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des Landes Oberösterreich
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VwSen-104867/2/Ki/Shn

Linz, 26.08.1997

VwSen-104867/2/Ki/Shn Linz, am 26. August 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der Gabriela M, vom 5. August 1997 gegen das Straferkenntnis der BH Braunau/Inn vom 28. Juli 1997, VerkR96-1770-1997-Kb, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird dahingehend Folge gegeben, daß das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Faktum 1 behoben und diesbezüglich das Verfahren eingestellt wird. Hinsichtlich Faktum 2 wird der Berufung dahingehend Folge gegeben, daß die verhängte Geldstrafe auf 400 S bzw die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden herabgesetzt wird. Im übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Der Beitrag der Berufungswerberin zu den Kosten des Verfahrens vor der Erstbehörde wird hinsichtlich Faktum 2 auf 40 S herabgesetzt; der Beitrag zu den Kosten hinsichtlich Faktum 1 bzw zu den Kosten vor dem O.ö. Verwaltungssenat entfällt.

Rechtsgrundlage: zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG zu II: §§ 64, 65 und 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 28. Juli 1997, VerkR96-1770-1997-Kb, über die Berufungswerberin (Bw) 1) gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 S (EFS 48 Stunden) und 2) gemäß § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 800 S (EFS 36 Stunden) verhängt, weil sie am 10.3.1997, um ca 23.00 Uhr, den Kombi mit dem Kennzeichen, auf der Feldstraße, Gemeinde 5230 Mattighofen, aus Richtung Braunau kommend bis auf Höhe des Hauses Feldstraße Nr. 16 lenkte und es unterlassen hat, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, 1) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, zumal sie sich und das Fahrzeug vor der amtlichen Tatbestandsaufnahme von der Unfallstelle entfernte, 2) die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallsbeteiligten bzw der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, unterblieben ist (verletzte Rechtsvorschrift: 1) § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960, 2) § 4 Abs.5 StVO 1960). Außerdem wurde sie gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von insgesamt 180 S (jeweils 10 % der verhängten Geldstrafen) verpflichtet. I.2. Mit Schriftsatz vom 5. August erhob die Rechtsmittelwerberin gegen dieses Straferkenntnis Berufung mit dem Antrag, dieses aufzuheben, das wider sie geführte Verwaltungsstrafverfahren einzustellen und ihren Vertreter davon schriftlich zu verständigen.

Sie argumentiert im wesentlichen, daß die Rechtsansicht der Erstbehörde verfehlt sei, zumal § 4 Abs.5 StVO normiere, daß bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen sei. Der VwGH habe ausgesprochen, daß ein Fahrzeuglenker, der nicht in der Lage war, einen Verkehrsunfall, der sich gegen 23.30 Uhr ereignet hat, zu melden, weil die nächste Gendarmeriedienststelle nicht besetzt gewesen sei, nicht gegen das Gesetz verstoßen habe, wenn er tags darauf in der Früh Meldung erstattete. Als Mitarbeiter einer Rechtsanwaltskanzlei sei ihr diese Rechtsprechung des VwGH geläufig und sie sei deshalb am nächsten Morgen zum Gendarmerieposten Mattighofen gefahren. Der Gesetzestext normiere eindeutig, daß die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen sei. Die Verwendung eines Telefones sei nicht vorgeschrieben. Die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sei im gegenständlichen Fall zweifellos der Gendarmerieposten Mattighofen. Der Gendarmerieposten Mattighofen hätte auch im Wege des Journaldienstes des Gendarmeriepostens Braunau nicht früher von dem gegenständlichen Verkehrsunfall erfahren. Da nur ein geringfügiger Sachschaden vorlag, hätte der Gendarmerieposten Braunau in der Nacht auch keine Erhebungen an Ort und Stelle durchgeführt.

Hinsichtlich § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 argumentiert die Bw, daß sie ihrer Verständigungspflicht fristgerecht nachgekommen sei und deshalb auch nicht den § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 übertreten habe. Selbst für den Fall, daß dieser Rechtsansicht nicht gefolgt werde, stehe fest, daß sie durch ihre Meldung beim Gendarmerieposten Mattighofen an der Feststellung des Sachverhaltes mitgewirkt hat. Entfernt sich ein an einem Verkehrsunfall beteiligter Kfz-Lenker vorerst von der Unfallstelle, so verstoße er nicht gegen die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung, wenn er rechtzeitig vor dem Eintreffen der Polizeibeamten wieder dorthin zurückkehrt. Dies könne im gegenständlichen Fall analog angewendet werden. Der Gendarmerieposten Mattighofen habe erst durch ihre Anzeige von dem gegenständlichen Vorfall Kenntnis erlangt. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes habe daher erst zu diesem Zeitpunkt begonnen, weshalb sie vor diesem Zeitpunkt die gegenständliche Verwaltungsübertretung gar nicht begehen konnte. Im übrigen seien die ausgemessenen Geldstrafen nicht schuld- und tatangemessen, sondern weit überhöht und würden auch nicht den persönlichen Verhältnissen entsprechen.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 10.000 S übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte unterbleiben, zumal im bekämpften Bescheid keine 3.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt und die Durchführung einer Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und nach freier Beweiswürdigung wie folgt erwogen:

Die Bw hat am 10. März 1997 um ca 23.00 Uhr mit ihrem PKW einen Betonpfeiler des Gartenzaunes des Hauses Feldstraße 16 beschädigt, indem ihr PKW nach vorne gerollt ist und den äußerst baufälligen Betonpfeiler umgefahren hat. Eine Bekannte hat ihr Auskunft gegeben, daß dort ein älterer Herr wohne, der jedoch nur manchmal am Wochenende in seinem Hause Feldstraße 16 anzutreffen sei. Aus diesem Grund hat sie um Mitternacht nicht mehr an der Eingangstür geklingelt. Die Bw hat in der Folge den Unfallsort verlassen und am Folgetag um 8.50 Uhr den Gendarmerieposten Mattighofen verständigt. Dort hat sie auch angegeben, daß sie sich umgehend mit dem Eigentümer in Verbindung setzen werde.

I.4.1. Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Die Erstbehörde hat in der Begründung des Straferkenntnisses diesbezüglich argumentiert, daß eine Mitwirkungspflicht iSd § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 dann besteht, wenn es zu einer amtlichen Tatbestandsaufnahme kommt oder zu kommen hat. Dieser Auffassung ist durchaus beizutreten und es wird eine Mitwirkungspflicht im Regelfall dann gegeben sein, wenn eine Verständigungspflicht nach § 4 Abs.5 StVO 1960 besteht. Diese Verständigungspflicht nach § 4 Abs.5 zieht auch die Mitwirkungspflicht nach § 4 Abs.1 lit.c nach sich (VwGH 23.2.1976, 285/74). Es ist jedoch stets auf den konkreten Einzelfall bezogen zu beurteilen, in welcher Form diese Mitwirkungspflicht tatsächlich besteht. Diesbezüglich hat die Erstbehörde im Spruch des Straferkenntnisses bzw im vorangegangenen Verwaltungsstrafverfahren vorgeworfen, daß die Bw an der Feststellung des Sachverhaltes dahingehend nicht mitwirkte, indem sie sich und das Fahrzeug vor der amtlichen Tatbestandsaufnahme von der Unfallstelle entfernte.

Dazu wird zunächst festgestellt, daß es wohl im Hinblick auf die Geringfügigkeit des Schadens, es handelte sich unwidersprochen um einen baufälligen Betonpfeiler, im konkreten Fall zu keiner amtlichen Tatbestandsaufnahme am Unfallort gekommen sein dürfte. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß die Bw im konkreten Fall, um ihrer Meldepflicht nach § 4 Abs.5 StVO 1960 nachkommen zu können, sich sehr wohl von der Unfallstelle hätte entfernen müssen und es ihr überdies zur Nachtzeit auch nicht zumutbar gewesen wäre, wenn sie ihr Kraftfahrzeug am Unfallort belassen hätte. Im Hinblick auf den unbestrittenen Sachverhalt wäre auch wohl keine aufwendige Spurensicherung notwendig gewesen. Allerdings könnte man der Bw den Vorwurf dahingehend machen, daß sie durch ihr Verhalten nicht mitgewirkt hat, ihren eigenen Geistes- und Körperzustand bzw den Zustand ihres Kraftfahrzeuges zum Gegenstand einer amtlichen Tatbestandsaufnahme, allenfalls am Gendarmerieposten, zu machen. Dieser Umstand wurde ihr jedoch nicht konkret vorgeworfen bzw zur Last gelegt. Nachdem dem Spruch des Bescheides zu entnehmen sein muß, durch welche konkrete Tathandlung oder Unterlassung die betreffende Person es unterlassen hat, an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken (VwGH 85/18/0205 vom 12.4.1985), hätte die Erstbehörde die Strafverfolgung bzw das Strafverfahren auf diesen Umstand hin abstellen müssen. Diesbezüglich ist es der Berufungsbehörde verwehrt, erstmalig ein derartiges Verhalten vorzuwerfen. Es war daher in diesem Punkt der Berufung Folge zu geben und das Strafverfahren diesbezüglich einzustellen.

I.4.2. Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben die im Abs.1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Der für diesen Punkt maßgebliche Sachverhalt bleibt unbestritten, die Bw gesteht zu, daß sie erst am nächsten Morgen den Gendarmerieposten Mattighofen verständigt hat. Allerdings vermeint sie, daß diese Verständigung noch ohne unnötigen Aufschub iSd zitierten Gesetzesbestimmung erfolgt sei. Dieser Rechtsauffassung kann auch seitens der erkennenden Berufungsbehörde nicht gefolgt werden.

Es mag zutreffen, daß der VwGH im Jahre 1970 ausgesprochen hat, daß ein Fahrzeuglenker, der nicht in der Lage war, einen Verkehrsunfall, der sich gegen 23.30 Uhr ereignet hat, zu melden, weil die nächste Gendarmeriedienststelle nicht besetzt war, nicht gegen das Gesetz verstoßen hat, wenn er tags darauf in der Früh die Meldung erstattet. Andererseits ist jedoch entscheidend, daß jene Polizei- bzw Gendarmeriedienststelle als "nächste" iSd Gesetzes anzusehen ist, welche für die betreffende Person subjektiv in Frage kommt. Dies muß nicht unbedingt die nächste Polizei- bzw Gendarmeriedienststelle im örtlichen Sinne sein, sondern es ist durchaus möglich, daß auch eine örtlich weiter entfernte Dienststelle verständigt wird.

Wenn auch die Verwendung eines Telefones nicht ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben ist, so obliegt es doch der verpflichteten Person, sämtliche möglichen Gegebenheiten in Anspruch zu nehmen, um der gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen. Welche Mittel diesbezüglich in Anspruch genommen werden, steht selbstverständlich dem Verpflichteten frei, solange er seiner Verpflichtung nachkommt. Die Verwendung eines Telefones stellt eine dieser Möglichkeiten dar und es ist im Hinblick auf die fortgeschrittene Telekommunikationsmöglichkeit durchaus zumutbar, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Indem die Bw im Glauben, der Gendarmerieposten Mattighofen sei unbesetzt, dies unterlassen hat, trägt sie auch das Risiko, daß ihr ihr Verhalten als Verstoß gegen die gesetzliche Verpflichtung angelastet wird. Sie hat daher den ihr vorgeworfenen Sachverhalt jedenfalls in objektiver Hinsicht verwirklicht und es wäre auch ein allfälliger Verbotsirrtum (§ 5 Abs.2 VStG) im vorliegenden Fall unbeachtlich, zumal von einer zum Lenken von Kraftfahrzeugen berechtigten Person zu erwarten ist, daß sie die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften kennt und sich dementsprechend verhält. Diesbezüglich ist daher der Strafvorwurf durch die Erstbehörde zu Recht erfolgt.

I.5. Was die Strafbemessung (§ 19 VStG) anbelangt, so ist gerade im Hinblick auf die Übertretungen des § 4 StVO aus generalpräventiven bzw spezialpräventiven Gründen eine entsprechend strenge Bestrafung geboten. Andererseits ist der Bw zugutezuhalten, daß sie letztlich den Vorfall selbst am nächsten Morgen beim Gendarmerieposten Mattighofen gemeldet hat und somit überhaupt erst, ohne aufwendige Recherchen, der Vorfall behördenbekannt wurde. Darüber hinaus dürfte der Sachschaden, jedenfalls nach der Aktenlage, eher geringfügiger Natur sein und offensichtlich hat die Bw bereits mit dem Geschädigten Kontakt aufgenommen. Es sind sohin auch keine gravierenden Folgen der Tat eingetreten. Die Bw ist ferner bisher verwaltungsstrafrechtlich unbescholten, was bereits die Erstbehörde als strafmildernd bewertet hat. Straferschwerende Umstände können seitens der Berufungsbehörde keine festgestellt werden.

Die erkennende Berufungsbehörde vertritt daher die Auffassung, daß im Hinblick auf die oben dargelegten Strafmilderungsgründe die Herabsetzung sowohl der Geld- als auch der Ersatzfreiheitsstrafe vertretbar ist. Die Strafe an sich dürfte im vorliegenden konkreten Fall eine spezialpräventive Wirkung haben. Im Hinblick auf die nunmehr äußerst geringfügige Bestrafung war auch nicht weiters auf die sozialen Verhältnisse der Bw einzugehen. Jedenfalls ist die verhängte Geldstrafe im Hinblick auf die von ihr bekanntgegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse durchaus zumutbar. Eine weitere Herabsetzung der Geld- bzw der Ersatzfreiheitsstrafe ist jedoch aus generalpräventiven Gründen nicht vertretbar. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Mag. K i s c h

Beschlagwortung: Fahrerflucht, Verkehrsunfall - Meldepflicht

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