Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104937/2/BI/FB

Linz, 29.09.1997

VwSen-104937/2/BI/FB Linz, am 29. September 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung der Frau H S, M, B, Deutschland, vom 16. September 1997 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 9. September 1997, VerkR96-1225-1997 Sö, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z2 und 66 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG).

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem oben genannten Straferkenntnis über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 1.500 S (36 Stunden EFS) verhängt, weil sie als Zulassungsbesitzer des PKW, Kz. , der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 10. Februar 1997 nicht binnen zwei Wochen Auskunft darüber erteilt habe, wer das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen am 28. Dezember 1996 um 11.40 Uhr gelenkt habe. Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 150 S auferlegt.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 VStG). 3. Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, sie habe auf die Anfrage der Behörde vom 10. Februar 1997 am 17. Februar 1997 entsprechend Auskunft erteilt. Damit könne ihr eine Verwaltungsübertretung nicht zur Last gelegt werden.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz. Daraus geht hervor, daß der PKW, Kz. , am 28. Dezember 1996 um 11.40 Uhr bei km 10,600 der P A, Gemeinde W, in Richtung G mittels Radargerät Multanova 6 FA Nr. 1075 im Bereich der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h mit einer Geschwindigkeit von 143 km/h gemessen wurde. Eine Anhaltung konnte nicht durchgeführt werden. Vom gemessenen Wert wurden gemäß den Verwendungsbestimmungen 7 km/h abgezogen und eine Geschwindigkeit von 136 km/h der Anzeige zugrundegelegt. Als Zulassungsbesitzer (Halter) des PKW wurde vom Kraftfahrt-Bundesamt Flensburg die Rechtsmittelwerberin bekanntgegeben. Diese wurde mit Schreiben der Erstinstanz vom 10. Februar 1996, VerkR96-1225-1997/AR, nach Inkenntnissetzung, daß der Lenker des genannten Kraftfahrzeuges angezeigt wurde, am 28. Dezember 1996 um 11.40 Uhr auf der P A, km , Gemeindegebiet W, in Richtung G eine Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (Geschwindigkeitsüberschreitung) begangen zu haben, als Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs.2 Kraftfahrgesetz 1967 aufgefordert, binnen zwei Wochen, gerechnet vom Tag der Zustellung dieses Schreibens, schriftlich oder per Fernschreiber mitzuteilen, wem sie das Fahrzeug zum Lenken überlassen habe. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, daß, wenn keine fristgerechte schriftliche oder telegrafische Auskunft einlange, gegen sie ein Strafverfahren wegen Verletzung der Auskunftspflicht eingeleitet werden müsse (Höchststrafe 30.000 S); das gleiche gelte auch für eine ungenaue oder unrichtige Auskunft. Das Schreiben wurde von der Rechtsmittelwerberin am 15. Februar 1997 eigenhändig übernommen. Mit Schreiben vom 17. Februar 1997 teilte sie mit, sie habe das Fahrzeug nicht gelenkt und berufe sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall der schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Die Anwendung deutschen Rechtes kommt hier deswegen nicht in Betracht, weil nach neuer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Tatort der Verwaltungsübertretung der Nichterteilung einer Lenkerauskunft der Sitz der die Auskunft begehrenden Behörde (hier: Kirchdorf/Krems) ist, dh in Österreich gelegen ist (vgl Erk verst Senat v 31. Jänner 1996, 93/03/0156, ua). Im übrigen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte es nicht als rechtswidrig erkannt, wenn ausgehend von einem Inlandsbezug eines eingebrachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem anderen Staat aufhältig ist, gerichtet wird und die Verweigerung der Auskunft mit Sanktionen bedroht ist (vgl EGMR v 11. Oktober 1989, Zl. 15226/89, ZVR 2/1991Nr. 23 der Spruchbeilage). Der Inlandsbezug ist insofern gegeben, als das auf den Rechtsmittelwerber zugelassene Kraftfahrzeug auf österreichischem Bundesgebiet verwendet wurde - was nie bestritten wurde - und diese Verwendung, ausgelöst durch die dabei mit dem KFZ begangene Normverletzung, Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung begründet hat (vgl ua VwGH v 11. Mai 1993, 90/08/0095). Die Erhebung des oben zitierten letzten Satzes des § 103 Abs.2 KFG 1967 in den Verfassungsrang erachtete der (österreichische) Verfassungsgerichtshof als nicht im Widerspruch zu Art.6 MRK stehend (vgl VfGH v 29. September 1988, G 72/88 ua).

Im gegenständlichen Fall war jedoch der Berufung Erfolg beschieden, weil bereits die Aufforderung zur Lenkerauskunft (Lenkeranfrage) durch die Erstinstanz nicht dem Wortlaut des § 103 Abs.2 KFG 1967 entsprach, weil eben nicht nach dem Lenker des Kraftfahrzeuges zum genannten Zeitpunkt gefragt wurde, sondern nur, wem es die Rechtsmittelwerberin als Zulassungsbesitzerin zu diesem Zeitpunkt überlassen gehabt habe. Durch diese Fragestellung wurde die Lenkereigenschaft der Rechtsmittelwerberin von vornherein ausgeschlossen. Der Tatvorwurf im Spruch des Straferkenntnisses umfaßte jedoch die Nichtnennung des gefragten Lenkers, dh es wurde der Rechtsmittelwerberin vorgeworfen, eine Frage, die ihr nie gestellt wurde, nicht beantwortet zu haben. Da sohin die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen wurde, war spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß auch keine Verfahrenskostenbeiträge anfallen. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung: Frage, wem KFZ zum Lenken überlassen wurde ist nicht gleich Wortlaut des § 103 Abs.2 KFG -> Einstellung.

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