Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104744/9/Fra/Ka

Linz, 28.01.1998

VwSen-104744/9/Fra/Ka Linz, am 28. Jänner 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung der Frau A, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. J, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 5.6.1997, VerkR96-1883-1997-Kb, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; die Berufungswerberin hat keine Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über die Berufungswerberin (Bw) 1.) wegen Übertretung des 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 1.000 S (EFS 48 Stunden) und 2.) wegen Übertretung des § 4 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 1.000 S (EFS 48 Stunden) verhängt, weil sie am 28.2.1997, gegen 15.00 Uhr, den PKW mit dem Kz.: , rückwärts auf der Dr.-Bayer-Straße zur Kreuzung mit der Adalbert-Stifter-Straße, 5280 Braunau/Inn gelenkt und es unterlassen hat, nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden auf Höhe der Kreuzung mit der Adalbert-Stifter-Straße, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, 1.) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, zumal sie sich und das Fahrzeug vor der amtlichen Tatbestandsaufnahme von der Unfallstelle entfernte, 2.) die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben. 2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c VStG).

3. Die Berufungswerberin bestreitet, die Unfallsbeteiligte Frau M beim gegenständlichen Vorfall verletzt zu haben. Sie führt aus, daß sie mit ihrem PKW rückwärts gefahren sei, wobei sie an der Kreuzung Dr.-Bayer-Straße zur Stifterstraße stehengeblieben sei, nach links und nach rechts geblickt habe und dann wieder rückwärts gefahren sei. Nach etwa einem Meter habe sie etwas gehört, sofort gebremst und sie sei auch umgehend zum Stillstand gekommen, dies, weil sie mit schleifender Kupplung rückwärts in die Kreuzung eingefahren sei. Sie sei sofort ausgestiegen und habe gesehen, daß eine Fußgängerin im Bereich ihres Fahrzeuges gestanden sei, welche auch bestätigt habe, daß sie nicht zu Sturz gekommen sei. Diese habe auch eine Kollision zwischen dem PKW und ihrem Bein verneint. Das von ihr (gemeint: die Bw) wahrgenommene Geräusch hätte von der Touchierung des Hecks ihres PKW´s mit der Handtasche der Fußgängerin gestammt. Es sei somit klar gewesen, daß sie mit ihrer Stoßstange das Bein der Passantin nicht berührt hätte, weswegen sie davon ausgehen habe dürfen, daß es auch keine Verletzungen geben könne. Dennoch habe sie die Frau gefragt, ob ihr etwas passiert sei, worauf diese ihr gegenüber angegeben hätte, daß ihr nicht gut sei. Das zumindest dreimalige Angebot, sich kurz ins Auto zu setzen, habe die Fußgängerin jedoch abgelehnt. Darauf sei ein ca. 5 bis 10 minütiges Gespräch erfolgt, in welchem sie die Fußgängerin immer wieder gefragt habe, ob ihr etwas passiert sei, oder ob sie verletzt sei. Dies sei von der Fußgängerin immer wieder verneint worden. Die Fußgängerin hätte gesagt, daß ihr nichts fehle und sie auf den Friedhof gehen wolle, woraufhin sie schließlich auch die Unfallstelle verlassen habe. Zuvor habe sie ihr noch einen Zettel mit Name und Anschrift gegeben. Für sie sei daher eine Verletzung der Fußgängerin weder subjektiv noch objektiv erkennbar gewesen. Aufgrund der Tatsache, daß sie die Fußgängerin, obwohl keine Verletzungsfolgen erkennbar gewesen wären, mehrmals gefragt habe, ob sie verletzt sei, oder ihr etwas passiert sei, habe sie ihrer Verpflichtung Genüge getan, indem sie der Fußgängerin einen Zettel mit ihrem Namen und ihrer Anschrift gab. Dazu komme, daß sie habe feststellen können, als sich die Fußgängerin von der Unfallstelle entfernte, daß auch der Gang der Passantin mit ihrer Behauptung, nicht verletzt zu sein, im Einklang stehen würde, da sich aus dem Gangbild nicht der geringste Hinweis auf eine Verletzung ergeben hätte. Im Verfahren vor dem O.ö. Verwaltungssenat stellte die Bw den Antrag, das Verwaltungsstrafverfahren bis zum Abschluß des gerichtlichen Strafprozeßes auszusetzen, weil ihres Erachtens die behauptete Verletzung der Frau M mit dem Unfallsgeschehen nicht in Einklang zu bringen sei. Mit Schreiben vom 16.12.1997 legte die Bw das Gutachten des Institutes für gerichtliche Medizin, Linz, vom 29.7.1997 sowie den Beschluß des Bezirksgerichtes Braunau/Inn vom 25.11.1997, wonach das gegen sie anhängige Strafverfahren nach § 88 Abs.1 StGB gemäß § 451 Abs.2 StPO eingestellt wurde, vor.

Im Gutachten vom 29.7.1997 kommen die Gutachter Dr. J und Dr. U H im wesentlichen zum Ergebnis, daß der Eintritt einer realen Verletzung aus medizinisch gutachterlicher Sicht zu bezweifeln ist, da am PKW der Bw keinerlei Schäden sichtbar waren und auch durch den Anstoß keine sichtbaren Verletzungen bei Frau M verursacht wurden und diese nicht einmal zum Sturz kam. Die von der Zeugin Frau M geäußerten Beschwerden könnten (wenn überhaupt) am ehesten über psychogene Reaktionen mit Somatisierungstendenzen erklärt werden. Eine stationäre Beobachtung war streng genommen nicht indiziert, gründete jedoch wohl als Vorsichtsmaßnahme auf der Überreaktion der Betroffenen. Die Verordnung einer Schanzkrawatte war ebenfalls nicht indiziert, diese läßt sich am ehestens mit der Anamnese eines Verkehrsunfalles in Verbindung bringen. Die am 6. Tag nach dem Unfall konstatierte Schmerzhaftigkeit im Bereich des Außenknöchels links (diese ist weder davor noch danach erwähnt) muß hinsichtlich der Ursächlichkeit offenbleiben. Die Tatsache, daß laut eigenen Angaben Frau M zwei Monate die Wohnung nicht verlassen konnte, ist mit gewissen psychischen Irritationen der Persönlichkeit in Verbindung zu bringen. Einen plausiblen Grund, dies als Folge des Verkehrsunfalles anzusehen, gibt es nicht. Abschließend kommen die Gutachter zum Ergebnis, daß sich unfallskausal keine Verletzungsfolgen aufzeigen lassen und strenggenommen eine Verletzung nicht bewiesen ist. Im oa. Einstellungsbeschluß stellt der Richter Dr. L ua. fest, daß der Umstand, daß die Verletzte nicht umfiel, ja nicht einmal in ihrer Position verändert wurde, offenbar nicht, wie sie vermutete, auf ihr besonderes Training zurückzuführen ist, sondern auf eine extrem geringe Anstoßenergie, sodaß von irgendwelchen kausalen Schmerzen im direkt nicht betroffenen Halsbereich keine Rede sein kann und davon auszugehen ist, daß der psychische Zustand der Verletzten die subjektiv empfundenen Schmerzzustände förderte und eine Fehlbehandlung im Krankenhaus diese Zustände verstärkte. Auf der Grundlage des oa Gutachtens, welches schlüssig und plausibel ist, geht der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich davon aus, daß Frau M keine unfallskausale Verletzung erlitten hat, weswegen hier kein Verkehrsunfall im Sinne des Gesetzes vorliegt, was rechtlich zur Folge hat, daß das Verhalten der Bw nicht unter die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen zu subsumieren ist. Ergänzend wird bemerkt, daß der Bw, selbst dann, wenn Frau M unfallskausale Verletzungen erlitten hätte, unter den gegebenen Umständen - siehe oben - ein nicht auf fahrlässiges Verhalten zurückzuführender Tatbildirrtum nach § 8 StGB zuzubilligen wäre. Ein derartiger Irrtum würde ebenfalls die Strafbarkeit des der Bw zur Last gelegten Verhaltens aufheben. Aus den angeführten Gründen wurde spruchgemäß entschieden. 4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten. Dr. F r a g n e r

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