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des Landes Oberösterreich
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VwSen-104870/7/Ki/Shn

Linz, 17.11.1997

VwSen-104870/7/Ki/Shn Linz, am 17. November 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Erich M, vom 31. Juli 1997 gegen das Straferkenntnis der BH Braunau/Inn vom 24. Juli 1997, VerkR96-20200-1996-Kb, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 10. November 1997 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG zu II: § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die BH Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 24. Juli 1997, VerkR96-20200-1996-Kb, über den Berufungswerber (Bw) gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 Geldstrafen in Höhe von jeweils 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 48 Stunden) verhängt, weil er am 18.9.1996 gegen 23.15 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen, auf der Gemeindestraße die vom Auffang einmündet in die Kreuzung mit der Oberinnviertler Landesstraße 503, bei Strkm. 32,6, Gemeinde 5231 Schalchen, lenkte und es unterlassen hat, nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, bei dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, 1) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, zumal er sich vor der amtlichen Tatbestandsaufnahme von der Unfallstelle entfernte, 2) die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen (verletzte Rechtsvorschriften: 1) § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960, 2) § 4 Abs.2 zweiter Satz StVO 1960). Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von insgesamt 200 S (jeweils 10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 31. Juli 1997 Berufung mit dem Antrag, der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Begründend wird ausgeführt, daß die Mitwirkungspflicht und somit die Verpflichtung, an der Unfallstelle bis zum Einschreiten der erhebenden Gendarmeriebeamten zu verbleiben, nur dann eintrete, wenn es sich um einen Verkehrsunfall mit Personenschaden handle, wobei natürlich der Personenschaden für die Unfallbeteiligten erkennbar sein müsse. Die beiden Unfallbeteiligten hätten Namen, Adresse, Haftpflichtversicherung und die wesentlichen Daten des Unfalles ausgetauscht, da sie davon ausgegangen wären, daß hier kein Verkehrsunfall mit Personenschaden vorliege. Der Beschuldigte habe die Unfallbeteiligte befragt, ob sie verletzt wäre, worauf diese klar und ausdrücklich dies verneint habe. Sie verspüre Schmerzen in der Brustgegend. Die Unfallbeteiligte habe auch beim Gendarmerieposten Mattighofen angegeben, daß sie vom Beschuldigten dezidiert gefragt worden sei, ob sie verletzt wäre, was sie verneinte, weshalb beide Unfallbeteiligte davon ausgegangen wären, daß eine Verständigung der Gendarmerie nicht notwendig sei.

Die Unfallgegnerin habe erst 12 Stunden später einen Arzt aufgesucht, wobei leichte Verletzungen attestiert worden wären.

Wenn man bedenke, wie oft von erhebenden Gendarmeriebeamten ein Unfall lediglich als Sachschaden aufgenommen werde und in der Folge erst später Verletzungen bekannt werden, die zur Einleitung eines Straf- oder Verwaltungsstrafverfahrens führen, so sei es einem nicht geschulten Verkehrsteilnehmer umso weniger möglich, ein Urteil darüber zu fällen, ob eine Verletzung vorliegt. Dies umso mehr, wenn die Unfallbeteiligte verneint, verletzt zu sein. Aus diesen Gründen sei keine Verständigungspflicht vorgelegen und die Bestrafung inhaltlich rechtswidrig. I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 10.000 S übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden. I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 10. November 1997. Bei dieser Berufungsverhandlung waren der Bw in Begleitung seines Rechtsvertreters sowie eine Vertreterin der Erstbehörde anwesend. Zum Vorgang befragt erklärte der Bw, daß er nach dem Unfall diesen mit Frau S besprochen habe, sie habe erklärt, daß sie nicht verletzt sei, sie verspüre lediglich ein leichtes Ziehen, so als ob sie sich angestoßen hätte. Die Unfallgegnerin habe sich ursprünglich sofort von der Unfallstelle entfernen wollen, nur auf Anraten ihrer herbeigerufenen Freunde bzw auf sein Anraten selbst habe sie sich bereit erklärt, einen Arzt aufzusuchen. Er selbst sei mit seinem Fahrzeug dann ebenfalls zum Arzt gefahren und habe im Wartezimmer auf das Ende der Untersuchung gewartet. Als die Unfallgegnerin aus der Arztpraxis heraus gekommen sei, habe er sie zwar nicht mehr befragt, sie selbst habe jedoch erklärt, daß nichts sei und sie habe ihn und ihre Freunde auch auf einen Kaffee einladen wollen. Er habe diese Einladung jedoch nicht mehr angenommen und sei von einem Bekannten der Unfallgegnerin nach Hause gebracht worden. Am Morgen des Folgetages habe er wegen der Versicherung den Vorfall der Gendarmerie angezeigt. Der Gendarmeriebeamte habe in seiner Gegenwart im Friseurgeschäft, in welchem Frau S arbeitet, angerufen und sich nach ihrem Befinden erkundigt. Dort wurde ihm erklärt, daß Frau S im Dienst sei, von einer Verletzung war nicht die Rede. Bei einem Anruf am Gendarmerieposten Mattighofen im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung wurde diese Aussage des Bw telefonisch bestätigt. Der Gendarmeriebeamte erklärte, daß Frau S bei dem Telefonat am 19. September angegeben habe, nicht verletzt zu sein und es sei zu diesem Zeitpunkt auch noch keine Anzeige eines Arztes vorgelegen. I.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat der O.ö. Verwaltungssenat rechtlich wie folgt erwogen:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Sind bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden, so haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen (§ 4 Abs.2 leg.cit.) Es bleibt unbestritten, daß der Bw, obwohl bei dem verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall seine Unfallsgegnerin verletzt worden ist, nicht den obzitierten gesetzlichen Bestimmungen entsprechend agiert hat. Der dem Verfahren zugrundeliegende Sachverhalt ist daher objektiv als erwiesen anzusehen. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Es oblag daher dem Bw iSd vorzitierten Bestimmung des VStG glaubhaft zu machen, daß ihn an der Nichtbefolgung der gegenständlichen Mitwirkungs- bzw Meldepflicht kein Verschulden trifft, wobei darauf hinzuweisen ist, daß die Judikatur des VwGH insbesondere im Falle der Unterlassung der Meldepflicht bei Personenschäden eine sehr restrektive und strenge Betrachtungsweise gebietet. Wie das oben dargelegte Ermittlungsverfahren ergeben hat, wollte Frau S ursprünglich keine Verständigung der Gendarmerie und sie ist auch nur auf Anraten ihrer Freunde bzw des Bw hin zum Arzt gegangen. Der Bw hat sie dort hin begleitet und abgewartet, bis die Untersuchung durchgeführt worden war. Die Unfallgegnerin selbst hat erklärt, daß sie nicht verletzt sei und sie hat diese Aussage auch am nächsten Tag noch bei dem telefonischen Rückruf durch den Gendarmeriebeamten bestätigt. Erst nachher dürfte sie offensichtlich einen Arzt aufgesucht haben, welcher dann doch Verletzungen festgestellt hat. Durch das Verhalten der Unfallgegnerin bzw die Umstände nach der ersten ärztlichen Untersuchung ist der Bw offensichtlich im vorliegenden Fall einem Tatbildirrtum erlegen. Beim Tatbildirrtum irrt der Täter über jene Umstände, die zum Tatbild gehören, also über die äußere Tatseite. Ein solcher Tatbildirrtum begründet eine Strafbarkeit jedoch nur dann, wenn diesem Irrtum eine fahrlässige Verhaltensweise zugrundeliegt. Dies ist jedoch im vorliegenden Falle zu verneinen, hat doch der Bw vorerst alles unternommen, um eine Klärung darüber herbeizuführen, ob die Unfallgegnerin nicht doch verletzt wurde. Erst nachdem die ärztliche Untersuchung abgeschlossen war und die Unfallgegnerin erklärt hatte, daß sie nicht verletzt sei, hat er sich entschlossen, den Vorfall nicht sofort der nächsten Polizei- bzw Gendarmeriedienststelle zu melden. Er konnte zu Recht ursprünglich davon ausgehen, daß beim Verkehrsunfall lediglich ein Sachschaden entstanden ist, jene Verpflichtungen, die Unfallbeteiligte im Falle eines bloßen Sachschadens treffen, hat er erfüllt. Unter diesen Umständen und auch insbesondere deshalb, daß selbst am Folgetag die Unfallgegnerin dem Gendarmeriebeamten noch erklärt hat, nicht verletzt zu sein, konnte der Bw zu Recht annehmen, daß seine Unfallgegnerin nicht verletzt wurde.

Sind keine äußeren Verletzungen sichtbar und wird die Frage nach Verletzungen verneint, so besteht laut Rechtsprechung des VwGH keine Verständigungspflicht iSd § 4 Abs.2, sofern die Frage nicht an Personen gerichtet wird, von denen nicht schon nach dem äußeren Anschein angenommen werden muß, daß sie nicht in der Lage sind, den Inhalt oder die Tragweite ihrer Erklärung zu erkennen (VwGH 11.5.1984, 83/02/0515).

Demgemäß wird seitens der Berufungsbehörde festgestellt, daß der Tatbildirrtum des Bw nicht auf dessen fahrlässiges Verhalten zurückzuführen ist, weshalb ihn weder an der Unterlassung der Meldepflicht noch an der Unterlassung der Mitwirkungspflicht iSd § 4 StVO 1960 ein Verschulden trifft.

Der nicht vom Bw verschuldete Tatbildirrtum hebt die Strafbarkeit seines Verhaltens auf, weshalb der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beilagen Mag. K i s c h

Beschlagwortung: Im Falle der Nichtbehebung des durch Tatbildirrtum und Verschulden; Verständigungspflicht bei Unfall mit Personenschaden

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