Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104820/WEG/Ri

Linz, 05.12.1997

VwSen-104820/WEG/Ri Linz, am 5. Dezember 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des L K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K H, vom 10. September 1997 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft G vom 25. August 1997, VerkR96-3119-1997, womit ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wurde, wie folgt zu Recht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4, § 71 AVG iVm § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft G hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid den Antrag des L K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K H, vom 1. August 1997 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen das von der Bezirkshauptmannschaft G erlassene Straferkenntnis vom 4. Juli 1997, VerkR96-3119-1997, abgewiesen.

2. Dagegen bringt der Wiedereinsetzungswerber sinngemäß vor, daß die vom deutschen Rechtsvertreter gesetzte Handlung, nämlich eine Berufungsanmeldung mit dem Hinweis, daß die Begründung folgen wird (aber nicht gefolgt ist), auf einem Irrtum beruhe und dieses Ereignis mit einem geringen Verschulden iSd § 71 AVG behaftet sei. Er verweist auf eine Entscheidung des OGH zur gleichlautenden Regelung des § 146 ZPO, wonach auffallende Sorglosigkeit, die zur Versagung der Wiedereinsetzung führt, nur dann vorliege, wenn ein extremes Abweichen von der im konkreten Fall gebotenen Sorgfalt vorhanden ist. Es wird in der gegenständlichen Berufung darauf hingewiesen, daß der deutsche Rechtsvertreter des nunmehr von einem österreichischen Anwalt vertretenen Berufungswerbers durchaus nachvollziehbar die deutschen verfahrensrechtlichen Vorschriften als übereinstimmend mit den österreichischen Verfahrensvorschriften angesehen habe und daher zunächst nur die Eingabe vom 10. Juli 1997 verfaßt und die Erstellung einer weiteren Stellungnahme angekündigt habe. Gerade im Hinblick auf die im Zuge der europäischen Integration bereits teilweise erfolgte Rechtsvereinheitlichung erachtet der Berufungswerber die Unkenntnis der in diesem Bereich strengeren österreichischen Gesetzeslage jedenfalls nur mit einem minderen Grad des Versehens behaftet. Es wird der Ansicht der Erstbehörde entgegengetreten, wonach aus der eindeutigen Rechtsmittelbelehrung und deren Mißverstehen die leichte Fahrlässigkeit auszuschließen sei. Es dürfe nicht verkannt werden, daß die diesbezügliche österreichische Rechtslage insofern durchaus nachvollziehbar mißverständlich sei, da bei mündlich eingebrachten Berufungen keine Begründungspflicht vorgeschrieben sei, wogegen bei schriftlichen Berufungen eine Begründungspflicht bestehe. Dies sei eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung und sei daher wegen dieser mißverständlichen Gesetzeslage ein minderer Grad des Versehens vorliegend. Der Berufungswerber habe sich dem Verwaltungsstrafverfahren ordnungsgemäß unterziehen wollen, was schon daraus zu ersehen sei, daß bereits am 1. August 1997, somit einen Tag nach Betrauung des nunmehrigen Rechtsvertreters, der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt wurde und auch die Berufungsausführungen sofort nachgeholt wurden. Es wird daher abschließend der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen das von der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen erlassene Straferkenntnis vom 4. Juli 1997 zu bewilligen.

3. Zur Behandlung der gegenständlichen Berufung ist der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zuständig, welcher - weil ein verfahrensrechtlicher Bescheid angefochten wurde und der Sachverhalt aus der Aktenlage klar ersichtlich ist - iSd § 51e Abs.2 VStG ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden hat.

Aus der Aktenlage ergibt sich nachstehender Sachverhalt, der - soweit entscheidungswesentlich - auch unbestritten ist:

Die Bezirkshauptmannschaft G erließ unter der Zahl VerkR96-3119-1997 ein mit 4. Juli 1997 datiertes Straferkenntnis, welches dem Berufungswerber am 9. Juli 1997 zugestellt wurde. Das gegenständliche Straferkenntnis hat zwar der Berufungswerber nicht selbst übernommen, muß es jedoch noch am 9. Juli 1997 oder spätestens am 10. Juli 1997 erhalten haben, weil am 10. Juli eine Prozeßvollmacht an die Rechtsanwälte und Notare H. H und Dr. jur. W. B bzw an die Rechtsanwältin J N (im folgenden kurz: deutsche Rechtsanwälte) erteilt wurde und die angeführten Rechtsanwälte und Notare bereits mit Schreiben vom 10. Juli 1997, welches auch an diesem Tag zur Post gegeben wurde, an die Bezirkshauptmannschaft G die Mitteilung machten, daß sie die Interessen des Herrn K vertreten würden und gegen den Bescheid VerkR96-3119-1997 Berufung einlegen würden. Die Berufung sollte entsprechend diesem Schreiben vom 10. Juli 1997 in einem gesonderten Schriftsatz begründet werden.

Innerhalb der zweiwöchigen Berufungsfrist wurde der angekündigte gesonderte Schriftsatz nicht nachgereicht. Das Straferkenntnis vom 4. Juli 1997 enthält in der Rechtsmittelbelehrung unmißverständlich den Hinweis, daß die Berufung innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung schriftlich oder mündlich bei der Bezirkshauptmannschaft G einzubringen sei. Diese Berufung habe den Bescheid, gegen den sie sich richtet, zu bezeichnen und - ausgenommen bei mündlicher Berufung - einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Mit Schreiben vom 1. August 1997, welches noch am selben Tag zur Post gegeben wurde, wird vom nunmehr bevollmächtigten österreichischen Rechtsanwalt Dr. K H ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und dieser Antrag mit der Berufung gegen das Straferkenntnis vom 4. Juli 1997, Beweisanträgen und dem Antrag auf Aktenübersendung verbunden. Diese Anträge waren sowohl an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich als auch an die Bezirkshauptmannschaft G gerichtet.

Zur Behandlung der Berufung (auch für deren Zurückweisung) ist der O.ö. Verwaltungssenat zuständig, während für die Behandlung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in erster Instanz die Bezirkshauptmannschaft G zuständig ist, welche auch in Befolgung dieser Zuständigkeit den nunmehr mit Berufung angefochtenen Bescheid erließ. Die Verspätung wird vom Wiedereinsetzungswerber außer Streit gestellt, jedoch - wie schon oben ausgeführt - in der Handlung der deutschen Rechtsanwälte ein auf einem minderen Grad beruhendes Versehen erblickt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Die in der gegenständlichen Angelegenheit zu lösende Problematik läßt sich auf die Frage reduzieren, ob der Irrtum der deutschen Anwälte als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gesehen wird, durch welches der Berufungswerber verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten. Liegt ein derartiges Ereignis vor, so darf den Berufungswerber kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffen (§ 71 Abs.1 Z1 AVG).

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird hinsichtlich der Handlungsweise der deutschen Rechtsanwälte, welche dem Beschuldigten voll zuzurechnen ist, auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses verwiesen und werden diese Ausführungen ausdrücklich zum Inhalt der gegenständlichen Begründung erklärt.

Ergänzend ist anzufügen und dem Berufungswerber durchaus beizupflichten, daß auch ein "Irrtum" ein Ereignis iSd § 71 Abs.1 Z1 AVG sein kann. Es ist jedoch bei Vorliegen dieses möglicherweise unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses (=Irrtum) jedenfalls die Verschuldensfrage zu prüfen und ein Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen, wenn dem Wiedereinsetzungswerber mehr als leichte Fahrlässigkeit bei der Versäumung des Termins vorzuwerfen ist. Diese nicht mehr als leicht einzustufende Fahrlässigkeit liegt schon deshalb vor, weil in der Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses auf den Umstand der Begründungspflicht schriftlicher Berufungen, welche innerhalb von zwei Wochen einzubringen sind, hingewiesen wurde. Auch wenn den deutschen Rechtsanwälten die österreichischen Verfahrensvorschriften nicht im Detail bekannt gewesen sind, so wäre es gerade dann und umso mehr verpflichtend gewesen, die Rechtsmittelbelehrung genau zu studieren und sich dieser gemäß zu verhalten. Die Vorgangsweise der deutschen Rechtsanwälte, welche (leider) dem Beschuldigten zuzurechnen ist, ist mit einem Ausmaß an Sorglosigkeit behaftet, die nicht mehr als "minderer Grad des Versehens" bewertet werden kann.

Aus obigen Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden. Anzumerken ist dazu noch, daß de lege ferenda (so ein Novellen-Entwurf zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen) derartige Begründungsmängel behebbar sein werden. De lege lata allerdings ist ein unbegründeter Berufungsantrag bzw. das Nachreichen der Begründung außerhalb der Berufungsfrist unzulässig und die Zurückweisung (die in einer gesonderten Entscheidung ergeht) auszusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Wegschaider

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