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des Landes Oberösterreich
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VwSen-104810/15/Ki/Shn

Linz, 13.11.1997

VwSen-104810/15/Ki/Shn Linz, am 13. November 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des W, vom 17. Juli 1997 gegen das Straferkenntnis der BH Braunau/Inn vom 2. Juli 1997, VerkR96-2634-1997-Pre, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 10. November 1997 zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird hinsichtlich Faktum 1 des angefochtenen Straferkenntnisses als unbegründet abgewiesen, diesbezüglich wird das angefochtene Strafer- kenntnis vollinhaltlich bestätigt. Hinsichtlich Faktum 2 wird der Berufung Folge gegeben, diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Hinsichtlich Faktum 1 hat der Berufungswerber zu den Verfahrenskosten 1. Instanz als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von 80 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, zu entrichten. Hinsichtlich Faktum 2 entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Ver- fahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG bzw § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die BH Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 2. Juli 1997, VerkR96-2634-1997-Pre, dem Berufungswerber (Bw) vorgeworfen, er habe am 13.4.1997 den PKW, Marke Mazda 626, mit dem amtlichen Kennzeichen, in Braunau am Inn 1. in der Zeit von ca 10.00 - 10.10 Uhr auf der Talstraße vor dem Geschäftseingang des Sanitätshauses Lambert, Haus Talstraße Nr. 2, im Bereich des Vorschriftszeichen "Halten und Parken verboten" abgestellt und 2. um ca 10.10 Uhr, auf der Talstraße, in Fahrtrichtung Salzburgerstraße gelenkt und habe als Lenker bei der Beförderung zweier Kinder unter 12 Jahren, welche kleiner als 150 cm waren, auf einem Sitzplatz, der mit Sicherheitsgurten ausgerüstet war, nicht dafür gesorgt, daß geeignete, der Größe und dem Gewicht der Kinder entsprechende Rückhalteeinrichtungen verwendet wurden. Er habe dadurch 1) § 24 Abs.1 lit.a StVO 1960 und 2) § 106 Abs.1 lit.b KFG 1967 verletzt. Wegen der Verwaltungsübertretungen wurden über ihn 1) gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 400 S (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) und 2) gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe in Höhe von 800 S (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 120 S (jeweils 10 % der verhängten Geldstrafen) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schreiben vom 17. Juli 1997 Berufung. Er bestreitet den Tatvorwurf hinsichtlich Faktum 2 und behauptet, daß die Kinder auf der Rückbank auf Kindersitzen gesessen und angeschnallt waren. Er habe das Fahrzeug an diesem Tage von Frau Sabine W ausgeliehen. Frau W habe ebenfalls Kinder und es wären seither in diesem Auto zwei Kindersitze vorhanden. Die Anzeiger seien nicht näher als 20 Meter an das Auto herangekommen. Hinsichtlich Faktum 1 argumentiert der Bw, daß er keinen Parkplatz gefunden und daher kurz sein Fahrzeug am Behindertenparkplatz abgestellt habe.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 10.000 S übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 10. November 1997. Bei der Berufungsverhandlung wurden als Zeugen Frau Sabine W, Frau Anita H sowie Herr Fred H einvernommen. Eine Vertreterin der Erstbehörde war bei der Verhandlung anwesend. Der Bw selbst ist ohne Angabe von Gründen zur mündlichen Berufungsverhandlung nicht erschienen. I.5. Frau W bestätigte bei ihrer Einvernahme im wesentlichen, daß es richtig sei, daß sich der Bw von ihr das Fahrzeug ausgeborgt habe. Es sei ihr bekannt, daß er mit dem Fahrzeug öfter seine Tochter abhole. Sie habe selbst zwei Kinder und es wären deshalb im Auto Kindersitze vorhanden. Diese seien immer im Fahrzeug. Nach dem Vorfall habe das Fahrzeug vermutlich wegen des gegenständlichen Anlasses bei Gendarmeriebeamten vorgeführt werden müssen. Es sei dort dem Bw erklärt worden, daß, nachdem die Kindersitze im Fahrzeug waren, alles in Ordnung sei. Die Zeugin könne sich auch nicht vorstellen, daß der Bw die Kindersitze für die kurze Fahrt ausgebaut hätte.

Frau H hat bei ihrer Einvernahme erklärt, daß sie und ihr Mann die Tochter begleitet hätten. Sie habe dann gesehen, daß keine Kindersitze im Fahrzeug gewesen wären und habe den Bw danach befragt. Der Bw habe erklärt, daß irgendetwas mit dem Gurt nicht in Ordnung sei und er die Tochter deshalb nicht angurte. Sie habe daraufhin ihre Tochter zurückgerufen, der Bw habe jedoch die Tochter festgehalten bzw ist dann die Tochter in das Auto geklettert. Auf nochmaliges Befragen führte die Zeugin dann aus, daß sie keine Kindersitze gesehen habe, sie wäre mit ihrem Gatten beim Fahrzeug vorbeigegangen und hätte keine Kindersitze gesehen. Ob nicht doch irgendwelche Kindersitzerhöhungen vorhanden waren, habe sie jedoch nicht gesehen. Herr H bestätigte, daß der Bw damals seine Tochter abgeholt habe. Weder er noch seine Gattin hätten einen Führerschein. Der Bw habe ca 10 Meter vom Fahrzeug entfernt seine Tochter übernommen und alleine zum Fahrzeug begleitet. Der Bw sei dann an ihnen vorbeigefahren und er habe feststellen können, daß noch ein weiteres Kind im Fahrzeug war. Auf Befragen führte der Zeuge aus, daß er keine Kindersitze gesehen habe. Ob nicht trotzdem Kindersitze im Fahrzeug gewesen sein könnten, das könne er nicht sagen. Die Gattin habe dem Bw gefragt, warum er die Kinder nicht angurte, dieser habe erklärt, daß der Gurt kaputt wäre und nicht funktioniere. I.6. In freier Beweiswürdigung vertritt die Berufungsbehörde die Auffassung, daß den Zeugen, jedenfalls subjektiv gesehen, keine unwahren Aussagen zu unterstellen sind. Allerdings ist im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung hervorgekommen, daß die beiden Belastungszeugen den Vorfall möglicherweise aufgrund einer subjektiven Annahme zur Anzeige gebracht haben. Sie haben zwar keine Kindersitze im Fahrzeug gesehen, konnten jedoch letztlich nicht angeben, ob nicht tatsächlich solche vorhanden waren. Das Vorhandensein dieser Kindersitze wurde letztlich durch die vom Bw genannte Zeugin glaubhaft bestätigt. Was die Frage anbelangt, ob die Kinder angegurtet waren, so ist ebenfalls nicht mit Sicherheit feststellbar, daß dies nicht der Fall war. Die beiden Belastungszeugen behaupten zwar übereinstimmend, daß der Bw argumentiert hätte, der Sicherheitsgurt war kaputt, andererseits konnten sie aber bei der Vorbeifahrt des Bw offensichtlich nicht mit Sicherheit feststellen, daß die Kinder nicht angegurtet waren. Auch in diesem Punkt hat Frau W ausgesagt, daß sie doch ihre eigenen Kinder im Auto transportiert bzw das Fahrzeug bei einer Überprüfung durch Gendarmeriebeamte nach dem Vorfall als für in Ordnung befunden wurde. I.7. Nach Durchführung des Beweisverfahrens hat der O.ö. Verwaltungssenat rechtlich wie folgt erwogen:

I.7.1. Gemäß § 24 Abs.1 StVO 1960 ist das Halten und das Parken im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" verboten.

Daß der Bw zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt das verfahrensgegenständliche Kraftfahrzeug im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" abgestellt hat, wird von diesem nicht bestritten. Er argumentiert, daß er keinen Parkplatz gefunden und das Fahrzeug daher kurz abgestellt habe. Mit dieser Rechtfertigung ist jedoch nichts zu gewinnen, zumal dieses Abstellen des PKW kein durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungenes Zumstillstandbringen des Fahrzeuges ist. Der Bw hat sein Fahrzeug freiwillig abgestellt und stellt dieses freiwillige Abstellen zumindest ein "Halten" iSd § 2 Abs.1 Z27 StVO 1960 dar. Die dem Bw unter Faktum 1 des Straferkenntnisses vorgeworfene Verwaltungsübertretung wird daher als erwiesen angesehen.

Was die Strafbemessung anbelangt, so hat die Erstbehörde bei dem gesetzlich vorgesehenen Strafrahmen (Geldstrafe bis zu 10.000 S) die bloße Ordnungswidrigkeit geahndet. Im Hinblick darauf, daß bereits eine einschlägige Vormerkung bezüglich § 24 Abs.1 StVO 1960 als straferschwerend zu werten ist, ist eine Herabsetzung sowohl der Geld- als auch der Ersatzfreiheitsstrafe nicht in Betracht zu ziehen. Auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw wurde bei der erstbehördlichen Strafbemessung bereits Bedacht genommen. I.7.2. Gemäß § 106 Abs.1 lit.b in der zur Tatzeit geltenden Fassung des KFG 1967 hat der Lenker dafür zu sorgen, daß Kinder unter 12 Jahren, die kleiner als 150 cm sind, unbeschadet des Abs.1c in Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen auf Sitzen, die mit Sicherheitsgurten ausgerüstet sind, nur befördert werden, wenn dabei geeignete, der Größe und dem Gewicht der Kinder entsprechende Rückhalteeinrichtungen verwendet werden, welche die Gefahr von Körperverletzungen bei einem Unfall verringern können.

Auf die Einhaltung dieser Gesetzesbestimmung ist besonders zu achten, stellt doch gerade der Schutz von Kindern im Straßenverkehr ein gravierendes Rechtsschutzinteresse dar. Ein Lenker, der nicht dafür sorgt, daß dem Gesetz entsprechende Rückhalteeinrichtungen verwendet werden und so die Gefahr von Körperverletzungen der Kinder bei einem Unfall vergrößert, handelt besonders verantwortungslos und es ist diesem Verhalten grundsätzlich durch eine besonders strenge Bestrafung der Pflichtverletzung entgegenzutreten.

Aus der Bestimmung des § 106 Abs.1 lit.b KFG 1967 ist auch abzuleiten, daß es nicht bloß ausreicht, daß Kindersitze im Fahrzeug vorhanden sind, der Lenker ist ausdrücklich verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die entsprechenden Rückhalteeinrichtungen auch verwendet werden, gegebenenfalls kann dies unter Umständen bedeuten, daß die Sicherheitsgurte zu verwenden gewesen wären. Allerdings ist auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden, wonach das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zugrundezulegen ist. Wenn sohin nach Durchführung der Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen.

Das oben dargelegte Beweisverfahren hat ergeben, daß die Aussagen der Belastungszeugen nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit den tatgegenständlichen Vorfall wiedergeben. Es ist nämlich nicht auszuschließen, daß die Zeugen lediglich subjektiv der Meinung waren, daß keine Kindersitze vorhanden bzw die Kinder nicht angegurtet waren. Tatsächlich waren sie sich letztlich nicht mehr sicher, ob nicht doch Kindersitze vorhanden waren und es ist durchaus nicht auszuschließen, daß es ihnen nicht möglich war, beim Vorbeifahren des PKW festzustellen, ob die Kinder, wie der Bw in seiner Rechtsmittelschrift ausgeführt hat, angegurtet waren. Die dem Bw unter Faktum 2 vorgeworfene Verwaltungsübertretung kann daher nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit als erwiesen angesehen werden, weshalb in diesem Punkt der Berufung Folge zu geben und das Strafverfahren "in dubio pro reo" einzustellen war (§ 45 Abs.1 Z1 VStG). II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beilagen Mag. K i s c h

Beschlagwortung: Zweifelsgrundsatz

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