Uhr, die Zugmaschine, Marke Massey Ferguson, Typ 3060 Turbo, auf öffentlichen Straßen von B, G weg bis ca. 200 m vor der Ortschaft B, Gemeinde ., und

1. haben das Kraftfahrzeug gelenkt, obwohl Sie nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten Lenkerberechtigung für die Gruppe F waren,

2. haben es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, mit dem Ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand,

a) und als dessen Folge Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten waren, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen, weil Sie die auf der Fahrbahn umgestürzte Zugmaschine trotz Dunkelheit und der nur 3 m breiten Straße liegen ließen ohne sie entsprechend abzusichern.

b) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, zum (gemeint wohl: und) Sie sich vor der amtlichen Tatbestandsaufnahme von der Unfallstelle entfernten,

c) die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen,

3. haben das Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet,

a) obwohl dieses nicht zum Verkehr zugelassen war,

b) obwohl die vorgeschriebene Kraftfahrzeug-Haftpflicht-Versicherung nicht bestand."

 

1.1. Hiezu führte die Erstbehörde begründend im wesentlichen aus, daß die Behörde an der Begehung sämtlicher Übertretungen keine Zweifel hege. Der Berufungswerber habe nach dem Unfall nicht die Gendarmerie verständigt, sondern sei nach Hause gegangen und habe sich schlafen gelegt.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber folgendes aus:

"Gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom

26.5.1997, VerkR96-458-1997-Kb, erhebe ich

Berufung

 

 

an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

Der Rechtfertigung vom 19.3.1997 zu den behördlichen Tatvorwürfen habe ich den Beschluß des LG Ried vom 17.2.1997, 11 Vr 59/97 beigelegt, mit welchem das gegen mich geführte Strafverfahren wegen § § 136 und 88 StGB nach § 9 Abs. 1 Z 1 JGG unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig eingestellt wurde.

Aus der Begründung dieses Beschlusses ergeben sich die gegen mich gerichteten Tatvorwürfe der fahrlässigen Körperverletzung sowie die unbefugte Ingebrauchnahme eines Kraftfahrzeuges.

Da es sich um Jugendstraftaten handelt, wurde das Strafverfahren nach dem JGG abgeführt und dieses nach § 9 JGG beendet, was voraussetzt, daß festgestellt ist, daß ich diese beiden Vergehen zu verantworten habe.

Nach Art.4 Z. 1 des 7. ZP zur MRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

Es ist in der Judikatur unbestritten, daß aufgrund des evolutiv dynamischen Konventionsverständnisses auch das österreichische Verwaltungsstrafrecht eine strafrechtliche Anklage (criminal charge) darstellt, welche unter die zitierte Verfassungsbestimmung zu subsumieren ist.

Das Strafgericht hat das Vergehen § 136 StGB mit der Begründung geahndet, daß ich unzulässigerweise das genannte Kraftfahrzeug von Burgkirchen bis zur späteren Unfallstelle gelenkt habe.

Diese strafgerichtliche Erledigung basiert auf dem gleichen Verhalten (based on den same conduct) wie die von der Verwaltungsstrafbehörde mit Punkt 1 - und 3. ausgesprochenen Bestrafung, welchen allesamt gemein ist, daß mir zur Last gelegt wird, dieses Kraftfahrzeug unzulässigerweise gelenkt zu haben (EGMR vom 23.10.1995, Nr 33/1994/480/562 im Fall Gradinger-Österreich).

Da nach § 37 Abs.2 lit.b KFG ein Kraftfahrzeug nicht zum Verkehr zugelassen werden kann, welches nicht haftpflichtversichert ist, fehlte diese Voraussetzung für die Zulassung zum Verkehr, welche somit gar nicht möglich war.

Eine Zuwiderhandlung gegen die im Abs. 1 angeführten Vorschriften gilt nach § 134 Abs.2 Z 2 KFG nicht als Verwaltungsübertretung, wenn die Tat den Tatbestand eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

Dies ist in Anbetracht der genannten strafgerichtlichen Vergehen und der bezeichneten Verwaltungsübertretungen der Fall, weil sämtlichen Tatvorwürfen das unzulässige Lenken dieses Kraftfahrzeuges von B bis zur späteren Unfallstelle zugrundeliegt.

Meines Erachtens liegen somit unzulässige, konventionswidrige Doppelbestrafungen vor.

In Punkt 2a legt mir die Bezirkshauptmannschaft Braunau eine Zuwiderhandlung gegen § 4 Abs. 1 lit.b StVO zur Last, weil ich es unterlassen habe, nach diesem Verkehrsunfall, als dessen Folge Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten waren, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen, weil ich die auf der Fahrbahn umgestürzte Zugmaschine trotz Dunkelheit und der nur 3m breiten Straße liegen ließ, ohne sie entsprechend abzusichern.

Nach dieser Bestimmung haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammehang steht, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen, wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind.

Schäden für Personen oder Sachen im Gefolge eines Verkehrsunfalles können beispielsweise entstehen, wenn durch ausrinnende Treibstoffe Feuergefahr gegeben ist oder wenn ein Fahrzeug beim Verkehrsunfall auf einen Bahnkörper gerät und befürchtet werden muß, daß Störungen des Eisenbahnbetriebes eintreten können (RV 59). Zur Vermeidung weiterer Schäden sind Glassplitter oder Ölflecken von der Fahrbahn zu beseitigen, ist die Ladung oder das Fahrzeug gegen Abrollen zu sichern (Messiner, StVO i.d.F. der 19.Novelle, MGA 9.Auflage, Anm.6 zu § 4 StVO).

Gegenständlich war kein anderes Fahrzeug vor Ort anwesend, ein Abschleppen oder Wiederaufstellen des Traktors war somit technisch unmöglich. Die einzig mögliche und sinnvolle Absicherungspflicht bestand somit in der Kennzeichnung von Verkehrshindernissen im Sinne des § 89 StVO.

Ist ein mehrspuriges Fahrzeug auf einer Freilandstraße auf einer unübersichtlichen Straßenstelle, bei durch Witterung bedingter schlechter Sicht, Dämmerung oder Dunkelheit zum Stillstand gelangt, so hat der Lenker nach Abs.2 leg.cit.diesen Umstand unverzüglich den Lenkern anderer, auf dem verlegten Fahrstreifen herannahender Fahrzeuge durch das Aufstellen einer nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften genehmigten Warneinrichtung anzuzeigen.

Die Erstbehörde führt bei diesem Tatvorwurf nicht aus, welche Maßnahmen gesetzt hätten werden sollen, was zur entsprechenden Konkretisierung des Tatvorwurfes aber notwendig ist, weil dem Normadressaten bzw. Bestraften gegenüber von der Behörde nicht ein pauschaler Schuldvorwurf erhoben werden darf sondern diesem ein konkretes Fehlverhalten anzulasten ist, was gegenständlich nur eine Übertretung des § 89 StVO i.V.m. § 99 Abs.2 lit.d StVO bedeuten kann, die letztgenannte Bestimmung ist lex. specialis, § 4 StVO lex. generalis.

 

Von der kleinen Platzwunde an der rechten Kopfpartie über dem Ohr (unter den Haaren) hatte ich keine Kenntnis und konnte diese auch nicht sehen.

Wie ich bereits in der Rechtfertigung ausgeführt habe, war es der Bezirkshauptmannschaft nicht möglich, die über mich verhängte Geldstrafe nach § 99 Abs.2 lit.a StVO im Sinne des § 20 VStG außerordentlich zu mildern, weil der Gesetzgeber mit § 100 Abs. 5 StVO die Anwendung der letztgenannten Bestimmung auch bei Verwaltungsübertretungen nach § 99 Abs.2 StVO ausgeschlossen hat.

Dies offenkundig als Reaktion auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.1.1993, 92/02/0280, im Fall Stefan Ö. im Verfahren über dessen Beschwerde gegen ein Erkenntnis des UVS des Landes , welches ein entsprechendes Medienecho gefunden hat.

Selbst Verwaltungsstrafbehörden erster Instanz vertreten die Rechtsansicht, daß der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat, wie dies z.B. der Vertreter der damals belangten Behörde im Verfahren VwSen-103599/18/Bi/Fb vor dem UVS des Landes Oberösterreich betreffend Jugendliche ausgedrückt hat.

Soweit überblickbar teilt aber der UVS des Landes Oberösterreich meine Rechtsansicht nicht, wonach § 100 Abs.5 StVO in der derzeit geltenden Fassung sowohl gleichheitswidrig als auch durch die Bedarfskompetenzbestimmung des Art. 11 Abs.2 B-VG nicht gedeckt ist, dies etwa im Gegensatz zum UVS Steiermark.

Zum Zeitpunkt der Tatbegehung war ich 17 Jahre und gut acht Monate alt und somit Jugendlicher im Sinne des § 4 Abs. 2 VStG, was die einzige Voraussetzung für die Anwendung des § 20 VStG darstellt.

Zur Zeit der Tatbegehung war ich immerhin schon 3 Jahre und mehr als 8 Monate strafmündig, meine absolute Unbescholtenheit fällt daher schon ins Gewicht. Dazu kommt, daß für mich aus dem gegenständlichen Vorfall ein gigantischer wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, bei der dargestellten Lehrlingsentschädigung werde ich Jahre brauchen, bis ich meiner Mutter den Betrag von S 150.000,-- zurückbezahlt habe, welche diese Summe dem Eigentümer des Traktors (meinem Arbeitgeber) bereits bezahlt hat.

Das Strafgericht bescheinigt mir im angesprochenen Beschluß vom 17.2.1997

auch beachtenswerte Beweggründe (Strafmilderungsgrund nach § 34 Z 3 StGB).

Als weitere Strafmilderungsgründe wären jene nach § 34 Z 2, Z 4 (Hilfeersuchen meines Cousins), Z 15, Z 16 und 17 sowie 19 StGB zu berücksichtigen, weswegen ich die Ansicht vertrete, daß die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz mit Geldstrafen das Auslangen finden hätte können, welche die Hälfte der tatsächlich ausgesprochenen Strafen betragen.

Ich stelle daher höflich den

Antrag

der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge meiner Berufung Folge geben und das Verfahren einstellen; in eventu die über mich verhängten Geldstrafen auf die Hälfte reduzieren.

Auf die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung wird verzichtet.

M, am 12.6.1997 mj.J"

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 10.000 S übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war angesichts der unter 3.000 S liegenden Strafsätze nicht erforderlich (§ 51e Abs.2 VStG).

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau, Zl. VerkR96-458-1997-Kb. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber nahm am 30.11.1996 um ca. 03.30 Uhr die nicht zum Verkehr zugelassene und daher auch nicht haftpflichtversicherte Zugmaschine (Marke Massey Ferguson, Typ 3060 Turbo) seines Lehrherrn unbefugt in Betrieb und lenkte sie auf öffentlichen Straßen von Burgkirchen, G Nr. bis ca. 200 m vor die Ortschaft B, Gemeinde W. Dort kam es offenbar auf Grund eines Fahrfehlers zum Umstürzen der Zugmaschine, wobei sein Mitfahrer verletzt wurde. Der Berufungswerber war nicht im Besitz einer Lenkerberechtigung. Nach diesem Unfall versuchte er gemeinsam mit seinem Mitfahrer in einem der nächstgelegenen Häuser Bewohner zu wecken, was jedoch nicht gelungen sein soll. Sodann begab er sich nach Hause und ließ den Traktor auf der drei Meter breiten Fahrbahn, ohne diese Unfallstelle in der Dunkelheit durch geeignete Warnmaßnahmen abzusichern, liegen. Darin gründete eine beträchtliche Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer dadurch, daß es nur unschwer nachvollziehbar leicht zu einer Kollision mit dem nicht gekennzeichneten Hindernis kommen hätte können. Er verständigte von diesem Vorfall auch nicht sofort die Gendarmerie.

Das unfallsbedingte Anschlagen des Kopfes seines Mitfahrers und die damit einhergehende Verletzung war dem Berufungswerber evident.

Im Zusammenhang mit diesem Unfall wurde mit Beschluß des LG Ried, AZ. , wider den Berufungswerber das Strafverfahren wg. § 136 u. § 88 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren unter Anwendung des § 9 Abs.1 Z1 JGG vorläufig eingestellt.

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und bleibt im Ergebnis vom Berufungswerber unbestritten. Entgegen seiner nunmehrigen Darstellung, daß er von der Verletzung seines Beifahrers nichts mitbekommen habe, ist in seinen Angaben in der Niederschrift vor der Gendarmerie am 30. November 1996 widerlegt. Der Verletzte, W. H, gab in seiner Vernehmung an diesem Tag ebenfalls an, daß er oberhalb des rechten Ohres geblutet habe. Wenn nun der Zeuge nach dem Unfall beim Berufungswerber sogar die Nacht verbrachte und vom Unterbleiben der Anzeige zwischen den beiden die Rede war, so vermag der Berufungswerber nicht glaubwürdig darzutun, daß ihm die Verletzung seines Mitfahrers verborgen geblieben wäre.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Inhaltlich kann zwecks Vermeidung von Wiederholungen im wesentlichen auf die von der Erstbehörde zutreffend zitierten Rechtsvorschriften verwiesen werden.

5.1.1. Die gerichtliche Beurteilung des Sachverhaltes unter § 136 StGB (unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen) und § 88 StGB (fahrlässige Körperverletzung) ist nicht mit den hier angezogenen Verwaltungsdelikten tatidentisch. Es kommen daher die Subsidiaritätsbestimmungen der Verwaltungsnormen (KFG und StVO) nicht zum Tragen. Die sogenannte Sperrwirkung der gerichtlichen Befassung mit seinem gegen ein fremdes Gut und fahrlässige Verletzung seines Mitfahrers gerichteten Verhaltens des Berufungswerbers greift hier daher nicht. Die gerichtlichen Delikte betreffen einen völlig anderen Schutzzweck als die hier angezogenen Verwaltungsnormen zum Ziel haben. Mit letzteren wird bezweckt, daß lediglich Personen mit einer Lenkerberechtigung als Lenker von Kraftfahrzeugen am Straßenverkehr teilnehmen und die Kraftfahrzeuge haftpflichtversichert sind, sodaß eine Haftung für durch dieses Kraftfahrzeug geschädigte Dritte - unabhängig vom Vermögen des Eigentümers oder Lenkers - gewährleistet ist; ferner, daß die nach Unfällen erforderlichen Maßnahmen aus Gründen der Verkehrssicherheit, sowie die Feststellung des Sachverhaltes durch die zuständigen Organe gewährleistet wird. Von einer Tatidentität kann hier daher keine Rede sein. Demnach liegt kein mit dem sogenannten "Gradinger-Erkenntnis" (EGMR 23.10.1995, 33/1994/480/562) und dem darin zum Ausdruck gelangenden Verbot der Doppelbestrafung bzw. Doppelverfolgung [ne bis in idem] vergleichbarer Fall vor. Während einerseits die unbefugte Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges in die Kategorie der Eigentumsdelikte einzuordnen ist und zeitlich den auch begangenen Verwaltungsübertretungen vorausging, ist ebenso die fahrlässige Körperverletzung des Mitfahrers mit dem Schutzintentionen der Verwaltungsvorschriften in keiner Weise vergleichbar. Dem Berufungswerber vermag daher in diesem Punkt in seiner in der Berufung dargelegten Rechtsansicht, gestützt auf ein "evolutiv dynamisches Konventionsverständnis", nicht gefolgt werden. Diese Ansicht hätte nämlich zum Ergebnis, daß etwa mit einem strafrechtswidrig erlangten Gegenstand (Fahrzeug) die damit nachfolgend begangenen Verwaltungsübertretungen zeitlich unbegrenzt einer Ahndung entzogen wären. Damit sei verdeutlicht, daß eine Tatidentität in derartigen Fällen nur in einem sehr engen sachlichen Zusammenhang erblickt werden kann (vgl. Kucsko-Stadtlmayer, Das "Gradinger-Urteil" des EGMR, Ecolex 1996, S 50).

5.1.2. Ebenso vermag auch in der Tatumschreibung der unterbliebenen Absicherungspflicht der Unfallstelle und deren Subsumtion gemäß § 4 Abs.1 lit.b StVO 1960 keine Rechtswidrigkeit erblickt werden. Es ist nicht Tatbestandsmerkmal, 'wie' diese Absicherung vorzunehmen gewesen wäre, sondern die Umschreibung des Ereignisses, welches diese Absicherung erfordert hätte. Dies war hier der auf einer schmalen Straße während der Dunkelheit ungesichert liegengelassene (umgestürzte) Traktor.

Die Verpflichtung zur Absicherung der Unfallstelle trifft einen Unfallbeteiligten auch dann, wenn mangels eines Fremdschadens eine Mitwirkungspflicht an der Sachverhaltsfeststellung nicht gegeben wäre. Jedenfalls beim unfallsbedingten Zumstillstandkommen eines Fahrzeuges ist einem Verkehrsteilnehmer diese Verpflichtung nach § 4 Abs.1 lit.b StVO 1960 gesetzlich auferlegt; wenn etwa anläßlich eines solchen Falles die Aufstellung des Pannendreiecks unterbleibt, ist dies unter der gegenständlichen Gesetzesbestimmung zu subsumieren (Messiner, StVO idF d. 19. Nov., 9. Auflage, S 1123, RZ 9, sowie RZ 11). Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungswerbers ist anläßlich eines Unfalles die Spezialnorm nicht der § 89 StVO, sondern vielmehr jene des § 4 Abs.1 lit.b leg.cit., da diese Regel ausdrücklich auf die "aus den Unfallfolgen zu vermeidenden Folgeschäden für Personen und Sachen" abstellt und diesbezüglich allgemein das Gebot an die am Unfall ursächlich Beteiligten"geeignete Maßnahmen"zur Vermeidung solcher Schäden gerichtet ist (VwGH 30.6.1993, 93/02/0066).

Ebenso wäre der Berufungswerber angesichts der Verletzung seines Mitfahrers zur sofortigen Verständigung der Polizei verpflichtet gewesen (§ 4 Abs.2 2. Satz).

5.1.3. Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Kennzeichnung des Verkehrshindernisses bzw. der Absicherung der Unfallstelle ist zu bemerken, daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Diese Unterlassung ist als grober Leichtsinn zu qualifizieren. Den Berufungswerber hätte es offenbar auch nicht überfordert, seinen Begleiter an der Unfallstelle zurückzulassen und zwischenzeitig Hilfe zu holen und dadurch die zur Vermeidung einer durch die Unfallfolgen bestehende Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer zu mindern und folglich raschest Bemühungen zu deren Beseitigung einzuleiten, anstatt sich ins Bett zu legen. Objektiv sorgfaltswidrig wurde folglich dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte (VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Diese auf Seite des Berufungswerbers für das Unterbleiben dieser Kennzeichnung zur Nachtzeit vorliegenden Erschwernisse, rechtfertigten weder deren Unterlassung, noch die Nichtbefolgung der Melde- und Mitwirkungspflicht.

Angesichts der hier typischerweise zum Tragen kommenden Ingerenzpflicht(en) trifft diese Verpflichtung einen Fahrzeuglenker, selbst wenn dieser nicht im Besitz einer Lenkerberechtigung ist und damit mit den einschlägigen Vorschriften nicht gänzlich vertraut sein muß (Messiner, StVO idF d. 19. Nov., 9. Auflage, S 1127, RZ 2).

5.1.4. Die Verpflichtung auch zur Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung besteht immer dann, wenn es sich etwa um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs.2 StVO 1960 besteht; darüber hinaus aber auch dann, wenn ein am Unfall Beteiligter das Einschreiten eines Organes der öffentlichen Aufsicht verlangt oder wenn ein am Unfallsort etwa zufällig anwesendes Organ aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlaßt.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 Abs.1 und 2 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Die Inkaufnahme der Unterlassung der Kennzeichnung und Absicherung einer Unfallstelle - auch wenn dies hier auf widrige Umstände zurückzuführen sein mag - und das Lenken eines nicht haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung, stellt eine schwere Beeinträchtigung gesetzlich geschützter Interessen dar. Das unbekümmerte Liegenlassen eines Traktors auf der Fahrbahn läßt auf mangelhafte Verbundenheit mit elementaren Verhaltensregeln im Straßenverkehr und gesetzlich geschützten Werten schließen, welche auch einem noch Jugendlichen abverlangt werden können müssen. Die von der Erstbehörde in diesem Zusammenhang verhängten Strafsätze sind selbst angesichts der bisherigen Unbescholtenheit und des Umstandes des durch die Wiedergutmachungspflicht mit seinem geringen Einkommen zusätzlich erheblich belasteten jugendlichen Beschuldigten sehr niedrig bemessen worden. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, daß in den Punkten 2a), 2b) u. 2c) nunmehr in Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung von einem Geldstrafrahmen von 250 S bis 30.000 S auszugehen ist. Im Vergleich zum Punkt 2a) mußte angesichts des doch wesentlich geringeren Tatunwertes betreffend die Punkte 2b) und 2c) die Strafe jedoch ermäßigt werden.

6.1.1. Die außerordentliche Milderung der Strafe kommt bei einem Jugendlichen generell unabhängig davon in Betracht, ob die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen (VwGH 92/02/0061, 29.1.1992; Hinweis auf VwGH 24.5.1989, 89/03/0048 = ZfVB 1990/2/231). Da im Lichte des Gesetzesprüfungsverfahrens zu G 216/96 am 9. Oktober 1997 in dem vom Verfassungsgerichtshof erlassenen Erkenntnis die Zahl "20" im § 100 Abs.5 StVO 1960, BGBl.Nr. 159, idF der 19. Novelle, BGBl.Nr. 518/1994 als verfassungswidrig aufgehoben wurde, ist nunmehr die Anwendung der Bestimmung des § 20 VStG (Außerordentliche Milderung der Strafe) wieder offen und hat anlaßfallbedingt zur Anwendung zu gelangen.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat daher vom außerordentlichen Milderungsrecht bei Jugendlichen und somit beim Berufungswerber Gebrauch zu machen. Das bedeutet allerdings nicht, wie bereits im h. Erstbescheid dargelegt wurde, daß zwingend eine die Untergrenze des Strafrahmens unterschreitende Strafe verhängt werden muß. Es ist aber bei der Strafbemessung zu berücksichtigen, daß von einer Untergrenze des Strafrahmens in halber Höhe auszugehen ist (VwGH 31.1.1990, 89/03/0027 = ZfVB 1991/2/202). In den hier im Lichte des höchstgerichtlichen Erkenntnisses wieder offenen Punkten festgesetzten Geldstrafen kommt eine Unterschreitung des Mindeststrafsatzes inhaltlich nicht in Betracht. Der Berufungswerber war daher sachbezogen besehen schon mit dem Erstbescheid in der Strafzumessung nicht benachteiligt, wenngleich nach dem VfGH-Erkenntnis vom 10.10.1997, B1631/97-9, die angewandte Rechtslage an sich für ihn nachteilig erachtet wurde. Es war vielmehr offenkundig, daß eine Unterschreitung des gesetzlichen Strafrahmens nicht in Betracht kommen konnte. Dies wurde auch in der Begründung umfassend dargetan. Eine inhaltliche Präjudizialität wurde daher von hier nicht erblickt, sodaß im Sinne einer schnellen und verfahrensökonomischen Sachentscheidung eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht gezogen wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede diese Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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