Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104861/2/Bi/Ha

Linz, 01.09.1997

VwSen-104861/2/Bi/Ha Linz, am 1. September 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn W S, U, S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F H, F, V vom 28. Juli 1997 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 4. Juni 1997, VerkR96-13718-1996, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich sowohl hinsichtlich des Schuldspruches als auch der verhängten Strafe mit der Maßgabe bestätigt, daß in Punkt 2 die Wortfolge "... weigerten sich, dem Unfallbeteiligten ihre Anschrift nachzuweisen, und ..." zu entfallen hat.

Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz Kostenbeiträge zum Rechtsmittelverfahren in Höhe von 1) 200 S und 2) 400 S, ds jeweils 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z1 und 19 VStG, §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3b und 4 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.2a StVO 1960 zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.d StVO 1960 und 2) §§ 4 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 1.000 S (24 Stunden EFS) und 2) 2.000 S (72 Stunden EFS) verhängt, weil er am 20. August 1996 um 22.45 Uhr den Kombi auf dem Güterweg K, Gemeinde S, talwärts in Richtung G Landesstraße gelenkt und kurz nach der Abzweigung zum Ortschaftsbereich F umittelbar nach einer scharfen Linkskurve den entgegenkommenden bzw angehaltenen Kombi gestreift habe, der dadurch an der hinteren Stoßstange links leicht beschädigt worden sei. Obwohl sein Verhalten am Unfallort mit dem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, habe er 1) nicht ohne unnnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle verständigt, obwohl er dem Geschädigten seinen Namen und seine Anschrift nicht nachgewiesen habe und 2) habe er sich geweigert, dem Unfallbeteiligten seine Anschrift nachzuweisen, und habe, nachdem dieser die Beiziehung der Gendarmerie verlangt habe, fluchtartig die Unfallstelle verlassen, ohne an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 300 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 VStG). 3. Der Rechtsmittelwerber beantragt die Einstellung des Verfahrens mit der Begründung, er habe dem deutschen Unfallgegner nach dem Verkehrsunfall seinen Führerschein ausgehändigt, weshalb dieser seine Identität feststellen habe können. Er sei zum Unfallzeitpunkt unter Zeitdruck gestanden und habe, nachdem ihm der Unfallgegner den Führerschein wieder zurückgegeben gehabt habe, den Unfallort verlassen. Er habe sicherlich durch das Überreichen des Führerscheines an den Unfallgegner seine gesetzliche Verpflichtung erfüllt und könne nicht bestraft werden, weil er sich ausgewiesen habe. 4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz. Daraus geht hervor, daß der Rechtsmittelwerber als Lenker eines Kombi am 20. August 1996 gegen 22.45 Uhr an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden insofern beteiligt war, als er einen entgegenkommenden PKW der, um ihm die Vorbeifahrt zu ermöglichen, vom Lenker Dipl.Ing. P angehalten wurde, gestreift hat, sodaß beide Fahrzeuge leicht beschädigt wurden. Laut übereinstimmenden Angaben des Zeugen P und des Rechtsmittelwerbers tauschten beide Lenker die Führerscheine aus, um die jeweiligen Daten des Unfallgegners zu notieren, jedoch ging aus dem Führerschein des Rechtsmittelwerbers nur der Wohnort S, nicht aber eine Straße oder Hausnummer hervor. Auch auf eine diesbezügliche Frage des Zeugen hat der Rechtsmittelwerber die genaue Anschrift nicht genannt. Daraufhin teilte ihm Dipl.Ing. P mit, daß er wegen der fehlenden Wohnanschrift und auch weil er vermute, daß der Rechtsmittelwerber alkoholisiert sei, eine Unfallaufnahme durch die Gendarmerie wünsche. Die Gattin des Zeugen verständigte die Gendarmerie telefonisch von einem nahegelegenen Haus aus. Als sie zur Unfallstelle zurückkam und mitteilte, sie habe die Gendarmerie verständigt, entfernte sich der Rechtsmittelwerber mit seinem PKW von der Unfallstelle und konnte auch im Rahmen einer Fahndung nicht mehr gefunden werden. Nach seiner Rückkehr nach Hause gegen Mitternacht entschloß sich der Rechtsmittelwerber trotz entsprechender Mitteilung seiner Mutter, den Unfall erst am nächsten Morgen bei der Gendarmerie zu melden. Dipl.Ing. P bestätigte bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme bei der Polizeiinspektion N am 19. Februar 1996, der Rechtsmittelwerber habe nur seinen Namen genannt und im Führerschein sei nur der Ort S gestanden ohne nähere Adresse. Der Unfallgegner habe die genaue Wohnanschrift nicht mitgeteilt und da er diesen für stark betrunken gehalten habe, habe er ihm zu verstehen gegeben, daß er die Polizei rufen werde. Der Rechtsmittelwerber habe ihm angekündigt, daß er dann "abhauen" werde, was er auch getan habe. Am PKW sei ein Schaden von über 1.000 DM entstanden und der Rechtsmittelwerber habe ihm die Bezahlung zugesagt, worauf er ihm die Rechnung übersendet habe; bezahlt sei aber noch nichts.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen: Zu Pkt. 1) des Straferkenntnisses: Gemäß § 4 Abs.5 letzter Satz StVO 1960 darf die Verständigung der nächsten Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden nur dann unterbleiben, wenn die Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben. Zweck des § 4 ist nicht, das Verschulden an einem Unfall zu klären, sondern den am Unfall beteiligten Fahrzeuglenkern die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten klarstellen zu können, mit wem man sich hinsichtlich der Schadensregelung in der Folge auseinanderzusetzen haben wird (vgl. VwGH vom 19. Dezember 1975, 2085/74 ua.).

Der Identitätsnachweis ist dann als erbracht anzusehen, wenn die Beteiligten so gut einander bekannt sind, daß sie Namen und Adresse wissen (vgl. Erk. vom Juli 1995, 93/03/0130 ua.).

Die Möglichkeit, jemanden zu erreichen, besteht in der Regel dann, wenn man von dieser Person den Namen, den Wohnort und die genaue Anschrift kennt. Durch Einsichtnahme in den Führerschein kann in erster Linie festgestellt werden, ob der Inhaber des Führerscheines mit der angegebenen Person ident ist, jedoch ermöglicht der Führerschein nur eine Zuordnung zu einem Ort, nicht aber zu einer konkreten Adresse. Diese wäre gegebenenfalls aus dem Zulassungsschein zu eruieren gewesen, der aber offensichtlich nicht vorgewiesen wurde. Es mag durchaus sein, daß der Rechtsmittelwerber in S so bekannt ist, daß sogar eine Postzustellung durchgeführt werden könnte, jedoch ist es dem Unfallgegner im gegenständlichen Fall ohne Angabe des Straßennamens und der Hausnummer nicht möglich, ohne zusätzliche Erkundigungen die Wohnung des Rechtsmittelwerbers zu eruieren. Mangels Mitteilung der genauen Anschrift ist daher nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates der Identitätsnachweis durch die Vorlage des Führerscheins allein nicht als erbracht anzusehen, weshalb der Rechtsmittelwerber ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden verständigen hätte müssen. Die Unterlassung dieser Meldung wurde sogar von ihm selbst nie bestritten, sodaß davon auszugehen ist, daß der Rechtsmittelwerber den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

Zu Punkt 2. des Straferkenntnisses: Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Die Verpflichtung nach § 4 Abs.1 lit.c besteht nur dann, wenn eine Verständigungspflicht nach § 4 Abs.2 besteht, wenn ein am Unfallort Beteiligter das Einschreiten eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt oder wenn ein am Unfallort zufällig anwesendes Organ aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlaßt (vgl. VwGH v. 13. November 1967, 775/66).

Im gegenständlichen Fall war für den Rechtsmittelwerber klar und eindeutig erkennbar, daß der Unfallgegner das Einschreiten der Gendarmerie verlangt, wobei die Gattin des Unfallgegners ihm gegenüber die bereits erfolgte Verständigung der Gendarmerie bestätigt hat. Aus diesem Grund wäre der Rechtsmittelwerber verpflichtet gewesen, auf das Eintreffen der Gendarmerie zu warten und sich an der Feststellung des Sachverhaltes zu beteiligen. Sein Argument, er habe sich damals in Zeitnot befunden und deshalb die Unfallstelle verlassen, ist jedenfalls im Hinblick auf die vom Unfallgegner vermutete Alkoholisierung vollkommen unglaubwürdig und durch nichts belegt.

Der unabhängige Verwaltungssenat gelangte zu der Auffassung, daß der Rechtsmittelwerber auch diesen ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, wobei die im Spruch vorgeworfene Weigerung, dem Unfallgegner die Anschrift nachzuweisen, nicht Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 ist und daher der Tatvorwurf entsprechend abzuändern war.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß die von der Erstinstanz verhängten Strafen unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG sowohl dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretungen entsprechen, als auch den finanziellen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers angemessen sind - die Erstinstanz hat das monatliche Durchschnittseinkommen als Tischler auf 17.000 S geschätzt und weder Sorgepflichten noch Vermögen angenommen. Dieser Einschätzung hat der Rechtsmittelwerber nicht widersprochen, sodaß auch vom unabhängigen Verwaltungssenat von diesen Angaben auszugehen ist.

Milderungs- oder Erschwerungsgründe lagen wegen einiger nicht einschlägiger Vormerkungen nicht vor und wurden auch vom Rechtsmittelwerber nicht konkret behauptet. Gründe für eine Herabsetzung der Strafen waren auch unter Berücksichtigung der Spruchänderung nicht zu finden. Die verhängten Strafen liegen im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens (§ 99 Abs.3 StVO sieht Geldstrafen bis 10.000 S (bis zu zwei Wochen EFS), § 99 Abs.2 Geldstrafen von 500 S bis 30.000 S (von 24 Stunden bis sechs Wochen EFS) vor) und sollen den Rechtsmittelwerber in Hinkunft zur genauesten Beachtung der straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen für das Verhalten nach Verkehrsunfällen anhalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung: Bloße Angabe des Wohnortes ohne Straße und Hausnummer ist nicht gleich Identitätsnachweis; Zeitnot ist kein Argument für Entfernen vor Unfallaufnahme, noch dazu, wenn erstmals in der Berufung eingewendet;

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