Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-104957/13/BI/FB

Linz, 22.01.1998

VwSen-104957/13/BI/FB Linz, am 22. Jänner 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn W S, M, S, vom 12. September 1997 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 2. September 1997, VerkR96-2819-1996 EI/FF, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 2. Dezember 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das Straferkenntnis im Punkt b) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird. In den Punkten a), d) und e) wird das Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruchs mit der Maßgabe bestätigt, daß von einer tatsächlichen Geschwindigkeit im Punkt a) gemäß § 52a Z10a StVO 1960 von 84 km/h, im Punkt d) gemäß § 52a Z10a StVO 1960 von 75 km/h und im Punkt e) gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 von 93 km/h auszugehen ist; im Punkt a) wird die Geldstrafe auf 1.500 S (36 Stunden EFS), im Punkt d) auf 1.500 S (36 Stunden EFS) und im Punkt e) auf 4.000 S (4 Tage EFS) herabgesetzt. Im Punkt c) wird der Berufung keine Folge gegeben und das Straferkenntnis sowohl im Schuld- wie auch im Strafausspruch vollinhaltlich bestätigt. Im Punkt b) ist kein Verfahrenskostenbeitrag zu leisten. Die Verfahrenskostenbeiträge erster Instanz ermäßigen sich im Punkt a) auf 150 S, im Punkt d) auf 150 S und im Punkt e) auf 400 S; diesbezüglich ist kein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten. Im Punkt c) hat der Rechtsmittelwerber zusätzlich zum erstinstanzlichen Verfahrenskostenersatz 160 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten. Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 44a Z1 und 2, 45 Abs.1 Z3 und 19 VStG, §§ 99 Abs.3 lit.a iVm 52a Z10a, 18 Abs.1, 9 Abs.1 und 20 Abs.2 StVO 1960.

zu II.: §§ 64, 65 und 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem angeführten Straferkenntnis den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß a) §§ 20 Abs.1 iVm 52a Z10a und 99 Abs.3a StVO 1960, b) §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3a StVO 1960, c) §§ 9 Abs.1 iVm 99 Abs.3a StVO 1960, d) §§ 20 Abs.1 iVm 52a Z10a und 99 Abs.3a StVO 1960 und e) §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3a StVO 1960 mit Geldstrafen von a) und d) je 2.000 S (2 Tage EFS), b) und c) je 800 S (20 Stunden EFS) und e) 6.000 S (6 Tage EFS) kostenpflichtig bestraft. Ihm wurde vorgeworfen, am 10. April 1996 um 00.17 Uhr den PKW in L auf der A M, Richtungsfahrbahn N gelenkt und a) im Bereich des km 5,800 die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h um 32 km/h überschritten zu haben, b) nächst dem Fahrbahnteiler in Richtung P bzw Zentrum (Knoten H LZ) keinen solchen Abstand von dem vor ihm fahrenden PKW eingehalten zu haben, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, c) bei der Einmündung der Spur LZ in die LZ des Knoten H in Höhe des Ausfahrtswegweisers "U" die dort befindliche gut sichtbare Sperrlinie über-fahren zu haben, d) im Bereich der Rampe H bis zum Autobahnende die durch Straßenverkehrs- zeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h um 32 km/h überschritten zu haben und e) im Bereich der W unmittelbar nach der Auffahrt von der U die für das Ortsge- biet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 51 km/h überschritten zu haben.

2. Die dagegen fristgerecht eingebrachte Berufung wurde seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Da im einzelnen keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 2. Dezember 1997 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers, des technischen Amtssachverständigen DI H sowie des Meldungslegers RI M durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz und der Zeuge RI S haben sich entschuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, eine Vielzahl der angeführten Punkte seien nicht richtig und auch nicht belegbar, ebenso gehe das erstinstanzliche Gutachten total an der Sache vorbei. Er sei am 10. April 1996 um 00.17 Uhr mit dem Firmen-PKW von der Autobahn W kommend Richtung N unterwegs gewesen. Eine Geschwindigkeitsübertretung zu Punkt a) um 32 km/h habe er sicher nicht begangen. Es könnte zwar sein, daß er vielleicht 70 km/h gefahren sei, aber auch erst nach der Radarmeßstelle; daran könne er sich nach eineinhalb Jahren nicht mehr so genau erinnern. Zu Punkt b) habe er bereits mitgeteilt, daß kein Fahrzeug vor ihm gefahren sei und es sei auch kein Polizeifahrzeug hinter ihm gewesen. Zu Punkt c) führt er aus, daß bei der Einmündung der Spur in die LZ des Knoten H - U keine Sperrlinie existiere; es könne aber sein, daß er die Sperrlinie im letzten Teil leicht überfahren habe, aber sicher nicht am Beginn, da er sonst eventuell jemanden gefährdet hätte. Eine Überschreitung der Geschwindigkeit im Punkt d) um 32 km/h sei nicht richtig, da hier eine starke Kurve sei, aus der er sonst geflogen wäre. Im Punkt e) werde ihm unterstellt, im Bereich der W eine Geschwindigkeitsübertretung von 51 km/h begangen zu haben, jedoch sei dies in dieser Kurve unmöglich. Er sei von einem Polizeifahrzeug angehalten und nach sämtlichen wichtigen Autoutensilien gefragt, aber nicht auf angebliche Verkehrs- oder Geschwindigkeitsübertretungen angesprochen worden. Er habe eine äußerst schwere Grippe gehabt und sei fürchterlich erbost gewesen, weil er um das Auto gehen und alle wichtigen Sachen wie Reservereifen etc herzeigen habe müssen. Er sei nie auf eine Meß-Filmanlage angesprochen worden und bis dato sei ihm weder ein Film noch Bilder gezeigt worden. Er meine daher, daß die ihm zur Last gelegten Punkte jeder Grundlage entbehren. Er ersuche, ihm die genannten Filme, Fotos, etc zur Verfügung zu stellen und einen Lokalaugenschein durchzuführen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Rechtsmittelwerber gehört, der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen und auf dieser Grundlage ein technisches Sachverständigengutachten durch den Amtssachverständigen erstellt wurde, nachdem dieser selbst einen Ortsaugenschein in den angeführten Bereichen der A, Richtungsfahrbahn N bzw der W, durchgeführt hat.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Unbestritten ist, daß der Rechtsmittelwerber am 10. April 1996 um ca 00.17 Uhr den PKW auf der A M, Richtungsfahrbahn N, zwischen dem Stadtteil B (km 5,8) und der W mit dem auf die A GesmbH & Co KG zugelassenen PKW, , einem BMW 535i mit ca. 210 PS, lenkte.

Nach Aussage des Meldungslegers war dieser mit seinem Kollegen RI S zur selben Zeit im Rahmen einer Zivilstreife mit einem Mercedes 230 E, Kennzeichen mit Deckkennzeichen, ein PKW mit 140 PS und ohne nach außen hin erkennbare Zeichen eines Polizeifahrzeuges auf der A, Richtungsfahrbahn N, unterwegs. Der Zeuge konnte im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht mehr sagen, bei welcher Situation er auf den Beschuldigten-PKW aufmerksam wurde, aufgefallen sei er jedenfalls wegen zu hoher Geschwindigkeit. RI S hat das Zivilstreifenfahrzeug gelenkt, der Meldungsleger betätigte vom Beifahrersitz aus das eingebaute ProViDa-Gerät, wobei beide Beamte für die Bedienung dieses Gerätes speziell geschult und auch geübt sind. Vorgelegt wurde auch der Eichschein für den in das genannte Zivilstreifenfahrzeug eingebauten Geschwindigkeitsmesser ProViDa. Daraus geht hervor, daß das Gerät zuletzt vor dem Vorfall am 24. Mai 1994 geeicht wurde und die Nacheichfrist mit 31. Dezember 1996 ablief. Der Meldungsleger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt, daß sich auf der Beifahrerseite verschiedene Displays befänden, auf denen die Durchschnittsgeschwindigkeit bzw die gefahrene Geschwindigkeit ablesen könne und auch in der Mitte befinde sich ein Display, dh er müsse nicht, um die Geschwindigkeit feststellen zu können, auf den Fahrzeugtacho auf der Fahrerseite blicken. Er verwende beim ProViDa-Gerät immer eine Länge von 100 m, auf der dann die Durchschnittsgeschwindigkeit errechnet werde. Auf der Fahrt selbst habe er keine Aufzeichnungen gemacht, sondern das ProViDa-Gerät bedient, dh Messungen ausgelöst, wobei ihm das Gerät durch einen Piepston eine erreichte Durchschnittsgeschwindigkeit auf 100 m akustisch anzeige. Die Anzeige sei von ihm nicht nach der Erinnerung verfaßt worden, sondern er habe sich den aufgenommenen Film öfter angesehen und auch die Strecke noch einmal abgefahren, um die Kilometrierung zu überprüfen und die örtliche Zuordnung vorzunehmen. Die Anzeige sei auch erst einige Zeit später geschrieben worden. Leider sei der ProViDa-Film in der Zwischenzeit gelöscht worden und stehe nicht mehr zur Verfügung. Seiner Erinnerung nach sei außer dem Beschuldigten-PKW, dem Fahrzeug, auf das er später aufgeschlossen habe, und der Zivilstreife kein weiteres Fahrzeug mehr unterwegs gewesen, das die Messungen beeinträchtigen hätte können. Der Beschuldigte habe das Fahrzeug, auf das er bei der Einmündung der Spur LZ in die LZ aufgeschlossen habe und das eine Geschwindigkeit von ca. 50 bis 60 km/h eingehalten habe, sodaß er mehrmals abbremsen habe müssen, wie im Film ersichtlich gewesen sei, bei der Abfahrt U überholt. Dieser PKW sei auf dem Film einwandfrei ersichtlich gewesen. Die Amtshandlung sei nach der Kreuzung W - K von ihm selbst geführt worden.

Zu Punkt a) hat der Meldungsleger ausgeführt, die Geschwindigkeit von 82 km/h sei die ProViDa-Durchschnittsgeschwindigkeit auf 100 m. Die 82 km/h seien sicher im 60-km/h-Bereich gefahren worden. Der Nachfahrabstand im Punkt b) habe schätzungsweise 5 m betragen, nämlich ca eine PKW-Länge. Der Beschuldigte habe auch sicher die Sperrlinie überfahren, und zwar direkt bei der Einmündung des linken Fahrstreifens und nicht erst im letzten Teil. Man habe bemerkt, daß er offenbar in Eile gewesen sei. Er habe den Vordermann richtiggehend gedrängt und sofort bei erster Gelegenheit überholt. Das Zivilstreifenfahrzeug habe den Spurwechsel mitvollzogen, wobei er annehme, daß damals bereits das Blaulicht eingeschaltet war. Die folgende Geschwindigkeitsmessung (Punkt d)) von 82 km/h sei wieder die Durchschnittsgeschwindigkeit auf 100 m in annähernd gleichbleibendem Nachfahrabstand und eindeutig der 50-km/h-Beschränkung zuzuordnen gewesen. Auch die 101 km/h über die W seien einwandfrei festzustellen gewesen und es sei auch dort sehr wohl möglich gewesen, diese Geschwindigkeit einzuhalten. Bei der Kurve in die W habe der Beschuldigte natürlich gebremst und sie hätten ihn dann überholt und angehalten nach der Kreuzung mit der K. Er habe bei der Amtshandlung zunächst wie üblich gegrüßt und dann dem Beschuldigten den Grund der Anhaltung mitgeteilt, nämlich die Geschwindigkeitsüberschreitung. Er habe ihm auch angeboten, sich die ProViDa-Aufzeichnung anzusehen, wobei der Beschuldigte das alles als Blödsinn abgetan und ihm vorgeworfen habe, er würde um Mitternacht ordentliche Leute sekkieren. Er sei erst ausgestiegen, als er von ihm Pannendreieck und Verbandspaket verlangt habe. Eine weitere Teilnahme an der Amtshandlung habe er unter Hinweis auf seinen Schnupfen verweigert. Von der Kontrolle des Reservereifens sei seiner Erinnerung nach nie die Rede gewesen. Die Lenker- und Fahrzeugpapiere seien ihm in einer Mappe ausgehändigt worden und der Beschuldigte habe ihm gesagt, er solle achtgeben, daß nachher ja nichts fehle. Von Alkohol sei ebenfalls nie die Rede gewesen, aber offenbar habe der Beschuldigte gemeint, er solle möglicherweise blasen, weil er gesagt habe, er blase nur, wenn er ihm das "Kastl" herbringe. Der Meldungsleger hat außerdem angegeben, er habe bei der Anzeige keinerlei Geschwindigkeitswerte in Abzug gebracht und Zehntel- bzw Hundertstelwerte zugunsten des Beschuldigten berücksichtigt. Der Rechtsmittelwerber hat im Rahmen seiner Einvernahme ausgeführt, er könne sich erinnern, daß im Bereich der Zufahrt nach L bzw in der 100- bzw 80-km/h-Beschränkung außer seinem Fahrzeug auch noch weitere in seine Richtung unterwegs waren, glaube aber nicht, daß er im 60-km/h-Beschränkungsbereich bei der Auffahrt H tatsächlich 90 km/h gefahren sein solle. Er sei ja dann nach links gefahren über die Brücke und dort habe sich mit Sicherheit kein Fahrzeug vor ihm befunden. Es könne sein, daß er nach der Brücke die Sperrlinie im letzten Teil geringfügig überfahren habe, er wisse nicht mehr warum, aber sicher zum Überholen. Zu diesem Zeitpunkt sei dann ein Polizeifahrzeug mit Blaulicht hinter ihm gewesen, das sei aber sehr wohl durch rote Streifen und Blaulicht als solches erkennbar gewesen. Er wisse aber nicht mehr, ob es ein Mercedes gewesen sei. In diesem Bereich könne man seiner Meinung nach gar nicht 80 fahren und auch die vorgeworfenen 101 km/h seien unmöglich. Bei der Amtshandlung in der W seien zwei Beamte anwesend gewesen, die nicht die Papiere verlangt, sondern ihn zunächst grundlos rund ums Auto geschickt hätten. Erst später hätten sie die Papiere verlangt und Warndreieck und Reservereifen sehen wollen. Ihm sei dann schon gesagt worden, daß er angeblich zu schnell gefahren sein solle, aber er habe jedes weitere Gespräch abgelehnt, weil er einen großen Schnupfen gehabt habe. Die Beamten hätten sich die Daten notiert und ihm die Papiere zurückgegeben; sie seien sehr aufgebracht gewesen und es wäre fast zu einer Festnahme gekommen, den Grund dafür wisse er nicht. Er habe dann die Papiere zurückerhalten und sei weitergefahren.

Der technische Sachverständige DI H hat zur Frage der Nachvollziehbarkeit der Geschwindigkeitsangaben bzw deren Feststellung nach Durchführung eines Ortsaugenscheins zu den örtlichen Gegebenheiten der einzelnen Tatvorwürfe ausgefüht, daß unter Zugrundelegung einer in Deutschland publizierten Arbeit ein Gesamtfehler von 3 % für den eingehaltenen Nachfahrabstand in Rechnung zu stellen ist. In Deutschland sei eine Versuchsreihe mit rund 600 Einzelmessungen über das Abstandsverhalten durchgeführt und daraus aussagekräftige Informationen über die Schätzgenauigkeit von Personen abgeleitet worden. So liegen Abstandsschwankungen, den Momentanwert betrachtet, bei eingehaltenen Abständen von höchstens 100 m im Mittel bei sicher unter 15 %, bezogen auf 95 % aller Meßwerte. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hat dies auf eine Gesamtnachfahrstrecke von 1000 m einen Gesamtfehler von höchstens 3 % zur Folge. Eine Geschwindigkeitsabhängigkeit ist dabei ebensowenig erkannt worden wie eine negative Beeinflussung durch Fahrspurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeuges oder sich verändernde Fahrbahnbreiten. Darüber hinaus ist beim Verkehrsüberwachungssystem ProViDa für eine Messung über die freie Meßstrecke und einer Fahrgeschwindigkeit unter 100 km/h 5 km/h Verkehrsfehlergrenze für den geeichten Geschwindigkeitsmesser von der abgelesenen Geschwindigkeit und 1 % Sicherheitszuschlag abzuziehen (bei maximal 5 % Verkehrsfehlergrenze des angezeigten Wertes für die Eigengeschwindigkeit und 1 % Sicherheitszuschlag unter der Voraussetzung des sich vergrößernden oder höchstens gleichbleibenden Nachfahrabstandes). Als Einzeltoleranz ist mindestens zu berücksichtigen: maximal 5 km/h Verkehrsfehlergrenze bei Geschwindigkeiten unter 100 km/h für die Eigengeschwindigkeit des Verfolgers durch maximal 3 % Eichfehlergrenze und wechselnde Reifenparameter, Fahrzeugbeladung etc. Durch die Verkehrsfehlergrenze werden sämtliche mögliche Fehler des Gerätes abgedeckt, soferne am Fahrzeug die im Eichschein vorgeschriebene Bereifungsgröße aufgezogen ist, ein normaler Luftdruck und eine ausreichende Profiltiefe vorliegt. Für die Abstandsunsicherheit sind nach den neuen Erkenntnissen maximal 3 % zu berücksichtigen. Der Sachverständige hat daher im konkreten Fall bei Punkt a) von der abgelesenen Geschwindigkeit 5 km/h Verkehrsfehlergrenze und vom sich ergebenden Wert weitere 3 % für die Abstandsunsicherheit abgezogen, woraus sich eine tatsächlich vorwerfbare Geschwindigkeit von 84 km/h ergibt. Ebenso wurde in den Punkten d) und e) verfahren und ergeben sich daraus letztlich vorwerfbare Geschwindigkeiten von 75 km/h bzw 93 km/h. Der Sachverständige hat weiters ausgeführt, daß die zugrundegelegten Geschwindigkeiten auf den angeführten Wegstrecken grundsätzlich nachvollziehbar sind, wobei die angelastete Fahrgeschwindigkeit mit dem konkreten Fahrzeug auf diesem Straßenstück ohne weiteres betreibbar ist. Im Punkt d) konnte die Richtigkeit des Fliehkraft-Arguments des Rechtsmittelwerbers insofern nicht nachvollzogen werden, als für die Rampe von der A7 auf dem konkreten Stück (entsprechend den Angaben des Zeugen) ein Kurvenradius von 225 m ermittelt wurde, woraus sich mit den fahrzeugspezifischen Daten für das Tatfahrzeug bezüglich Spurweite und Schwerpunkthöhe für nassen Asphalt eine Kurvengrenzgeschwindigkeit, bei der gerade noch kein Schleudern auftritt, von 135 km/h ergibt. Die Äußerung des Beschuldigten, mit 82 km/h müsse man hier "aus der Kurve fliegen", hat der Sachverständige daher als völlig unverständlich bezeichnet. Ebenso wurde im Punkt e) ermittelt, daß das Verbindungsstück von der Rampe von der A zur W auf dem Stück entsprechend den Angaben des Zeugen annähernd gerade ist. Erst nach der Westbrücke in einer Entfernung von etwa 300 m vom Ort des letzten Tatvorwurfs beginnt eine starke Rechtskurve mit einem Radius von 45 m. Eine Kurvengrenzgeschwindigkeit bei nassem Asphalt mit dem Beschuldigtenfahrzeug würde hier 61 km/h betragen. Für diesen Bereich besteht aber kein Vorwurf, sondern dieser bezieht sich klar auf den Bereich der W, unmittelbar nach der Auffahrt von der U (Ortsgebiet). Auch in diesem Punkt konnte der Sachverständige daher die Beschuldigtenäußerung, eine solche Geschwindigkeit sei dort nicht möglich, nicht nachvollziehen.

Zu Punkt b) hat der Sachverständige ausgeführt, ein Regelsicherheitsabstand von 1,5 sec sei als ausreichend anzusehen, ein Abstand von zumindest 0,8 sec werde entsprechend der einschlägigen Fachliteratur als "kritischer" Abstand gesehen. Im konkreten Fall wäre daher ein Sicherheitsabstand von zumindest 14 m notwendig gewesen. Dabei sei eine Nachfahrdistanz von 500 m völlig ausreichend. Bei einem unvermittelten Bremsen des vorausfahrenden Fahrzeuges wäre es dem Beschuldigten somit nicht mehr möglich gewesen, ein Auffahren zu verhindern. Auf die Einvernahme des Zeugen RI S wurde vom Rechtsmittelwerber ausdrücklich verzichtet; ebenso wurde von der beantragten Durchführung eines Ortsaugenscheins ausdrücklich Abstand genommen, zumal sich ergab, daß der Amtssachverständige von sich aus einen solchen durchgeführt hatte. Bei der mündlichen Verhandlung wurden die örtlichen Gegebenheiten nach einer vom Sachverständigen abgefertigten Skizze erörtert.

Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt auf dieser Grundlage in freier Beweiswürdigung zu der Auffassung, daß die Aussagen des Meldungslegers, auch wenn zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der damals aufgenommene ProViDa-Film nicht mehr zur Verfügung stand, im Einklang mit der Anzeige, die dieser zum Inhalt seiner Aussage erhoben hat und die nach glaubwürdigen Aussagen im wesentlichen eine Wiedergabe der auf dem Videofilm erkennbaren Sachverhalte darstellt, schlüssig und nachvollziehbar sind. Die Verantwortung des Rechtsmittelwerbers, in den Punkten d) und e) seien die ihm vorgeworfenen Geschwindigkeiten wegen der dortigen Kurven nicht zu erreichen, geht insofern ins Leere, als im Punkt e) sich der Tatvorwurf auf die gerade verlaufende W bezieht und nicht auf die Kurve am Beginn der W und im Punkt d) aufgrund des schlüssigen Gutachtens von der Einhaltbarkeit der nunmehr errechneten Geschwindigkeit im Bereich der Einmündung der Rampe H/U auszugehen ist. Wenn der Rechtsmittelwerber behauptet, vor ihm habe sich bei der Einmündung der Spur LZ in die Spur LZ kein PKW befunden, zu dem er einen ungenügenden Sicherheitsabstand einhalten bzw den er dann unter Nichtbeachtung der Sperrlinie überholen hätte können, so ist dem entgegenzuhalten, daß der PKW auf dem Videofilm offenbar genau erkennbar war und überdies kein Anhaltspunkt für Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen des Meldungslegers zu finden war. Auch die Amtshandlung nach der Kreuzung W - K hat der Rechtsmittelwerber wohl etwas übertrieben dargestellt. Im übrigen ist nicht einzusehen, warum im Rahmen einer Fahrzeugkontrolle nicht auch der Reservereifen besichtigt werden sollte.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Zu den Punkten a) und d): Gemäß § 52a Z10a StVO 1960 zeigt das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, daß das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

Im gegenständlichen Fall bestand im Punkt a) eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h und im Punkt d) eine solche auf 50 km/h, die in beiden Fällen vom Rechtsmittelwerber um 24 km/h bzw 25 km/h überschritten wurden. Ein solches Verhalten stellt in beiden Fällen zweifelsfrei eine Verwaltungsübertretung dar, wobei der Rechtsmittelwerber auch nicht iSd § 5 Abs.1 VStG in der Lage war glaubhaft zu machen, daß ihn an deren Verletzung kein Verschulden trifft. Er hat daher beide ihm nunmehr in abgeschwächter Form zur Last gelegten Tatbestände erfüllt und sein Verhalten jeweils als Verwaltungsübertretung zu verantworten. Die übertretene Norm war in beiden Fällen § 52a Z10a StVO 1960; hingegen ist ein Zusammenhang mit dem im Straferkenntnis angeführten § 20 Abs.1 StVO 1960 nicht zu erkennen, zumal es sich in beiden Fällen um von denen des § 20 Abs.2 StVO abweichende erlaubte Höchstgeschwindigkeiten auf einer Autobahn handelt. Der Spruch war daher entsprechend abzuändern.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis zu 10.000 S Geldstrafe bzw im Nichteinbringungsfall bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht. Die Erstinstanz hat ein monatliches Nettoeinkommen von 10.000 S und die Sorgepflicht für die Ehegattin bei der Strafbemessung berücksichtigt und erschwerend das Vorliegen einschlägiger Vormerkungen sowie das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung, jedoch nichts als mildernd gewertet.

Der Rechtsmittelwerber weist aus den Jahren 1993 und 1994 je eine einschlägige Vormerkung auf, die straferschwerend zu berücksichtigen sind. Das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung liegt jedoch in beiden Fällen innerhalb des Rahmens für Anonymverfügungen, sodaß diesbezüglich ein Erschwerungsgrund nicht gegeben war. Aus diesem Grund ist in beiden Fällen eine Herabsetzung der Strafen gerechtfertigt. Die nunmehr verhängten Strafen entsprechen unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG sowohl dem nicht unerheblichen Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretungen, als auch sind sie den finanziellen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers angemessen. Sie liegen an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens und halten auch spezialpräventiven Überlegungen stand.

Zu Punkt b): Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird. Der Vorschrift des § 44a Z1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen zu widerlegen. Der Spruch muß aber auch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Aus diesem Grund ist die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren, wobei es nicht ausreicht, lediglich den gesetzlichen Tatbestand in den Spruch aufzunehmen, ohne das Verhalten des Rechtsmittelwerbers unter die einzelnen Tatbestandsmerkmale zu subsumieren. Es wäre im gegenständlichen Fall erforderlich gewesen, im Spruch konkret zu umschreiben, durch welches Verhalten der Rechtsmittelwerber die vorgeworfene Übertretung begangen hat, dh der konkrete Nachfahrabstand von ca 5 m unter Zugrundelegung einer Geschwindigkeit von 60 km/h wäre in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmen gewesen. Außerdem wurde auf das wesentliche Tatbestandsmerkmal des plötzlichen Abbremsens des vorderen Fahrzeuges nicht Bezug genommen und sohin dem Rechtsmittelwerber innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist kein ausreichend umschriebener Tatvorwurf gemacht. Eine Sanierung dieses Mangels ist wegen bereits eingetretener Verfolgungsverjährung nicht möglich. Es war daher gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG mit der Einstellung des Verfahrens vorzugehen. Zu Punkt c): Gemäß § 9 Abs.1 StVO 1960 dürfen Sperrlinien nicht überfahren werden. Das Beweisverfahren hat eindeutig ergeben, daß der Rechtsmittelwerber zwecks Überholen des ihm offenbar zu langsam vor ihm fahrenden PKW im Bereich der Rampe H auf Höhe des Ausfahrtswegweisers "U" die dort befindliche Sperrlinie überfahren hat. Ein solches Verhalten erfüllt jedenfalls den ihm vorgeworfenen Tatbestand, wobei auch hier der Rechtsmittelwerber nicht in der Lage war glaubhaft zu machen, daß ihn daran kein Verschulden trifft. Er hat daher auch dieses Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten. Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG sowohl dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung als auch den oben angeführten finanziellen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers entspricht, wobei diesbezüglich erschwerend oder mildernd nichts zu berücksichtigen war. Auch diese Strafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und soll den Rechtsmittelwerber in Hinkunft zur genauesten Beachtung der Bodenmarkierungen anhalten. Zu Punkt e): Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h fahren. Im gegenständlichen Fall ist auf der Grundlage des technischen Sachverständigengutachtens eine Geschwindigkeit von 93 km/h dem Tatvorwurf zugrundezulegen, sohin eine Überschreitung der im Ortsgebiet erlaubten Höchstgeschwindigkeit um immerhin 43 km/h. Auch diesbezüglich ist dem Rechtsmittelwerber eine Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens nicht gelungen, sodaß auch hier davon auszugehen war, daß der Rechtsmittelwerber den ihm zur Last gelegten Tatbestand in der nunmehr vorgeworfenen Form erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat. Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß hier als erschwerend zum einen die beiden einschlägigen Vormerkungen und zum anderen das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung, das den Schluß auf die grobe Sorglosigkeit des Rechtsmittelwerbers hinsichtlich Geschwindigkeitsbeschränkungen dieser Art durchaus zuläßt, zu berücksichtigen waren. Die Herabsetzung der Strafe war allein auf der Grundlage des nunmehrigen Tatvorwurfs gerechtfertigt, wobei aber auch hier von einem erheblichen Unrechts- und Schuldgehalt - es war jedenfalls dolus eventualis anzunehmen: Gemäß § 5 Abs.1 StGB handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet: dem Rechtsmittelwerber mußte nach Passieren der dortigen Verkehrszeichen "Ende der Autobahn" und "Ortstafel" auf Grund seiner starken Beschleunigung und der Tachoanzeige bewußt sein, daß er eine Geschwindigkeit weit über den erlaubten 50 km/h erreichte und damit eine Verwaltungsübertretung beging; trotzdem hielt er die ihm nunmehr vorgeworfene Geschwindigkeit ein. Die nunmehr verhängte, immer noch im Mittelfeld des gesetzlichen Strafrahmens liegende Strafe soll den Rechtsmittelwerber in Hinkunft dazu anhalten, Geschwindigkeitsbeschränkungen - die selbstverständlich auch in der Nacht und bei geringem Verkehrsaufkommen ihre Geltung nicht verlieren - genau zu beachten. zu II.: Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger Beschlagwortung: Plötzliches Abbremsen des Vorderfahrzeuges ist wesentliches Tatbestandsmerkmal des § 18 Abs.1 StVO - Einstellung wegen unmöglicher Sanierung (Verjährung eingetreten); Strafe 4.000 S bei Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet (50) um 43 km/h bei 2 einschlägigen Vormerkungen und Einkommen von 10.000 S gerechtfertigt.

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum